marco polo in mir

die aquavitflasche ist seit vorgestern leer, der ferienschnauz wurde gestern rasiert. und den rasen haben wr heute ebenso glatt geschnitten. denn es ist zeit, holzhausen für 2011 auf wiedersehen zu sagen – und sich auf das nächste mal zu freuen.

macopolo1die letzten tage waren warm, sehr warm. bis zu 30 grad zeigte das termometer am schatten. und doch änderte sich etwas. das licht ist fahler geworden, und der wind kräuselt die birken immer häufigen. das alles sind untrügerische zeichen, dass sich der spätsommer in holzhausen ankündigt.

auch unsere schwalben scheinen den wechsel zu merken. Sie schwirren nervöser durch die lüfte, sind weniger auf futtersuche für die jungen aus, davor halten sie ausschau nach anderen familien, die mit ihnen die grosse reise in den süden antreten werden.

das gilt ja auch für uns. in weniger als 24 stunden versammeln wird uns mit anderen auf dem flughafen – vor oslo. fragen stellen sich, zum beispiel, man im airport gardermoen etwas von der traurigkeit spürt, die das land erfasst hat, nachdem es einen teil seiner kinder verloren hat. zu gerne würde man auch wissen, ob mit der jugend 2011 eine neue generation entstehen wird, die radikaler ist, sei es in sicherheits- integrationsfragen angeht.

von der schweiz habe ich nicht viel, aber einiges via internet und die gelegentlichen mails meiner leute mitbekommen. es scheint mir, gespannte ruhe vor dem wahlherbst zu herrschen. niemand will sich zu früh exponieren oder gar vorausgaben, doch merkt man, wie die parteien in den startlöchern sitzen.

was ich mir für die kommenden monate, ging mir heute beim finalen rasenmähen durch den kopf. „nichts!“, war meine erste antwort, denn in meinem alter weiss man: gute vorsätze sind gut, doch werden sie selten eingehalten. dann viel meine innere befragung inhaltsreicher aus: mehr auf die gesundheit achten. nach dem langen winter geht es meinem linken fuss deutlicher besser, jedoch liegt mir der bauch wörtlich auf dem magen, und ich muss meine ohren kontrollieren lassen. unübersehbare stresssymptome, sagte die nette ärztin aus österreich, die ich in hier einmal aufsuchte. mehr musse haben, weniger essen, und alles ein wenig verlangsamen, empfahl sie mir. Typsisch schwedische lebensweiseheiten, dachte ich mir, und ich werden mir diesen rat zu herzen nehmen. Ein paar pfunde habe ich ja bereits abgenommen.

wenn ich mein traumbuch während den ferien durchgehen, merke ich, der jetzigen schweiz ziemlich ambivalent gegenüber zu stehen. ich brauchte gut zwei wochen, um mich zu lösen. heftig träumte ich von bern und freiburg. schlüsselfiguren waren regula stämpfli, die umtriebige kolumnistin, aber auch lukas golder, einer meiner führenden mitarbeiter. immer wieder war ich an sitzungen, wo wichtiges entschieden wurde. roger de weck, der generaldirektor der srg, und heinz däpp, der pensionierte berichterstatter aus dem bernischen grossen rat, haben mich am meisten beeindruckt. überrascht war ich, dass auch cindy craford vorkam, die einen werbejob für die angeschlagene bundesverwaltung übernehmen sollte. und selber marco polo tauchte aus seiner versenkung in venedig in meinen träumen auf.

überhaupt vieles drehte sich um bahnhöfe, zugfahren und reise in ferne länder. fast macht es den eindruck, ich bereit mich innerlich auf einen umbruch vor. königsberg, die stadt des aufklärers immanuel kant, aber auch peking, der ort des grossen aufbruchs ins 21. jahrhundert, und L.A., wo die amerikanische dekanz unveränderte ihre geniale produktionsstädte hat, würde mich reizen. vorerst bleibe ich aber auf dem bisweilen harten, immer wieder aber abwechslungsreichen boden der berner pflastersteine. ein wenig freue ich mich schon auf das leben in hinterkappelen, die arbeit in bern, zürich und st. gallen, und das stadtwandern, wo auch immer es sich ergibt.

mit gelassenheit haben wir heute gepackt. die traditionelle pizza zum frühstück am reisetag steht schon bereit, und der filter im trichter, um kaffee zu brauen, warten bereits auf seinen einsatz. bis dann feiern wir mit den kindern, die auf besuch waren, einen vorgezogenen 1. august mit feuerwerk über dem see.

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mein erstes date in bern

es war der 1. august 1980, als ich nach bern zog. die stadt war mir damals alles andere als vertraut. der grüngraugelbe sandstein der häuser prägte den ersten eindruck – und die langen, langen gassen der altstadt, die alle gleichgerichtet von osten nach westen zeigten.

stadtplanbern1_4endlich hatte ich nach einigen wochen auch mein erstes date. eine nette kollegin, die ich seit dem gymnasium nicht mehr gesehen hatte, erwartete mich in der aarbergergasse. ich freute mich, putzte mich ein wenig heraus und ging erwartungsfroh in die stadt.

doch um himmels willen, welches war denn nun die aarbergergasse? – die in der mitte? die im süden? oder die im norden? schlimmer noch, ich wusste nicht einmal wo norden und süden war. denn alle sahen sie gleich aus, eng, verwinkelt, fast so wie in einer orientalischen stadt!

so wartete ich – an der falschen kreuzung. eine viertelstunde. eine halbe stunde. eine ganze stunde! bis ich merkte, dass ich gar nicht am abgemachten treffpunkt stand, die falsche strasse erwischt hatte, und mein date schon längst verspielt war.

damals gab es noch keine handies, über die man sich hätte verständigen können. es gab nur ein leicht vorwurfsvolles telefonat, spät abends, wo ich denn geblieben sei, die enttäuschung sei gross gewesen, und ich müsste mir nun schon was spezielles einfallen lassen, dass es zu einer weiteren verabredung komme.

der banause, der ich damals war, entschied sich: entweder die stadt umgehend zu verlassen, oder aber sie kennen zu lernen. ich entschied mich zu letzteren. nach vielen jahren des unbewussten bewohnens von bern begann ich mich auch aufzumachen, die stadt bern bewusst zu entdecken, unter anderem deshalb, dass ich nie mehr ein date verpassen würde.

mehr über diese und andere geschichten in bern gibt es auf der neuen website “bern – der film” zu sehen, die der berner filmemacher daniel bodenmann mit seinem team gemacht hat, um auf die spezialitäten der bärenstadt und ihres bärenparkes aufmerksam zu machen.

es berichten der stadtpräsident alexander tschäppät, barbara hayoz, reto nause, bernd schildger, urs berger, heinz stämpfli, walter bosshard über ihr gänz besonderes bern, genauso wie der

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wie ich zum blogger wurde

ich war heute in luzern am “maz . die schweizer journalistenschule” eingeladen, um als fallbeispiel im kurs von marcel bernet zu dialogischer kommunikation mit internet über meine blogger-erfahrungen zu berichten. peter hogenkamp, der profi vom blogwerk, und christian schenkel, edemokrat und zuständig für die interne kommunikation bei der post, waren die anderen referenten.

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marcel bernet bin ich heute erstmals persönlich begegnet. virtuell sind wir fast schon so was wie alte bekannte. 2006, als ich eben mit dem bloggen angefangen hatte, recherchierte ich auf dem blogverzeichnis “slug” häufig zu “bern” und stiess als erstes immer auf die in mit blogbeiträgen omnipräsente pr-agentur “bernet”. den weg zu diesem zürcher experten ebnete mir sein gut verständlich geschriebenes buch über die online-kommunikation, das ich schon mal besprach und das mich in der folge immer wieder begleitete.

heute weiss ich um die bedeutung von blogs zur identitätsbildung im internet. mein google-verzeichnis, eine art fortlaufend aufdatierter biografie der präsenz im www wird durch meine website, meine blogs, andere blogs und websites bestimmt, in denen ich mich selbst- und fremdbestimmt durchaus wiederfinde.

das war vor meiner zeit als blogger immer weniger der fall, nicht zuletzt weil meine medienpräsenz zwischen 1992 und 2007 zu zahlreichen porträts in zeitungen und zeitschriften führten, die sich immer mehr glichen. denn sie entstanden immer mehr aus dem archiv, bis zum ziemlich unrühmlichen höhepunkt beim beitrag von constantin seibt, leider auch dozent am maz, der mich im tagesanzeiger recht leidenschaftlich beschrieb, ohne je ein wort mit mir gewechselt zu haben. wenn das bei einer sache geschieht, ist es ja noch verständlich, beim einem porträt eines menschen sträuben sich mir da indessen die haare.

nicht direkt gesprochen habe ich ja bis jetzt auch mit marcel bernet. anders als den heckenschützenporträtisten verdanke ich ihm allerdings, dass er meine vorerst recht naive neugier, lustvoll eine neue form der kommunikation auszuprobieren, mit seinem wissen in systematische überlegungen und, so denke ich, auch ganz passabel erfolgreiche bahnen gelenkt hat.

merci, marcel!

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nun bin ich bürger von assens

mein heimatort malapalud in der waadt hat am 1. januar 2009 mit der nachbargemeinde fusioniert. nun bin ich bürger von assens, auch wenn ich das bis heute mir keinen schriftlichen dokument bestätigt erhalten habe. doch das macht nichts, denn im gros-de-vaud funktioniert die kleine welt bis in die heutigen tage weitgehend auf mündlicher überlieferung.


die alte kirche von assens, vormals für die katholiken, heute für die reformierten.

in assens war ich nur zweimal in meinem leben. einen bleibenden eindruck habe ich dennoch mitgenommen. das dorf ausserhalb von echallens hat keine 1000 einwohnerInnen, eine beiz, aber zwei kirchen! das reizt zu nachfragen.

1978 habe ich während meinen recherchen für die familiengeschichte im pfarrhaus in assens übernachtet. keine geld dürfe ich dafür bezahlen, bedeutete mir die verwalterin. der student, der ich damals noch war, zeigte sich hoch erfreut, aber auch interessiert, wieso dem so sei. der herr pfarrer habe mal flüchtlinge aufgenommen, und fünf franken pro tag verlangt. das geld habe er dann dem staat, sprich dem kanton waadt, nicht abgegeben. dem aber gehöre das pfarrhaus, was den skandal auslöste.

natürlich hatte das ganze einen konfessionellen hintergrund. der pfarrer war katholisch. in der umgebung echallens ist das nichts besonderes, denn ein erheblicher teil der bevölkerung hat die reformation nie angenommen. der kanton waadt aber ist seit 1803 ein ausgesprochen reformiert ausgerichteter kanton. und der mochte es dem mieter-pfarrer nicht gönnen, dass er für seine umtriebe geld nahm.

angefangen hatte das zerwürfnis der konfessionsgemeinschaften in assens mit der reformation. 1536 offiziell von der berner herrschaft eingeführt, fand sie vorerst nur bei den bürgern in lausanne unterstützung. die traditionelle bauerngesellschaft auf dem land lehnte sie ab. der erster reformierte pfarrherr in assens wurde erst 1585 eingesetzt. offiziell hielt er nun den reformierten culte ab, die katholische messe wurde aber im geheimen weiter gefeiert.

1619 entschied sich die gemeinde, einen paritätischen vorstand anzunehmen. reformierte und katholiken waren nun gleichberechtigte “parteien”. je 6 mitglieder stellten sie in der gemeindeadministration. die kirche saint-germain, schon 1228 als teil des bistums lausanne erwähnt, wurde in der folge abwechslungsweise von reformierten und katholiken gemeinsam besucht.

dieses unikum auf dem plateau war selbst in lausanne bekannt. als der junge jean-jacques rousseau, aus reformiertem haus, selber aber zum katholizismus übergetreten, um 1730 vorübergehend in lausanne lebte, besuchte er die sonntägliche messe seines glaubens jeweils in assens!

der religionsfriede in der kleinen waadtländergemeinde wurde 1803 mit der kantonsgründung aufgekündigt. die kirche, das pfarrhaus und der garten rund herum gingen an der neu gegründeten canton. die katholiken in assens gerieten in die defensive.

wie ich beim meinem besuch in assens erfuhr, setzten die katholiken in der disaspora voll und ganz auf die unterstützung ihrer sache durch rom. aus dem zentrum der katholischen welt erbettelten sie eine spende, um eine eigene kirche als ersatz für die verloren gegangene bauen zu können. dieses werk vollendete man in der 400 seelen-gemeinde 1845, just als die radikalen der waadt den kampf der kulturen auf ihre spitze trieben.

für ein wohnhaus neben der kirche reichte das geld indessen nicht. deshalb haust(e) der katholische pfarrer jeweils im reformierten pfarrhaus. als es ihn noch gab. denn heute hat die katholische kirche assens, wie überall, nachwuchsprobleme …

die verbliebene verwalterin, selber katholisch, bewirtete mich bei meinem besuch vorzüglich. nur am ersten tag war sie gegenüber dem fremden aus der deutschschweiz zurückhaltend. danach taute sie auf, und erzählte mir unmengen von geschichten über meine vorfahren …

ganz unbekannt sind wir in unserer neuen heimatgemeinde also nicht.

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den pass abgeben

ich habe meinen schweizer pass abgegeben. den alten wenigstens. und einen neuen bekommen, den amerika-tauglichen biometrischen. allerdings nicht ohne umstände!

kernstück des neuen passes ist die biometrisch geeignete passfoto. wenn sie im erfassungszentrum (in bern) gemacht wird, schaut man in einen spiegel, der kopfhaltung und augenposition vorgibt. denn das garantiert, dass die alles entscheidende iris meiner augen ins richtige licht gerückt wird.

um diese neuartige foto zu erhalten, muss man vorerst eine normale passfoto von sich selber machen lassen. am besten bei der einwohnerkontrolle der wohngemeinde. denn nur diese stellt das passgesuch mit allen formalitäten an das regionale erfassungszentrum aus. dort muss man sich jedoch selbständig melden, wenn man behandelt werden will. und eine kontrolle über sich ergehen lassen, ob man in der wohngemeinde vorkontrolliert worden ist.

in meinem fall ging das schlecht aus, denn meine wohngemeinde hatte mich unter einer falschen nummer registrieren lassen. und so wollte man mich im erfassungszentrum vorerst nicht fotografieren.

warum es zu diesem fehlermeldung kam, weiss ich nicht. dafür ist mir unvergesslich, welcher streit zwischen mir und meiner gemeinde dem ganzen vorausgegangen war. denn die wohngemeinde hatte darauf bestanden, meinen alten pass in wohlen entwerten zu lassen, obwohl man den neuen pass nur in bern beziehen kann. da ich mich schlicht weigerte, abschliessend noch einmal vor der einwohnerkontrolle wohlens zu erscheinen, schlug man mir vor, meinen pass sofort entwerten zu lassen. allerdings entnahm ich dem ausgehändigten formular, das man mir ausgehändigt hatte, dass ich keinen anspruch habe, vor 30 arbeitstagen den neuen pass zu erhalten.

also hätte ich meinen schweizer reisepass effektiv abgegeben!

meinen verweis, dass ich dann eigentlich passloser bürger der schweiz, des kantons bern und der gemeinde wohlen gewesen wäre, der vielerorts gar nicht hätte einreisen können, konnterte man in wohlen mit dem vorschlag, ich könnte, nun wiederum in bern, für diese einen notpass beantragen gehen.

meine grimasse verriet ganz offenbar, dass ich demnächst mit oder ohne pass abheben würde, sodass man sich stillschweigend darauf einigte, per fax ein gesuch von wohlen nach bern, von der gemeinde an den kanton, von der einwohnerkontrolle an die erfassungsstelle zu senden, mit der höflichst-untertänigen bitte, meinen pass, ausnahmeweise!, im berner erfassungszentrum zu entwerten.

was schliesslich auch anstandslos geschah, als man mein falsch gemeldete erfassungsnummer korrigiert hatte, ich in bern erschienen war, mich hatte fötelen und biometrisch registrieren lassen, und 7 tage auf die ausstellung des so heiss begehrten neuen dokumentes gewartet hatte!

so sieht mein alter pass nun wie eine kreuzung aus emmentaler- und edamerkäse aus: aussen rot, innen gelöchert. der rest vergelbt!

ich wiederum sehe im neuen pass so schrecklich wie noch nie in einem pass aus. farblos war man ja schon immer in amtlichen dokumenten. neuerdings bin ich aber auch ganz falsch belichtet abgelegt, und habe ich wegen der verlangten augenpositionen einen ganz steifen blick. im vorauseinlenden gehorsam ist mir dabei das lachen vergangen …

ich habe zwar meine reisefreiheit wieder! ich bin um 260 franken ärmer, aber um eine grenzerfahrung reicher. doch repräsentiere ich ab sofort für alle grenzbeamtInnen jene spezies schweizerInnen, die so lange wie ein tölpel behandelt wurden, bis sie unweigerlich auch so aussehen!

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der ursprung der geschichte

alter ego

das andere ich in sich erfährt man erst, wenn man seine normale umgebung verlässt.

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nein, nein, zum ralleyfahren bin ich in schweden nicht geworden, zum autofahrer aber schon (foto: stadtwanderer) 

nach schweden zu gehen, ist zu allererst eine kulturelle erfahrung. man wechselt ja nicht von einer gewohnten in eine ungewohnte umgebung. das ginge ja noch, zumal in vielen teilen der schweizerischen wie auch der schwedischen kultur germanische elemente spuerbar sind. nach schweden aufs land zu gehen, ist vor allem ein gewaltiger zeitsprung, quasi eine reise in die anfänge der zivilisation.

die ersten 10 tage in den ferien sind der desozialisation gewidmet: man vergisst die erwartungen der gesellschaft sehr schnell, setzt sich selber normen, und vor allem sucht man seinen eigenen, natuerlichen rhythmus. du schläfst solange es nötig ist, du isst dann, wenn du hunger hast, und du sprichst nur dann, wenn es leute hat. und das ist eher selten.
also ist man, ohne narzistisch zu sein, stark auf sich konzentriert.

doch nicht nur das “ego” interessiert. man entdeckt so sein alter ego, das andere ich, das im sog. normalfall kaum platz hat, verdraengt wird oder abgespalten von einem weiter lebt!

meine diesjährige erfahrung mit dem alter ego betrifft das autofahren. in der schweiz bin ich fast 30 jahre nicht mehr hinter dem steuerrad gesessen. meine vagen erinnerungen reichen in die späten 70er des 20. jahrhunderts im vorringen jahrtausend zurueck …
selber habe ich mir immer eingeredet, ich könne das nicht (mehr), schlafe viel zu einfach ein, um auto zu fahren, das sei zu gefährlich, und natuerlich verschmutze man dabei die umwelt unnötig.

hier, wo die distanzen ganz anders und die angebote des oeffentlichen verkehrs auf dem lande unvergleichlich schlechter sind, muss man sich fast zwangsläufig umbesinnen. man hat letztlich keine frei wahl!

und siehe da: nun sitze ich wieder im auto, drehe den zuendschluessel, lege gänge ein, gebe gas und rudere mit dem steuerrad durch die gegend, wie wenn nie etwas dazwischen gewesen wäre …

ach, selbstverständlich bin nicht ich das, der auto fährt, sondern mein alter ego!

hej då

stadtwanderer

apropos “longchamp”

kate.gifnein, nein, viel zu tun habe ich mit den luxusriösen ledertaschen, die unter dem label “longchamp” verkauft werden, nicht.

eines jedoch ist auffällig: mein bürgerlicher nachname, der offensichtlich französisch ist, schreibt sich – d’après le bon français – falsch. denn longchamp, herleitet vom langen feld, hätte auf französische zwangsläufig ein “s” am schluss.

so liegt die vermutung nahe, alle longchamps würden eine grosse sippe bilden; speziell

. die gründer der französische lederwaren-firma “Longchamp”,
. die erfinder des schicken cabrio-fahrzeugs “De Tomaso Longchamp“,
. die eigner des früheren klosters resp. der heutigen pferderennen auf der “Longchamp” in Paris,
. die erbauer des “Palais Longchamp” in marseille
. der zeitweilige kanzler des englischen königs richard I, “William Longchamp”,
. der zeitgenössischen französischen schriftstellers “Philipp Longchamp“,
resp. die ersten siedler der ortschaften Longchamp, Côte-d’Or, Longchamp, Haute-Marne, Longchamp, Vosges, Longchamp-sous-Châtenois oder Longchamp-sur-Aujon.

doch das bleibt reine spekulation! am sichersten ist, dass unser “longchamp” ein flurname ausserhalb von echallens ist, wo meine vorfahren an den entsumpfungen der felder teilnahmen, um sie danach selber zu bewirtschaften.

mein grossvater väterlicherseits strickte übrigens noch an einer direkte linie zwischen dem hippodrom in paris und unserer familie. die söldner unter unseren vorfahren, welche die berner patrizier dem französischen könig nach paris verkauften, brachten ihn auf die idee. meine diesbezüglichen recherchen blieben aber jämmerlich im dickicht des bois de boulogne stecken.

selber würde ich eher eine verbindung mit dem lederwaren-geschäft aus der grossartigen loire-gegend vorziehen. seit 1970 expandiert diese label für ledertaschen rund um den globus, sodass das englische supermodel kate moss es seit längerem bewirbt. doch auch die recherchen, um eine verbindung zur besitzerfamilie cassegrain aufzubauen, verliefen bisher im irgendwo der virtuellen welt.

bleibt mir nur eins: zu hoffen, dass ich bald auf google-deutsch vor den leder-heinis rangiere, und der ganze traffic auf internet nicht Philippe Cassegrain, der nummer 322 unter den reichen frankreich, sondern mir zugute kommt!

stadtwanderer

foto: fashion mongolia

als ich ein schwarzes schaf war

es ist der 3. oktober 2007. der tag, an dem die sondersession der eidgenössischen räte zum gpk-bericht stattfindet. 4 wochen hat uns das thema in atem gehalten; 4 wochen des wahlkampfes hat es hat es besetzt gehalten; 4 wochen hat es emotionalisiert und auch mich politisiert.

wie fast jeden morgen mache ich mich auf den weg in die stadt. es geht, vom berg, wo ich wohne, hinunter an die aare. zu den schafen. denn ihnen gegenüber hält das postauto.


die ersten lebewesen am morgen des 3. oktober 2007 (foto: stadtwanderer, anklickbar)

die schafe! wie haben sie uns nur beschäftigt. die uno-menschenrechtskommission hat verlangt, das svp-plakat zu entfernen. entrüstet hat man sich bei den nationalkonservativen: “wehret dem feind!”, hat man gerufen; und dennoch waren sie auffällig schnell verschwunden.

die schafe vor mir sind gottseidank alle weiss. keines ist schwarz. keines gibt anlass zu spekulationen, was man damit alles meinen könnte: einfach verbrecher? oder gar verbrecher mit einer bestimmten hautfarbe? – auf jeden sollte man sie bannen, sich rein halten, gegenüber den andersartigen, war jüngst der tenor!

“ich war hier das schwarze schaf; doch jetzt werde ich weiss und brav!”, schrieb ich bei meiner matur in mein notizbuch, als ich auf meine gymnasiumszeit zurückschaute. sie hat mir den zugang zum studium gebracht; darüber bin ich froh. aber sie hat mir schlecht getan. denn ich habe drastisch erlebt, was es heisst, nicht dazu zu gehören, ausgeschlossen zu werden.

ich war redaktor der schülerzeitung, der inoffiziellen: “zeus” hiess sie, so wie der göttervater der griechen. die offizielle hiess “puma”, politisch unabhängige mittelschüler aarau. die trug auf ihre weise etwas zur politischen bildung bei. sie erklärte uns begriffe wie amerikanismus, antikommunismus, antitotalitarismus. doch wurde man den verdacht nicht los, das, was sie schriebe, sei anti-kommunistisch und pro-amerikanisch und selber totalitär.

ich kannte die texte, die man ohne quellenangabe abgedruckt – und manipuliert – hatte. ich veröffentlichte in unserer schülerzeitschrift, was man gestrichen hatte. ich wollte zeigen, wie man aus lexikonerklärungen durch weglassungen politische kampfbegriffe geschaffen hatte.

das hat man mir in der schulleitung, in bürgerlichen politikerkreisen, bei meinen konservativen kommilitonen dauerhaft übel genommen. als gebildet-gefährlich galt ich hinfort; als belesen-bewaffnet, kam ich den andern jetzt vor.

und sie haben mich ausgegrenzt und observiert. bis ganz hinauf, selbst der selbsternannte staatschützer ernst cincera beschäftigte sich mit mir.

seither weiss ich, wie fein die mechanismus beginnen, die zum ausschluss aus der gesellschaft führen. und seither weiss ich auch, dass schwarze schafe im übertragenenen sinne nicht einfach schwarz geboren werden, sondern zu solche werden. da ist aktio und reaktio gleichermassen beteiligt.

ohne ihre vertreiber gibt es keine schwarzen schafe an sich. —

ich schiesse noch rasch ein bild, – von meinen unschuldigen weissen schafen, die, hungrig wie sie jeden morgen sind, am liebsten über den hag fressen. sollen sie doch!

dann kommt das poschi, das mich in die stadt fährt. kein mensch spricht heute mit mir über die schafe. niemand interessiert sich für meine deutung: rassistisch ist das plakat der svp nicht per se, der national-konservative charakter der restauration spricht aber aus ihnen. die errungenschaften des rechtsdenkens, das mit der französischen revolution entstanden ist, sind so bedroht!

was ich von der debatte zum “geheimplan gegen blocher” erwarte, werde ich dafür gefragt. ich antworte: da sind die rollen der treiber, getriebenen, selbsttreibenden und selbstgetrieben so verteilt, das wohl noch über den tag hinaus eine breite grauzone der interpretationen bleiben wird.

stadtwanderer

war sind die longchamps katholisch?

der heimatort der familie longchamp ist malapalud, – ein verträumtes nest, mitten in der waadt. unter bernischer herrschaft (1536 bis1798) gehörte malapalud zu echallens. zwischen 1476 und 1536 war echallens eine bernisch-freiburgische vogtei („gemein(sam)e herrschaft“). 1475 war es durch bernische truppen erobert und im zentrum arg zerstört worden. vor 1475 war man in echallens burgundisch, gehörte den grafen von chalons, die sich ab 1407 über den jura hin ausdehnten. denn man strebte nach oberitalien, und der weg über den jura führt schnurgerade über echallens.

die katholische kirche war damals in einem fürchterlichen zustand. den papst in rom gab es seit 1307 nicht mehr, als bonifatius VIII. nach der ganzen macht in europa gegriffen hatte und einem attentat zum opfer gefallen war. der neue papst wohnte danach in französischer obhut im südburgundischen avignon. die grosse pest von 1347 tat das ihrige, denn die vielen toten liessen den glauben in die schutzmächte aller art schwinden. und als der papst von avignon 1378 wieder nach rom ging, kam es zu eklat: der genfer graf wurde zum gegenpapst und ging seinerseits wieder nach avignon, – und die christenheit war ab jetzt zerrissen zwischen der französischen und der deutschen variante der katholischen kirche. bis 1417 dauerte die spaltung, das grosse abendländische schisma der katholischen kirche, und das kirchenleben zerfiel in dieser Zeit vielerorts. Vollends verwirrlich wurde die situation 1439, als man den damaligen herzog von savoyen, amadeus VIII., ein vater vieler Kinder, in basel zum gegenpapst Felix V. kürte. glücklich wurde dadurch niemand!

eern eroberte 1475 gemeinsam mit freiburg das burgundische echallens. ss ein präventivschlag, wollte man doch dem drohenden karl dem kühnen seine bastion in der waadt wegnehmen. im grossen burgunderkrieg schlugen die vereinten eidgenossen den burgunder herzog in grandson und murten. 1477 starb er in der schlacht von nancy, und burgund kam per erbschaft ans haus habsburg. erzherzog maximilian hatte noch rechtzeitig marie von burgund, die tochter des kühnen, geheiratet. bern und freiburg, welche die ganze Waadt erobert hatten, durften diese jedoch nicht behalten, doch die savoyische herrschaft, die danach entstand, war eher formeller natur. 1536, als bern und freiburg unter oberst jean-françois naegeli mit segen von francois I. in den französisch-habsburgischen krieg eingriffen und die savoyische waadt besetzten, leistete diese kaum mehr widerstand.

doch es machte einen grossen Unterschied, ob man 1475 oder 1536 von bern und freiburg erobert worden war. die waadt wurde reformiert, mit ausnahme der vogteien, die bern und freiburg direkt aus den burgunder-kriegen behalten hatten. in diesen war es 1532, als sich reformierte und katholiken im zürcherischen kappel die köpfe einschlugen und die katholiken die oberhand behielten, folgendes beschlossen worden: die Untertanengebiete, die von mehreren eidgenössischen orten gemeinsam regiert werden, können selber bestimmen, welcher konfession sie angehören wollen. und so entschied man sich in echallens, katholisch zu bleiben, das heisst unvermindert zum (letzten) bischof von lausanne, sébastien de montfalcon, zu gehören. diesen gab es kurz darauf nicht mehr, am 21. März 1536 verliess er seinen sitz st. maire in lausanne, und er kehrte nie mehr dorthin zurück.

so blieben die leute von echallens katholisch. auch die leute von malapalud, die von echallens abhingen. und so auch die longchamps. eigentlich sind wir also unvermindert katholische burgunder! genauso wie adrian von bubenberg, vor meinem büro! habe selber 47 Jahre gebraucht, und zu verstehen, warum meine familie katholisch (geblieben) ist, obwohl wir waadtländer sind.

werde möglicherweise noch 47 brauchen, um zu verstehen, warum ich katholisch (geblieben) bin, obwohl ich in bern lebe. a suivre, à l’an 2053!