“mama, wär’ ich doch nur auch ein touristenkind!” (brenner geschichten 5)

ein land ist entstanden, das sich erfolgreich inszeniert. das ist der satz aus dem meraner touriseum, der mir bis jetzt geblieben ist. mir gutem grund: denn das touristenmuseum zeigt beispielhaft, wie man tourismusgeschichte verständlich machen . für das eigene land werbung betreiben kann, und dennoch raum genug ist, um eine persönliche note entstehen zu lassen!

sehnsuchtin der ausstellung beginnt alles mit grössen der europäischen geistesgeschichte wie jean-jacques rousseau und albrecht von haller, welche im 18. jahrhhundert angesichts der veränderungen in wirtschaftszentren die unveränderten schönheiten der natur entdeckten und das leben in den alpen priesen. ihnen folgten englische und deutsche schriftsteller, die mit ihren beschreibungen der bergvölker romantischer sehnsüchte verläufern der reiseführer wurden.

hoehepunktrichtig in schwung kam der tourismus im tirol dank der eisenbahn in den 1860er jahren. die katholischen geistlichen sahen angesichts der fremden den untergang des landes voraus, doch ihre kirchgängerInnen faszinierte der dienst für eben diese fremden, die berge bestiegen oder dem luxus fröhnten, und die in der reichlich arbeit in die gegend brachten.

kriegder ausbruch des ersten weltkrieges beendete die belle epoque. am brenner wurde gekämpft, schliesslich kam der südliche teil des tirols nach der niederland von österreich-ungarn zu italien. visitate l’alto adige – besucht das südtirol tönte es jetzt bis ganz in den süden der halbinsel. bergesteigen à la deutschland und skifahren à la italienne werden nun kult.

freiheitder zweite weltkrieg unterbricht die tourismusentwicklung erneut, befördert aber mit seinem ende auch den freiheitsdrang. das wirtschaftswunder macht den tourismus in allen schichten populär. ein hauch des südens kann man jetzt in den dolomiten geniessen. der aufschwung erfasst nun auch die einheimische bevölkerung, die ihre heimat zu verkaufen beginnt. die automobile kommen von überall her, nach den anschlägen gegen italien aber zunehmend aus deutschland und der schweiz.

tourismusdie 70er und 80er jahre bringen eine art goldrausch ins südtirol. bauernhöfe werden zu bettenburgen, stille dörfer zu touristenzentren, und lauschige bergtäler, die rousseau und haller so fasziniert hatten werden mit autobahnen und zufahrtsstrassen zugestopft, sodass man sich im südtirol erneut an individuellen entdeckungen der verbliebenen natur zu freuen beginnt.

in 20 einfach und eindrücklich gestalteten räumen zeichnet das meraner touriseum diese entwicklung auf einzigartiger weise nach, sodass man sich in vielem wiederfindet. denn einiges ist eine allgemeine geschichte des tourismus alpengebiet, und anderes lässt erinnerungen an meine ersten ferien als bub in den dolomiten wieder wach werden. joseph rohner, chefhistoriker im museum, der meinen jahrgang hat, erinnert sich im gespräch an die gleiche zeit, wenn auch mit umgekehrten vorzeichen. seiner im sommer mit touristenkindern viel beschäftigten mutter soll er einmal gesagt haben: “mama, wär’ ich doch nur auch ein touristenkind!”

ich hoffe, ich war nur jetzt, nicht damals, in seinem hause gast …

stadtwanderer

cafe central (brenner geschichten 4)

es ist einer der schönsten momente unserer reise. dem wiener schnitzel sei dank!

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das cafe central in innsbruck von aussen her gesehen (foto: stadtwanderer)

unserem tisch gegenüber sitzen ein mann und eine frau. sie könnte seine mutter sein. und er ist auch schon um die 60. beide sind vom leben gekennzeichnet. es hatte sicher nicht nur sonnenseiten.

im innsbrucker “cafe central” haben aber alle platz. der raum ist hoch und gross. die drehtüre bringt eine beschwingte stimmung in den saal. jedermann und jedefrau sitzen hier. junge, alte, geschniegelte und bäuerliche, solche mit und ohne arbeit.

man sieht sich im “central”, das ein wenig wiener embiente ins tirol zaubert. oder man liesst in einer zeitungen und in einem buch. vereinzelte sitzen auch einfach da, um zu meditieren. gottseidank, kommuniziert nur selten ein jungmanager per handy mit seiner zentrale.

die meisten menschen sind hier, um sich zu stärken, geniessen ihre mélange oder schlürfen die tagessuppe. unsere tischnachbarn auch. doch für sie soll das essen zum eigentlichen festmahl werden. es sieht nach einladung aus, wer weiss, vielleicht hat sie ihren 80. geburtstag.

als der service zu zweit kommt, um die beiden wiener schnitzel zu präsentieren, löst sich die anspannung, die ihr gesicht kennzeichnete. ein schub der freude durchfährt es. sie lächeln, schauen sich erwartungsfroh an, greifen zum bier, um sich zuzuprosten, bevor sich ihre blicke ganz und gar in der unenedlichen weite des schnitzeltellers verlieren.

wohl bekomm’s!, sagt sich der

stadtwanderer

der sinnlosigkeit sinn abgewinnen (brenner geschichten 3)

wie gross das trauma am kaiserlichen hof in wien über kaiser napoléons einfall ins reich an der donau gewesen sein musste, kann man am besten am brenner ermessen. denn wer von süden her die lange rampe bis zur passhöhe nimmt, gerät unmittelbar nach brixen, aber vor dem sattel, der nach innsbruck weist, auf die franzensfeste.

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luftaufnahme der gigantischen franzensfeste am brenner, wo die südtiroler landesausstellung “labyrinth freiheit” demnächst eröffnet wird.

ein gigantischer mauerbau sperrt das tal. obere, mittlere und untere festung sind mit treppen durch das alpengestein verbunden. schwere quader aus granit verriegeln die zwischenräume, sodass der schutzschild gegen eindringlige perfekt ist.

benannt ist die festung nach dem österreischischen kaiser franz, der sie geplant und in auftrag gegeben hatte. doch 1838, als man unter kaiser ferdinand mit dem monumentalen bau fertig war, brauchte man ihn nicht mehr.

zwar haben soldaten hier in den schlafsälen geruht. munition wurde in den unendlichen kellerräumen gelagert. doch gekämpft wurde an der franzensfeste bisher nie. einzig mussolinis faschisten nutzten die festung, die ihnen 1919 mit dem südtirol zugefallen war, um im zweiten weltkrieg das gold ihrer staatsbank hier einzumauern. doch auch das blieb nicht von dauer, denn die amerikaner kannten die pläne der italiener und fanden den staatsschatz im alpengemäuer.

der phänomenalen sinnlosigkeit am fusse des brenner endlich sinn abzugewinnen, ist die aufgabe, welche sich die landesausstellung des südtirols 2009 stellt. ein einheimisches team aus architekten und ausstellungsmachern hat vor zwei jahren den diesbezüglichen wettbewerb gewonnen. seither wird in der franzensfeste wieder geplant und gebaut.

christian schwienbacher, einer der promotoren der landesausstellung empfängt uns auf dem paradeplatzh von damals, der heute als parkplatz arbeiter an der expositon dient. “kunst, geschichten und objekte aus dem alltag”, sagt er, sollen hier einzug erhalten und aus dem leben der südtiroler erzählen. “labyrinth freiheit” heisst die ausstellung, die in vierzehn tagen eröffnet wird. sprache, mobilität, gesellschaft, gefängnis, wissen, glaube, kunst und religion sind die themen in den 86 räumen der festung. 50 einheimische und ausländische aussteller sind eingeladen wirden, profis und laien sind darunter, denn man will mit den 200 eponanten, die hier den ganzen sommer hindurch gezeiogt werden sollen, alle menschen aus dem südtirol und rund herum ansprechen.

die führung, dioe wir mit dem kurator geniessen, ist einmalig. denn noch fast keiner der ausstellungsgegenstände ist da und aufgebaut. doch bekommen wir keinen rundgang durch die leere. denn christian schwienbacher weiht uns in seinen perfekten plan für die ausstellung ein. in jeden raum zaubert ein eine idee des gegenstandes, der hier bald stehen wird, weiht uns ein, in den bezug zur generellen thematik, und entwirft so eine potpurri der freiheit ganz besonderer art.

nach zwei stunden virtueller führung in der alpenrealität, fragt er schüchtern, ob wir genug hätten. nein antworten wird einhellig, wir wollen alles sehen, uns nichts engehen lassen.

am ende haben wir doch fast gar nichts zur schau gestellt bekommen, aber einen eindruck davon gewonnen wir man 171 jahre nach fertigstellung der franzensfeste versucht ihr, der gigangtischen sinnlosigkeit einen zweck anzuringen, der dem bau endlich sinn verleiht.

labyrinth freiheit, ein thema das schweizer und schweizerinnen sehr wohl kennen, ist mit sicherheit ein besuch wert.

stadtwanderer

verschiedenartige rauchzeichen (brenner geschichten 2)

wer zwischen nord- und südtirol pendelt, erlebt auf knappem raum, wie sich verschiedene praktiken der rauchverbote auswirken.

im südtirol ist man strikte. das italienische rauchverbot gilt hier in allen restaurants einheitlich. wo speis und trank ausgeschöpft wird, darf man nicht mehr rauchen.

unsere gesprächspartnerInnen im südtirol sind alle froh, dass das rauchverbot hart durchgesetzt wurde. wer raucht, geht hinaus, an treffpunkte auf dem trottoir mit aschenbacher, allenfalls auch mit regen- oder sonnenschirm. wer isst und trinkt, will keine rauchschwaden über dem teller oder becher, will abends nicht stinken, und will des passivrauchens wegen nicht an lungenkrebs sterben.

im nordtirol ist alles ganz anders. zwar gibt es auch in österreich ein rauchverbot. doch sind die übergangsbestimmungen anhaltend, und die ausnahmemöglichkeiten sind zahlreich. in kleinen lokalen entscheidet der wirt selber, in grossen reicht es, untertrennte räume anzubieten.

möchte man während dem essen vom rauch des nachbarn ungestört sein, riskiert man bemerkungen oder böse blicke. wohlfühlargumente ziehen nicht, nicht einmal gesundheitsargumente ziehen. die gastwirte halten sich zurück, wenn es um mahnungen oder hinweise geht. und auch gastleute äussern sich selten kritisch mit dem stand der dinge. es macht den anschein, dass man mit den stand des vollzugs des rauchverbots nicht unglücklich ist.

ich weiss nicht, woran der unterschied liegt. nord- und südtirol liegen unverändert nahe beisammen. es trennt sie nur der brennersattel. doch richtet sich die bevölkerung ganz anders aus. und lebt sie zwischenzeitlich in unterschiedlichen verhältnissen. dominiert das ländliche in den alpentälern des nordens, breitet sich das urbane in den ebenen des südens aus. fragen der lebensqualität werden so anders beantwortet, und auch das gesundheitsbewusstsein ist unterschiedlich entwickelt.

und die schweiz. eine einheitlich regelung hat sie nur in zügen fertig gebracht. ansonsten regelt sie das problem föderalististisch. bern soll am 1. juli 2009 ganz zu rauchfreien gasthäusern übergeben. ausser, sehe ich rauchzeichen von der anderen seite des arlberges, dass die berner wirte das beschlossene rauchverbot vor bundesgericht anfechten wollen …

stadtwanderer

der tragische held (brenner geschichten 1)

ein wenig beeindruckt war ich schon, als wir im passeiertal ankamen und vor dem sandhof standen, dem damaligen hauptsitz der tirolischen opposition gegen die napoléonische welt. doch kann ich sagen, ich wurde angenehm überrascht, wie man mit der 200 jahre alten geschichte um den volkshelden andreas hofer neuerdings selbst im museum in seinem wohnhaus umgeht.

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sandhof, wo andreas hofer wirts- und gutsherr war (foto: stadtwanderer)

im haus von andreas und anna hofer spürt man schnell, nicht im frühen 19. jahrhundert stehen geblieben, sondern im 21. jahrhundert angekommen zu sein. denn die neu eröffnete ausstellung zur person von andreas hofer fügt dem mythos hofer nichts neues bei. vielmehr führt sie in die lebenswelt des tirolers wie in die der grossen politik der kaiserhöfe ein, um zu einem unerwarteten schluss zu kommen.

allgegenwärtig ist im salzhof die lange hand von kaiser napoléon, der in der schlacht von austerlitz den österreichischen kaiser besiegte, mitteleuropa neu zu ordnete und bayern zum königreich zu machte. tirol, das er dabei den österreichern abnahm, übergab er in der folge den bayern.

in der ausstellung im geburtshaus von hofer wird rasch klar, dass der sieg in der ebene keine macht über die berge garantierte. denn die tiroler um hofer paktierten 1809 mit dem hof in wien, der nach revanche für die erlittene schmach sann. erzherzog johann, der bruder des kaisers, befürwortete die bewaffnung des landvolkes, um mit den mitteln des partisanenkrieges die franzosen zu besiegen.

andreas hofer, der naturbursche aus dem entfernten passeiertal, kam da mit seinen getreuen wie gerufen. schon im ersten koalitionskrieg hatte sich der schützenhauptmann aus dem tirol bewährt gehabt. doch erst jetzt sollte seine grosse stunde kommen: dreimal forderten die tiroler ihre feinde am bergisel bei innsbruck heraus, und dreimal sollten sie die fremden truppen aufreiben.

mit dem dritten sieg wurde hofer tiroler landeshauptmann in innsbruck. nun musste er nicht über vieh, pferdekutschen und weinkäufer gebieten, sondern ganz tirol regieren. die kirchenleute witterten ihre chance, mit dem tiefreligiösen hofer einen antiaufklärer und vorkämpfer für sitte und moral gegen das städtische bürgertum gefunden zu haben. und auch der erzherzog schickte aus wien anerkennende worte, geld und eine kette als zeichen der anerkennung. doch gleichzeitig kapitulierte der kaiser in schönbrunn von dem sonst überall siegreichen franzosen.

hier kommt die ausstellung zu ihrem didaktischen höhepunkt. andreas hofer, im labyrinth seiner klerikalen berater gefangen, schwankte zwischen der friedenspartei, die für anerkennung der neuen verhältnisse war, und der kriegspartei, die eine vierte, entscheidende schlacht forderte. und hofer vertraute nicht der vernunft, sondern gab dem fanatismus nach. erneut verschickte er seine aufgebote, um für “gott, kaiser und vaterland” zu kämpfen.

damti wurde hofer zum tragischen helden der tiroler geschichte, denn die letzte rebellion misslang gründlich. hofer selber glaubte, sich versündigt zu haben, flüchtete mit seiner familie auf eine alp, wurde aber von mittellosen bauern gegen geld verraten, von den franzosen gefangen genommen und in mantua auf befehl napoleons exekutiert.

als ich nach dem spannenden rundgang durch die eindrücklich ausstellung auf dem sandhof wieder nach aussen trete, merke ich, dass meine ehrfurcht am anfang des nachmittags unnötig war.

sicher, im passeiertal versuchten die vorrevolutionären verhältnisse ihre tradition in die neue zeit zu retten. doch die politik wurde weder hier, noch bei den kapuzinern gemacht. vielmehr entschied wien über sein oder nichtsein des aufstandes. und die logik der habsburger gebot, die tochter des kaisers mit dem neuen machthaber aus paris zu verheiraten und sich zu arrangieren.

die austellung wie die kundige führung von albin bixner, die ich geniese, wagen ein bisher unbekanntes experiment: “was wäre geschehen, wenn …”, die frage, die den schulhistorikerInnen an den universitäten vorboten wird, stellt sich selbst im abgelegenen salzhof. die antwort, die gegeben wird: napoléon hätte mit oder ohne tiroler volksaufstand die völkerschlachten verloren, und tirol wäre mit oder ohne partisanen während des wiener kongresses samt bayrischen reformen wieder zu oesterreich gekommen.

der tragische held wäre dem tirol erspart geblieben.

stadtwanderer

“Ach, ihr Franzosen schiesst schlecht!”

diese worte werden andreas hofer bei seiner exekution am 20. februar 1810 in den mund gelegt. gesicherte belege dafür gibt es allerdings nicht, doch finden sie sich bis heute in der tiroler landeshymne. mit grund, denn hofer ist den tirolern bis heute nicht gleichgültig. ein “nationalheld” für die einen, der “oberste taliban” für die andern, ist er.

20_02_1810-die-erschiessung-von-andreas-hofer-in-mantua_120. februar 1810: die erschiessung des andreas hofer nach der niederschlagung des konservativen tiroler volksaufstandes von 1809 gegen bayern.

andreas hofer war sein leben lang wirt und viehhändler im tiroler ort st. leonhard, bevor er vor genau 200 jahren zum wild entschlossenen kämpfer wurde. vordergründig ging es gegen die herrschaft der bayern, welche die tiroler provinz im sinn von kaiser napoleon verwalteten. hintergründig drehte sich aber alles um vormachtstellung der katholischen kirche, die man bei dieser gelegenheit im geiste der aufklärung gestutzt hatte.

ausgelöst wurde der protest im winter 1809 durch eine pockenimpfung, gegen die sich erzkonservativen kapuziner wehrten. in ihren augen war das ein unerlaubter eingriff des menschen in gottes plan waren. die darauf folgende zwangsaushebung von rekruten durch den bayrischen könig brachte im frühling desselben jahres das fass zum überlaufen: nun sammelte andreas hofer zur antibayrischen volksbewegung, die in weniger als einer woche herrin der lage in innsbruck wurde.

das ganze jahre tobte der kampf, und der scheinbare sieg wechselte mehrfach die seite. hofers leute besiegten insgesamt dreimal die bayrisch-französischen truppen. erst als der winter wieder kam, brach die widerstandskraft der tiroler ein. hofer musste flüchten, wurde von österreichern, die mit dem kaiser der franzosen, verheiratet mit den habsburgern, paktierten, verraten, nach mantua in italien ausgeliefert, von einem kriegsgericht zum tod verurteilt und vor genau 199 jahren exekutiert. seit 1823 liegt er in der innsbrucker hofkirche begraben, in unmittelbarer nähe des “tiroler” kaisers maximilian I.

in der schweiz ist andreas hofer kaum je ein thema gewesen. im tirol, in bayern und im italienischen südtirol lässt er aber bis heute kaum jemanden kalt. dabei polarisiert er zusehens, denn der zeitgemäss wirkenden freiheitswillen hofers kontrastiert mit dem auffälligen antimodernismus des bartträgers an der schwelle zum 19. jahrhundert.

siegfried steinlechner, der dem mythos “andreas hofer” nachgegangen ist, veröffentlichte im jahr 2000 eine kritische würdigung der wichtigsten figur in der neueren tiroler geschichte. hofer sei von den zeitgenossen eher belächelt worden, schreibt er. erst mit dem aufstieg der deutschnationalen im tirol sei er zur unbestrittenen figur des tiroler widerstands stilisiert worden. höhepunkt seiner verehrung war jedoch die zeit der nationalsozialisten, die ihn als verteidiger des germanischen gegen das leateinische.

1984 erlebte der mythos andreas hofer ein eigentliches revival. anlass war der 175. jahrestag des aufstandes, den die schützen im tirol mit einem umzug unter einer übergrossen dornenkrone kraftvoll inszenierten. das wiederum provozierte die intellektuellen, sodass von innsbruck aus jene bewegung einsetzte, aus denen schliesslich die tiroler grünen hervorgingen. 2004 kam es erneut zu einer auseinandersetzung zwischen traditionelistischen schützen und den linksgrünen, die den text zum adreas-hofer-lied eabgeändert hatten. der mobilisierte landtag vermittelte. in der debatte nannte ein grüner vertreter hofer “obersten taliban” des tirols, wofür seine fraktion vom konservativen landeshauptmann verbal eine “links und rechts um die ohren geschmiert” bekam.

2009 ist wieder ein andreas-hofer-jahr, das nun auch den stadtwanderer herausfordert. denn er ist ende april ins land nördlich und südlich des brenners eingeladen, um über andreas hofer, seine zeit und seine wirkungsgeschichte zu berichten. das beret wird er dabei haben, nicht um besser zu schiessen, aber um besser zu verstehen, was die franzosen einst im tirol auslösten, und, was ein konservativer revolutionär ist, der hierzulande höchstens noch als konterrevolutionär durchginge …

stadtwanderer

kein bankgeheimnis

meine tagung in innsbruck ist zu ende. über das vorgetragene und diskutierte muss ich mir zuerst gedanken machen. doch ein pausengespräch will ich gleich los werden.

uni innsbruck, im november 2008 (foto: stadtwanderer)

es ist pause zwischen zwei tagungsveranstaltungen. wir sind vor der aula der innsbrucker universität. bei einem langen braunen plaudern wir ungezwungen auf einer bank. geheimnisse hat man da nicht.

die sponsoren der tagung von der peter kaiser stiftung, benannt nach dem führenden liechtensteiner historiker, kommen schnell zur sache: wie man die zukunft des bankgeheimnisses ist der schweiz und in liechtenstein beurteile, wollen sie von mir wissen.

ich sage, die meinungen seien geteilt. es gäbe wenige offizielle verlautbarungen, die defensiv-optimistisch tönten, und zahlreiche inoffizielle stimmen, die defensiv-pessimistisch seien.

das sei so wohl richtig, halten meine gesprächspartner fest, allesamt konservative europäer. denn die zeiten des versteckspielens seien vorbei. liechtenstein werde sein bankgeheimnis bald aufgeben müssen. der fall der schweiz sei nur graduell anders, prinzipiell aber gleich.

man muss es wissen, denke ich mir, schliesslich ist das stiftungskapital, das die tagung überhaupt erst ermöglicht hat, auf einer bank in vaduz angelegt.

die schweiz habe ja gegenüber den amerikanern das bankgeheimnis bereits öffnen müssen, ist das nächste argument. der druck auf kundendaten der grossbanken werde mit der neuen us-regierung nicht geringer. für die eu sei das ein präjudiz; anpassungen gegenüber brüssel würden folgen müssen.

3 billionen dollar vermögen zu verwalten, werde die ubs nie mehr schaffen, gibt man sich mir gegenüber überzeugt. was in zukunft zähle, sei die expertise, nicht das geheimnis. auf dem schloss in vaduz und im berner bundeshaus hätte man sich viel zu lange darauf verlassen, dass selbstregulierungen reichen würden. doch die zeiten seien längst vorbei.

ein wenig erstaunt bin ich schon: es will mir scheinen, dass bankkunden über das bankgeheimnis viel konkreter nachdenken, als die schweizer öffentlichkeit. doch bevor wird das gespräch vertiefen können, läuten die glocken. es sind keine totenglocken. nur pausenglocken. wir werden geben, uns in der ehrwürdigen aula wieder dem tagungsthema zuzuwenden. es geht um das verhältnis von wirtschaft und kultur, und es dreht sich alles um die polarität “harmonie oder konflikt.

stadtwanderer

das leere kaisergrab

von aussen sieht die innsbrucker hofkirche ziemlich normal aus. von innen her gesehen ist die grösste kaisergruft europas. obwohl hier kein kaiser seine letzte ruhe fand, sondern die habsburger der gegenreformation ein denkmal setzten.

sakrophag von maximilian I. in der innsbrucker hofkirche, in der kein kaiser ruht (foto: stadtwanderer)

maximilian I. lebte, wann nur immer er konnte, in innsbruck. er war graf des tirols, deutscher könig und römischer kaiser. und er wollte innsbruck zur neuen reichsstadt machen. das goldene dacherl kündigte die neue zeit an, denn die habsburger waren auch auf dem spanischen thron und somit herren der neu entdeckten welt.

schon zu lebzeiten entwarf der kaiser eigenhändig einen plan, wie er in der tiroler metropole begraben werden sollte. in einem rundbau im renaissance-stil. geschmückt mit überlebensgrossen bronzefiguren der herrscher europa. sie sollten ihm das letzte licht gewähren. er hätte im zentrum, erhöht aufgebahrt werden sollen. auf gleicher höhe wie christus.

1518 kehrte max ein letztes mal in seine stadt zurück. doch man wies ihn ab. nicht nur der hohen abgaben wegen, die er eingetrieben hatte, um sein hochgesteckten ziele zu verfolgen. vor allem wegen den schulden, die er in allen innsbrucker gasthäusern hinterlassen hatte. er zog mit seinem tross ins benachbarte wels weiter, wo er wenige tage später verstarb – lange bevor sein grabmahl gerichtet war.

in innsbruck brachen nach dem tod des kaisers aufstände aus. die bauern rebellierten. den adel und den klerus wollte man los haben. volksfrömmig war man nun, jakob hutter war ihr neues vorbild, der den bauern das wiedertäufertum lehrte. wie viele seiner glaubensbrüder wurde er verfolgt. wer nicht nach mähren auswanderte, riskierte gerade im tirol sein leben. so auch hutter, der schliesslich vor dem goldenen dacherl hingerichtet wurde.

kaiser ferdinand I., maxens enkel, trieb die gegenreformation im reich zielstrebig voran. in innsbruck liess er die hofkirche bauen, eher einfach, um keine neuen tumulte zu riskieren. die bewusste provokation seines grossvaters realisierte er nicht. kein rundbau wurde erstellt, sondern ein langhaus mit apsis, wie es sich für gute christen gehörte. der sarkophag wurde auf augenhöhe aufgebahrt. und statt der herrscher europas verewigte man die ahnen der habsburger in bronze. sie sollten zeigen: die habsburger waren für immer auserkoren zu herrschen.

selbst die sterblichen überreste kaiser maximilians wurden nicht in innsbruck begraben. er ruht in der erde der wiener neustadt, wo er geboren wurde. so ist der vielbestaunte sarg in der tiroler landeshauptstadt leer, selbst wenn die statue maximilians, umringt von den vier kardinaltugenden, auf dem deckel kniet.

ein wenig ironie schwingt mit, wenn man hinausgeht. denn die verbliebene pracht des renaissance-kaisers ist wirklich hohl.

stadtwanderer

wurscht ist wurscht!

das thema des tages in österreich ist das kussverbot an einer oberösterreichischen grundschule. die mädels küssen sich, wenn sie aus haben. doch nicht mehr auf die wange, wie das in der buss-bussi-gesellschaft üblich ist, sondern auf die lippen. was andere dazu denken ist ihnen wurscht, und so kümmern sie sich auch nicht um das verbot der empörten schulleitung.

name der führenden stadtpartei und motto vieler innsbruckerInnen (foto: stadtwanderer)

auch in der grossen politik in wien scheint allen alles ziemlich wurscht zu sein. die wahlverlierer haben personell an haupt, nicht aber an gefolgschaft erneuert, und sie haben wieder zusammengefunden. am sonntag soll der neue koalitionsvertrag unterzeichnen. während den verhandlungen ist dr. haider an einem selbstunfall gestorben, die fluggesellschaft “aua” ist hops gegangen, und der post droht ein massivster kahlschlag. und kaum jemanden kümmert´s!

… wurschtistwurscht …

in innsbruck dagegen schaut man besser zueinandern. das ist schön. die zeit des christkinlmarktes hat schon begonnen. “rettet das kind”, ist das motto. vor dem hotel “weissen kreuz”, wo ich wohne, ist der traditionelle markt. der moderne soll an der maria-theresien-strasse aufgehen. schweden, russland und spanien, die länder, die während der euro ´08 in innsbruck spielten, sind eingeladen worden, sich hier mit ihren spezialitäten zu präsentieren. sie sind der stadt nicht einfach wurscht, seit die spiele vorbei sind.

… wurschtistwurscht …

überhaupt, hilde zach, der bürgermeisterin der landeshauptstadt, ist das stadtmarketing ein grosses anliegen. sportstadt ist der olympia-austragungsort. die touristenstadt ist im aufschwung, und die wissensstadt soll die zukunft sicher. “pro innsbruck” heisst die partei der ersten bürgerin, die 1994 als abspaltung von der konservativen övp entstanden ist. 3 der 7 stadträtInnen stellt die jüngste stadtpartei. zusammen mit der övp hätte man zwar die mehrheit, doch regiert man gemeinsam mit rot-grün. eine vierer-mehrheit der städträtInnen sind frauen. nur der parteipolitik der rechten in der opposition sind die frauen wurscht.

… wurschtistwurscht …

“die beste wurscht fürs wochenende bekommen sie in der metzgerei zach”, sagt ein kollege, als ich ihn frage, wo ich mich denn eindecken soll. ich werd´s morgen machen, im familienbetrieb der “wurscht-hilde”, wie man in innsbrucks bürgermeisterin liebvoll neckt. denn ich habe hier eines rasch gelernt: im tirol ist einem nicht alles wurscht. und schon gar nicht, wenn´s um die wurscht geht!

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wa(h)re (w)orte

ja, ich gehe. diesmal wirklich. aber nicht nach sacramento. sondern nach innsbruck, um eine studie unter anderem über das stadtwandern in der schweiz zu präsentieren.

das goldene dacherl in innsbruck, wo ich heute abend sein werde
das goldene dacherl in innsbruck, wo ich heute abend sein werde

meine studie, die ich innsbruck an einer fachtagung vorstellen werde, handelt von kulturverständnissen, kulturbesuchen und kulturregionen in der deutschsprachigen schweiz. seit gut einem jahr laufen die vorbereiten hierzu, diesen sommer haben wir die hauptarbeit geleistet, namentlich in und um luzern herum. morgen wird erstmals darüber berichtet. der schlussbericht soll anfangs 2009 erscheinen, er wird auch in der schweiz präsentiert werden.

es haben in anderen regionen verschiedene forscher am gleichen thema gearbeitet. so werden wir erstmals vergleichsergebnisse aus baden-württemberg, bayern, vorarlberg und tirol haben. die initiantInnen der studien wollten wissen, welchen beitrag “kultur” zur grenzüberschreitenden förderung von verständnis für europäische und regionale werte leisten kann.

ich habe das als berufsmann gemacht, aber auch als stadtwanderer. denn ich habe in die untersuchung erstmals auch die beteiligung an stadtwanderungen reingeschmuggelt. über die ergebnisse werde ich hier exklusiv berichten. aber erst wenn alles über die bühne ist.

bitte, bitte: glaubt mir, diesmal gehe ich echt unterwegs, nicht nur auf dem internet surfen! ich bin auch nicht mehr krank. es geht mir nicht um ware worte, vielmehr um wahre (w)orte! meine fotos aus innsbruck werden bezeugen, dass ich vor ort bin. und die schweizer stecker sollten in österreich ja passen, sodass ich bloggen kann …

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