letzte reisevorbereitungen

nun bin ich definitiv ferienreif. wie seit vielen jahren fahre ich, um den schwedischen sommer zu geniessen, in den norden.

für twitterer ist es schwierig, in die ferien zu gehen. denn der 140-zeichen-kanal kennt keine ferien(ab)meldung. email-freunde haben es da einfacher: schalter zu, riegel rein – und schon wird jede(r), die/der mich kontaktiert, in kurzform über die abwesenheit informiert. blogger haben es am einfachsten: sie können sie gleich per post abmelden. die regelmässige leserschaft ist dann hinreichend ins bild gesetzt, wenn sie dringend was sucht.

meine tage in der schweiz sind gezählt. heute schaue ich in der nachbarschaft noch fussball. “argsui”, wie das in der kurzform des microblogging neudeutsch heisst. allzu patriotisch nehme ich das nicht; wenn es guten fussball gibt, freue ich mich über jeden, der dazu was beiträgt. egal in welchem team das der fall ist. ich weiss, starke fussball nationen sind nicht glücklicher, und wenn nur ganz kurz! am 1. august bin ich auch nicht in der schweiz. keine verweigerung! in kreuzlingen hätte ich gar die grosse 1. august-rede halten können. ein biz gereizt hätte mich die herausforderung schon. 800 bis 1000 angekündigte zuhörerInnen hat man als redner ja nicht immer.

allen chancen zum trotz: ich mache ferien. auf mich wartet holzhausen. irgendwo in den unendlichen wäldern mittelschwedens, am rande des langen klarälvtals. bin gegenwärtig an den letzten reisevorbereitungen, einen monat in in der pampa zu verbringen, will vorbereitet sein. mehr verrate ich, fast schon traditionsgemäss, nicht. denn es gehört dazu, dass das private private bleibt, und ferien sind nun mal privatsache.

öffentlichkeit, wie es die kommunikationswissenschaft heute benennt, gibt es in holzhausen nicht. am ehesten noch haben wir massenmedienzugang, seit in der nähe eine satellitenschüssel eingerichtet wurde. einen fernseher haben wir selber aber nicht. versammlungen mit rednern, zuschauern und so, der zweiten form von öffentlichkeit, bin ich in 15 jahren holzhausen noch nie begegnet. wenn es sowas ähnliches mal gab, dann nur, weil ein bauernhof eingangen war, und es eine versteigerung gab. das lockt regelmässig viele leute an, die für wenig geld viel hausrat kaufen wollen – oder auch ganz einfach mal andere menschen, mit kind und kegel, treffen möchten.

die dritte, einfachste form der öffentlichkeit, findet sich in holzhausen auch nicht wirklich. begegnung mit fremden menschen, sei es in restaurants, beim warten auf die fähre, oder beim wasserschöpfen an eine quellwasser, sind in schweden nicht angesagt. das hat nicht einaml mit der mentalität der leute zu tun. vielmehr hat es einfach zu wenig menschen: bewohnerInnen, arbeiterInnen oder auch gäste auf einem quadratkilometer sind 10 mal seltener als in der schweiz. als nachbarn bezeichnet man in holzhausen schnell einmal ein person, die 30 oder 50 kilometer entfernt wohnt. zu fuss eine tagesstrecke. mit dem fahrrad über schotterstrassen bisweilen nicht weniger. trifft man sich dennoch einmal zu tee oder kaffee, bleibt das eben privat. für den gezielten austausch an informationen über bären, niederländische auswanderer oder deutsche lamazüchter im umfeld einer tagesdisanz reicht das. auch ohne dass dritte, beobachter eben, dabei sein müssen oder können.

das öffentlichste an holzhausen ist wohl mein stadtwanderer blog, mit spezieller rubrik schweden. denn seit vielen jahren berichte ein wenig über das hüttenleben in schweden. wie die natur ist, wie der mensch sie zur kultur umgestaltet, und wie die die natur in form von wald wieder alles zurückerobert. manchmal gibt es auch erlebnisse von allgemeinen interesse. debatten unter uns über das unmittelbare hinaus, von dem man annehmen kann, dass es andere auch interessiert. das kann man das bloggen. oder ausflüge, die einen begeistern, weil es soviel unbekanntes zu sehen gibt im lebensraum wald. auch das kann mitteilenswert sein.

wenn der internetzugang es erlaubt, werde ich auch dieses jahr bloggen. wenn’s interessiert, der/die sei willkommen auf meiner grossen plattform der kleinen welten, die mein leben ausmachen. emailen lässt man im juli lieber sein, ich werde es nicht intensiv nutzen. und von twitter soll man in diesen tagen nicht allzu viel halten. denn was ich bis anfangs august stadt/landwandere, werde ich nicht vertwittern. in der hoffnung es bleibe mehr als halbprivat …

stand(land)wanderer (während den letzten reisevorbereitungen)

das geschenk

hoeher, weiter, schneller. das sind die stichworte zur zeit, seit die olympischen spiele begonnen haben. in holzhausen wirkt das surreal, denn ein geschenk ist der firlefanz, der sich ankuendigt, nicht.

vorsonnenaufgang an einem mittelschwedischen see

ruhe ist das groesste geschenk in diesem ferien. kein motorenlaerm, der einen stoert. aber auch keine menschen, die einen unnoetig ablenken.
wenn es ruhig zu sein scheint, wird man erst offen fuer das feine: das pfeifen der voegel, das summen der bienen, das rascheln der froesche im gras. ganz ruhig ist es wohl nie.

doch wenn man nur noch leise toene um sich hat, merkt man erst, wie einen die umgebung mit geraeuschen sonst so perfekt in schach haelt.

dass man im wald desozialisiert, kenne ich schon laenger. dafuer ist man einfach zu einsam. neu ist jedoch die beobachtung, wie man auch entschleunigt. denn ruhe ist weitet den raum, der es einem erlaubt, sich ueberhaupt zu entfalten.

unsere seltenen besucher fragen uns gelegentlich, wie man mit so wenig hausflaeche leben kann, wie wir in holzhausen haben. meine innere antwort ist jedenfalls “problemlos”, denn selten habe ich so viel raum fuer mich wie eben hier.

ruhe zu haben, ist ein geschenk. und wie alle geschenke, muss man lernen, sie anzunehmen. denn viel platz zu haben, bedeutet auch, frei von allem zu sein, etwas, das wir kaum mehr kennen.

ruhe, schreibe ich, ist ein echtes geschenk!

und so frage ich, wann hast du dich zum letzten mal beschenkt?

stadtwanderer

heute ein lama

was socken alles ausmachen! von warmen füssen bis zum identitätswandel …

diesen sommer reden viele ueber das wetter. ich auch – aber nur kurz. denn viel zu erwähnen gibt es diesmal nicht. es ist einfach nass. und bisweilen ganz ordentlich frisch.

so war das der kauf der ferien: socken vom lamagard in näsberget.

fast schon edel sind die dinger aus reiner lama-wolle, mit verstärkter ferse und kleiner bordüre.

seit dem kauf bei holger auf dem einzigen lama-hof der gegend trage ich die lama-socken ununterbrochen. und ich kann sagen: die wirkung ist umwerfend. von der erten minute an hatte ich warme füsse.

in der nacht musste ich meine neuen socken gar ausziehen – zu warm wurde es mir unter meiner decke, obwohl es draussen nur wenige grade über null war.

den tag hindurck schlüpfte ich mit meiner neuerwerbung in die turnschuhe, als es durch den wald in die stadt ging, als wir auf der teerstrasse liefen, und als ich in der wiese umherstreifte.

von meinem glücksgefühl erzählte ich allen, die mir in die quere kamen. und so machte es schnell die runde: ich sei heute ein wenig ein lama.

kann ganz wohlig-wollig leben damit …

stadtwanderer

brot backen

selbstgebackenes brot schmeckt am besten!

vier pfund brot aus der eigenen backstube

rascher klimawandel: nach drei tagen mit sommerlichem wetter ist der herbst gekommen. es geht ein starker wind, auf der wiese liegen gelbe birkenblätter, und der regen hinterlässt auf ihnen wasserperlen. das ist genau die richtige zeit, um sich vermehrt im haus zu engagieren – und brot zu backen.

das mehl haben wir von unserem ausflug nach björkaholm. heute nun werden die säcke mit roggen und gerste geöffnet. sauerteigbrot ist angesagt.

in unseren grössten küchenschüsseln türmt sich das puderige mehl zu kleinen hügeln. mit dem löffel öffnen wir die spitze zu einem krater, indem sich die angemachte hefe sammelt.

nun kommt das kneten: nichts ist sinnlicher als das, wenn man brot backt!

zuerst klebt die unförmige masse an jedem finger, doch dann formt sie sich langsam aber sichr zum kompakten laib, der sich von schüssel und händen gleichsam löst. bis der kugelrund erwartungsfroh vor einem liegt.

die nacht hindurch hat die arbeit geruht, am morgen war bärbi schneller als ich, um das alles in den ofen zu schieben. mir blieb nur noch, die vier warmen pfünderli schön aufdrappiert zu präsentieren.

das erste selbstgebackene brot in diesen ferien schmeckt ganz besonders: gut in der konsistenz, toll in der feuchtigkeit und braun in der farbe, wird das schönste stück brot zerlegt, mit lätta bestrichen, mit speck, gurken und knoblauchkäse garniert und als kleine mahlzeit verspiesen.

und so haben wie die sonne im bauch statt am himmel.

stadtwanderer

“god is the fluide connect us together”

leicht zu finden war sie nicht, die mühle von ransbysätter. die glücklichen werden dafür von björkaholm umso mehr belohnt, wenn sie ankommen.

der letzte kurze und steinige weg zur mühle war steil. den eingang vor augen hatte nur, wer sich auf das nebensächliche konzentrierte. denn das hauptsächliche stand auf einem grossen schild: gegründet 1709!

lennart, erklärt: 303 jahre alt sei seine mühle. rund 30 jahre davon stand sie still, bevor er sie in den 90er jahren des 20. Jahrhunderts wieder in betrieb genommen habe. seither rattert sie, den unverkennbaren duft einer mühle vor sich her malend, wieder unaufhaltsam, und man produziert hier tonnenweise mehl aus roggen, dinkel und weizen. und genau das suchen wir, die weitgereisten!

die neue zeit der mühle ist eine erfolgsgeschichte – auch dank der lauschigen umgebung. hinter der mühle ruht ein kleiner see, gestaut, genau richtig, um immer die richtige wassermenge auf die mühle zu leiten. ihr angeschlossen ist eine sägerei, und man betriebt am ort auch eine bäckerei mit kunstgallerie.

zur weitreichenden kommun sunne zählt man hier im wald. doch von der kleinstadt im schwedischen värmland merkt man hier wenig. denn die liegt, weit entfernt, unten im fryktal, wo der passantenverkehr von süden nach naorden durchgeht. hier ist man oben in den hügeligen bergen, wo es eher bären und wölfe hat. den wildtieren kommt die geringen bevölkerungsdichte entgegen, genauso wie das einsame gelände mit den zahlreichen seen und unendlichen wäldern.

gerade deshalb geht von björkaholm eine ganz besondere atmosphäre aus. die wenigen menschen, die hier überleben, trotzen zu allererst der natur. für das nötigste gehen sie vielleicht hinunter nach lysvik. ansonsten sind sie weitgehend auf sich selber angewiesen. zahlreicher sind sie dabei nicht geworden, wovon die verlassenen häuser in der umgebung zeugen.

doch mit der mühle ist in der wildnis ein neues lebenszentrum entstanden. konstantin, der ruhige bäcker, zählt zu den pionieren. wer in sein haus tritt, weiss sofort, wo er ist, denn selbst im kleinen verkaufsvorraum riecht es wie in einem backoffen. das brot von heute ist alles schon weg, was dafür spricht, dass er wie so oft viel kundschaft hatte. uns bietet der gastwirt noch kaffee und kuchen an, ganz frisch, beides aus dunklen bohnen und ebensolchen blaubeeren.

servieren würde er gerne auf der grossen veranda, die er auf dem see schwimmend installiert hat. doch das wetter ist ihm zu unsicher. und so empfiehlt er uns die gallerie, wo wir uns gerne verwöhnen lassen. dabei erfahren wir von seinem neuesten projekt, einem wanderweg durch die gegend, den konstantin selber angelegt hat. nach dem vieles regen der letzten tage empfiehlt er ihn uns aber nicht, zuerst müsse er mit der säge die spur wieder freimachen.

gesättigt von den vielen neue eindrücken hätte ich fast zu meinem iphone gegriffen, um mich noch ein wenig über gott und die welt zu informieren. doch dann erfasst mein umherschweifender blick den leitspruch des raumes: „God is the fluide connect us togehter.“ so nah bei der sakralen weisheit wage ich nicht zu sündigen!

fast, schliesse ich meinen bericht, hätten wir den geheimnisvollenort, indessen nicht gefunden. denn die mühle geht als solche von ransbysätter durch. das ist, würde man bei uns sagen, die alp in einer grünen mulde, umgeben von riesigen nichts der wäldern. nur ist das die nachbarsiedlung von björkaholm, und das schild an der strasse zur mühle hätten die wegleute diesen frühling als unpassend abmontiert, erfahren wir. und so waren wir der wunderbaren idylle einen bangen moment lang so nah und doch so fern.

stadtwanderer

lantmännen

spätestens dann, wenn ich meinen mitgliederausweis der lantmännen-genossenschaft in kreditkartenform in mein portemonnaie stecke, beginnen mental die sommerferien.

es ist sommer: die tage werden heiss, das klima ist schwül, und die nächte bleiben warm.
fast zu warm für mich. genau dann zieht es mich unweigerlich in den norden mit dem kühleren wetter.

zwar ist der abflug nach olso erst an diesem samstag. mental haben meine sommerferien in den schwedischen wäldern schon heute begonnen.

denn heute morgen früh habe ich meinen mitgliedschaftsausweis der schwedischen „landi“ hervorgekramt und in mein portemonnaie gesteckt. damit werde ich bald schon vergünstigt einkaufen können, sollten es um gartenerde, saatgut, rasenmäher oder vogelhäuschen gehen.

hier bringt mir die karte nichts, könnte man sagen. denn die schweizerische „landi“ kennt das mitgliedschaftssystem nicht, und so habe ich hier keine vergünstigungen zu erwarten. dennoch, nur schon der gedanke, dass ich meine kleinen privilegien bald schon in ganz schweden einlösen kann, versetzt meine gefühle in ekstase – und so bin ich bereits einen schritt in den ferien.

lantmännen sei dank!

stadtwanderer

werde wie gewohnt von holzhausen mitten in schweden bloggend berichten.

marco polo in mir

die aquavitflasche ist seit vorgestern leer, der ferienschnauz wurde gestern rasiert. und den rasen haben wr heute ebenso glatt geschnitten. denn es ist zeit, holzhausen für 2011 auf wiedersehen zu sagen – und sich auf das nächste mal zu freuen.

macopolo1die letzten tage waren warm, sehr warm. bis zu 30 grad zeigte das termometer am schatten. und doch änderte sich etwas. das licht ist fahler geworden, und der wind kräuselt die birken immer häufigen. das alles sind untrügerische zeichen, dass sich der spätsommer in holzhausen ankündigt.

auch unsere schwalben scheinen den wechsel zu merken. Sie schwirren nervöser durch die lüfte, sind weniger auf futtersuche für die jungen aus, davor halten sie ausschau nach anderen familien, die mit ihnen die grosse reise in den süden antreten werden.

das gilt ja auch für uns. in weniger als 24 stunden versammeln wird uns mit anderen auf dem flughafen – vor oslo. fragen stellen sich, zum beispiel, man im airport gardermoen etwas von der traurigkeit spürt, die das land erfasst hat, nachdem es einen teil seiner kinder verloren hat. zu gerne würde man auch wissen, ob mit der jugend 2011 eine neue generation entstehen wird, die radikaler ist, sei es in sicherheits- integrationsfragen angeht.

von der schweiz habe ich nicht viel, aber einiges via internet und die gelegentlichen mails meiner leute mitbekommen. es scheint mir, gespannte ruhe vor dem wahlherbst zu herrschen. niemand will sich zu früh exponieren oder gar vorausgaben, doch merkt man, wie die parteien in den startlöchern sitzen.

was ich mir für die kommenden monate, ging mir heute beim finalen rasenmähen durch den kopf. „nichts!“, war meine erste antwort, denn in meinem alter weiss man: gute vorsätze sind gut, doch werden sie selten eingehalten. dann viel meine innere befragung inhaltsreicher aus: mehr auf die gesundheit achten. nach dem langen winter geht es meinem linken fuss deutlicher besser, jedoch liegt mir der bauch wörtlich auf dem magen, und ich muss meine ohren kontrollieren lassen. unübersehbare stresssymptome, sagte die nette ärztin aus österreich, die ich in hier einmal aufsuchte. mehr musse haben, weniger essen, und alles ein wenig verlangsamen, empfahl sie mir. Typsisch schwedische lebensweiseheiten, dachte ich mir, und ich werden mir diesen rat zu herzen nehmen. Ein paar pfunde habe ich ja bereits abgenommen.

wenn ich mein traumbuch während den ferien durchgehen, merke ich, der jetzigen schweiz ziemlich ambivalent gegenüber zu stehen. ich brauchte gut zwei wochen, um mich zu lösen. heftig träumte ich von bern und freiburg. schlüsselfiguren waren regula stämpfli, die umtriebige kolumnistin, aber auch lukas golder, einer meiner führenden mitarbeiter. immer wieder war ich an sitzungen, wo wichtiges entschieden wurde. roger de weck, der generaldirektor der srg, und heinz däpp, der pensionierte berichterstatter aus dem bernischen grossen rat, haben mich am meisten beeindruckt. überrascht war ich, dass auch cindy craford vorkam, die einen werbejob für die angeschlagene bundesverwaltung übernehmen sollte. und selber marco polo tauchte aus seiner versenkung in venedig in meinen träumen auf.

überhaupt vieles drehte sich um bahnhöfe, zugfahren und reise in ferne länder. fast macht es den eindruck, ich bereit mich innerlich auf einen umbruch vor. königsberg, die stadt des aufklärers immanuel kant, aber auch peking, der ort des grossen aufbruchs ins 21. jahrhundert, und L.A., wo die amerikanische dekanz unveränderte ihre geniale produktionsstädte hat, würde mich reizen. vorerst bleibe ich aber auf dem bisweilen harten, immer wieder aber abwechslungsreichen boden der berner pflastersteine. ein wenig freue ich mich schon auf das leben in hinterkappelen, die arbeit in bern, zürich und st. gallen, und das stadtwandern, wo auch immer es sich ergibt.

mit gelassenheit haben wir heute gepackt. die traditionelle pizza zum frühstück am reisetag steht schon bereit, und der filter im trichter, um kaffee zu brauen, warten bereits auf seinen einsatz. bis dann feiern wir mit den kindern, die auf besuch waren, einen vorgezogenen 1. august mit feuerwerk über dem see.

stadtwanderer

der loppis von tyngsjö und der wandel der generationen

unser heutiger besuch galt dem loppis von tingsjö – dem trödlermarkt am alten versammlungsort am see, wie man das ganze auf deutsch nennen würde.

der loppis von tingsjö ist fast schon legendär. einer der abwechslungsreichsten, eine vielfalt an möglichkeiten und ein bijou an gefühlen, sagt ich nur. letztlich ist er auch eine reichhaltige informationsquelle über die konstanz und den wandel des schwedischen familienlebens.

der raum zum handeln ist nicht gross, vielleicht misst er fünf mal sechs meter. in der mitte ist ein grosser tisch, rund herum hat kleine ausstellungsbänke und -gestelle. die beiden fenster auf den seiten und die ausgangstüre am ende geben ein wenig licht in den dunklen, dafür umso spannenderen raum.

meine höchste aufmerksamkeit geniesst die werbung aus den 50er jahren des 20. jahrhunderts in der hinteren ecke rechts. email-plaketten, wie sie auf dem land so typisch waren, verkünden den lebensstils der frühen nachkriegszeit. es dominiert das aufkeimende freiheitsgefühl der amis im schwedischen bauernsozialismus. ein leicht vergilbter zeitungsartikel über das neueste bei chrylser und dodge bringt einen in stimmung. dann geht es um vespas und mopeds, um jünglinge, die bei ihrer verehrten vorfahren, um geburtstagsgeschenke, vielleicht zur volljährigkeit, die den staunenden jungfrauen überreicht werden. den etwas gereifteren frauen empfiehlt man, in septischen tönen, lange, elegante abendroben, wie man sie in schweden auf dem land kaum gesehen haben dürfte. da passt das prächtige schild für den väterlichen herrn zu neuartige jagdpatronen deutlicher besser in die landschaft. nicht vergessen wurden die kinder von damals, für die cacao aus übersee angeboten wurde.

die praktiker unter den besuchern verweilen in der ecke hinten links, wo sich gerätschaften aller art findet. hammer, klein und gross, zangen für jeden zweck, aber auch harte sachen wie schwere beile oder holzklemmen bekommt man hier. mehr fürs feine sind die holzschnitzer fürs birkenholz oder die pinsel zum lackieren. was dann fertig ist, kam vielleicht in einen der kupferkessel oder wurde auf der messinggplatte mit stolz gezeigt.

wäre da nicht das alte radio, würde man sich in der steinzeit wähnen. denn in dieser ecke bekommt man den eindruck, dass sie eigentlich nie etwas geändert hat. das radio mit seinen hunderten von vorprogrammierten stationen setzte dem ein ende. jetzt konnte man modern sein, die nachrichten aus halb europa hören, oder aber traditionell bleiben, und auf einen schwatz in die küche gehen, die im loppis von tingsjö in der ecke vorne links repräsentiert wird.

da überragen die gewürztöpfe alles. der für kardamom steht thronend zuoberst. es folgen im zweiten tablar die für schwarz-, weiss- und kräuterpfeffer. nicht fehlen dürfen diverse behälter für nüsse, muskat und nelken im dritten rang. die getränkeauswahl erschliesst sich einem aus den sets daneben. ohne zweifel kostete man bereits viel tee, aber auch kaffee gab es. der bierkrug wiederum, ein wenig germanisch wirkend, ist in seiner form unverkennbar, während in den einfachen gläsern saft, wohl aus waldbeeren, gereicht wurde. die kleinen gläser mit ständer und umgekehrtem zylinder präsentierten den aquavit mit sicherheit gleich wunderbar wie heute. und wer gut gegessen und getrunken hatte, der rauchte wohl noch eine selbstgedrehte zigarette, deren tabak man in einer der reich verzierten dose aufbewahrte.

der tisch in der mitte ist eine welt für sich. über allem eine kleine, wohlgeformte lampe – wer weiss, vielleicht aus glas, das man in venedig geformt hatte. sicher ist, dass das grosse gschirrset aus china kommt. da können figuren aus allen herren länder nicht fehlen. ein elephant aus schwarzem holz findet sich, genauso wie ein elegantes pferd aus glas, zwischen allem. und es sieht dich ein bittender neger wie in der sonntagsschule an, während die balettänzerin aus porzellan vor dir durch die lüfte zu schweben scheintt. leichtigkeit vermitteln auch die schüsseln aus grünem glas, das bemalte teeset und die blumenvase, die in die höhe schiesst wie langstilige rosen.

zu guter letzt ist man in der rechten vorderen ecke angelangt, wo man zahlen kann. irgend etwas zwischen 20 und 200 kronen wird der einkauf schon kosten. das sind dann 3 oder 30 schweizer franken. was man dafür bekommt, ist auf jeden fall mehr wert. denn im loppis zählen nicht nur die erstandenen gegenstände, es sind die lebenswelten und –stile, die man hier genauso mitnimmt wie vergessen geglaubte erinnerung und melancholische gefühle.

für realitäten sorgen die beiden damen zum schluss. sie könnten mutter und tochter sein, so sind ihre gesichter ähnlich. nur, dass die ältere viel sanfter wirkt, die jüngere viel härter. die zeigt dir schon mal die kalte schulter mit dem tattou, wenn sie einpackt. wärmer wirkt ihr tiefer ausschnitt, denn er gibt ihren busen mit dem feuerzeug in der mitte frei, während sie leicht gebeugt das gewünschte in zeitungspapier rollt, in eine blaue tüte steckt und mit einem coolen lächeln überreicht. fürs schlicht pekuniäre ist die schicke dame im landlichen lock vergangener tage zuständig, welche die geldscheine fast schon streichelt, bevor sie sie in die kasse versorgt.

so ändern sich generationen, denke ich mir beim hinaustreten – und sage: beybey whiskeyglas, tschüss ambos, au revoir waschbrett und hejda loppis.

stadtwanderer

svenska rallyt (schweden rally)

wenn bärbi mit sicherer hand durch die wälder von holzhausen braust, entsteht bei mir schon mal das gefühl, bei der schweden rally dabei zu sein.

es ist bekannt. mit meinen autofahrkünsten ist es nicht weit her. umso mehr bewundere ich jeden und jede, die dieses handwerk gründlich beherrscht.

zum beispiel bärbi, meine kundige führer- und fahrerin über die strassen von holzhausen.

im normalfall fährt sie ganz normal. für unsere hauptstrecke zum einkauf braucht sie dann etwas weniger als 30 minuten. wenn sie auf die tube drückt, kann es schon mal sein, dass wir in gut 20 minuten am ziel sein.

bisweilen hebe ich mit ab, wenn bärbi mit schuss über die landstrassen rollt. geteert sind die die waldverbindungen nur ganz nahe der ortschaften. der rest ist schotterstasse. wo diese durch die vielen lastwagen wirklich flach gedrückt ist und keine schlaglöcher hat, kann man schon mal mächtig in fahrt kommen.

im abfallenden gelände braucht es nicht einmal das gaspedal. der leerlauf genügt, um auf gerader strecke schnell 60, 70 oder auch 80 sachen drauf zu haben. dann flitzen die bäume nur so an uns vorbei. schaut man weit nach vorne, kann man sie einzeln fixieren und das tempo an ihrer wachsenden nähe ablesen. blickt man dagegen auf die seite, sieht alles unbestimmt aus, einfach dunkelgrün, selten durchsetzt mit etwas sonnenlicht.

ich mag es, mit offenem fenster zu fahren. Wahrscheinlich würde ich sogar ein cabriolet schätzen. Ausser bei regen. so ziehe ich unseren mietopel mit dach vor. mit vorliebe spiele ich aber bei heruntergelassener scheibe mit der ausgestreckten hand im wind. da spürt man, wie es wäre, ein flügel zu sein, dessen flossen der pilot im cockpit minutiös steuert.

alles, was flügel hat, kann auf den schwedischen waldwegen zum problem werden. die waldtauben sind bei solchen fahrten die grösste gefahr. Vom wagenlärm erschreckt, fliegen sie vom boden auf, können aber nicht steil aufsteigen. so nutzen auch sie die strasse als flugraum, bisweilen nicht viel höher als ein auto. einmal flog eine der waldtauben hunderte von meter vor uns her; erst als die nächste abzweigung kam, bog sie sauber nach links ab und machte uns so den weg frei.

wenn es geregnet hat, sind tempofahrten in holzhausen fehl am platz. dann ist es besser, ganz vorsichtig die holprige strasse zu meistern, denn die pfützen können sich innert tagesfrist bemerkenswert tief in die strasse einfressen.

vorsicht ist auch in den kurven angesagt, denn nicht überall kann man problemlos ausweichen, sollte mal gegenverkehr sein. immerhin, alle 100 meter ungefähr hat es ausbuchtungen der wege, die es erlauben, gefahrenlos zu kreuzen. da lernt man den charakter der anderen fahrerInnen am besten kennen. denn die rücksichtsvollen halten in den ausweichstellen ihrer seite an, wenn sie einen erblickt haben; die rücksichtslosen blochen ohne zu zögern vorbei und zählen ohne gruss darauf, dass das gegenüber ganz nahe ans strassenbord geht.

das kann schon mal ins auge gehen, denn da kann der weg unterspült sein, abrutschen, im schlimmsten fall schon mal einbrechen. an einer stelle mitten im wald erinnern wir uns bis heute bei jeder durchfahrt, einem bedrohlich schräg in der landschaft stehenden laster begegnet zu sein.

wenn die fahrer der grossen holztransporter mit ihren gefährten abgeladen durch die gegen fahren, erreichen sie bald einmal geschwindigkeit am oberen ende des erlaubten.
das laute scheppern der anhänger und der ladebrücken kündigt sie jedoch schon weit im voraus an; und die staubwolke, die sich hinter ihnen bildet, lässt einen sicher sein, dass da erst gerade einer war.

zu unserem glück ist der verkehr in holzhausen gering. als durchgangsstrasse taugt der weg nicht wirklich. es sind die zubringerfahrten der holzarbeiter, die zählen. selten verirren sich töffahrer – genagelte schmetterlinge, wie wir sie nennen – hierher. einmal, als wir an einem tag mehrere passanten auf vier rädern zählten, beklagten wir uns lauthals, der verkehr nehme unerträgliche ausmasse an! und lachten über uns selber …

in unserer weiteren umgebung findet immer im februar die svenska rallyt statt. ihr zentrum ist hagfors. ein grossen plakat mitten in der kleinstadt kündigt das main event aller autofans in värmland an. wenn bärbi ihrem wagen freie fahrt gewährt, kann es schon mal sein, dass auch ich meiner fantasie freien lauf lasse, und unsere fahrt durch die schwedische wälder wie ein radioreporter an der lokalen strassenrundfahrt kommentiere.

in bern würde ich mich dafür schämen!

stadtwandere

die hölle und das paradies

gemäss den letzten verfügbaren informationen sind dabei 91 menschen ums leben gekommen, 84 alleine im sommerlager der sozialdemokratischen jugend.

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aus dem paradies sei die hölle geworden, sagte heute morgen jens stoltenberg, der norwegische ministerpräsident, im radio, als er zum schrecklichen doppelattentat im regierungsviertel von oslo und auf einer vorgelagerten insel stellung nahm.

nach augenzeugenberichten ist der attentäter kurz nach der bombenexplosion in der norwegischen hauptstadt als polizist verkleidet und mit gesicherter waffe auf die insel mit dem camp gefahren. dort gab er vor, einen sicherheitscheck vornehmen zu müssen. die rund 600 jugendlichen wurden gerade versammelt, um über die tat in der hauptstadt informiert zu werden, als der attentäter unvermittelt in die menschenmenge schoss. es scheint, dass der erste anschlag nur dazu genutzt wurde, die stimmung herzustellen, welche die eigentliche tat erst ermöglichte.

obwohl örtlich so nahe, sind wir hier in holzhausen so fern den schrecklichen ereignisse. das internet verbreitet sie zwar in windeseile; nur eine halbe stunde nach dem ersten anschlag waren wir über das wichtigste informiert. Auch über das radio bekommt man etwas von der erschütterung des nachbarlandes mit, die in der nachkriegszeit ihresgleichen sucht.

doch wirkt dies alles so unrealistisch: „ausgerechnet norwegen!“, denkt man sich. so reich, so zivilisiert. ausgerechnet die sozialdemokratische jugend, die sich für eine besser welt versammelte, könnte man nachschieben. und man muss sich fragen, warum das ganze?

antworten sind schwer zu finden. natürlich, man weiss um die attentate auf olof palme und anna lindh in schweden. doch die galten sozialdemokratischen politikerInnen, deren einfluss auf die welt nicht allen passten. das setzte die bekannte kritik an der linken politik ab, die für die mehrheit politisch bleibt, bei extremisten aber batürliche hemmschwelle gegenüber gewalt senkt.

dennoch, das ganze hat eine bis gestern unbekannte dimension. betroffen ist das friedliche norwegen. getroffen hat es junge menschen, voller ideale, aber ohne macht. wahllos wurden sie erschossen, einfach, weil sie da waren.

zuerst hiess es, es seien islamistisch motivierte anschläge, um den rückzug norwegens aus afghanistan zu erzwingen. ganz unplausibel wirkte diese hypothese nicht, denn nach der liquidierung von osama bin laden durch die usa hatte man immer wieder gehört, die neue al quaida werde sich rächen. doch passt der hergang des geschehen sowenig zu den ereignissen.

passender wirkt da, die multikulturelle politik der linken norwegischen regierung sei der auslöser. in rechtspopulistichen kreisen gilt sie als schandtat, als verrat am eigenen land. zwar gehört, so liesst man, der attentäter nicht zur norwegischen neonazi-szene. doch habe er über facebook konservative, christliche und nationalistische kritik betrieben, bevor er zur eigenen tat schreitet.

anomie nennen das die soziologInnen: orientierungslosigkeit angesichts des auseinanderfallens von zielen und normen, von wünschen und verhältnissen. die kann politisch verschiedene, auf jeden fall unüblich folgen haben. dazu gehört das ausrasten, als einzelner, als kleine gruppe. eine politische gemeinschaft ist defür nicht einmal nötig.

doch wie gesagt, dass geschehene ist real, erleben kann man es hier nicht. so bleibt, dass der bericht vor allem ein virtueller ist, bei dem vorsicht angesagt bleibt. denn im paradies von holzhausen wirkt das an sich sehr, sehr irreal.

stadtwanderer

sunrise in the nature

lange schon wollte ich wissen, wie sie stimmung ist, wenn elche ins bett gehen. und so stehe ich heute ganz unüblich früh aus meinem auf.

es ist vier uhr, als ich die kanadagänse störe, die ganz in unserer nähe übernachtet haben. als sie mich erspähen, zieht die leitgans ohne zu zögern davon, und die anderen acht tiere folgen ihr in einer eindrücklichen v-formation. die bilden sie automatisch, ohne einen laut von sich zu geben. bald schon werden sie darauf angewiesen sein, dass der verbund klappt, um gemeinsam über den atlantik zu fliegen.

so früh am morgen ist es im schwedischen urwald ganz still. dazu passt, dass der himmel in grauen schwaden schläft. genauso wie die beiden boote, die man vor langer zeit hier parkiert hatte. das eine war noch gewendet worden; sein bauch ist schon mit moos überzogen; dass andere versinkt im schweren wasser, dass sich in eben diesem bauch sammelt, stück für stück.

erst wenn die sonne ihre ersten strahlen schickt, erwacht der himmel in allen farben. direkt über über den hügeln dominiert weiss, dann folgt fahles hellblau, schliesslich glänzendes blau. die wolken der nacht haben sich aufgelöst, was bleibt, wirkt wie der letzte schlaf im gesicht eines kindes.

über dem see bilden sich die ersten nebelschwaden. sie steigen auf, vielleicht einen meter hoch. es ist, als würden sie auf der bühne aus wasser tanzen. so bleibt nur ein schluss:

der tag ist da!

jetzt schimmert das erste gelb der sonne vom horizont. die leuchtende kugel geht direkt über einer baumgruppe auf einer kleinen insel im see auf. sie wirkt unheimlich kräftig, scheint ganz güldern.

es will mir scheinen, dass die seerosen ihre köpfe recken. auf dem schilf funkeln die tropfen des taus, und die birkenblätter glitzern im ersten wind.

der see gleicht einem erleuchteten spiegel. jeden baumwipfel sieht man in ihm verdoppelt. und jede wolke bekommt ihr geschwister. selbst einen zweiten mond hat die erde jetzt. nur das holz, das im wasser schwimmt, findet sich am himmel nicht. das ist gut, denn so weiss man unverändert, was oben und unten ist, wenn die natur einem den kopf verdreht.

von den alten völkern im norden sagt man, sie glaubten, die toten vorfahren im wasser würden in solchen momenten auferstehen und nachsehen, was ihre nachfahren aus dem wald gemacht haben. wenn es gut war, schickten sie wärme, luft und regen, sodass alles weiter gedieh. wenn es jedoch schlecht war, zogen stürme, blitze und donner auf, vor denen niemand sicher sein konnte.

heute glaubt man nicht mehr an solche geschichten. mystisch ist die stimmung während der geburt eines neuen tages trotzdem. unweigerlich streckt man die arme in die höhe, um die kraft des morgens in sich aufzunehmen!

doch fährt das erste auto voll von waldarbeitern vor, sodass die waldtauben erschreckt davon fliegen. für mich ist es zeit, ins hüttchen zurückzukehren. eine schale ekologiskt cornflakes aus dem ica mit frischer milch samt banane gibt es noch, bevor ich wieder unter die decke krieche.

genauso wie sich die elche in ihre büsche zurückziehen, bis sich das spektakel unter dem sonnenlicht wieder legt.

stadtwanderer

zum beispiel ekshärad

stadtwandern in värmland: zum beispiel in ekshärad im klarälvtal. ein porträt aus zuneigung.

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wenn man in die stadt rein fährt, könnte man sich ein wenig im mittleren westen der usa wähnen. linker hand bietet ein grillkoch steaks, würste, hamburger in einer umgebauten flachdach-garage zwischen einfamilienhäusern an. und auf der rechten seite findet sich, zwischen tankstelle und tante-emma-laden eine grosszügige pizzeria, deren eingang inszenierte gemeinschaftliche stimmung verheisst.

wären da nicht die auffahrtrampen für behinderte, welche die eigene vorstellungswelt einholen und einen unweigerlich nach schweden zurückführten, wo man gesellschaftlichen diskriminierungen gegenüber besonders sensibilisiert ist.

ekshärad ist ein landstädtchen in vrämland, das ganz und gar von durchgang bestimmt wird. weiland waren es die pilger auf dem weg nach nidaros, dem heutigen trondheim in norwegen, die der mächtigen klarälv gen norden folgten. heute sind töffahrer mit schweren monturen, welche die reise in die weiten landschaften wagen, oder touristen aus dem süden, die in den naturgegenden der umgebung fischen, wandern oder radeln wollen.

die einen kreuzen eksährad in wenigen minuten, die andern bleiben, bisweilen tage, aber auch jahre. holländer waren trendsetter im tourismus; deutsche, vor allem aus dem osten, sind in der holzwirtschaft und im gewerbe tätig, während schweizerInnen wie wir im abgelegenen holzhausen eine stuga, ein sommerhäuschen, haben.

ekshärad ist auf diese erneuerung dringend angewiesen. seit 1970 verliert der ort einwohnerInnen. bedrohlich nahe an der 1000er grenzen sei man ende 2010, hiess es in einem bericht der värmländischen zeitung. die eigenständigkeit als kommun hat man schon länger verloren; heute wird man von hagfors aus verwaltet.

mit folgen: selbst die angesehene gemeindebibliothek wurde vom gemeindehaus im zentrum ins schulhaus an der peripherie verfrachtet. vom kommunhuset, wie das ehemalige gemeindehaus heute angepriesen wird, ist nur noch die rote hülle geblieben. Innen haben die kaufleute des ortes das sagen: sie haben hier ihre büros für buchhaltungen und sonstigen schriftverkehr eingerichtet, ohne dass viel geschäftigkeit entstanden wäre. die nordea bank beispielsweise kündet mit einem türschild an, bis ende september in der ferien zu sein. Das alles ist symptomatisch, denn ohne geld auch in der schwedischen provinz nicht viel, was man an der ökonomischen infrastruktur schnell erkennt.

geblieben ist ekshärad das kirchliche zentrum. die stattliche kirche stammt aus dem 17. jahrhundert, der aufbruchszeit schwedens als europäische grossmacht, und sie dient heute noch für taufen, heirat und beerdigungen. im friedhof finden sich zahlreiche eiserne lebensbäume, dem traditionellen kunsthandwerk des ortes. besichtigen kann man heute auch frühere kirchen, diejenige aus dem 16. jahrhundert, des wilden flusses wegen aufgegeben zeigt noch ihre grundrisse, ganz unten im tal, und die stabkirche aus der pilgerzeit ist oben, auf den weichen hügeln. das ist ist mehr für das gesetzte publikum, das jüngere zieht da den elchpark vor, der vor jahresfrist eröffnet wurde und gleich zum renner für ferienfamilien geworden ist.

eigentlicher star in ekshärad ist jedoch das ica, der grosse einkaufsladen im zeichen des kleinen bären. die lokalen produzenten bieten hier ihre frischwaren feil. bemerkenswert ist zudem die bäkerei mit spezialitäten aus dem donauraum. Interessent ist sind auch die ställe des heimatwerkes, gleich vis-à-vis, und selbstredend empfehle ich vor ort das moccacino, das cafe mit südlichem einschlag, das jacqueline und ralph aus leipzig hier seit einigen jahren führen.

wer ekshärad kennen lernen will, dem empfehle ein wenig mehr geduld, als man im mittleren westen der usa haben dürfte. denn die strasse von nord nach süd und umgekehrt ist nur der durchgang. auf dem hört man vor allem die lauten tucker. ein eigentlicher zugang zu den leisen radfahrerInnen ergibt sich so nicht. wer den sucht, muss sich etwas zeit nehmen, muss eintauchen wollen in den kleinod im nördlichen värmland, und darf sich ruhig beraten lassen. zum beispiel bei der sympathischen und kundigen josephine ba(ec)ker im örtlichen touristenbüro.

stadtwanderer

gegen den strom

in einer woche brechen bruno und elisabeth kaufmann zu einer grossen reise nach südostasien auf. sie feiern ihren zwanzigsten hochzeitstag mit einer grossen schiffahrt den mekong hoch. „gegen den strom“ lautet das vielsagende reisemotto, das auch ein lebensmotto sein könnte.

arboga. schwedische kleinstadt mit eigenem stadtwanderer. sommerresidenz der familie kaufmann. nichts fürstliches, aber frisch geräumtes, wohliges ferienhäuschen im wald. bruno, elisabet, wanja und nina und die beiden neuen meerschweinchen sind wie jeden sommer da.

indes, in wenigen tagen werden die weltbummlerInnen über den halben erdball verteilt sein. die beiden töchter fahren ins bündnerische s’canf in ein sommerlager für auslandschweizerInnen, und die eltern fliegen nach vietnam, wo sie ihren 20. hochzeitstag mit einer reise den mekong hinaus feiern wollen.

„gegen den strom“ ist nicht nur der titel der reise in südostasien, unter dem nordland-korrespondent bruno kaufmann für das schweizer radio drs 2 berichten wird. „gegen den strom“ ist auch eine art lebensmotto für den politikwissenschafter aus zofingen, der seit jahren in schweden lebt.

in der schweiz war er in jungen jahren aktivist bei der gsoa. dann machte er beim verlag eurotopia mit. schliesslich stiess er zum initiative&referendum institut, dessen europäischer ableger er heute präsidiert.

immer ging es um einen seiner träume, der noch nirgends verwirklicht war.
für eine schweiz ohne armee.
für eine europa mit einer transnationalen bürgerschaft.
und für eine partizipatorische demokratie weltweit.

in falun, wo die kaufmanns normalerweise wohnen, ist bruno zwischenzeitlich mitglied der stadtregierung. sein ressort: wahlen und verfassung. sein ziel: volksabstimmungen einführen in der traditionsreichen bergarbeiterstadt schwedens.

profitieren kann bruno nicht nur von der weltanschauung der grünen, die er im stadtrat vertritt, die ganz auf bürgerInnen-nähe der politik setzt. einen nutzen zieht er auch aus seinem weltweiten netzwerk mit förderen von volksrechten.

ich solle seine neueste broschüre kommentieren, sagt er zu mir, während er mit joe matthews in kalifornien skypt. und während ich ihm meine bemerkungen mitteile, streckt er mir einen leitfaden zur bürgerinitiative in der europäischen union entgegeben, und ein buch zu volksabstimmungen in schweden. an beiden publikationen hat er massgeblich mitgewirkt.

fast könnte man den eindruck gewinnen, der unermüdlich kämpfer für die demokratisierung der demokratien schwimme gar nicht mehr gegen den strom, sondern schon längst mit ihm. nicht weil er, bruno, seine richtung geändert hätte, er weil der strom nur bergauf fliesse.

doch dann führt er mich auf den punkt zurück,der ihm wichtig ist. seinen reisebericht über schwimmende dörfer am mekong, strahlt drs 2 am 23. oktober 2011 aus – dann wenn ich, wohl mit dem strom schwimmend, die wahlen ins eidgenössischen parlament kommentieren werde, wird seine stimme gegen gegen den strom ankämpfen.

stadtwanderer

die brücke von gümmenen – verhandelt am symposium von holzhausen

alles begann mit den ersten cantarelllen aus den värmländischen wäldern. dann kamen maiskolben dazu, ochsenfilet, erdbeeren und schlagsahne. zusammen ergab das schon am freitag nachmittag ein oppulentes sonntagsessen. und da konnte die gelehrte disputation nicht fehlen.

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die holzbrücke von gümmenen, aus dem jahre 1739. ihre vorläuferbrücke war von höchster imperialer bedeutung, ebenso wie für die die geschichte der eidgenossenschaft.

das heutige symposium im schwedischen holzhausen war verschiedensten themen gewidmet, vor allem aber der brücke der gümmenen. vor ort erscheint sie den bewohnerInnen als überkommene zeugin aus frühern zeiten, längst überholt durch die verkehrsrealität der gegenwart. aus der distanz ist sie ein wahrhaftes zeugnis imperialer politik, betrieben durch karl iv., ihm dienste der böhmischen kirche und mit nebeneffekten für die bernische und eidgenössische politik.

zu beginn flossen wisky und aquavit, importiert aus der duty free in zürich. Hinzu kam ein rotweis aus dem systembolaget in torsby. die hauptspeise bestand aus edlem fleisch aus dem ica, von wo auch die maiskolben kamen. zur nachspeise gab es erdbeeren aus ekshärad, und schlagsahne, geschwungen in holzhausen. da durften die vanillekekse aus der vorratsbüchse und der kaffee aus dem rot krug nicht fehlen.

der themen waren viele. eine spannende diskussion entstand jedoch über die eidgenossenschaft. einig war man sich, dass der prinzip gut sei. selbstverwaltung, verbunden mit selbstverteidigung im ernstfall, jedoch nicht ohne verbindungen mit dem umwelt.

bei der ergründung, warum es eidgenossenschaften ausserhalb der heutigen schweiz kaum gab, stiessen die standpunkte aufeinander.
der eine: das ist eine schweizerische erfindung, von hohem inneren wert, jedoch ohne bedeutung für andere (rechts)verhältnisse.
der andere: die ausdehnung von eidgenossenschaften als landfriedensbünde wurde von kaiser karl iv. gestoppt, weil er statt bündischen adelige verhältnisse vorzog.

die fakten:
erstmals anerkannt wurden eidgenossenschaften 1365 – durch kaiser karl iv. der war von hause aus luxemburger, mit den böhmischen premyliden verheiratet, französisch erzogen, mehrerer sprachen mächtig, der als könig in prag die stadt zur kaiserresidenz machte.

eines seiner politischen ziele war die anerkennung des bistums böhmens durch den papst, denn die abhängigkeit von regensburg und damit von bayern mochte man in prag nicht. dafür galt es, einen sicheren weg nach „rom“, sprich zum papst, zu haben. wäre dieser damals wie üblich in rom gewesen, hätten die eidgenossen in im mittelland zwischen jura und alpen keine rolle gespielt. da er aber in „exil“ in avignon herrschte, führte der weg zum papst mitten durch dieses mittelland. dem kaiser jedoch waren die landfriedensbünde, die an die kaiserlose zeit nach friedrich II. und vor rudolf I. erinnerten suspekt. nur widerwillen lernte er sie zu akzeptieren.

in jungen jahren hatte kaiser karl iv. auf die goldene bulle gesetzt. damit wollte er die rechtsvehältnisse im unüberischtlich geworden reich neu ordnen. denn die adelkriege hatten die ehemalige einheitlichkeit des reichs in die ferne rücken lassen.

zu den übergeordenten zielen der kaiserzeit von karl gehörte, prag, seine residenzstadt zum sitz eines eigene bistums machen zu können. denn die abhängigkeit von regensburg und damit von bayern mochte man in prag nie.

dafür galt es, einen sicheren weg nach „rom“, sprich zum papst, zu haben. wäre dieser damals wie üblich in rom gewesen, hätten die eidgenossen in im mittelland zwischen jura und alpen keine rolle gespielt. da er aber in „exil“ in avignon herrschte, führte der weg zum papst mitten durch dieses mittelland.

das bündnis der zürcher mit den waldstätten nach der pest hatte der kaiser mit krieg auf gelöst. das gleiche der berner akzeptierte er ein dutzend jahre später. denn auf dem weg nach avignon erschien ihm bern unumgänglich.

auf dem weg in die papststadt hauste karl ein erstes mal in bern. die krone diente ihm als absteige, doch kam es noch zu keinem verhandlungsergebnis. erst auf dem rückweg einigten sich die beiden parteien.

von bern verlangte der kaiser, dass die bürgerlichen kräfte, die nach der ersten pestwelle an die macht gekommen waren, den traditionsreichen junkern wieder platz machen würden. die von bubenbergs, zwischenzeitlich im könizer exi,l kehrten in die stadt zurück und übernahmen das amt des schultheissen erneut.

die stadt wurde mehrfach privilegiert. sie erhielt erstmals ein festes kaufhaus und wurde damit für den überregionalen handel attraktiv. um ihre stellung in der umgebung zu sichern, erhielt sie die rechte über die hoheitliche brücke bei gümmenen, im grenzraum zwischen dem alten schwaben und burgund.

kaiser karl der vierte anerkannt mit der übertragung der rechte über die brücke zu gümmenen nicht nur die reichsstadt bern, sondern auch ihre regionalen herrschaft. diese galt dem kaiser als garantin für die sichere wege durch die gegend, und damit für die verbindung von prag nach avignon.

das war für die stadt bern, ihre burgundische eidgenossenschaft und die verbindung zu jener der waldtstätte nicht ohne. denn erstmals akzeptierte ein kaiser die rechtsform, die sonst nur ausserhalb geregelter regierungszeiten gültigkeit gefunden hatte.

ausgedehnt haben sich eidgenossenschaft darüber hinaus aber kaum. den sie galten nach wie vor als unordentliche bündnissysteme, von minderem rang, und maximal in übergangszeiten zur rechtssicherung akzeptabel.

der alte aus holzhausen, der selber in der nähe der karlsbrücke in prag lebte, danach nach bern emigrierte und heute in den värmländischen wäldern cantarelle findet, bevor man sie irgendwo sonst bekommt, staunte nicht schlecht, als der die ausführungen vom stadtwanderer hörte. denn wie für jeden prager ist karl iv. für ihn ein vorbild an internationaler ausrichtung, staatsrechtlicher ordnung und lokaler verbundenheit in prag, bern und holzhausen.

in erinnerung an seine fischereiwege ins seeland erhob er in holzhausen seine arme. „ich bin karl der vierte, der weiss, wie wichtig der übergang bei gümmenen ist, wenn man in bern lebt“, rief er am essenstisch aus.

das alles mitten im holzhausener symposion bei cantarellen, ochsenfleisch und erdbeeren, das die juristische anerkennung der eidgenossenschaft am beispiel der holzbrücke von gümmenen klärte.

jetzt fehlen nur noch die karpen im teich und auf dem teller! vielleicht bekommen wir welche bis zu weihnachten in bern …

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auf dem pilgerweg des nordens


der grössere teil der kapelle wirkt wie ein langhaus, dem versammlungszentrum der vikingersippen. spätestens die beiden drachen auf dem dach erinnern einen auch an eines ihrer legendären schiffe aus dem frühen mittelalter. den kleineren teil firmiert, genauso wie den eingang, ein kreuz, unzweifelhaft ein christliches. eine mischung, die typisch ist für alte kirchen am früheren pilgerweg des nordens.

stavkyrka heisst die kirche auf schwedisch, was auf deutsch stabkirche heisst. entstanden ist der name wegen der bauweise. denn die holzbalken werden nicht, wie in der blockbauweise waagrecht aufeinander gelegt, sondern senkrecht aneinander gereiht.

eingeweiht worden ist die stavkyrka von nygard bei ekshärad 2002 vom örtlichen bischof. erstellt haben sie handwerkern aus ekshärad – ein zimmermann und ein schmid waren dabei führend.

erbaut wurde sie nach traditionellen plänen der kirchen norwegens, die im 12. und 13. jahrhundert ihre blüte hatten. denn was rom für den süden, jerusalem für den osten, santiago de compostella für den westen war, das ist nidaros, das heutige trondheim, für den norden: der traditionsreiche sammlungsort für gläubige, die einmal im leben gott nahe sein wollten. und der weg hierzu war gekennzeichnet durch kleine gotteshäuser.

die stabkirche ist ganz aus holz gehalten, wie es sich für einen traditionellen treffpunkt auf dem land gehört. einzige ausnahme ist die platte auf dem altar, die aus einem seltenen stein der gegend geschlagen wurde. und der unterbau der kirche ist heute mit steinen unterlagt, damit das gebäude nicht fault.

die ausstattung im innern ist schlicht. drei kleine fenster geben ein wenig tageslicht, das während einer messe durch kerzen verstärkt wird. im hauptraum hat es genau drei bänke, eher für die touristInnen als für die gläubigen. denn die stehen während der ganzen dauer einer messen nach alter sitte. am imposantesten ist der dachstock. ein wenig luftigkeit kommt auf, wenn man ihn von unten erkundet. denn die baukunst des zimmermanns schwebt hoch über dem normalen besucher.

den oder die überrascht man in der umgebung der stabskirche mit einem kräutergarten, der ein wenig an eine frühchristliche präziose erinnert, wie sie in kontinentaleuropa von karl dem grossen gefördert wurden. da hat es alles, was einen erfreut, und im bedarfsfall auch wieder gesund macht(e). und es bereichert die örtliche biodiversität, was die zahlreiche schmetterlinge, hummel und bienen vor ort freut.

die guten zeiten der pilgerwege im norden waren zwischen dem jahr 1000 und 1500. die erinnerung an den heilig gesprochenen christlichen könig olav von norwegen bildete den anfang. mit der bildung des schwedischen nationalstaates unter könig gustav vasa kam dann jedoch das jähe ende. denn die seine lutheranisch gesinnten gottesleute hielten nichts mehr von dieser mittelalterlichen wanderungen. die meisten der kirchen in schweden verschwanden im 17. jahrhundert nach pestepidemien. heute entstehen sie neu, als teil einer europäisch verstandenen form der kulturbegegnung, eher touristisch als konfessionell ausgerichtet.

ein kleiner besuch, der es wert ist, auf den hügeln von nygard, hoch über der klarälv von ekshärad.

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aquavit

sollte dir ein essen einmal nicht bekommen, gibt’s nur eines: einen aquavit trinken. im norden geniesst man die spirituose aber auch so, als getränk zum wohlbekömmlichen einheimischen essen.

xmas_janssonsder name sagt eigentlich alles. aquavit heisst auf deutsch nicht weniger als lebenswasser. weil es gut schmeckt, stark ist, und einen auch bewegt. ein wenig wie die lebenskräuter im lebkuchen, nur flüssig.

der alkoholgehalt des aquavit beträgt 40 prozent. das feuert einen schon mal kräftig an. verfeinert wird das getränk durch die beigemischten gewürze. allen voran kümmel – aber auch anis und fenchel. ersteres muss beim nordischen lebenswasser vorherrschend sein.

zuhause würde ich fencheltee trinken, wenn mit ein essen nicht bekommen wäre. in schweden kippt man einfach einen – oder auch zwei aquavit aus dem schnappsglas hinten nah.

anis erinnert mich unweigerlich an frankreich. nur schon in gedanken liegt ein hauch von pastis, einer bar und paris in der luft. die vorstellungen sind auch in holzhausen verführerisch.

doch damit nicht genug. aquavit ist der wohl beliebteste schnapps im norden. getrunken wird er von den einheimischen zu muscheln, räucherlachs und gereiften käse.

marktleader in schweden ist der aquavit von o.p.anderson. die marke gibt es seit 1891. das wasser dazu auch. neu auch mit bio-zutaten.

kaufen kann man den anderson vor allem in dutyfree shops an flughäfen oder in zollfreiläden in schiffen. das habe ich auch diesmal bei der anreise nicht ausgelassen, und ich werde mir auf der heimreise einen kleinen vorrat für die zeit in hinterkappelen anlegen.

skal!

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den nordischen prachttaucher vor augen

nun bin ich wieder in holzhausen – meinem schwedischen sommerdomizil.

19251084unser flug ab zürich war schrecklich. eng, laut und stressig. ich merke, dass ich älter werde. an einem wochenende aus der arbeits- in die ferienwelt, ist nichts mehr für mich.

von oslo aus ging es nach schweden. in kongsvinger, der letzte grösseren stadt vor der grenze, gab es den ersten sonnenuntergang. im norden wirken sie anders als bei uns, weil sich die sonne nur langsam dem horizont nähert. der himmel wird durch das viel heller, eher gelb denn blau.

auf der fahrt durch die schwedischen wälder bestanden wir den elchtest schon am ersten tag. denn in der abenddämmerung begegneten wir gleich zwei mal den königstieren des nordens. einmal gaben sie sich von der scheuen seite, einmal von der interessierten. es tut gut, die prachtsviecher in der nähe zu wissen.

in holzhausen genossen wird die phänomenale nachtruhe. es macht schon etwas aus, keine durchgangsstrassen in der nähe zu haben. dafür begrüssten uns die möven – mit ihrem typischen gekreische. so wissen wird, dass uns die quartierpolizei des grossen naturreservates registriert hat.

die funkverbindungen in den värmländischen wäldern haben sich heuer deutlich verbessert. zwei bis drei striche sind die regel. da kann man nicht nur handyfonieren, es liegt auch einiges in sachen surfen und bloggen drin.

mit telia hatte ich indessen am montag meine probleme. das schwedische modem hat, so schien es, im winter den geist aufgegeben. ein ersatz musste her, in der pampa nicht ganz einfach zu organisieren. zwischenzeitlich habe ich ein neues. und wie man sieht, klappte es.

der erste tag war sonst zum kontakten da. zum beispiel im moccacino, unserer lieblingsbeiz in ekshärad, wo uns jacqueline und ralph schon mal herzlich begrüssten. auch bengt, unser autohändler, war erfreut, uns wieder zu sehen. für dieses jahr hat er uns einen kleinen weissen opel breit gestellt.

jetzt machen wir uns daran, holzhausen zu erkunden. die wälder, die wege, die seen, das boot und die tiere. ein seeadler jagte einen graureiher, der ihm sein revier streitig machen wollte. ausgang offen. am besten gefiel uns der nordische prachttaucher auf dem see vor holzhausen, mit seinen eleganten überwasserfahrten und seinen ausgiebigen tauchkünsten.

es sind sommerferien. werde bisweilen berichten.

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soll ich nun für die weltwoche schreiben?

ich habe ein angebot, neuerdings für die weltwoche zu schreiben. hier das dispositiv meiner noch ausstehenden entscheidung.

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wie man ihn kennt: cr roger köppel. was man jedoch nicht weiss: er will den stadt- wanderer anheuern.

es ist bekannt: auf der redaktion der weltwoche mag man mich nicht wirklich. und ich bin kein freund des weltwache-journalismus, der auf alles schiesst, was ausserhalb der svp um einen kopf aus der menge herausragt.

umso erstaunlicher war es für mich, als mich nach der letzten “arena”-sendung, an der ich teilnahm, mein experten-nachbar und wewo-chef roger köppel ein angebot machte, über historische themen für seine gazette zu schreiben. verlockend für mich, einer meiner starken neigungen noch etwas mehr als bisher nach gehen zu können – verlockend aber auch für ihn, mich von der analyse der gegenwart abzuhalten.

für meine sommerferien im schwedischen holzhausen habe ich mir mal ein arbeitsthema gegeben: “axel ochsenstierna beitrag zur staatenbildung der schweiz”.

den meisten mag das gar nichts sagen. denn kaum jemand dürfte den namen des schweden während des 30jährigen krieges von 1618 bis 1648 je gehört haben, der sich bei den verhandlungen für den westfälischen frieden so tatkräftig gegen den kaiser und für die sache der reformierten hervor getan hatte. auf den französischen könig war in dieser sache nämlich kein grosser verlass.

meine these lautet: die reformierten in der schweiz haben ihre gleichstellung mit den katholiken nicht nur in den villmerger kriegen von 1712 erkämpft. die emanzipation der gläubigen in zürich, schaffhausen, basel, bern und lausanne von der vorherrschaft der katholischen orte wurde vom schwedischen reichskanzler tatkräftig vorbereitet. insofern ist der aufstieg der reformierten städte in der schweiz im 18. jahrhundert nur ein vorspiel ihrer isolierten stellung, die aus einer vernetzung mit dem ausland hervorging. der urbane protestantismus in der schweiz ist damit seit seiner gleichberechtigung aussenorientiert-europäisch, nur hat er das vergessen!

die formulierung gewagter thesen habe ich ja als kritischer wewo-leser gelernt. entweder kann ich sie nicht bestätigen, dann schicke ich roger köppel wohl nur eine postkarte aus den ferien. denn unbestätigte thesen gehören nicht in ein politmagazin. oder es gelingt mir der dialektische schritt, und dann schicke ich am 1. august 2011 mein ochsenstierna-manuskript an die chefredaktion der wewo.

mauluege was de sommer so aues brengt!

stadtwanderer

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ganz frisch

letzter zwischenhalt auf der rückreise in die schweiz ist, fast schon traditionsgemäss, das moccacino in ekshärad. wo wir uns mit frischem essen in den sommerferien gerne erfrischten.

P8060401der lastwagen ist enorm, fast so gross, als wollte er das café gleich verschlucken. doch die absicht ist umgekehrt, denn der beves-riese ist da, um das “moccacino” im zentrum von ekshärad mit frischen lebenmitteln zu versorgen.

in ekshärad, der kleinstadt im klarälvtal, müssen wir die letzten erledigung vor der rückreise machen. das mietauto will zurückgegeben sein. die kollegInnen im büro erwarten sicher haferguetzli, und die schwierigsten postkarten müssen noch getextet werden.

da ist das moccacino der ideale dreh- und angelpunkt. so sind wir zum letzten mal bei ralf und jacqueline, den eingewanderten deutschen, gerade richtig. neuen schwung haben sie dem kaffeeumsatz vor ort verliehen, und ihre kleingerichte haben sich weit herumgesprochen.

ekshärad ist einer der orte, die durch die jüngsten kommunereformen verloren haben. der zentrale platz beherbergt zwar noch kirche, konsum und kaffeehaus. mit der abwanderung der politischen administration ins benachbarte, grössere hagfors ist sind aber auch die kleinbanken ganz aus dem ort verschwunden. der ersatz ist schäbig, denn der einzige bancomat am platz steht im ruf, nie zu funktionieren. das alles ist typisch.

von diesem niedergang setzt sich das moccacino vorteilhaft ab. es hat das ehemalige touristenbüro zum wirklichen treffpunkt umgestaltet. bestellt wird direkt an der theke, was gut ist. denn so bekommt man das eine oder andere über das leben am ort mit. der service ist immer zuvorkommend. auch das ist bei den vielen enttäuschten schweden im gstgewerbe nicht überall so.

zum eigentlichen markenzeichen im moccacino haben sich aber die stets frischen waren herungesprochen. was mit beves um 11 geliefert wurde, ist um 12 schon auf dem teller! stroganov mit rösti und salad ist der letzte tageshit, den wir in diesem jahr geniesen.

“man sieht sich”, heisst es zum schluss, wohl aber erst im nächsten jahr. deshalb wünscht uns jacqueline schon mal frohe weihnachten, der zeit, in der sie sich mit ralf erholen will, während wir uns ganz frisch endgültig auf den rückweg aus den sommerferien machen.

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zum roten krug

nichts geht über morgendlichem kaffee. den braut fast immer bärbi, die vor mir wach ist. dann duften es aus dem roten krug so herrlich, dass man die träume der nacht nochmals revue passieren lassen kann.

P8060398a(foto: bärbi)

die meisten träume während den sommerferien sind privatsache. der von heute, unserem reisetag, passt auch in einen blog. denn er resümiert wohl die lage der nation schweiz, wie ich sie während meiner zeit in holzhausen mitbekommen habe. hier der bericht aus dem roten krug:

„ich bin in italien. wir sind eine reisegruppe. es sind alles schweizerInnen. auf der priazza der provinzstadt hat es mässig leute, denn der zug aus dem norden ist eben angekommen.

unser stadtführer lobt alle über den klee. in der lokalen politik mache man es wie in der schweiz. man identifiziere probleme und löse sie. die ganz grossen probleme seien nicht lösbar, deshalb rede man hier auch nicht darüber. das sei in der eu ganz anders. jüngst habe man über justizskandale gesprochen – und auch nichts erreicht. die meisten aus unserer gruppe nicken.

derweil sind wir in einem grossen haus angekommen. das erdgeschoss sieht wie ein grosser essaal in einem kloster aus. oben sind kleine kammern, wohl für die braven mönche. wir werden angewiesen, dort unsere reisetaschen zu platzieren.

ich komme verspätet in den essraum zurück. es hat nur noch an der hintersten bank in der hintersten ecke platz. dafür hat man hier einen guten überblick über die gesellschaft. meine nachbarn sind in eine gespräch vertieft. sie sind erbost, wegen der beleidigenden anspielung auf die justizskandale. solche gäbe es in der schweiz nicht, sagen sie, und geben sich als svp-sympathisanten zu erkennen.

sie wollen das eveline widmer-schlumpf eine richtigstellung verlese. doch sie getrauen sich nicht von der abgefallen justizministerin etwas zu erbitten. sie fragen mich, ob ich es machen würde. ich zögere …

da tritt ein mann in den saal. er ist aufgeregt. draussen auf der piazza spreche christoph blocher. es gehe um die schweiz, den 1. august und um die reinen sitten im lande. da haben wir’s doch, denke ich.

doch unsere gesellschaft löst sich auf. die einen gehen in die ferien, wollen von allem dem nichts mehr wissen. die anderen stürmen zur rede, die alles klarstellt. ich mag mich weder dem einen noch dem andern anschliessen und entscheide mich, auf eigene faust in die stadt zu gehen.

doch das ist alles weniger friedlich, als man uns verheissen hatte. denn es tobt ein wahrer strassenkampf. jeder verfolgt jeden! die fussgänger werden von den velofahrern gejagt, und denen sitzen die autofahrer im nacken. darwinismus pur!

ich flüchte in ein taxi, erwarte da schutz. dem fahrer bedeute ich, er solle mich in die nächste stadt bringen. die hier sei mir definitiv zu unsicher.

am ende der strasse muss er an einer ampel halten. merkwürdigerweise warten aber alle wagen, egal von wo sie kommen. das ganze wirkt wie blockiert. wir sehen, wie der fahrer im wagen gegenüber wütend wird. er schreit, das seien die sozis gewesen. die müsse man überfahren wie die kleinen katzen.

dann wächst sein wagen mächtig an. die scheinwerfer werden zu mäulern mit zähnen. mir wird unheimlich.

der fahrer sagt, das sei nur drohkulisse. er bleibe da am liebsten ruhig, nur wenn der andere agiere, regiere er. ich zweifle, denn der wagen fährt schon bald mit bedrohlichem geheul los. das taxi beschleunigt ebenfalls, weicht nach links aus, will den feind leer laufen lassen.

da kracht es laut. seitenkollission! mein fahrer ist sofort tot. merkwürdigerweise wirkt er nicht unglücklich. er sieht aus, als hätte er seine erfüllung gefunden. die zigarettenkippe steckt immer noch mund.

aus dem anderen wagen sind laute hilferufe zu hören. ich weiss nicht, ob ich helfen oder weiter gehen soll. immerhin hat mich der fahrer eben bedroht, und doch ist auch er ein mensch. so ist politik.“

ich muss ein wenig lachen, als ich das bärbi erzähle, während ich die pizza anschneide, die an jedem letzten ferientag bei uns zum frühstück verspiesen wird.

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