die eisenkreuze von ekshärad

wenn am abend der wind geht, funkeln die symbolischen blätter am lebensbaum aus eisen wie die birken beim sonnenuntergang. das passt, denn sie stehen auf dem friedhof von ekshärad.

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volkskultur seit dem späten 17. jahrhundert: eisenkreuze auf dem friedhof von ekshärad (foto: stadtwanderer)

die klassischen lebensbäume haben, wie die richtigen bäume, viele äste. sie zeugen vom reichtum der verstorbenen, der sich in kindern zeigte. denn jeder ast kommt einem nachfahren gleich, und jedes blatt an einem ast einem nachnachfahren.

das alles hat die värmländische kleinstadt bekannt gemacht. 400 gräber auf dem friedhof der 1200 seelengemeinde habe ihr eigenes ekshärad-kreuz.

der soziale wandel zeigt sich auch hier: bei den verstorbenen in den letzten 20 jahren sieht man immer mehr kreuze mit nur zwei ästen, einem oder gar keinem ast. das spricht für den rückgang der kinderzahl, – im kinderfreundlichen schweden besonders auffällig.

geblieben ist jedoch das eisen als material, – im übrigen das mit abstand populärste metall in ganz schweden, das man im heimischen boden gewinnt. es trotzt jedem wetter über generationen hinweg, und es zeugt so von der hoffnung auf beständigkeit des lebens über den tod hinaus.

geschmiedet wurden die ekshärad-kreuze früher von den zahlreichen hausschmieden im dorf, welche die beliebte volkskunst pflegten. heute gibt es im benachbarten uddeholm einen professionellen schmied, der die eisernen lebensbäume für die nachfahren der verstorbenen anbietet.

die nähe aus lebens zur natur als vorbild, die aus den kreuzen spricht, ist typisch für den ganzen friedhof, ja das ganze leben in ekshärad. denn die trennung von natur und kultur, wie sie seit den griechischen philosophen üblich und vom christentum verbreitet wird, wirkt bei den wald- und landmenschen im norden unverändert künstlich. ihr mensch ist, genauso wie die tiere und pflanzen, ein unverrückbarer bestandteil eben dieser natur.

dass uns beim weggehen aus dem friedhof gerade noch ein hase kreuzte, der über die gräber huschte, vollendete diesen eindruck …

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schwarzer humor

schweden ist vizeweltmeister im kaffeetrinken. nur in finnland konsumiert man pro kopf mehr vom schwarzen getränk. dafür erzählt man sich in schweden die besten geschichten zum kaffee. eine kostprobe des schwarzen humors, der so entsteht.

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könig gustav III. von schweden, der experimentell herausfinden wollte, ob tee oder kaffee der gesundheit weniger schade

im 18. jahrhundert wollte man wissen, was der gesundheit weniger schade: der tee oder der kaffee.

könig gustav III. ordnete hierzu ein experiment an. eineiige zwillinge, die zum tode verurteilt waren, wurden hierfür eingesetzt.
der eine musste übermässig tee, der andere mehr als üblich kaffee trinken. wer zuerst sterben würde, hätte seiner gesundheit mehr geschadet. das die übungsanlage.

doch zum königlichen entscheid mit makabaren “beweisstücken” kam es nicht. denn gustav III. starb als erster. der teetrinker wurde 82 jahre alt, der kaffeetrinken lebte noch länger …

der tod des absolutistisch regierenden königs wurde übrigens durch kein getränk verursacht. vielmehr verstarb gustav III. am 29. märz 1792, nachdem er von rebellierenden adligen in der oper erschossen worden war. die mörder hatten sich hinter masken versteckt, was giuseppe verdi zum anlass nahm, seine oper “der maskenball” zu komponieren.

na denn, gut schluck!

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ein bisschen wie in bullerbü

holzhausen steht kopf: häuptling knorrige eiche hat das weite gesucht, denn die kinder haben die häuser in beschlag genommen.

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kinderspielplatz holzhausen (foto: stadtwanderer)

seit einige tagen haben wir besuch, – aus der schweiz und aus tschechien. zwei familien mit insgesamt fünf kindern und jugendlichen sind nun auch auf dem hof. seither steht kein stein mehr auf dem anderen.

heute war gemeinsames streichen der sauna angesagt. schon am morgen um halb neun stand die kindertruppe als malerquipe in unserer stube und wartete auf den einsatzplan. der kroch eben ziemlich verschlafen aus dem bett und vertröstete die willigen auf etwas später.

die kinder waren in pelerinen verkleidet oder hatten sich aus abfallsäcken und einkaufstaschen überkleider gebastellt, als es (endlich) losging. die ihnen zugewiesene wand war im nu (nicht zu knapp) mit falu röd bestrichen, und schon wartete der ausflug in den see auf die erlebnislustigen.

die kleine clara tanzte splitternackt auf dem steg, und die kleinen jungs standen spalier. dann hüpfte jendo als erster in den see. die wasserratte war kaum mehr an land zu bringen. der megakühlen temperatur zum trotz. thomas und toni schliesslich halfen abwechslungsweise beim baden und streichen, oder vertrieben sich die zeit mit kämpfen auf der wiese.

ohne verzug gings dann ans bräteln. würste aller art und schweinkotelleten waren angesagt. kartoffeln, schaschlik und teigwarensalat rundeten das ganze ab. gegessen war es schneller als zubereitet. das gilt auch die von bärbi gespendete roulade!

und schon wieder war man auf dem steg, um beim fischen zuzusehen, oder beim feuer, um kleine “dynamitstangen” einzuwerfen, oder auf der schaukel, um sich ein bisschen vorzuführen. oder, oder, oder.

angesichts der kinderparade waren die erwachsenen heute nur staffage. sie halfen beim rüsten und waren für die küche zuständig. und wenns irgendwo mal kleine blessuren beim fussballspiel oder baumstämmerollen gab, waren sie zur stelle, um erste hilfe zu leisten.

häuptling knorrige eiche, der sonst ganz allen auf dem hauptsitz in holzhausen lebt, hat bisweilen schon mit uns zu kämpfen. das ist das maximum an zivilisation, das er erträgt. das heute war ihm definitiv zu viel. unserer ältester suchte denn auch das weite, um seine ruhe vor dem kunterbunden treiben in holzhausen haben.

denn heute war sein zuhause fast schon wie bullerbü, das kinderparadies von astrid lindgren.

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wie klein die welt doch ist

sein name ist andreas lehikoinen. der waldunternehmer hat finnische wurzeln. nach dem lothar-sturm kam er in die schweiz, um bei den aufräumarbeiten zu helfen. dabei lernte er die glarnerin elfriede kennen, mit der er seither in värmland lebt.

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arbeitsplatz von andreas lehikoinen, dem wir am tiomilaskogen-festival begegnet sind (foto:stadtwanderer)

am tiomilaskogen, dem grossen waldfest im grenzgebiet zwischen värmland und dalarna, präsentierte andreas mit einem kollegen seine maschinen, um aus birken scheite zu machen. alles nur mit knopfdruck.

der reisige bagger fährt die gestelle heran, ein rollband breitet die baumstämme vor, eine hacke zerlegt diese in der gewünschten grosse, und eine messer wie ein grosser vierkantschraubenzieher zerlegt diese in holzstücke, die über das förderband ins gestell gekippt werden. hier werden sie gleich in grosse oder kleine säcke verpackt und der kundschaft gereicht.

andreas, der unser interesse bemerkt hat, will wissen, von wir seien.
„tyskland“, für deutschland, ist wohl die standarderwartung.
doch als wir sagen, wir seien aus der schweiz, hellte der stämmige waldarbeiter, der problemlos in jeder eishockeymannschaft spielen könnte, auf.
„sprecht ihr deutsch?“, fragt er nach.
„klar“, geben wir zur antwort.
„meine frau ist aus der schweiz!“, klärt andreas uns seine freude auf.
„heisst sie elfriede?“, fragen wir nach.
„ja“, antwortet der waldmann erstaunt und zeigt auf das haus, das er mit ihr bewohnt.

elfriede haben wir von einigen jahren am tiomilaskogen-festival kennen gelernt. sie hat uns ein wenig aus ihrer lebensgeschichte erzählt, die sie von schänis im glarnerischen nach uvana in värmland gebracht hat. seit 2002 lebt sie hier.

wir wiederum sind froh, nun auch ihren mann kennen gelernt zu haben. des schlechten wetters wegen werden wir dieses jahr nämlich kaum holzen können. weil unsere reserven vor und unter dem haus aber angesichts der kälte schnell zurückgehen, sind wir auf neues brennholz angwiesen. so wir bestellen gleich zwei grosse säcke, und zwei sack spänne dazu.

wofür wir die brauchen, will andreas wissen? – für die toilette, geben wir zu antwort, denn das ersetzt uns die wasserspülung im plumpsklo. der waldmann lacht.

wir möchten noch wissen, ob er uns die ware auch liefert. „kein problem“, bekommen wir zurück. „wohin geht es denn?“, will andreas noch wissen.
als wir erzählen, dass wir in holzhausen wohnen, strahlt andreas gleich noch einmal. das sei das wohnheim seines grossvaters gewesen: eine ursprüngliche finnensiedlung im wald, die dann wieder in finnisch hände kam. genauso wie er in schweden lebe.

genau so ist das tiomilaskogen-festival. man geht hin, bekommt etwas kaffee oder eine wurst, erfährt etwas aus dem alltag der menschen und staunt, wie klein die welt selbst im entlegensten winkel wie holzhausen ist.

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tiomilaskogen-festival im regen

wer glaubte, der jahrhundertregen in schweden sei nach den niederschlägen schon vorbei gewesen, sah sich gestern getäuscht. der neuerliche dauerregen trifft das tiomilaskogen-festival besonders hart.

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land unter wasser: gustavsfors am tag des grossen regens (foto: stadtwanderer)

die heimfahrt von karlstad war intensiv. es regnete stundenlang, und die klarälv war zu einem reissenden strom angeschwollen, der gelegentlich sogar in die nebenflüsse floss – und nicht umgekehrt. hie und da standen ganze felder oder wälder unter wasser, denn wenn die bäche im grenzgebiet von värmland und dalarna über die flachen ufer treten, wird es schnell kritisch.

gustavsfors machte diese woche in den nachrichten des nationalen radios schlagzeilen. es war der ort, wo es dieser tage in ganz schweden am meisten geregnet hatte. unsere durchfahrt gestern abend zeigt uns, was das heisst: die brücken stehen bis zum obersten traggestell unter wasser, und die ersten häuser an den neu entstehenden seen sind bedroht, mitgeschwemmt zu werden.

in holzhausen ist es gottseidank! noch nicht so schlimm: zwar sind auch hier die wiesen pflotschnass, und das wasser rinnt aus allen richtungen von der insel in den see. doch die häuser stehen unverändert gut in der landschaft.

für die waldgegend rund herum ist der dauerregen doppelt schmerzlich: er bedroht nicht nur land und leute. er zieht den organisatoren des tiomilaskogen-festivals einen dicken strich durch die rechnung. denn vom donnerstag bis samstag ist der jahreshöhepunkt. alles, was in den entlegenen wäldern zwischen den landschaften värmland und darlana lebt, trifft sich einmal im jahr, um sich auszutauchen, die haushalte der anderen zu bestaunen, und sich zum essen einzuladen.

am liebest stellt man dabei den ganzen hausrat nach draussen, damit sich niemand scheut, hinzusitzen. momentan ist jedoch der gedanke ziemlich pervers, man müssen ausser haus mit einenander zusammensitzen. es tänt fast so, als wäre die gute stube unter wasser!

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das geld (nicht) wert

der schweizer franken ist keine wichtige währung mehr. jetzt wissen wir es!

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värmlands museum in karlstad, dem zentrum des schwedischen kaffees (foto: stadtwanderer)

es hätte unser schöner ausflug in die värmländische grossstadt werden sollen. karlstad ist etwa so wie st. gallen für die ostschweiz.

angesagt war der besuch an der götagalan, dem traditionellen leichtathletikfest der provinz. doch schon am nachmittag regnete es, und am abend war die stadt platschnass. von sportveranstaltung konnte nicht mehr die rede sein.

so verbrachte ich den nachmittag in bücherläden. ich habe mir erstmals bücher auf schwedisch gekauft. so nach dem motto: die anderen 99 elche und ich! jetzt ist lesen in schwedisch angesagt.

doch zuerst ging esums geldwechseln auf der bank. doch oha lätz! der schweizer franken interessiert auf der swedbank nicht mehr. es lohne sich nicht, jede währung zu nehmen. man konzentriere ich auf die wichtigen wie euro und dollar, hiess man uns.

da hatten wir es: der schweizer franken ist auf dem tiefpunkt in schweden. gänzlich unwichtig!

da blieb mit nur noch eins: der besuch im värmlands museum, wo man der gründerzeit von karlstadt 1584 gedenkt, als herzog karl mit vollem pioniergeist die stadt an der mündung der klarälv gründete, um die rieisigen waldreserven und eisenerzvorkommen zu sichern.

und nicht um mit optimierungsprogrammen öffentlichen dienstleistungen bis zum geht nicht mehr abzubauen!

eins kann ich jetzt schon sagen: die ausstellung ist das geld wert! anders als die swedbank …

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seen wie sand am meer

schweden hat fast unendlich viele seen. die meisten von ihnen verteilen sich über das land und sind klein, während sich die grossen auffällig in der ebene zwischen göteborg und stockholm befinden. ein erklärungsversuch.

322px-schweden_topozu eiszeiten lag der ganze norden unter einem weitreichenden gletschermassiv verborgen. das gilt nicht nur für orte wie jene der gegenwärtigen hauptstädte islands, irlands, norwegens, schwedens und finnlands. nein auch berlin wäre ganz unter dem eis gewesen.

mit der eisschmelze vor zirka 12’000 jahren verschwand das land zwischen dem heutigen england und norwegen im meer, während dänemark, norddeutschland, nordpolen und das gebiet der heutigen baltischen staaten von eis freigelegt wurden. das gebiet nördlich davon, aber südlich des riesengletschers wurde als verlängerung des atlantiks zum meer.

anders als heute war das, was heute als südschweden gilt, mit dem kontinent verbunden. dafür gab es von südschweden aus keine landverbindungen zum nordeis. das ganze gebiet zwischen dem heutigen stockholm und göteborg war unter wasser. wahrscheinlich durch landerhebungen, wie sie heute noch in finnland üblich sind, bildete sich schliesslich die mittelschwedische senke, wie die flache, seenreiche gegend zwischen stockholm und göteborg heisst.

der vänernsee mit einer fläche ein viertel so gross wie jene der schweiz ist der grösste schwedische see überhaupt, und der dritte unter den seen in europa. aber auch das weitverzweigte seensystem rund um stockholm mit dem mälarensee gehört dazu. und selbstverständlich die unmengen von seen, die es in der ganzen umgebung hat. värmland, wo ich meine ferien verbringe, hat alleine 111’118 seen.

die beherrschung dieser see- und flusswege im übergang von der südlichen zum mittleren landzunge, die schweden in den letzten 10’000 jahren geworden ist, sollte zur zentralen herausforderung der menschen werden, die über das wasser kamen.

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das gold vom wald

der jahrhundertregen vom wochenende ist vorbei. “regen, regen, und nochmals regen”, war die titelgeschichte in der värmländischen lokalzeitung von gestern. doch jetzt verspricht man den überlebenden (!) das gold vom wald: bei so viel feuchtigkeit, die nun auf sonnenschein trifft, sollen besonders viele eierschwämme spriessen.

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die ersten eierschwämme aus holzhausen, die kurz nach dem grossen regen gepflückt werden konnten (foto: stadtwanderer)

ich sehe uns schon toastbrote schmieren und die goldene melasse darüber streichen! bis dann machen wir uns auf die suche nach blaubeeren, denen solche wetterkapriolen auch ganz gut gefallen sollen.

grüsse aus dem ganz nomalen schwedischen sommer …

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wunderbarer schlaf

danach plumpst man nur so ins bett, um wunderbar zu schlafen.

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rohbau fertig: unsere sauna in holzhausen (foto: stadtwanderer)

heute war sauna angesagt. erstmals in der eigenen.

unsere neue sauna hat gunnar diesen frühsommer gebaut. die umgebungsarbeiten sind noch bei weitem nicht fertig, – das schlechte wetter der letzten tag hat unsere pläne den dachkänel runter gespült. doch der rohbau steht, nur die lasur und farbe an wänden, decken und böden fehlen noch. und dem holzofen haben wir schon einige mal kräftig aufgeheizt.

heute war einweihung der sauna – unprätentiös, wie es sich für den norden gehört. der metallofen feuerte, was er konnte. die luft stand vor wärme, und selbst die holzwände waren heiss. auf der untern bank war es vielleicht 30 grad, ganz oben aber schon gegen 90.

geschwitzt haben wir in dieser hitze auf anhieb. die arme, die beine, ja selbst die oberlippen perlten schon bald. nach den tagen mit den unendlichen grauen wolken und dem vielen regen konnte man davon fast nicht genug bekommen.

die abkühlung vom dampfbad erfolge im see – für mich noch ein wenig eine herausforderung! denn der temparaturuntschied ist ernorm. anregend ist der spektakuläre wasserwechsel jedoch schon.

danach gab es beim spaziergang zurück ins haus eine herrliches luftbad. die haut fror ein wenig, der körper aber war gut durchblutet. ein jeder muskel wurde einem bei jedem schritt bewusst.

zu hause erfreute uns ein kräftiger tee, sodass man nur noch ins bett plumpsen musste, um wunderbar zu schlafen.

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det regnar

es regnet. nun schon die ganze woche. die seen sind überfüllt, die böden versumpfen, und auf den schotterstrassen bilden sich zahllose löcher, die sich mit brauner brühe füllen. der bericht vom grillplatz in holzhausen.

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blogstation grillplatz bei regen (foto: stadtwanderer)

in meinen 11 jahren schwedensommer habe ich schon einiges erlebt. 1999 war pflotschnass, 2003 megaheiss. es scheint, also ob sich der klimawandel im norden viel krasser als auf dem kontinent bemerkbar macht.

die letzte woche gibt dem noch einen drauf, denn seit unserer ankunft in holzhausen haben wir vor allem regen gesehen.

“det regnar”, wie die schweden lakonisch sagen.

selbst wenn sich die wolken auflösen und die sonne scheint, glaubt man nicht an besserung. denn der wetterbericht ist demoralisierend: im grenzgebiet zwischen värmland und dalarna, wo holzhausen liegt, soll es am meisten regnen, warnen sie in den nachrichten.

die radioneutigkeiten sind bald unsere einzige ausseninformation. denn die 30 kilometer bis zur nächsten kleinstadt mag man bei dieser witterung kaum auf sich nehmen.

und der internetempfang passt gut in die aktuelle landschaftbeschreibung. obwohl mit neuesten umts-simkarten der staatlichen gesellschaft telia ausgerüstet, sitzen wir im funkloch.

im haus, wo es schön warm und trocken ist, gibt es keinen empfang, weder für handies, noch für internet. der nächste ort, wo man hier eine verbindung hat, ist der nahe gelegene grillpatz auf dem seedamm.

doch der lockt nicht, angesichts der anhaltenden regenfälle nur für verzwefelte zwischenrufe

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neues leben aus dem aschenbecher

in holzhausen anzukommen, ist immer voller überraschungen. diesmal war es eine freudige.

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unsere 5 grauschnepper, bei ihrem ersten ausflug vom gurkenglas in den bierkarton (foto: stadtwanderer)

unser allgemeiner aschenbecher besteht aus einem gurkenglas. für unsere gelegentlich rauchenden gäste haben wir es mit sand gefüllt und auf die veranda gestellt. dort kann man seiner sucht frönen. und über winter lassen wir das glas einfach stehen.

schon beim ersten anblick sahen wir, dass der aschenbächer randvoll war. unerwünschter besuch in unserer abwesenheit?, war der spontane gedanke. unerwarteter schon, unerschwünscht indessen sind.

denn es sind keine kippen, die das glas füllen, sondern fünf kleine grauschnepper, die alle schon geschlüpft sind.

der platz ist fast zu klein, dass alle fünf den kopf raus strecken können. er reicht gerade noch. doch die eltern füttern die kleinen wie wild. und diese wachsen, fast zum zusehen.

unsere anwesenheit scheint sie nicht grosse zu stören. das ist gut so, denn der sommer in mittelschweden ist kurz, und dann fliegen unsere lieben gäste direkt nach afrika. denn sie haben starke und gesunde lungen.

schön, wenn leben aus dem aschenbecher quillt. velkommen i värmland, sagt sich da der

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ich bleib dann schon mal da!

auch ich gehe. doch bleibe ich auch!

“ich bin dann schon mal weg”, ist ein anhaltender bestseller unter den deutschsprachigen büchern. der reisebericht von hape kerkeling zu seinen erlebnissen auf dem jacobsweg entstand während der auszeit des deutschen journalisten. gesundheitliche probleme standen am anfang, santiago de compostela auf dem berühmten pilgerweg zu erreichen war das ziel des wander- und buchprojektes.

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die klarälv, schwedens längster fluss, entspringt in den schwedisch-norwegischen bergen, fliesst in den vänernsee und ist ein teil des mittelalterlichen pilgerweg nach nidaros.

nun breche auch ich auf! nicht in den süden, aber in den norden. und auch an einen pilgerweg: denn was für die kontinentaleuropäerInnen das spanische santiago de compostela ist, ist für die nordländer die mittelalterliche hauptstadt nidaros.

wikingerkönig olav I. tryggvason gründete dort, wo der nid in den atlantik mündet, im jahre 997 seine hauptstadt. leif eriksson, der entdecker amerikas der nordländer im jahre 1000 lebte in nidaros. und 1030 verstarb könig olav ii. haraldsson nach der schlacht von nidaros an den gestaden des atlantik.

unter olav ii. setzte die zivilisierung der wikinger ein. ausgerechtnet ihr könig trat dann unter dem einfluss von missionaren als erster zum christentum über, womit er ein aufstand unter den schiffern und fischern entfachte, der dem könig schliesslich das leben kostete. das christentum setzte sich in mehreren anläufen schliesslich doch noch druch, und olav ist zum ersten heiligen des nordens geworden.

nidaros ist heute den meisten menschen nur noch unter dem dänisch-norwegischen namen trondheim bekannt. und auch der pilgerweg, der aus dem hinterland ausgehen vom riesigen vändernsee in schweden durch das mächtige klarälvtal über die norwegischen berge das ebenso eindrücklich nidelvtal hinunter nach trondheim führt, ist selbst für viele einheimische in vergessenheit geraten.

nicht jedoch für den stadtwanderer! denn er wird ganz in der nähe dieses pilgerweges – wie schon so oft – seine sommerferien verbringen. holzhausen ist sein ziel, ein schmucker ort in värmland, der geheim bleiben soll, ist sein ziel im wald über der klarälv, wo birken und seen einige wenige häuser stehen. dort wird er sich für vier wochen niederlassen und – einmal mehr – den reichtum der natur, die anfänge der kultur und die einfache zivilisation der landleute geniessen.

es steht also die grosse auszeit 2009 bevor. doch anders als hape kerkeling nicht, weil ich mir mit arbeiten meine gesundheit ruiniert hätte. vielmehr will ich mich entspannen, erholen, will ich auftanken und kraft sammeln, um wieder arbeiten zu können. anders auch als der deutsche talkmaster werde ich auch keinen reisebericht aus der retrospektive schreiben, sondern – wie es sich für einen ordentlichen blogger gehört – direkt über meine erlebnisse berichten.

eben ich gehe, und bleibe auch. deshalb heisst meine serie von reiseberichten aus schweden: “ich bleib dann schon mal da!”

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schwedenerinnerungen mitten im zürcher hauptbahnhof

“was für ein mineralwasser darf es sein?”, fragte mich der kellner. ob ein “ramlösa” in ordnung sei, wollte der aufmerksame herr am schwedenbuffet im zürcher hauptbahnhof wissen. das wies in als kenner der angebot im hohen norden aus. “sehr gut”, antwortete ich ihm, fragte aber nach: “haben sie auch ein loka brunn?”. da stutzte mein gegenüber, denn auf diesen konter war er nicht vorbereitet. “ööh, leider muss ich da passen, aber sie scheinen bestens im bild zu sein!”, fügte er bei.

genau so ist es. und weil ich mir ein minimales urteil über schweden und seine küche zutraue, kann ich auch sagen: das war schon der einzige kleine patzer, den ich im restaurant au premier in zürich monieren könnte. ansonsten ist die sommeraktion “smörgasbord” wunderbar: das angebot ist vielfältig, die präsentation gepflegt und die stimmung ist unkompliziert. mitten im grossen nebenraum der gaststätte wird mittags und abends ein riesiger tisch mit allein köstlichkeiten aus schweden gedeckt, und rundherum kann man alleine, als paar oder als gruppe einen tisch zum tafeln beziehen.

der schweden-event mitten in der schweizerischen wirtschaftsmetropole war für mich eine willkommene gelegenheit, noch einmal in die grossen sommerferien 2008 zurückzukehren.
bilder von den unendlichen wäldern und den zahlreichen seen wurden wieder wach.
töne vom rauschen des windes und vögeln, die über uns hinwegfliegen stiegen in mir auf.
und selbst der duft der würzigen luft in schwedens natur meldete sich zurück, sodass ich mich fast schon wieder in holzhausen, meinem feriensitz in schweden, fühlte.

empfehlen kann ich den last minute gästen, die zwar nicht meine ferienerinnerung nicht teilen, das schwedenbuffet aber selber erleben möchten, den folgenden speisezettel:

vorspeise: senfhering und matjes mit schnittlauch und sauerrahm
fisch: heissgeräucherter lachs und eier mit löjrom-kaviar
kalte platte: schwedischer gurkensalat mit dill (mein absoluter favorit)
warme platte: rentiermedaillon mit frischen pfifferlingen, dazu kartoffeln-sardellen gratin
desserts: himbeer- und schokomousse
kaffee: starken, ohne milch, aber mit gewürzplätzchen.

selbstverständlich ist das eine fast schon unerlaubt subjektive auswahl. denn auf den grossen tischen im zürcher au premier gibt es über 60 verschiedene angebote an speisen, die man nach eigenem gutdünken und à discretion geniessen kann.

es war herrlich, noch einmal ein wenig sommerferien zu haben!

stadtwanderer

ps:
wenn ich mich richtig erinnere, war es ate, die mich mit einem kommentar zu meinem beitrag über die schwedische küchen während meinen sommerferien auf den sverige-event in züri aufmerksam machte. jetzt habe ich die chance gerade noch rechtzeitg wahrnehmen können. ihr habt die möglichkeit noch bis zum wochenende, auf jeden fall: smaklig maltid!

infos

warum noch postkarten schreiben?

ja, die frage stellt sich regelmässig während und nach den ferien. während sogar noch weniger, danach dafür umso mehr. drum mache ich es einfach: habe, wie schon länger, kaum kartengrüsse verschickt aus schweden. habe dafür, wie seit neuestem, die besten fotos aus schweden auf meinem flickr-album zusammengestellt.

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foto: stadtwanderer

wer also der ansicht ist, er oder sie hätte eine postkarte von mir kriegen müssen, den verweise ich einfach auf mein ferienalbum. und wen es sonst noch interessiert, wie es war, in schweden, wenn ich nicht gebloggt habe, der oder die schaue doch auch gleich hier nach.

es einfach wunderbar!

stadtwanderer

die unvollendeten

der schweden-aufenthalt 2008 neigt sich seinem ende zu: göteborg ist erreicht, die fähre ist bestiegen, und der hafen liegt bereits hinter uns. ein rückblick auf die unvollendeten blog-beiträge.

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das (provisorische) touristenbüro im värmländischen ekshärad, mit internet cafe, das ich meist zum bloggen benutzt habe (foto: stadtwanderer) 

das bloggen in värmland war nicht immer leicht. viele internet cafes gibt es nicht. entworfen habe ich die beiträge meist auf meinem labtop. im touristbüro von ekshärad, wo der nächstgelegene computer mit zugang zu einem externen laufwerk stand, habe ich sie jeweils gebündelt auf den “stadtwanderer” montiert. in einer ruhigen ecke des benachbarten internet-kaffees habe ich sie dann noch redigiert. das alles war ein wenig improvisiert! dennoch: marie und ulla vom touristbüro waren aber sehr hilfreich, und neugierig. sie haben nachgelesen, und auch verbesserungsvorschläge gemacht. herzlichen dank!

auf meinem labtop blieben aber einige fragmente: ideen, die nicht für einen beitrag gereicht haben, aber dennoch erzählt sein wollen. und so bringe ich die unvollendeten beiträge des schweden-sommers 2008 alle auf einmal!

schwedenfans aus der schweiz (I)
plötzlich war schweizer tag in ekshärad. wir sassen im moccacino, dem kaffee an der grossen strassenkreuzung, als wir am tisch nebenan schweizerdeutsch vernahmen. tatsächlich hatte es auch draussen vor der kirche fast nur schweizer nummernschilder auf dem parkplatz. eine richtige invasion. andreas schwarz aus zürich ehelicht die tochter des pfafferes von ekshärad. man wird in der schweiz leben, aber man liess sich in vaters kirch trauen. und wir war zaungäste eines hochzeits am ersten und für lange einzigen schweizertag in ekshärad! 

elche
dieses jahr zwei elchen begegnet; dem einen direkt, abends, dem anderen aus der ferne, beim warten wegen des anhaltenden regens. sie sind und bleiben imposante tiere, auch wenn die kunde in schweden die runde macht, sie würden massiv abmagern. da die winter im norden wärmer werden, legen sie weniger reserven an, und das durchschnittsgewicht eines elchs ist in kürze von 650 auf 350 kilo gesunken. solche probleme sollte man haben!

tiomilaskogen
das grosse fest der einfachen leute im grenzwald zwischen schweden und norwegen, dem tiomilaskogen („10-meilen-wald“), war, wie immer in den letzten jahren, ein toller erfolg. man trifft sich ende juli für drei tage in jeder siedlung. die eher verschlossenen schweden geben sich dann für ganz offen. man stellt aus, was man zu zeigen hat. diesmal haben es mir die blauen schnecken aus falun am meisten angetan. mariana sääf, eine künstlerisch begabte handwerkerin, hat ihre sehr schönen milchkrüge und kaffeetassen angeboten, von denen ich einige gekauft habe. schmeckt gut, so frische milch zum aufstehen zu trinken!

geschäfte in der kirche
die schwedischen kirchen entstehen im 11. jahrhundert aus der vereinigung des wikinger-langhauses (“schiff”) mit der apsis der katholischen priester. mit der ltuherbibel kommen dann wie überall kanzeln hinzu. in vielen kirchen merkt man noch das weltliche neben dem sakralen. so ist es üblich, dass man beim eingang in die kirche kuchen und kaffe angeboten bekommt und beim verzehr in ein gespräch über gott und die welt verwickelt wird. neu ist mir, dass man nun auch ganze produktereihen in den kirchenschiffen zum kauf angeboten bekommt. die neue geschäftigkeit wirkt ein wenig so wie ein dritt-welt-laden mitten im gotteshaus.

loppis
wenn der küchenkasten zum bersten voll ist, wenn das buffet im wohnzimmer aus allen nähten platzt, oder wenn die rumpelkammer vor lauter ramsch nicht mehr betretbar ist, dann ist es in schweden zeit für ein loppis. das ein unkomplizierter flohmarkt gleich auf dem eigenen hof! eine scheune mit einem brett auf zwei böcklein genügt, um alles auszustellen, was man nicht mehr braucht, aber nicht fortschmeissen will. auf pappkarton schreibt man dann „loppis, 200 m„ und stellt das an die strasse. die interessierten kommen bald schon von alleine, um alle vasen, kardbürsten, donald-duck-hefte oder auch einen kerzenständer zu kaufen. am schluss ist die kasse gefüllt und der haushalt gelehrt. und ich habe für den selbstgepressten zitronensaft eine schlanke karaffe im schwedischem gelb-blau!

schwedenfan aus der schweden (II)
seit jahren trifft man auch ihn im sommer im norden. mit dem eigenen schiff ist er zwischenzeitlich von den ahland-inseln vor stockholm durch die kanäle schwedens bis nach südnorwegen an den atlantik gesegelt. da versucht der zürcher politiker andreas gross nun, seine jacht zu verkaufen. einmal streichen pro jahr muss man selber; dafür ist der schiffer bereit, sein bisheriges eigen in den hafen des neuen besitzers zu transportieren. interessenten können sich bei andi melden. s’het, solang s’het!

am 1. august unterwegs
wir sind mit dem auto die 350 kilometer von värmland nach göteborg gefahren. phasenweise hatte es in der pampa gar keinen verkehr, und wir waren etwas ausgelassen. unvermittelt begannen wir, die lieder zu pfeifen, die wir können und landeten auch bei den nationalhymnen. bei der marseillaise kam ich schon mal auf 120 sachen, und beim schweizer psalm gaben wir ein perfekt getrimmtes duo ab. erst danach merkten wir, dass es 1. august war. in der schweiz würde ich sowas nie machen! auf dem sun deck des stena germania, mit der wir nach deutschland fahren, spielt man dafür den oldie “obla-di, obla-da” von den beatles. in der schweiz würde ich dieses lied aus den 60er pfeiffen, als die nationalhymne, äxgüsi, das bundeslieb zum bundesfeiertag!

stadtwanderer

ps: ein wenig wehmut befällt mich schon, wenn ich värmland nun verlasse. ein wenig in nostalgie schwelgen kann man noch auf dieser website.

und hier noch meine serie dagens nyheter (tagesneuigkeiten) von meinen schwedenferien 2007. 

von problembären und problemmenschen

man erinnert sich: vor zwei jahren hatte die schweiz seit langem wieder einen bär. und wusste nicht wie umgehen mit ihm. darüber konnte ich nur staunen, als ich, direkt von schweden kommend, in kloten ankam und die aufgeregte berichterstattung dazu in der sonntagspresse las. damals wurde mit klar, dass man nicht so sehr von problembären, sondern von problemmenschen und ihrem umgang mit bären sprechen sollte.

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die aktuelle bärenverbreitungskarte des wwf zeigt, dass värmland genau im südlichen grenzbereich von meister petz liegt.

als ich vor 10 jahren erstmals richtig in schweden ferien machte, waren die bären in värmland noch kaum ein thema. vor etwa fünf jahren las ich, dass die population der braunbären im norden schwedens anwachsen würde, und die jungtiere vermehrt auch in mittelschweden ihrer reviere suchen würden. und seit drei jahren wissen wir, dass wir im bärengebiet leben. im oktober 2007 wurden in unserer umgebung erstmals auch bären zum abschuss freigegeben. damit waren die zeichen klar gesetzt: man lebt hier in einem gebiet mit mehr als genug bären.

schweden hat eine lange tradition im umgang mit bären. im nördlichen teil hat es viel wald und wenig menschen. das sind schon mal gute voraussetzungen, dass sich meister petz ansiedelt. und dennoch hat es seit mehr als 200 jahren keinen unfall mit bären gegeben, bei dem zivilpersonen opfer geworden wären. wenn es tote gab, dann nur durch jäger, die unsachgemäss vorgingen.

anstatt massenmediale aufgeregtheit zu produzieren („der bär als news-wert“), herrscht hier die tendenz die information vor. im bärengebiet gibt es auf campingplätzen oder in den lokalzeitungen anweisungen, wie man sich (nicht) verhalten soll.

vermeiden soll man, esswaren ausser haus zu lagern, wo auch menschen wohnen. denn wenn ein bären menschengeruch und essbares in verbindung bringt, kann es auch zu verwechslungen kommen. wenn man alleine im wald ist, raten die einheimischen experten eine bleckbüchse umzuhängen, in der es nägel hat. das macht immer wieder lärm, und so kommt es nicht zu unliebsamen begegnungen. und wenn das dennoch der fall sein sollte, wird abwartendes verhalten geraten: ja keine schnellen bewegungen, und ja keine bedrohlichen posen einnehmen, kann man überall lesen. selbst hinlegen wird empfohlen, um auf keinen fall interessant zu wirken.

ich gebe zu, bei der letzten verhaltensregel ist mir auch so mulmig im bauch. doch bin ich froh, wenigstens das elementare im vernünftigen umgang mit bären zu kennen!

klar, wenn jemand einen bären gesehen hat, dann gibt es auch hier was zu erzählen. vor drei jahren brachte eine lokale tourismus-initiative in der gegend die idee auf, elch-safaris zu organisieren. bei den holländern war das sehr beliebt. dabei fuhr man am vorabend mit einem offenen geländewagen durch die gegend, und hielt nach den mächtigen tieren des nordens ausschau. gross war das erstaunen, als man nur etwa 10 kilometer südlich von uns statt auf einen elch auf einen bär traf. auf jeden fall hat sich das in jenem sommer rasch rumgesprochen. zum medienspektakal wurde es aber unter keinen umständen.

denn in schweden weiss man: die trennung von natur und kultur, die unserer zivilisation zugrund liegt, ist von menschen erdacht. einem bären ist das ziemlich fremd. und kennt er auch die grenze, die damit konstituiert wird nicht. ohne die menschlich ersonnene grenze verletzen zu können, sind bären prächtige tiere. ich jedenfalls bin ein wenig stolz, nicht nur im fiktiven bärenland zu leben, sondern im realen bärengebiet wenigstens meine ferien verbringen zu dürfen!

hej da

stadtwanderer

die tipps zum umgang mit bären

das mittelalter heute

der mittelalterladen von arboga liegt an bester lage, gleich vis-à-vis des früheren franziskanerklosters. er hat auch eine grösse die nicht jedes geschäft in der stadt kennt. das ganze ist programm, denn arboga setzt im sommer voll auf die mittelaltertage als volksfest.

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zu hinterst im mittelalterladen von arboga hat es eine kleine bühne. auf der finden gerade die letzten vorbereitungen statt für die mittelalterwoche statt.das organisationskomitee hat hier seinen hauptsitz. lagepläne werde gezeichnet und hinweisschilder werden diskutiert.

wer im laden etwas bezahlen will, hat heute glück: das bedienungspersonal ist so gut in die in die last minute aktionen aktionen zur mittelalterwoche integriert, dass man 5 reichstaler auch mals gerade stehen lässt.

leider werde ich die medeltidsdagar in arboga verpassen. sie beginnt am 6. august und endet am 8. das motto ist: aktivitäten entwickeln, um tradition zu bewahren. aufgeführt wird ein volkstheater zur krönung von könig gustav vasa. zum fest gehören auch ritterspiele, jahrmärkte, konzerte und ausstellungen. Selbstverständlich gibt es auch stadtwanderungen. das alles soll an die zeiten erinnern, als arboga die zweite hauptstadt von schweden war.

im mittelalterladen kann man sich gebührend auf das fest vorbereiten. zu kaufen gibt es vor allem kleider, die man früher getragen hatte. sie werden gleich im laden gegenüber angefertigt. dort bekommt man sich auch die muster, die einem erklären, wie man selber aus einem stück stoff eine toga, einen mittelalterlichen überwurf oder auch eine elegante robe anfertigt.

fotos vom letzjährigen mittelalterfest sorgen schon mal für die nötige vorfreude. trotz der bevorstehenden anstrengungen ist die stimmung gelassen. man unterhält sich, beräte die touristen auf schwedisch, englisch und deutsch, und fungiert auch gleich als touristenbüro. die museumsangebote der stadt werden erläutert, und die sehenswürdigkeiten in der umgebung kommen fachkundig zur sprache. Denn arboga bietet einiges: schiffahren auf den ausgedehnten seen, brauereimuseum und eine exklusive raketenausstellung.

das ist es denn auch, was die mittelalterwochen in arboga auszeichnen dürften: ein unkompliziertes volksfest für alle will man aus dem willkommenen anlass machen, der ansässige und zugezogene, einheimische und touristen erfreuen soll! schade nur, dass die mittelalterwoche erst dann beginnt, wenn ich schon wieder in der neuzeit sein werde …

stadtwanderer

der wilhelm tell schwedens

wer durch arboga spaziert, stösst unweigerlich auf engelbrekt engelbrektson, den wilhelm tell schwedens.

p7280227.JPGengelbrekt und wilhelm sind in ihren ländern populär. sie gehören zum jeweiligen nationalen mythos. jeweils verschiedenste bevölkerungsgruppen können sich mit den besagten figuren identifizieren, denn beide haben etwas kämpferisches. sie symbolisieren die nationale selbständigkeit, die gegen in der vergangenheit gegen ungeliebte herrschaften durchgesetzt werden mussten. typisch hierfür ist, dass beide gerne mit einer armbrust, der waffe des gemeinen mannes, in verbindung gebracht werden.

doch damit enden die gemeinsamkeiten. denn engelbrekt stammt nicht nur aus einem anderen umfeld als wilhelm, sie repräsentieren verschiedene epochen.

könig gustav wasa, der begründer der grossen wasa-dynastie, die schweden vom führen 16. bis mitte des 17. jahrhunderts regierte, steht, wie der jährlich durchgefuehrte vasa-langlauf erinnert, gleichsam für den durchbruch schwedens als selbständiger nationalstaat, der vorübergehend sogar eine führende rolle in der europa spielte. was ihm 1523 gelang, bereitete, fast ein jahrhundert zu vor, engelbrekt vor: die unabhängigkeit schwedens von dänemark.

begonnen hatte schwedens krisenzeit im mittelalter mit der grossen pest im 14. jahrhundert. Zuvor war man unter der herrschaft der folkunger ein flächenmässig riesiges königreich gewesen, das in seinen besten zeiten von grönland bis viborg im heutigen russland reichte und grösser, wenn auch nicht bedeutender war als das damalige kaiserreich.

doch die pest setzte dem norden arg zu. die bevölkerung ging massiv zurück, die kirchen wurden diskreditiert und die königreiche in die bedrouille. faktisch ging die macht an die hanse über, die, etwa von lübeck aus, für den handel in der städte lebenswichtig war.

unter der führung dänemarks konstitutierte sich ende des 14. jahrhundert die kalmarer union, die gegen die mächtige hanse gerichtet war. schritt für schritt wurden die königreiche von norwegen und schweden mit der dänischen krone vereinigt. Innenpolitisch blieb ihnen viel spielraum, aussenpolitisch wurde alles am dänischen hof bestimmt, wobei ein pommeraner auf dem thron sass.

könig erik hatte sich gegen den herzog von schleswig zu wehren, mit dem er sich nach 1410 währen eines vierteljahrhundert in einem regionalkrieg befand. In finanznot geraten, beschloss er 1429, eine öresundzoll zu erheben. wer die meerenge zwischen kopenhagen und malmö passiert, hatte ihn zu bezahlen.

selbstredend war das gegen die hanse gerichtet. die hatte jedoch nicht im sinn, den krieg des unionskönigs gegen den herzog in ihrem hinterland zu finanzieren. so blockierte die hanse den ostseehandel, was stockholm und dessen hinterland empfindlich betraf. namentlich der export von eisenerz und der import von stoffen und salz versiegten.

in den mittelschwedischen bergwerken von bergslagen waren die not und wut am grössten. Mobilisiert wurde diese durch den eingewanderten bergmann engelbrekt aus arboga. Er versammelte immer häufiger die bergleute, und er sucht sukkurs beim unionskritischen schwedischen adel und in der schwedischen kirche. 1434 vereinigte er diese stände zum ersten reichstag in der gut erreichbaren stadt arboga. von der vorform des schwedischen parlamentes liess er sich zum reichshauptmann ernennen, was offensichtlich gegen den unionkönig gerichtet war.

die opposition von argoba geriet jedoch rasch in wanken. könig erik arrangierte sich wieder mit der hanse, und beendete hierfür seinen kriegen gegen schleswig. Die forderungen der schwedischen stände negierte er indessen vorerst. doch nur vier jahre danach, wurde er in schweden als könig abgesetzt.

der bleibende erfolg der versammlung von arboga war, dass der keim des schwedischen unabhängigkeitsstrebens gesetzt war. schweden und dänemark gerieren (wieder einmal) in einen krieg, und nach 1471 regierten starke reichsverweser aus arboga schweden bis der dänische könig das 1523 das blutbad von schweden unter dem nach selbständigkeit strebenden adel und klerus anrichtete, aus dem der volksaufstand hervorging, der gustav ericsson vasa zum könig machte.

in arboga erinnert heute beispielsweise eine mächtige statue an egelbrekt und seinen beginn des schwedischen freiheitskampfes, der in den gassen der bergleutestadt ihren anfang nahm. aufgestellt wurde das monument 1935. in der frühen jahren der sozialdemokratischen herrschaft in schweden, die zum austrebenden naziregime in deutschland auf distanz ging. bis heute schaut der kämpferische engelbrekt genau hin, ob man seinen geist in veränderten umständen weiterhin pflegt.

wie gesagt, nebst der armbrust als gemeinsamkeit haben engelbrekt und wilhelm tell auch unterschiede. vor allem dass engelbrekt wirklich gelebt hat …

hej då

stadtwanderer

(bild: engelbrekt engelbrektsson, der freiheitsheld der schwedischen geschichte aus arboga, foto: stadtwanderer)

stadtwandern in arboga

stig ist der stadtwanderer von arboga. seit fünf jahren führt der pensionierte gymnasiallehrer für geschichte und religion interessierte durch die schwedische stadt mit grosser vergangenheit. doch heute ist keine normale führung. denn das schweizer radio berichtet über arboga. “metro” heisst die sendung von drs 2, die diesen sommer in loser folge berichte von auslandkorrespondenten über ihre lieblingsorte bringt.

einer der lieblingsorte unseres nordlandkorrespondenten

bruno kaufmann aus zofingen wirkt seit 2003 als nordland-korrespondet fuer radio drs. mit seiner schwedischen frau und seinen töchtern wanja und nina wohnt er in falun. den sommer aber verbringt er seit 10 jahren in einem waldstueck vor arboga.

seine frau elisabeth erzählt: als wir von genau 10 jahren beschlossen, schweden zu verlassen, kauften wir das ferienhaus. fuenf jahre lang, während denen die familie auf weltreise und arbeitshalber in der schweiz war, war arboge ist fester sitz in schweden. und seither verbringen sie jeden sommer hier. bruno hat sich sogar ein kleines studio im wald eingerichtet, von wo aus er seine beiträge fuer radio drs auch während den warmen monaten vorbereiten kann. “glocalnet” sendet dann alles in die zentrale nach bern. so auch die reportage aus arboga selber.

der lokalhistoriker berichtet

stig zeigt uns die geschichtsträchtigen orte der schwedischen stadt mit gut 10000 einwohnerInnen. er beginnt mit dem frueheren kloster, das aus der holzsiedlung eine streng geometrisch geformte stadt formte; er zeigt das rathaus, daskönig gustav wasa mit den steinen der abgerissenen stadtkirche bauen liess; und er verweist seine gäste auf auf stadtbibliothek mit ihrer umstrittenen architektur steht, die der sozialdemokratische bürgermeister bauen liess.

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das interview von bruno kaufmann für drs 2 mit dem stadtwanderer stig ericsson (foto: stadtwanderer) 

arboga war zu allen zeiten ein regionales zentrum mit nationaler bedeutung, erklärt der stadtwanderer. ueber flüsse und seen kommt man mit dem segel von hier aus ungehindert nach stockholm. auf dem landweg erreicht man leicht göteborg, und auch in den süden ist die anbindung über jönköping gut. das alles hat arboga zum idealen ausgangspunkt für den binnenhandel gemacht: eisenerze aus bergslagen wurden im kleinen hafen von arboga für den export verschifft; die schwedischen könige hatten hier eine ihrer wichtigsten militärbasen, und auch heute ist man daran, das ganze lager der schwedischen armee in arboga zu konzentrieren.

in arboga stand seit dem 13.jahrhundert auch das nördlichste franziskanerkloster schwedens. hier fand im 15. jahrhunderauch die erste versammlung des schwedischen reichstages statt. und in der kleinstadt verpflichtete der spätere könig karl ende des 16.jahrhunderts den schwedischen klerus definitiv, die grundsätze der reformation einzuhalten und nicht zur gegenreformation ueberzulaufen.

doch damit nicht genug: in arboga gab es im späten 19. jahrhundert erstmals eine telefonstation, und hier wurde im 20. jahrhundert der heutige weltkonzern asea, der später die bbc übernahm, in einer unauffälligen garage gegründet.

auf die heutige besucher wirkt arboga schwedisch-mittelalterlich. die pflastersteine haben es dem berner stadtwanderer schon vor zwei jahren bei seinem ersten besuch in arboga angetan. der stadtkern ist in weiten teilen gut erhalten. roter backstein gibt es seit dem 15., buergerlich geschäftshäuser seit dem 17. und sozialdemokratische bastionen seit dem 20 jahrhundert auf engstem raum.

der journalist fragt nach

bruno will es bei seiner reportage auch das 21. jahrhunder ausleuchten: “hat arboga eine zukunft?”, fragt er stig ericsson. der historisch bewanderte stadtführer zögert nicht lange. Er bejaht die frage vor laufendem mikrophon: stockholm sei als stadt zu gross geworden. da gäbe es schon mal eine gegenbewegung. die leute suchten mehr lebensqualität in dem land. so steige die einwohnerzahl von arboga seit 10 jahren wieder an. man könne hier arbeiten, die stadt mache viel fuer kultur, und das freizeitangebot deckt winter- und sommerbeduerfnisse ab.

da kann der skandinavienkorrespondent gar nicht mehr widersprechen. denn seit genau diesen 10 jahren ist er mit seiner familie selbst ein teil des revivals arboga mitten im bewóhnten teil schwedens. und der stadtwanderer aus bern, der in arboga mitgewandert ist, staunt, wie gut man die gegenwärtgien beduerfnisse des lebens in schweden aus historischer perspektive beantworten kann.

stadtwanderer

ps:
die sendung ueber arboga wird am mittwoch morgen, den 30. juli, auf drs 2 ausgestrahlt.

das untruegerische symbol fuer ferien

das weiss steht für reinheit und unschuld. im blau wiederum vermengen sich freundschaft und harmonie. doch es ist nicht schnee und himmel, die sich in der mutter aller cremes spiegeln. vielmehr steht die pharmakologische revolution „nivea“ für den unverkennbaren duft von ferien!

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ferienstimmung total (foto: stadtwanderer)

die firma beierdorf ag in hamburg macht heute 2 milliarden umsatz jährlich. sie produziert eine ganze linie von hautcremes, die uns, wie keine andere, licht versprechen, weil sie uns vor dem licht schützen. die meisten verpackungen sind mittlerweise aus plastik; und ihr deckel reflektiert sein einiger zeit auch das sonnengelb als dritte farbe.

klassisch ist aber die flache dose mit dem eleganten schriftzug auf dem lack, welche die mutter nach dem abwaschen aus dem spiegelschrank nahm, um sie die strapzierte haut zu pflegen.

1925 nahm die globale erfolgsgeschichte der niveau ihren am anfang. auf den markt gebracht wurde die hautcreme drei jahre früher, zuerst in grün-gelb verpackt. erfunden wurde sie von dr. oskar troplowitz, einem schlesischen pharmakologen und philosophen, der die firma beiersdorf 1890 vom desillusionierten gründer erworben hatte.

zuerst formte er eine schlagkräftige forschertruppe. Er führte als den 8 stundentag ein, den mutterschutz und die betriebliche altersvorsorge. Und er bezahlte seinen mittarbeiterInnen den urlaub. damit war die vision des philosophen gesetzt: den menschen zu einem ausgeglichenen und angenehmen leben im alltag zu verhelfen!

1911 erweiterte troplowitz das aufstreibende unternehmen, das er zwischenzeitlich in hamburg angesiedelt hatte, um eine bremer firma. damit gelangte der tüftler an der spitze des unternehmens in den besitz des verfahrens, mit dem man aus wollfett einen emulgator herstellen konnte, der vaseline und wasser verband und damit die produktion stabiler hautcremes versprach. dank seiner eigenen weiterenwicklung entstand bis 1922 nivea als marktreifes produkt aus öl, wasser und wohlfett. Zitronensäure, rosen- und maiglöckenöl geben der creme ihren unwechselbaren duft.

wenn ich heute meine sun milk in die hand nehme, um mich nach dem bad zu pflegen und auf den warmen sommertag vorzubereiten, ist mir der hintergrund nur noch am rande präsent. ich habe ihn in einem buch über erfinder gelesen, dann aber wieder vergessen.

denn nivea steht auch für mich zu einem produkt, das man erfinden müsste, würde man es nicht haben. so selbstverständlich es geworden ist, so jung ist doch die story, die aus der echten sensation in der pharmakologiegeschichte entstand und fast ein wenig wie eine alchemistische revolution wirkt.

ich danke es ihr an diesem sommertag, der so herrlich blau beginnt und meine noch fast weisse haut hoffentlich schön bräunen wird.

stadtwanderer