vogelgrippe und mehrsprachigkeit der schweiz

wer massenmedien nutzt, hatte 2006 ein dominantes thema zu verarbeiten: vogelgrippe. sterbende tiere sind zu unserem schrecken geworden, denn wir wisse nicht so recht, ob wir als menschen, die vögel mögen, auch betroffen sein könnten. das bisherige wort des jahres ist denn auch pandemie.

wer nicht nur medienkonsument ist, sondern auch geschichte studiert hat, fühlt sich sofort ist späte mittelalter versetzt: die grosse pest, 1346 auf der krim ausbrach, sich rasch übers mittelmeer verbreitete, die grossen ströme hinauf aufs land kam und bis 1349 fast das ganze festland erfasst hatte. gerne vergisst man selbst unter historikern, dass es schon im 6. jahrhundert eine vergleichbare pandemie gab: die justinian-pest.

eigentlich hatte alle gut begonnen. das durch hunnen und germanen zerfallene weströmische reich sollte vom oströmischen wieder aufgebaut werden. kaiser justinian und kaiserin theodora, zwei mustergültige christen, hatten die hagia sofia, die heilige weisheit, gebaut, und sich daran gemacht, die reiche der vandalen in afrika und der ostgoten rund ums adriatische meer zurückzuerobern und und die länderein in den römisch-christlichen staat zu integrieren. nur die franken wussten darauf zu antworteten, und dehnten ihren herrschaftsbereich nach südosten vor, bis man nachbarn geworden war. die schweiz wurde damals fränkisch: zuerst das der burgundische teil, dann auch der rätoromanische bereich.

die bedrohung für byzanz kam jedoch nicht von den fränkischen königshöfen in der nordwestlichen provinz, sie kam vom süden her. es breite sich mach 540 die pest aus, die alle damals wichtigen zentren erfasste. die schlimmste zeit soll in byzanz bis zu 10’000 menschen im tag das leben gekostet haben. selbst in unserer gegend gibt es hinweise für das wüten der pest im 6. jahrhundert.

diese zeit muss fürchterlich gewesen sein. es begann mit einer mysteriösen weltverdunkelung, von der die quellen mitten im 6. jahrhundert sprechen und die heute noch ungeklärt ist, und es stürzte im unterwallis der berg ins tal; er soll den rotten vorübergehend gestaut haben, und als sich das entlud, eine flutwelle ausgelöst haben, die man bis nach lausanne bemerkte. bischof marius, der wichtigste gewährsmann dieser zeit, der im westlichen mittelland lebte, berichtet davon.

das selbständige königreich burgund, aus der völkerwanderung hervorgegangen, war, als die katastrophen einbrachen, soeben von den expandierenden franken besetzt und geteilt worden, und die reimser könige, die sich des mittellandes bemächtigten, vertrieben die nördlich davon sesshaften alamannen, die sie unterworfen hatten, nach süden. so kamen sie über den rhein, aber nicht ins saone- oder doubstal, sondern bei zurzach, und dehnten sich im oberen aare-, reuss- und limmattal aus.

man weiss es, die spätantike gesellschaft, die als mischung aus römischem erbe und germanischer erneuerung erlebt hatte, stürzt in die tieste kriese. die galloromanische einheit, die mittelland noch dominiert und die die eingewanderten burgunden noch assimiliert hatte, zerfiel. zuerst setzten sich nördlich der alten die alamannen fest, und dann südlich davon die langobarden. beide hatten es auf die burgunden abgesehen, die es immer noch gab, aber unter fränkischen königen standen. zuerst kommt es in bex, in der nähe des felssturzes, zum kampf zwischen vorstossenden langobarden und burgunden, den diese gewannen, und dann traffen die vorrückenden alamannen in wangas (wangen an der aare?) auf die burgunden, die diesmal verloren. das führte dazu, dass der einfluss der langobarden nördlich der alpen beschränkt blieb, die lombardis bis heute im tessin und in monaco wohnen, während die alemanns bis heute auch links der aare, beispielsweise in der vogelstation la sauge neuenburgersee, anzutreffen sind.

leider weiss man so wenig über die ökologische, herrschaftliche und kulturelle katastrophen des 6. jahrhunderts im mittelland, obwohl sie für die fundierung der schweiz als ethnisch-plurale gesellschaft bis heute existenziell nachwirken. wer weiss darüber mehr?