aufmerksamer stadtwanderer

nun schreiben die zeitungen darüber. dass der berner justitia die hand abgehackt worden sei. weil die sda berichtet hat. und weil die stadt informiert hat. doch aufmerksamer als die medienprofis war der stadtwanderer. fast schon ein lehrstück in medienkommunikation, der umgang mit dem fehlenden schwert.

chronik der geschichte

ich habe die altstadt gern, und ich schaue sie mir immer wieder von neuem an. bekanntlich halte ich mich auch gerne in der begegnungszone der unteren altstadt auf. darüber habe ich ja schon berichtet.

da wirft man schon mal ein auge auf den gerechtigkeitsbrunnen, nicht zuletzt, weil meine stadtwanderung zur demokratiegeschichte genau dort startet.

und so habe ich dienstags gesehen, dass der justitia das schwert fehlt. die waage und die augenbinde sind noch da, doch das dritte zeichen der unabhängigen justiz ist verschwunden. also bin ich genauer schauen gegangen.


foto: der bund

ich sah zu meinem schrecken, dass auch die rechte hand weg war. ausgerechnet, die schwurhand, hätte man im mittelalter gesagt, ein böses zeichen! amputierte gerechtigkeit in der stadt bern?, war meine etwas zeitgemässere interpretation der symbolik.

die kleine anfrage

ich verfasste eine e-mail an die stadt bern. da der stadtpräsident selber häufig in der altstadt anzutreffen ist, dachte ich mir, sei schon alles paletti. ich bekomme ein klar auskunft. also schrieb sich der kommunikationschefin beatrice born:

liebe beatrice

bin heute durch die stadt gewandert, habe gesehen, dass die iustitia kein schwert mehr hat. hat das eine besondere ursache, die mir entgangen ist, oder ist etwa die gerechtigkeit in bern amputiert?

danke für die nachhilfe!

gruss

stadtwanderer

gleichentags erhielt ich folgende antwort. so wusste ich, dass sie es nicht wussten! schlecht beobachtet, alex!

Lieber Claude

Nein, nein, der Gerechtigkeit wird nachgelebt…..Aber: tatsächlich – ein Augenschein bestätigt, dass das Schwert immer noch fehlt. Ob das Schwert der Brunnenfigur in Reparatur ist, oder gar Vandalen am Werk waren, sind wir am abklären. Wir geben Dir umgehend Bescheid.

Besten Dank für den Hinweis.

P.S. Käme gerne einmal an eine Deiner Führungen, sie wurden mir sehr empfohlen. Wann geht die nächste über die Bühne?

Lieber Gruss, Beatrice

die kommunikationschefin der stadt bern auf meiner tour? das ist eine referenz. da hat sich die anfrage schon mal gelohnt! und schnell und nett war die antwort auch, bis auf eins …

zwischenruf: ist das politisch-historisch korrekt

doch wer war nun der schäder? der scherenschleifer von bern, der die gerechtigkeit wetzte? schon möglich, den gerechtigkeitssinn könnte man aber andern orts besser schärfen! also wenig wahrscheinlich.

die vandalen, wie die stadtkommunikation vermutet? daran glaube ich eigentlich nicht!

die vandalen sind, wie meine vorfahren, die burgunder, ein ostgermanisches wandervolk. sie waren im norden, dem heutigen grenzegebiet zwischen deutschland und polen sogar nachbarn gewesen. im 5. jahrhundert kamen teile beider völker an den rhein. wahrscheinlich im jahre 407 überschritten sie ihn massenweise. die burgunder war nicht so reiselustig, sie bleiben grad auf der anderen flusseite, bei worms, während die vandalen die frühen mittelmeerfahren par exellence sind. schnurstraxs wanderten sie quer durch frankreich, zur grossen überraschung der spätantiken senatoren, bischöfe und latifundienbesitzer. die germanen galten generell als invasoren, als barbaren, als ungepflegte.

sie blieben nicht in gallien, hinterliessen dort aber einen mächtigen eindruck. vorübergehend sesshaft wurden sie erst in südspanien, woran andalusien (arabisch für: vandalisch) heute noch erinnert. schliesslich setzten sie bei gibraltar über, eroberten nordafrika, vertrieben dort den kirchaeti augustinus und bildeten unter ihrem könig geiserich einen eigenen herrschaftsbereich. das eroberte karthago machten sie zum hauptsitz ihres königreiches.

dass sie dabei in bern vorbeigekommen wären, ist historisch nicht belegt. das also spricht gegen die vermutung aus der stadtverwaltung. und solange fehlt das schwer garantiert nicht. zwar tappt man im dunkeln, wer es war, wann es geschah. doch wurde es 2006 schon mehrfach bezeugt.

also doch vandalen?

die vandalen gingen 555 im krieg gegen den christlich-byzantinischen kaisers justinian unter. sie sind aber 1237 jahre später wieder auferstanden. in unseren köpfen.

kaiser justinian griff zu den üblichen mittel der diffamierung von volksgruppen, gegen die man krieg führte. das ist heute noch so, wenn auch leicht abgewandelt, wenn man miteinander tschuttet.

so setzte sich der eindruck fest, nur sie seinen unbändige germanen gewesen. nur sie hätten in halb europa geplündert. und nur sie hätten sich an tollen orte des römerreiches ohne kaiserliche erlaubnis niedergelassen. gipfel der stigmatisierung: sie seien menschenfresse gewesen!

ich will gar nicht bestreiten, dass sie das alles, das eine oder andere gemacht haben. ich bestreite aber, dass sie sich ganz anderes verhalten haben als die kelten (menschenopfer), als die römer (schlachtenopfer) und als die christen (ketzeropfer).

ich will die vandalen als ein geschichtsvolk, das im 6. jahrhundert wegen seinen fähigkeiten, schiffe zu bauen und zu führen sowie korn anzubauen und zu verkaufen das ganze westliche mittelmeer beherrschten.

auf ihren seit justinian notorisch schlechten ruf sind 1792 die reaktionäre zurückgekommen. die französischen revolutionäre hatten ihre lieblingsfeinde in der geschichte, die sie stellvertretend für die damalige aristokratie lächerlich machten: die merowinger, insbesondere könig dagobert musste daran glauben. man sang das lied des blöden dagos, der nicht mal in der lage war, seine eigene hose richtig anzuziehen, und am liebesten auf einem ochsenwaagen umherzog, von einem bordell zum andern. da gaben die reaktionäre mit gleicher münze zurück: die vandalen seien die vorbilder der revolutionäre gewesen. wiederum schlug man das geschichtsvolk, meinte aber mit jedem satz die damaligen revoluzzger, die in paris zum terror und zum königsmord übergegangen waren.

waren also revolutionäre hier? haben sie justitia geschändet. und sitzt die reaktion wieder im erlacherhof. ist wieder 1831? kommen die verschanzten aristokraten wieder hervor? führen sie krieg gegen die liberalen?

nein, nein, bern ist heute friedlich. die schweiz ist aus der wm ausschieden. vorühergehend sorgte das für ausgelassene stimmung in der stadt. doch seither ist es für berna-normalbewohnerInnen wieder viel zu heiss.

nach meiner meinung kann nur sein, dass sich die stadtverwaltung verschrieben hat, ein politisch inkorrekter raus gerutscht ist.

fortsetzung der chronik der geschichte

ich bedanke mich per mail höflich für die antwort, – bei der kommenden kundschaft!

hej

ja, das ist gut so, und auch gut, wenn ich bescheid weiss. ich wurde nämlich schon gefragt, denn eine meiner touren beginnt ja tatsächlich bei diesem brunnen, und dann muss halt alles stimmen.

wegen führungen: ich gehe am freitag bis am 1.8. nach schweden, waldwandern statt stadtwandern! also gibt es nichts von mir geführtes in bern.

im august habe ich zwei führungen, sie sind aber mit geschlossener gesellschaft resp. ausgebucht, und die übernächste ist sicher am 22. september. da hats auch platz! das ist aber die kleine tour (demokratiegeschichte), zirka 17 30 bis 20 00. wenns irgendwie geht, mache ich am 2.9. eine grosse tour, durch die ganze stadt, von 9 bis 17, und da wärst du natürlich auch eingeladen, quasi ehrengast.

gruss

stadtwanderer

so, nun habe ich das auch gleich allen interessierten mitgeteilt, wann ich weg bin und wann ich was mache. fast schon ein wenig ein kommunikationskünstler!

anderntags, also gestern, erhielt ich dann folgende, offizielle mitteilung der stadt.

Sehr geehrter Herr Longchamp

Herzlichen Dank für Ihr Mail und Ihre Information zum Gerechtigkeitsbrunnen.
Die Stadtbauten Bern als Besitzerin des Brunnens ist seit letztem Montag über das fehlende Schwert informiert. Sie werden in Kürze Strafanzeige gegen Unbekannt einreichen. Der Schaden soll raschestmöglich behoben werden. Die Stadtbauten werden deshalb die Figur demnächst wieder in Stand stellen.

Mit freundlichen Grüssen
Marcel Cuttat
Abteilung Kommunikation

tja, unglaublich, da war jemand noch schneller informiert als ich. und glaubte, man müsse das nicht mitteilen, es werde unter dem deckel bleiben. weit gefehlt!

die geschichte wird publik

immerhin, ich war nun offiziell informiert, bevor man offiziell die sda informierte, und die offiziell die öffentichkeit informierte.

gestern abend war dann auf dem ticker von www.espace.ch mächtig was los:

Justitia erneut geschändet
Der Justitia auf dem Gerechtigkeitsbrunnen fehlt die rechte Hand mit dem mächtigen Schwert. Die Behörden tappen im Dunkeln.
Noch ist nicht bekannt, was genau passiert ist. Klar ist nur, dass von der abgeschlagenen Hand und dem langen Schwert jede Spur fehlt, war bei der Medienbeauftragten Stadtbauten Bern, Dagmar Boss, zu erfahren. Man habe bei der Stadtpolizei Anzeige gegen Unbekannt eingereicht.

gut, so knapp und korrekt wie nur möglich!

der bund wurde gleichenorts noch etwas genauer.

… grrrrr!

Vor 20 Jahren wurde die Göttin vom Sockel geholt. Der damalige Anschlag erregte in der ganzen Schweiz Aufsehen. Die jurassischen Jungseparatisten (Béliers) bekannten sich nicht direkt zur Tat, begrüssten aber, dass die «Berner Justiz zu Fall gebracht wurde». Zehn Jahre später wurden die kleineren Figuren des Brunnens beschädigt.

tja, ist der patzer wieder, die vandalen, die schänder, kaiser justinian, die reaktionäre, könig dagobert, die unterhosen, die revolutionäre (sans-culotten) und die königsmörder! das alles funktioniert als assoziationskette einfach wie am schnürchen!

immerhin ein paar nützliche tipps zur geschichte der figur bekam man dann mitgeliefert:

Nach dem Anschlag von 1986 wurde die 443 Jahre alte Originalfigur in minuziöser Kleinarbeit zusammengeflickt. Sie ruht seither wohl verwahrt im Museum.

bravo, sag ich da!

die moral der geschichte

so, und heute nun melden sie, die zeitungen und die blogger. alle sind empört!

ich auch! aber schreibe nicht einfach anderen journis ab. vielmehr gehe ich wandern. in der stadt bern. da erfährt man jeden so viel. ich behaupte sogar: stadtwandern ist die beste recherche! werde das am maz – der journalistenschule, wo ich unterrichte, verbreiten müssen.

mit etwa geschick werden aufmerksame stadtwanderer sogar zu informanten der stadtverwaltung. und wenn die kommunikationsabteilung es weiss, informiert sie ordentlich, und dann funktioniert das bekannte spiel. agenda.setting nennt man das schon mal!

und am ende hat man dabei sogar noch mögliche kundschaft gemacht.

hej, journis: sitzt weniger an eurem computer, recherchiert weniger in andernen zeitung. macht selber mehr beobachtungen, kommt mit, beim stadtwandern!

bitte lasst auf jeden fall die untergegangenen völker wie die vandalen in ruhe!

stadtwanderer

quelle: harald haarmann: lexikon der untergegangenen völker, beck verlag, 2005

die quelle: harald haarmann: lexikon der untergegangenen völker, beck verlag, 2005

ritter oder staatsmann, diplomat und pleitier: wer nur war dieser adrian von bubenberg

bis heute ist die würdigung von adrian von bubenberg nicht einfach: für die einen ist er ein vertreter einer privilegierten junkerfamilie geblieben, die unter ihm im wirtschaftlichen bankrott endete. kein staatsmann also, aber ein haudegen, der bern vor dem burgundischen überfall bewahrt hat. für anderen ist er der wahre ritter, burgunder aus gesinnung, der sogar gegen seinen jugendfreund karl der kühne kämpfte, als dieser bern militärisch bedrängte, dann aber auf deeskalation der krise setzte und die beziehungen zu den diversen schlachtengegner pflegte. was nun stimmt?

die begegnung mit dem biografen

seit jüngstem bin ich mitglied des berner historischen vereins. so bin ich auch an die 160. jahresversammlung nach ins gegangen und bin als erstes karl f. wälchli. was für eine ehre! der ehemalige kantonsarchivar, der verfasser vieler schriften über den kanton bern, einer der besten kennen der hiesigen geschichte, dem stadtwanderer direkt gegenüber sitzend!

habe natürlich sofort zu schwärmen begonnen, von köniz, wo wälchli lebt, das heute sein burgundisches geheimnis bewahrt. da hatten wir schnell ein gemeinsames thema: selbst wälchli sagt, man sei der alemannen-story in bern erlegen, und man habe das burgundische in bern vergessen gemacht. es sei heute einfach nicht mehr präsent!

uns verbindet aber noch mehr: adrian von bubenberg. ich bin angezogen, weil ich mein büro gleich neben dem denkmal habe und am morgen gelegentlich mit ihm über gott und die welt rede; karl wälchli ist interessiert, weil er 1979 eine biografie über den stadtadeligen und berner schultheissen schrieb.

bubenbergs lebensweg

adrian von bubenberg verstarb im august 1479, also nur drei jahre nach der schlacht von murten. wann er geboren wurde, ist bis unklar. meist wird das jahre 1434 angenommen.

sein vater heinrich war schultheiss von bern gewesen, und seine mutter anna war von rosenegg. adrian war zweimal verheiratet gewesen, zuerst, 1454, mit jacobea von neuenburg-valangin. 1457 folgte die ehe mit jeanne de la sarraz, – beides frauen aus dem spätburgundischen lokaladel! vor allem jeanne war bekannt dafür, die sitten der burgundischen höfe bestens zu kennen.

mit jeanne hatte adrian auch einen sohn, adrian II., der ebenfalls bernischer politiker und heerführer wurde, dann aber den familienbesitz verkaufen musste und den rest seines lebens in morges lebte.

adrians ritterschlag und politikerkarriere

adrian war bernischer politiker und heerführer in einer entscheidenden phase der stadt- und staatsentwicklung. noch heute ist er eine der bekanntesten historischen figuren der stadt. sein sieg in murten hat ihn unvergesslich gemacht. der weg führte allerdings überhaupt nicht direkt dorthin.

1455 wäre adrian, bereits mitglied des grossen rates und vorübergehend auch landvogt auf der lenzburg, am liebsten gegen die türken losgezogen. zum kreuzzug gegen sie hatte niemand anders als herzog philipp der gute von burgund aufgerufen. adrian hob eigens hierfür bernische truppe aus, die er nach dijon führte. dort lernte er auch karl, philipps sohn, kennen, dem er jahre später als kriegsgegner in murten gegenüber stehen sollte. doch schin das jugendprojekt der beiden missriet: der kreuzzug musste mangels beteiligung abgesagt werden.

10 jahre später, beim tod seines vaters, stieg adrian dafür in bern die karriereleiter empor. zunächst wurde er (frei)herr von spiez, dann auch mitglied des kleinen rates zu bern. um all seine jugendsünden – er war gelegentlich sogar eingekerkert – vergessen zu machen, pilgerte er als bernischer politiker nach jerusalem. am heiligen grab empfing er den ritterschlag. dreimal wurde adrian zum schultheissen in bern bestimmt. 1468 erstmals, 1473/4 erneut, und 1477-79 als schlachtensieger von murten.

adrians verbannung

doch adrian war seit seines lebens nicht unbestritten. sein grosser gegenspieler war niklaus von diesbach, ein nobilisierter kaufmann, der gleichzeitig mit ihm in die stadtpolitik eingestiegen war, der die bürgerlichen interessen wahrnahm und eine streng französische politik verfocht. im twingherrenstreit von 1470, dem eklat in der bernischen politik des spätmittelalter, gerieten die beiden protagonisten fremder interessen heftig aneinander. adrian unterlag seinem widersacher. dieser führte ab 1474 eine aggressive politik gegen savoyen, die schliesslich in den burgunderkrieg mündete.

adrian von bubenberg hat diese politik nie befürwortet. er war immer für einen ausgleich mit savoyen gewesen. am 10. juli 1475 wurde er deshalb auf betreiben von niklaus von diesbach aus dem kleinen rat zu bern verstossen. das weitere politisieren in seiner vaterstadt wurde ihm gar untersagt, sodass sich die von bubenbergs von bern angewiedert nach spiez zurückzogen.

vorübergehend schien die partie gelaufen. niklaus von diesbach schloss mit dem hause habsburg einen verbindlichen frieden. doch machte er dies nicht, um die eidgenossenschaft von weiteren kriegen zu befreien. vielmehr lag ihm daran, sie in den offensivkrieg frankreichs gegen den rivalen burgund zu führen. sichtbarstes zeichen hiervon war die kriegserklärung an das haus savoyen.

niklaus von diesbauch überlebte seinen krieg nicht. schon nach wenigen monaten wurde er in blamont beim montbélliard, nahe der heutigen französisch-schweizerischen grenze verletzt. er verstarb nur kurze zeit später in pruntrut.

adrians rückkehr aus spiez

nach der schlacht von grandson, welche die berner vorerst von einem angriff burgunds befreit hatte, brauchte es einen erfahrenen mann an berns spitze. dieser konnte nur adrian von bubenberg heissen, der aus der verbannung gelöst und als besatzer nach murten geschickt wurde.

nach seinem schlachtensieg in murten, wurde er in bern vollständig rehabilitiert. er stieg zum dritten mal zum bernsichen schultheissen auf. er führte seine aufstrebende vaterstadt so, dass ein ausgleich im innern wie nach aussen möglich wurde.

1479 verstarb er nach kurzer krankheit als amtierender schultheiss.

das andenken bern an adrian von bubenberg

sein andenken war schon damals nicht ohne schaden. die feindschaft zur familie diesbach liess sich nicht mehr begradigen. die parteiischen ansichten standen sich diametral gegenüber, aber auch die ökonomischen interessen waren unterschiedlich. die diesbachs lebten von den geldern des franzosenkönigs, hielten sich ihre klientel in bern und waren ein mächtiger lokaler wirtschaftsfaktor. demgegenüber befand sich der alte landadel auf dem abstieg, konnte den aufwendigen lebensunterhalt in schlösser wie spiez kaum mehr leisten, und musste für die eingekauften waren und dieste überall anschreiben lassen.

auch die bubenbergs erlitten wirtschaftlichen schiffbruch. zwei jahre nach adrians tod wurde die familie gar als schuldner angeklagt und erneut gebannt. selbst der papst mischte sich deshalb in die bernische politik ein. in den verhandlungen um die anerkennung des st. vinzenz-stiftes erwog dieser sogar, das ehrenhafte begräbnis adrians im chor des berner münsters aufzuheben. immerhin, das wusste der berner rat zu verhindern.

diese kontroverse um adrian von bubenberg riss jedoch bis in die jüngste zeit nicht ab. selbst am ende des 19. jahrhunderts, 500 jahre nach adrians tod, führte ein wettbewerb für eine bubenberg-denkmal zu einem aufflackern der gegensätze. streitpunkt war, ob er als unbestrittener ritter auf dem pferd oder als staatsmann zu fuss dargestellt werden solle. schliesslich entschied man sich für letzteres, wie man an der 1897 eingeweihten statue erkennen kann.

dank an den biografen

wer also war dieser adrian von bubenberg? meine these ist: er war der schlachtensieger, er war ein wahrhafter ritter, er war auch ein staatsmann und diplomat sondergleichen, und er war ein pleitier. er hatte nicht nur viele gesichter. er war vor allem eine der charismatischen persönlichkeiten berns, die bis heute strahlt. das hebt ihn von anderen ab. auch für mich.

mein dank geht an klar f. wälchli. er hat bubenberg in seiner biographie nicht verherrlicht. andere haben ihn idealisiert. er hat ihn aber auch nicht dämoninisert. er hat ihn in seinem historischen stellenwert beschrieben.

nur böse zungen können behaupten, die wälchlis hiessen eigentlich “wauche”, was auf alemannisch so viel wie (fremde) “burgunder” meint!

burgund-wanderer

karl f. wälchli: adrian von bubenberg, bern 1979

lurtigen – ein erfolgsfaktor der eidgenossen in der schlacht von murten

bass erstaunt waren die kramers, rolf und sabine. sie hatten mir soeben erklärt, dass sie von lurtigen seien; ich würde das sicher nicht kennen, denn es sei eine kleine gemeinde, abseits der welt.


die dorfstrasse von lurtigen, heute 178 einwohnerInnen fassend, vor einem halben jahrtausend durchgangsort für 24’000 eidgenössische soldaten
foto: burgund-wanderer (anclickbar)

da hatten die kramers die rechnung ohne den historiker in mir gemacht. klar, kenne ich lurtigen an der freiburgisch-bernischen grenze. es ist der wald, der das bauerndorf fast ganz umgibt, der mich an lurtigen denken lässt, und es ist die schlacht von murten, vor genau 530 Jahren, die mich dorthin zieht!

die vorgeschichte der schlacht

der burgunderkrieg begann offiziell am 14.Oktober 1475. bern und rreiburg, seit 1448 auf eidgenössischer seite miteinander verbündet, schickten dem grafen von romont den fehdebrief, was einer kriegserklärung gleich kam. die war nicht ohne, denn der graf von romont war der bruder des herzogs von savoyen, und dieser war verbündet mit dem mächtigsten herzog seiner zeit, mit karl dem kühnen. der war drauf und dran, sich die kaiserkrone zu sichern.

nur zwei tage nach dem fehdebrief die berner und freiburger von den toren von morat. sie begehrten, angeführt durch petermann von wabern und roll von wippingen, einlass.

die überraschung im savoyischen städtchen muss an diesem samstagabend gross gewesen sein. selbst die frauen beteiligten sich an der tumultösen versammlung, die über das schicksal zu entscheiden hatte. danach schied der bürgermeister rossel mysteriös aus dem leben, und der schultheiss de lavignies machte sich mit dem pferd aus dem staub.

murten ergab sich nun kampflos und kam so, am 1. november 1475, ins bernisch-freiburgische bündnissystem zurück, jetzt aber nicht mehr als zähringerstadt, sondern auf eidgenössischer seite.


die eigenossenschaft zur zeit der burgunderkriege (1474-1476/
quelle: die burgunderkriege. militärgschichte zum anfassen, bern 1999

nach der schlacht von grandson, bei der herzog karl im frühling 1476 zwar stadt und schloss erobern konnte, bei concise jedoch das feldgefecht gegen die verbündeten eidgenossen verlor, rechnete man in bern mit ein zweiten angriff der burgundischen Truppen.

adrian von bubenberg besetzt deshalb am 8. April 1476 murten, das als schwächster durchgangspunkte von lausanne nach bern galt und begann unverzüglich mit der verstärkung der stadtmauern.

nur einen monat später, am 9. mai 1476, präsentierte der burgundische herzog karl der savoyischen herzogin yolanda seine neuen truppen in lausanne. am 27. des monats war abmarsch, und am 8. Juni traf die vorhut in avenches ein; der herzog selber liess sich gleichentags in payerne nieder.

in wiflisburg, wie die berner avenches nannten, kam es zum ersten militärischen zusammentreffen, den besatzer adrian von bubenberg wagte einen ausfall seiner truppen gegen die burgundische Vorhut. nicht verhindern konnte er damit, dass diese kurz darauf vor murten stellung bezogen.

in der stadt hatten sich die berner truppen unter adrian von bubenberg und die freiburger delegation unter wilhelm d’affry verschanzt. verstärkt wurden sie durch kanoniere aus dem befreundeten strassburg.

doch vor morat stellten sich gleich drei truppenkörper auf: im nordosten die getreuen von graf jacques de romont, den löwenberg, den aderahügel und altavilla kontrollierend, im südwesten die hauptharst des burgundischen heeres samt den mitgebrachten diensten und auf hügel vor courgevaux liess sich der herzog mit seinen verbündeten aus dem italienischen und englischen adel nieder.


besetzung murtens durch die berner und freiburger truppen, die anschliessend von den burgundischen heeren belagert werden
quelle: die burgunderkriege. militärgschichte zum anfassen, bern 1999

die burgundischen truppen besetzten gleichzeitig mit morat auch Chiètres. doch dann mussten sie feststellen, dass die aareübergänge von Ins über gümmenen bis laupen fest in bernischen händen waren. also zogen sie sich wieder zurück, um murten zu stürmen.

der angriff auf die stadt wurde bald von graf jacques gegen das untere tor angeführt. dort war die stadtmauer zwischen turm und kirche am schwächsten. den Hauptstoss versetzen die belagerer der stadt am 18. Juni.

adrian von bubenberg nützte die ganze zeit die ganz besondere Lage murtens. auf dem land war er gegen die burgundische truppen machtlos. vom rathaus aus, über den see hinweg, gelang es ihm jedoch, vereinbarte feuerzeichen auszusenden, die dann von verbündeten gelesen und nach bern gebracht wurden. so war man in adrians vaterstadt informiert über die absichten der eingekesselten berner. diese rieten angesichts der übermacht mit dem angriff zu warten, bis die eidgenössischen truppen vor ort seien.

die besatzung muss hart gewesen sein. adrians berühmter spruch wurde hier geprägt. auf die damaligen verhältnisse übertragen, meinte er: wer aufgibt, wird von hinten erschlagen.


entgegen der burgundischen absicht, gelang es nicht, die schlacht auf dem plateau zu halten, sie verlagerte sich zum see, wo die burgundische reserve bei meyriez im see ertrank.
quelle: die burgunderkriege. militärgschichte zum anfassen, bern 1999

in der tat löste der sturm auf murten den bündnisfall ein. in einem gewaltmarsch kamen die ostschweizer unter dem zürcher banner von hans waldmann zum sammelplatz. die schlacht konnte beginnen.

wandern in lurtigen

ich bin heute morgen früh los. um 6 Uhr, zuerst nach bern, dann nach gümmenen. Ich bin bis dahin nicht marschiert, habe poschi und regionalbahn genommen. doch dann gings zu Fuss weiter, genauso wie am 22. Juni 1476, als die letzten eidgenössischen truppenteile in der nacht vor der schlacht bei Gümmenen übersetzten und nach ulmiz gingen, wo man sich versammelte.

von da aus verteilten sich die Krieger im staatswald oberhalb lurtigen, gut versteckt, und bei weitem nicht alle auf einem haufen, um nicht erkannt zu werden. 24’000 mann sollen sich übers wochenende im wald zwischen ulmiz, salvenach und lurtigen verkrochen haben, eine fast unvorstellbare zahl haben. es zeigten sich immer nur so viele vor salvenach, dass die burgunder glaubten, die schlacht beginne und in stellung gingen. doch dann kamen die eidgenossen nicht, und liessen den feind im dauerregen stehen. zermürbungskrieg!


einzig bäri begrüsst mich in lurtigen am morgen früh!
foto: burgund-wanderer (anclickbar)

heute ist nichts mehr zu spüren von krieg in lurtigen. es ist ausgesprochen friedlich. es hat auch nicht mehr so viele leute wie damals: 178 einwohnerInnen zählt das bauerndorf. als ich vorbeischaue, schlafen alle noch. einzig Bäri begrüsst mich vor dem dorfbrunnen.

auch bei den kramers ist noch alles zu und ruhig. schade, hatte mich auf einen kleinen Kaffee gefreut! dafür überholt mich gerade vor ihrem haus ein töffahrer, mit sturmgewehr am rücken. der will wohl ans Feldschiessen in murten. mit kommt er vor wie der letzte, verspätete eidgenosse, der aufs Schlachtfeld will!

die hauptgeschichte der schlacht

um mittag des 22. Juni 1476 hatte es endlich aufgehört zu regnen. am morgen noch hatte man auf burgundischer seite mit dem angriff gerechnet, dann jedoch mangels gegner die schlacht abgesagt.


hier verliessen die eidgenössischen truppen den galmwald richtung schlachtfeld
foto: burgund-wanderer (anclickbar)

als die letzten zürcher im wald ob lurtigen aufgerückt waren, griff hans von hallwyl, ein erbrobter deldherr aus bern, an. die eidgenossen stürmten mit geheul aus dem birchwald, übers salvenachfeld auf die feindlichen stellungen zu. 5000 betrug allein die vorhut. Ihr stellte sich, etwa dort, wo heute die strasse von salvenach nach Murten geht, ein Grünhag entgegeben. das dornengebüsch bot den burgundischen truppen, die sich auf der ganzen breite von salvenach bis burg oberburg aufgestellt hatten, etwas schutz.


vor dem wald, zwischen den heute freistehenden bäumen stand die burgundische vorhut
foto: burgund-wanderer

in der tat erlitten die eidgenossen hier ihre grössten verluste. doch gelang es der vorhut, den grünhag und die burgundischen eeihen zu durchbrechen, und die oberländer und entlebucher organisierten den aufmarsch des hauptharstes unter dem zürcher hans waldmann. Jetzt stürmten die 25’000 mann aufs feld. man war jetzt in der klaren überzahl, denn die burgunder hatten ihren hauptharst noch gar nicht mehr aufgestellt.


vermeintlicher schutz durch die natur: der 30 meter tiefe burggraben, der von den schwyzern flugs durchschritten wurde, was zum angriff von hinten führte
foto: burgund-wanderer (anclickbar)

schlimmer noch. die burgundische reiterei, bei salvenach bereit, wurde durch eine ungewöhnlich hohe zahl von kavalleristen auf eidgenössischer seite überrascht, welche die lothringer und österreicher stellten. Und beim burggraben, der als schwer überwindbar galt, setzten die schwyzer über, und griffen die dort postierte artillerie von hinten an.

das burgundische heer konnte die stellung auf dem feld ob der stadt nicht mehr halten, und wich nach hinten aus. flucht! den hang hinter! ins hauptlager! und auf die strasse nach avenches,


endlich: der blick auf murten, nachdem die front barrage gefallen war uns sich die schlacht richtung belagerer verschob
foto: burgund-wanderer (anclickbar)

hertenstein, der militärführer der innerschweizer, verliess das schlachtfeld. er folgte den fliehenden truppen nach wiflisburg, um ihnen den weg noch vor dem seeende abzuschneiden. so waren zahllose burgunder eingekesselt. ihnen blieb nur noch der sprung in den see, und in den sicheren tod! am abend war die Schlacht vorbei. jacques de romont hatte von altavilla aus gar nicht richtig eingreifen können, und musste über grosse moos mit seinen truppen fliehen.


karl der kühne hat vom holz aus gute aussichten über das geschehen, doch blieb ihm nach einem taktischen fehler nur die flucht richtung westen
foto: burgund-wanderer (anclikcbar)

man hat wenig verständnis gezeigt für das verhalten von herzog karl. non den eidgenössischen truppen im wald düpiert, von den eigenen truppen im stich gelassen, stand er auf dem bloi dominigue. die übersicht war gut, hinunter auf die stadt, aber auch nach vorne auf das salvenachfeld. Doch was sich ihm da bot, war ein riesiges desaster. er soll noch versucht haben, die ritterrüstung anzuziehen, als die schlacht am frühen nachmittag schon in vollem gang war. doch auch das kam zu spät. auch ihm blieb nur die flucht nach lausanne.

12000 mann seiner truppe soll er in murten verloren haben, während die eidgenossen 500 tote beklagten. friedenschluss zwischen der eidgenossenschaft und savoyen war am 16. august 1476. mehrere burgundische städte gingen damals in eidgenössischen besitz über.

die gefahr für die eidgenossenschaft war am abend des 22. Juni 1476 abgewendet. die eidgenossen waren die prächtigen sieger gegen den kaiseranwärter. und wurden mächtig reich dabei. für die burgunder herzöge war es die wende ins nichts, für die eidgenossenschaft die wende zum aufstieg!

adrian von bubenberg, populär gesprochen der schlachtensieger, war nicht auf der seite der plünderer und mörder. er rief zur vermittlung auf. dass ihm zahllose seiner soldaten nach nancy, wo er karl der kühne auch umkam, folgten, teilte der berner stadtadelige nicht.

st. urban bei lurtigen – wo nur stand die kapelle?

der wald ob lurtigen hat es also in sich: er war der erfolgsfaktor bei der schlacht von murten. ein menschenmenge, grösser als eine mittelalterliche stadt kann man darin verstecken, die burgundischen spione kann man so geschickt täuschen, dass die voraussetzung für einen schlachtensieg mit europapolitischer bedeutung möglich wird! tja, wer kann da noch denken, lurtigen sei abseits …

zu gerne hätte ich an diesem morgen noch herausgefunden, wo die kapelle st. urban stand. damals, am sonntagmorgen des 22. Juni 1476 hielten die 24’000 eidgenossen ihren feldgottesdienst ab, und wurde zahlreiche von ihnen zu Rittern geschlagen.


werde zurückkehren und die geschichte zu ende erzählen …
foto: burgund-wanderer (anclickbar)

leider ist das auf keiner karte mehr verzeichnet. und in lurtigen schlief noch alles, als ich zur kapelle wollte. werde wiederkommen müssen. auch um meinen kaffee bei kramers zu bekommen …

schlief adrian von bubenberg gut?

ob er gut geschlafen hatte, weiss ich nicht. als adrian von bubenberg vor genau 530 jahren erwachte, war er jedoch nicht mehr nur alt-schultheiss von bern und ritter von spiez. er war der gefeierte schlachtensieger von murten. er hatte den mächtigen herzog von burgund, karl den kühnen, besiegt. die eidgenossenschaft hatte 1476, erstmals gemeinsam, ihr bedrohtes territorium verteidigt, und riesige beute gemacht. mehrere hundert kanonen eroberten die eidgenossen in den burgunderkriegen, auch die luxuriösen tappiserien, die der herzog auf seinen feldzügen mitführte, kamen in ihren besitz, und nicht zuletzt wurden auch einige tausend waschfrauen, bisher als marketenderinnen in burgundischen diensten, damals “eidgenössisch”. das dürfte das nachtleben vom 22. auf den 23. juni 1476 kräftig beeinflusst haben.


adrian von bubenberg, vor genau 530 jahren schlachten sieger in murten. doch wer war die kriegsheld wider willen eigentlich?
foto: burgund-wanderer

ob soviel neuerwerbungen mussten sich die eidgenossenschaft neu organisieren, verpasste aber den aufstieg in oberste liga der europäischen mächte. dafür legte sie 1481 im stanser verkommnis fest, was heute noch vielorts unter dem namen föderalismus schule macht: selbständige orte, die zum schweizer bündnis stehen, sollen unabhängig von der grösse (damals oder der militärishen schlagkraft) gleichberechtigte behandelt werden.

adrian von bubenberg, dessen denkmal ich jeden tag sehe, wenn ich arbeiten gehe, war ein kriegsheld wider willen. denn eigentlich stand er auf der burgundischen seite, war mit karl dem kühnen sogar seit jugendzeiten befreundet gewesen. doch hatte er die macht in der stadt bern gegen das aufstrebende kaufmannspatriziat abgeben müssen. und dieses, streng auf französischer seite stehend, hatte dem mit burgund verbündeten savoyen den krieg erklärt, und bern so in eine militärische auseinandersetzung mit ungeahnten folgen verwickelt.

schon im ersten kriegsjahr starb bern wichtigster vertreter der politisierenden kaufleute, niklaus von diesbach, sodass adrian von bubenberg, gegen seine überzeugung, aber angesichts vorrückender burgundischer truppen zur verteidigung seiner vaterstadt ansetzte, – und gewann!

eigentlich ist es merkwürdig: ein burgundischer stadtadeliger mit bernischem stammbaum versetzte, ohne es gewollt zu haben, 1476 dem burgundischen herzogtum, genau in dem moment, als es auf dem besten weg war, zum zentrum eines neuen kaiserreiches zu werden, den entscheidenden schlag. burgund hörte nur ein jahr danach auf, als selbständiger verband zu existieren. so waren es berner burgunder, welche die über 1000 jahre dauernde, wechselvolle burgundische herrschaftsgeschichte beendeten.


viel schatten liegt heute über der figur adrian von bubenberg, dem katholischen adeligen, dem burgundischen freund, der bern nur vor den fremden truppen, nicht vor den burgundischen herzögen retten wollte.
foto: burgund-wanderer

doch auch adrian starb nur drei jahre später, und mit ihm ging die burgundische tradition in bern zu ende. niemandem, vielleicht ausser mir, kommt es heute in den sinn, bern als spätburgundische kapital zu verstehen. vielmehr begann nach adrians tod berns aufstieg in der alten eidgenossenschaft.

in sich zerstritten, konnte die siegreiche eidgenossenschaft ihre militärische kraft nie in eine politische ummüntzen. vielmehr verkauften die kriegsgewinner die eroberten gebietsgewinne gegen gutes französisches geld, und behielten sie nur randpositionen im westen, um wenigstens die zentralen strassen zu kontrollieren. regiert wurde die schweiz bis zum einmarsch der napoleonischen truppen in bern durch die tagsatzung, dem vorläufergremium des ständerates, das nicht prospektiv und aussenorientiert dachte, sondernn binnenorientiert handelte, auf der basis tradierter vorrechte der am eidgenössischsten orte unter den eidgenossen.

ob adrian von bubenberg besser geschlafen hätte, hätten seine burgunder am 22. juni 1476 gewonnen und wären sie – und mit ihnen die berner – ein bestandteil eines neuen königreichs burgund geworden, weiss ich nicht.

ich weiss auch nicht, ob europas schicksal anders verlaufen wäre, wenn nicht der dualismus zwischen wien und paris nach den burgunderkriegen die geschicke während anbrechenden neuzeit bestimmt hätte, sondern der burgundische könig mit einem mittelreich von brügge bis venedig, zu dem wohl die ganze eidgenossenschaft gekommen wäre.

“kleine burgunder geschichten” – eine serie des burgund-wanderers will die passanten des denkmals mal zum denken bringen
foto: burgund-wanderer

ich weiss nur, dass heute, den 23. juni 2006, niemand, der bei adrians denkmal in bern vorbeizog, sich darüber gedanken machte. die welle über dem berner bahnhof verlassend, haben sie sich, wie ich, der arbeit zugewandt, ohne erinnert zu werden, was entscheidendes hierfür vor gestern vor 530 jahren geschah. deshalb helfe ich ein wenig nach, – mit einer serie der kleinen burgundischen geschichten, die morgen beginnt!

sollten sie eine folge verpassen, blättern sie in meinem blog und finden sie den burgundischen faden wieder!

burgund-wanderer

schnelle kommunikationswelt

ich bloge gern. aus und über bern. und ich suche mir zusammen, was andere dazu schreiben. in meiner stichwortliste blieb ich vor kurzem bei “bernetblog” hängen und begann zu lesen. aus versehen. denn mit “bern” hat das blog eigentlich nichts am hut. es befasst sich mit der medienarbeit im netz, der online-pr in der globalen kommunikation.


quelle: www.bernetblog.ch

kurzweilige präsentation der medienarbeit im netz

dennoch habe ich mit das dort empfohlene buch “medienarbeit im netz” gekauft. aus beruflichen gründen. ich könnte ein kunde von marcel bernet public relations werden. denn ich bin institutsleiter, politanalytiker und online-kommunikator.

vom buch war ich sofort angezogen. ich habe es in einigen nachtstunden gelesen. obwohl ich viel zu tun habe, beruflich, und privat eben auch mal bloge.

das allein ist schon eine empfehlung, die mehr wert ist als jede rezension!

mehr noch: ich habe ein buch mit einem klar umgrenzten thema gelesen.
“bravo” für den autor!
das buch trifft einen nerv der zeit. nochmals “bravo” für das timing!
und es liesst sich schnell. gleich nochmals “bravo” für die machart!

ein buch zum netz, nicht ein netz zum buch

die schnelle lektüre des buches ist allerdings auch nötig. denn es wird schnell veralten. der autor selber geht davon aus, dass wir uns an der schwelle zum internet 2.0 befinden: dem partizipativen internet mit unendlich vielen treibenden. sie alle werden das netz revolutionieren.

autor marcel bernet schätzt, dass die wesentliche veränderung der arbeitswelt der letzten 10 jahre in ihrer beschleunigung bestehe. und dem setzt der autor ein buch entgegen, das entschleunigen soll. innehalten ist angesagt, um zu verstehen wo wir sind und wohin wir gehen.

das buch selber ist keine website, aber wie eine. es hat viele einzelteile. keine 200 seiten, aber 20 kapitel. es hat eine art homepage mit viel lob für die potenziellen leser als einstieg. und es hat anhänge zum auftanken, begriffe begreifen, und das hilfreiche umfeld des autors kennen zu lernen. jedes kapitel wiederum beginnt mit einer kurzübersicht. fast wie eine e-mail. was dann kommt, ist knapp gehalten, fast wie ein communique. dies ist auch gut geliedert und hilfreich illustriert, fast wie eine website. schliesslich bekommen auch die angestrebten leserInnen-typen des buches zahlreiche einstiegsmöglichkeiten. traditionalistInnen lesen es von vorne nach hinten. optionalistInnen greifen nur das raus, was sie gerade interessiert. und blogger erschliessen sich den text über das grosse register.

das massgebliche kommt erst gegen schluss …

die ersten sieben kapitel beschäftigen sich mit den trends in der heutigen pr. sie sind analytisch nicht tiefschürfend, aber äusserst praktisch angelegt. es folgen die kapitel 8 bis 14 zu den instrumenten der online-kommunikation. zur sprache kommen e-mail, sms/mms, mediencorner, podcast, weblog (2) und wiki. das meiste hiervon findet man auch unter wikipedia auch, weiss es selber, oder kennt es aus der rezeptliteratur der pr-branche.

doch das ist gar nicht das entscheidende: zum buch wird das buch nämlich erst mit dem kapitel 15. es stellt die frage: was gebrauche ich wofür? erstmals werden hier zwischen zwei buchdeckeln die einzelnen instrumente der online-kommunikation im verbund vorgestellt. und das macht sinn: kaum eine firma hat ein blog, aber keine e-mail. selten sind kommunikatoren, die podcasts zu nutzen wissen, aber auf sms/mms verzichten.

das buch ist im letzten drittel eine übersichtliche standortbestimmung der online-kommunikationskanäle. diskutiert werden push- und pull-strategien in der netzkommunikation. rss und tags werden als neue landkarten der unübersichtlichen netzwelt vorgestellt. dass alle kann man jedoch erst richtig nutzen, wenn man ein umfassendes netz-monitoring hat. um dieses zu bewirtschaften, schlägt der autor vor, die instrumente in einem ich-verlag zu organisieren.

online-kommunikation als vorhof der massenkommunikation

online-medien werden im buch medienarbeit im netz als vorhof der etablierten medien verstanden, die ihrerseits ins netz diffundieren. gleichzeitig treffen sie dort auf die relevanten anbieter. und genau das muss die online pr-beratung mit dem ich-verleger bewirtschaften. das ist denn auch d e r neue begriff, den ich bei der lektüre gelernt habe!

die instrumente werden hierzu in zwei richtungen aufgeteilt: nach der geschwindigkeit und der reichweite. am schnellsten sind die foren; doch nutzen sie bloss wenig. thematisch websites sind deutlich langsamer als das, aber besuchter. weblogs wiederum haben mehr beuscher und sind schneller. deshalb interessieren sie heute am meisten.

das ist wohl auch der grund, weshalb die vorläufig bekannten grundlagen des ich-verlages speziell ausgeführt werden: relativ günstig, unheimlich rasant und global verhängt. wer das zu nutzen weiss, kann den nachrichtenfluss auf den kopf stellen. das wunderwort ist der “dialog von unten”.

das netz selber entwickelt sich fast unverändert schnell. deshalb muss rene decartes’ berühmter satz neu geschrieben werden: “ich google, also bin ich.” und wer auf google nicht kommt, ist gar nicht mehr vorhanden. das virtuelle sein hängt vom ruf ab.

den hat man.
oder den man auf baut.
oder den man aufbauen lässt.

damit schliesst den autor den bogen, denn er einleitend eröffnet hat: die medienarbeit mit der e-kommunikation ist eine der neun unterschiedenen modi der heutigen pr-kommunikationen. sie ist, so die undiskutierte annahme des buches, die kommende. und genau deshalb braucht es trendsetterbücher wie “medienarbeit im netz”.

meine würdigung

aus meiner erfahrung als “ich-verleger” stimme ich dem meisten im buch von marcel bernet zu. ausser der ausführlichen linkliste im anhang. die hätte ich nicht gebraucht, denn die veraltet noch schneller als die tipps. ein einfacher link auf www.pronline.ch hätte da genügt.

dafür hätte man die zentralen annahmen gerne besser belegt gehabt. zum beispiel:

nimmt medienarbeit im netz weltweit und in der schweiz wirklich zu?
gerne hätte man auch die argumente ausserhalb der pr-firma marcel bernet communications gelesen!
schliesslich hätten auch die finalen thesen, die ich hier vorgestellt habe, eine ausführlichere diskussion verdient!

über strategie und zufall zu wenig gründlich nachgedacht!

marcel bernet, der autor hat mir seine grundannahme so eindrücklich wie nur möglich vorgeführt. sie lautet: in der heutigen netz-kommunikation entstehen neuen kerne der kommunikation, welche die alten der massenmedialen welt ablösen, die ihrerseits die ursprünglichen der personalen kommunikation verdrängt haben.

das stimmt! wir marcel bernet unterrichte ich am maz, am zfu und an der zürcher hochschule winterthur. doch bin ich marcel bernet nie begegnet. ich habe noch nie mit ihm gesprochen. und sein buch habe ich erst gekauft, nachdem ich ihn und sein thema im netz gefunden habe.

allerdings nicht strategisch, wie er meint, sondern aus versehen! das könnte auch ein symptom sein: vieles von dem was sie heute in der kommunikation entwickelt, geschieht nicht teleologisch, sondern zufällig, vor allem aufgrund der wachsenden möglichkeiten der online-kommunikation.

genaus so wie bei mir: denn eigentlich wollte ich stadtwandern. dabei entdeckt man halt immer mehr, als man erwartet!

internet-wanderer

die werbung zum buch

des scharfrichters sohn vorzüglich aufgeführt

geschichte boomt. man will wissen, wie es war. seinerzeit. man will hören, wer grosses geleistet hat. früher. und man will erfahren, wo die dunklen seiten sind. damals. doch der geschichtsboom bringt uns heute nicht nur eine erweiterung des bewusstseins auf der zeitachse. nein, die geschichte entdeckt endlich auch den raum: nur bei hegel war es der weltgeist, der geschichte machte. bei fast allen anderen, sind es orte, an denen geschichte passiert.


matthias zurbrügg, alias simon, der sohn des scharfrichters (regie: christine ahlborg)
foto: mes:arts

jeder ort hat seine geschichte. so auch bern. und genau diese geschichte beginnt auch zu boomen. tägliche führungen. vom tourismusverband, von stattland, vom stadtwanderer. wir alle boomen, weil einheimische und zugezogene wissen wollen, was hier war. seinerzeit. weil immer mehr touristInnen hören wollen, wer hier grosses geleistet hat. früher. und weil auch berner und bernerinnen erfahren sollen, wo hier die dunklen stellen waren. damals.

die stadt bern als theater

gesellschaftskritik ist das programm von met:arts, dem jünsten mitglied unserer kleinen geschichtsdarstellergilde. met:arts ist ein verein, gegründet von matthias zurbrügg und christine ahlborn. sie sind selbständige und unabhängige theaterkünstler. ihr thema ist berns geschichte. ihr ort ist die altstadt bern.


sehr verehrtes publikum: start des theaters auf dem rathaus
foto: copyright by b. käser

ihr theater braucht keine bühne. denn die stadt ist die bühne. geboten wird so in einem eineinhalbstündigen aussergewöhnlichen spaziergang vom rathaus über das münster in die matte und hinaus zum casino gute und lehrreiche unterhaltung. die ironie könnte treffender nicht sein: als bern 1766 das erste theater bekommen sollte, verbot die obrigkeit das unterfangen. denn bern war wohl geordnet, und dem theater ging der ruf vor aus, reichlich ungeordnet zu sein. das hatte seinen grund: samuel henzi, ein emporkömmling aus bümpliz, war dem schultheiss ein dorn im auge. er schickte ihn in die verbannung. doch da lernte der berner nicht die einsamkeit, sondern das französische theater als kunstform kennen. und schrieb selber ein stück: grisler ou l’ambition punie. es ging um machtmissbrauch, um sexuellen missbrauch durch die macht.

niemand im alten bern bekam das stück henzis, je zu sehen, denn es wurde wie das theaterhaus auch verboten. und der theatermann henzi rebellierte dagegen, verlangte, was heute selbstverständlich ist: bürgerlichen freiheiten und ein demokratisiertes wahlrecht. dafür wurde er erneut verurteilt, diemal zum tode, denn der berner scharfrichter, schlecht, aber recht vollzog.

empört über das schicksal eines intellekturellen unter der gnadenlosen herrschaft der gnädigen herren zu bern, mobilisierte die entstehende europäische medienöffentlichkeit gegen diese hinrichtung, und gotthold ephraim lessing, der deutsche aufklärungsliterat, widmete dem ganzen ein theaterstück, das unter dem titel “ein trauerspiel” als theaterfragment bis heute erhalten geblieben ist.

mes:arts erste produktion zur stadtgeschichte

des scharfrichters sohn endet nicht mit samuel henzis tod am 17. juli 1749, sondern beginnt hier. der sohn des berner scharfrichters, simon, will wissen, was sein vater tut. dann erfährt er, wie die folter menschen schändet. wie des vaters schwert des schultheissen spruch richtet. und er entschliesst sich, nicht in des vaters fusstapfen zu treten. die lechzende menge bei den hinrichtungen will er durch das interessierte publikum ersetzen, das auf den gaukler sieht, der jetzt selber theater spielt.


die stadt als grosse bühne, spazieren gehen und theater spielen
foto: copyright by b. käser

matthias zurbrügg, alias simon, spielt im theater von christine ahlborn, gleich alle rollen mit- und hintereinander. gut macht er sich als stolzer schultheiss niklaus von steiger, der mürrisch hinabsieht, wenn er von seinen untertanen spricht, der seine spitzel ausendet, um seine position zu erhalten, und der willkürliche entscheidungen trifft, wenn er will. n’importe quoi! besser noch ist zurbrügg als kecker napoléon, der vorgibt, volkes stimme zu kennen, der mit dem degen angreift, wo er kann, und der die schweiz revolutionieren will, wo auch immer er ein aristokratisches nest wittert. doch damit nicht genug: der schauspieler zurbrügg schlüpft auch in die rolle von casanova bei seinem besuch in bern, er spielt gar julie bondeli, die rousseaus gedanken im noblen könizer club vermitteln will, und er ist einer der grafenrieds, der nach new berne ausgewandert, um dort ein neues leben, auf sklavenarbeit basierend, zu beginnen.


casanova lacht alle gefängniswärter dieser welt aus, und erfreut sich an der holden weiblichkeit auch in bern
foto: copyright by b. käser

so zeichnet das stück berns geschichte station für station nach: die besuche der prominenz von aussen, die verpatzte aufklärung im innern, der einmarsch der französischen truppen vom grauholz her, der stecklikrieg gegen die besatzer in der nydegg, und die liberale bewegung in berns schummrigen gassen. sie alle kommen in des scharfrichters sohn ausgiebig zur sprache.

vorbildliche geschichtslektion für die jahre 1749 bis 1831

die texte des theaterstücks sind knapp und fliessend, die sprache ist abwechslungsreich und verständlich, und die dramaturgie ist interessant, ohne mit unnötigem abzulenken. wer sich wenig mit berns geschichte befasst, bekommt ein einfach gestaltetes schauspiel vorgesetzt, die faktentreu und unterhaltsam zugleich ist. er/sie sieht die hochwohledlen auf dem rathaus, er/sie erlebt, wie die kollaborateure das system stützen, und er entdeckt die revolutionären vorbilder bei der befreiung der gefangenen in der bastille. aber auch kenner der geschichte berns kommen beim scharfrichters sohn auf ihre rechnung: denn sie erhalten eine bildhafte vorstellung dessen, was sich wo abgespielt hat. dabei bleibt man nicht bei der erzählung, denn das ganze ist ein erlebnis. auf der bubenbergtreppe kann in der vorabendstimmung schon mal etwas atmosphäre aus dem ausgehenden ancien régime aufkommen!


hoch-wohl-und-edel: nikolaus von steiger oberserviert seine untertanen
foto: copyright by b. käser

der kern der erzählung bezieht sich auf die zeit von 1749 bis 1831. es ist die zeit des grossen umbruchs, der in bern bis heute nachwirkt. die reaktionäre verlieren den kampf, doch die revolutionäre gewinnen ihn nicht. selbst wenn man das im theaterstück als fussballberichterstattung hochspielt. aus dem unentschieden entsteht berns politkulturelle mischung im frühen 19. jahrhundert: als sieg der liberalen klasse über die konservative bastion.

unverständliche verkürzung des wegs zur gegenwart

das alles ist löblich. weniger löblich ist dagegen, wie der bogen zur gegenwart gesucht wird. 1831 ist der geschichtenfluss an der aare im “der sohn des scharfrichters” wie zu ende. simon entschwindet, und mit ihm gehen auch die anderen figur ab, die einem so schön haften bleiben.


der funke springt nicht über: sturm der bastille, aber nicht des erlacherhofs
foto: copyright by b. käser

wo man eine erfrischende pause und dann den zweiten akt erwartet hätte, geht es dann im schnellschritt durch ein kurioses sammelsurium von zusammenhangslosen stationen: so zum bundessstaat, der fälschlicherweise schon bei der gründung zur direkten demokratie erklärt wird. die notwendig gewordene demokratisierung der liberalen wird weggelassen, obwohl erst sie die freiheitsvorstellungen von heute in der bürgerlichen welt entwickelt hat. und die soziale bewegung kommt schon gar nicht vor! obwohl auch sie einen nicht individualistischen freiheitsbegriff, den des kollektivs, geprägt hat. dafür landet man unvermittelt bei der alternativen bewegung: “zaff, zaff, zaffaraya”, das gefällt den theatermachern besser, denn so ist man wieder bei der kritik des etablierte, in der nähe der fahrenden, bei den gauklern und bei der anarchischen kultur.

dürrenmatt als finale nur dramaturgisch gelungen

dramaturgisch ist der schluss genial. unter der krichenfeldbrücke angelangt, lässt der schauspieler sein staunendes publikum hinter sich und entschwindet hinter einem gitter im brückpfeiler. dort rezitiert er friedrich dürrenmatts parabel von der schweiz als gefängnis und schlägt so den bogen zu simons freiheitswillen.


kampfeslustig interveniert napoléon b(u)onaparte in der schweiz
foto: copyright by b. käser

doch das publikum fragt sich beim applaus: ist simons freiheitsprojekt missraten? ist bern ein museales gefängnis, immer noch von den alter patrizierfamilien observiert? oder ist es bloss die bühne der aussenseiter, die theater spielend bern auf die schippe nehmen?

nein, sagt die innere stimme, denn eigentlich weiss man aus berns moderner geschichte mehr, als am schluss erzählt wird: bern ist im 19. jahrhundert bürgerlich geworden, hat – im theaterstück unerwähnt – die todesstrafe abgeschafft. bern hatte im 20. jahrhundert eine starke arbeiterbewegung, welche die gerechtigkeitsfrage neu gestellt hat, und bern war 1975 so etwas wie der ursprung der frauenbewegung, die zur ersten frauenmehrheit in einer europäischen stadtregierung geführt hat.

der berner friedrich dürrenmatt hielt seine rede zur schweiz als gefängnis 1990, äusserlich für den tschechischen dichter-präsidenten vaclav havel. in der schweiz brodelte damals der fichenskandal, der der der staatlichen überwachungsmaschinerie ein ende setzte. “schengen/dublin” ist nicht, wie angetönt, die fortsetzung des krieges gegen die bürger mit anderen mitteln!


dürrenmatts parabel vom der freiheit, dem gefängnis und der schweiz, grad unter der kirchenfeldbrücke
foto: copyright by b. käser

überhaupt: bern ist heute friedlicher, als es im henkerstück erscheint. es hat gerade in jüngster zeit einen starken soziokulturellen schub erlebt, ist nicht mehr sture beamtenstadt, sondern flanierzeile mit zahlreichen strassencaffees, einer vielzahl von zellen des individualisierten lebens, und ein multikulturelles pflaster mit touristen, politikerinnen und künstlern, wohin man hinschaut.

wann folgen des scharfrichters enkelInnen?

schade, dass die freiheit der gegenwart im stück von ahlborn und zurbrügg so wenig reflektiert wird. für ein historisches theaterstück wäre auch das ein must gewesen. vielleicht ist das aber das thema im folgejahr, wenn mes:arts dann “die enkelInnen des scharfrichters” enkelInnen unterhaltsames und erhellendes theater aufführt! zu räten wär ihr das, denn brilliant gespielt, gekonnt getextet, subtil inszeniert, kann man sich das neue theaterduo im historischen stoff noch verbessern. der besuch schon in diesem sommer lohnt sich dennoch!

der stadtwanderer

am 23. mai 2007 wird das programm wieder aufgenommen. mehr dazu unter: met:arts

bilanz der mächtigen

rating sind eine beliebte sache geworden, vor allem bei den medienschaffenden. sie wollen heute regelmässig wissen, wer top ist, und wer flopt. das schönste an ratings sind aber die veränderungen. nicht nur oben und unten interessiert, sondern auch besser und schlechter. das erhöht die spannung! doch was macht macht aus? wer macht macht-ratings? und noch viel allgemeiner: was eigentlich ist macht? der stadtwanderer macht sich dazu gedanken …

die machtfrage

die zeitschrift bilanz will regelmässig erfahren, wer am mächtigsten ist in der schweiz. sie will wissen, wer der fürst ist, den niccolo di bernando dei machiavelli anfangs des 16. jahrhundert beschrieben hat, um als sekretär der republikaner bei den wieder installierten medici in florenz gehör zu finden.


macht ist die möglichkeit, seinen willen durchzusetzen, selbst gegen den willen anderer (anclickbar)

wer über macht philosophiert, darf nicht nur die perspektive der mächtigen einnehmen. macht ist auch die möglichkeit, widerstehen zu können. wer sich überall anpasst, ist letztlich ohnmächtig, selbst wenn er an die macht kommt. wer dagegen sich selber bleibt, wird mächtig, wie uns der einsame mensch auf dem pekinger tien an mien platz lehrte, der die panzer der macht in die schranken wies.

klar, die bilanz macht sich das einfacher: sie legt kein grundsatzwerk über machttechnik vor, das die welt auch 500 jahre später noch diskutieren wird. sie recherchier auch nicht über den wiederstand. eher noch zeichnet sie machttheorien nach, welche die machtaufteilung zwischen staat, wirtschaft und gesellschaft aufzuspüren, wie es die moderne systemtheorie für die moderne welt leistet.

anders als die abstrakten theoretiker hat die bilanz aber einen konkreten zugang: macht, das haben die wirtschaftsführer, das findet sich bei politiker, und das gibt es unter den kulturschaffenden. um diese macht zu bestimmen, lässt die bilanz verschiedene jurien bilanz ziehen, über das vergangene jahr. diese darf personen nominieren, die bewertet werden sollen. und sie bewertet die personen, die nominiert worden sind.

ich kann nicht allgemein beurteilen, was ratings wert sind. doch bin ich gelegentlich in solchen jurien dabei, und gelegentlich werde ich auch bewertet. muss ich meine bewertung abgeben, mache ich das nie spontan. denn dann sitzt einem der letzte eindruck zu stark im nacken. ich wähle immer jene aus, die für mich top sein können, und informiere mich nochmals, was sie gemacht haben, in den medien, in meiner erinnerung und in meinem umfeld. dann erst mache ich meine beurteilungen einzeln, und am schluss erstelle ich meine reihenfolge, wie wenn ich allein juror wäre. wenn es möglich ist, vergleiche ich das mit früheren, gleichen übungen, und korrgiere meine allfällig überzeichneten eindrücke. meist wird mir erst dann bewusst, was da den ausschlag gibt: medienpräsenz, gute, schlechte presse, aber auch besondere ereignisse und manchmal sogar schleichende trends! das ist dann auch für mich interessant, ohne dass ich das im detail preisgeben würde.

was da so raus kommt, kann man in der zeitschrift “bilanz” von heute lesen. bei den politgrössen, war ich auch dabei, bei den anderen kann ich nichts dafür… dafür können sich alle leserInnen vom stadtwanderer frei dazu äussern:

die mächtigen der gegenwart

rubrik wirtschaftsmacher:

1. daniel vasella (1)
2. marcel opsel (2)
3. peter brabeck-letmathe (4)
4. peter wufli (3)
peter spuhler (6)

sonderrubrik paragrafenkönige (wirtschaftsanwälte, erstmals bewertet, nicht vergleichbar)

1. peter böckli
2. rolf watter
3. peter nobel

rubrik politgestirne

1. doris leuthard (2)
2. ueli mauerer (1)
3. christoph blocher (9)
4. hans-jürg fehr (11)
5. pascal couchepin (9)

rubrik kulturgiganten

1. jacques herzog und pierre de meuron (1)
2. peter von matt (4)
3. claude nobs (2)
4. alexander pereira (3)
5. folg fehlbaum (-)

rubrik abc-schützen (medienunternehmer/schaffende)

1. michael riniger (-)
2. peter hartmeier (3)
3. peter rothenbühler (6)
4. andreas durisch (12)
5. werner de schepper (2)

rubrik einflüsterer (meinungsmacher, erstmals separat bewertet, deshalb nicht vergleichbar)

1. frank a. meyer
2. roger de weck
3. gerhard schwarz

rubrik sachkämpfer (interessenvertretung)

1. jakob kellenberger (2)
2. serge gaillard (6)
pierre triponez (8)
4. simonetta sommaruga (-)
5. paul rechsteiner (9)

rubrik weichensteller (wissenschaft)

1. patrick aebischer (2)
2. alexander zehnder (3)
3. ernst hafen (-)
4. bruno s. frey (-)
5. silvio borner (-)

was macht macht aus

macht, hat die bilanz festgelegt, erkennt man an vier indikatoren:

. dem einfluss im eigenen bereich,
. dem einfluss über den eigenen bereich hinaus,
. dem mass, in dem die eigene position befestigt ist, und
. der möglichkeit, sich notfalls gegen den willen anderer durchzusetzen.

letzeres ist unzweifelbar max weber, dem deutschen soziologen zu beginn des 20. jahrhunderts, entlehnt, der in “wirtschaft und gesellschaft formulierte: macht ist “jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht.” weber interessierte sich also nicht, ob macht durch zwang entsteht, ob sie durch geld steuert, ob sie durch sex verführt, oder ob sie durch wissen einfluss nimmt. ihm ging es gerade nicht um die ressourcen der macht, sondern um ihre strukturen: eben, um die einflussnahme durch akteure, die in beziehungen zwischen menschen, zwischen gruppen oder zwischen gesellschaften führend sind.

die definitionsmacht der definitionsmächtigen

nicht in der bilanz stand es, dafür hat es aber die sonnstagszeitung herausgefunden: definitionsmacht haben in der heutigen zeit vor allem medienakteure. also die konzepter für redaktionen, die chefredaktöre und ihre sufflöre, die paradiesvögel unter den journalistInnen, die es verstehen, gelesen zu werden, und die expertInnen, die von ihnen immer dann eingesetzt werden, wenn sie einen standpunkt vertreten, einen erklärungsansatz präsentieren, eine idee lancieren, die in die these eines artikels oder in das konzept eines e-formates passen. die am häufigsten von der presse und der arena zitierten analysten politischer, gesellschaftlicher und medialer trends in der schweiz sind:

1. franz jäger
2. thomas held
3. claude longchamp
4. iwan rickenbacher
5. andreas ladner

die idee und das konzept solcher ratings für die sonntagszeitung hat übrigens regula stämpfli entwickelt, selber an 13. stelle der einflussreichsten analystInnen. verwendet wird das rating von der soz jedoch ohne autorenangaben. zu ihr schreibt marco morell: sie sei auf dem besten weg, den etablierten arena-tauglichen männern den rang abzulaufen, denn sie werde stetig präsenter. definitorisch heisst das einflussreicher, in den journi-jargon übersetzt jedoch häufig: gefährlicher. so schrieb die weltwoche typisch schweizerisch und ganz unverblümt, der auf dem platz drei befindliche politologe sei der “einflussreichste, und deshalb gefährlichste meinungsmacher” … so ist es halt: die journalistischen definitionsmächtigen haben ihre lieblinge unter den wissenschaftlichen definitionsmachtigen, sie kupfern bei ihnen ab, aber nur genau das, was ihnen gerade passt, und in der form, wie es ihnen gerade passt!

die macht des stadtwanderns

nun, wir von stadtwanderer wissen, dass das journalistische heute stets zugespitzt ist, aufgebauscht wird und übertrieben ist, um aufmerksamkeit beim staunenden publikum für die eigene schreibe zu generieren. wir wissen, dass die politikwissenschaft la science du pouvoir ist, und das das ins deutsche übersetzt zwei wendungen ergibt: die wissenschaft der macht, aber auch die wissenschaft der mächtigen. also bleiben wir ein wenig auf distanz, zu macht der mächtigen, und zur definitionsmacht der definitionsmächtigen.

wir sind einfach auch gelassener! nicht zuletzt, weil man bundesräte, wirtschaftskapitäne, stararchitekten, chefredaktoren und professoren ganz einfach auf berns strassen spazieren sieht. wir wissen denn auch, was die treffendste definition der macht ist: jede Chance, innerhalb einer stadt unbemerkt zu bleiben, gleichviel, worauf diese Chance beruht. werde mich mal achten, wen ich unerkannt alles vor die schuhe resp. vor die linse kriege!

stadtwanderer

bilanz-rating (nur für abonennten frei zugänglich, was ja auch eine machtfrage ist)

auf der suche nach dem paradies

hauterive ist speziell. ein kloster, nicht oben auf dem berg, sondern unten am fluss. gegründet wurde es, um lokales feudalgut vor dem zugriff der zähringer zu schützen. daraus entstand eine klostergemeinschaft, die nach den regeln der zisterzienser funktionierte, und ihren höhepunkt im 13. jahrhundert kannte. im 19. jahrhundert dienten die klostergebäude vorübergehend als lehrerseminar, bevor es, 1939, wieder ihrer ursprünglichen aufgabe zugeführt wurden. 2006 ist der klostergarten im kreuzgang neu gestaltet worden, und er soll das paradies auf der erdeninsel hauterive wieder erstehen lassen.

annäherung an eine fremde welt

meist sind die klöster am auf einem berg oder am ende eines tals. das passt vor allem zu den zisterziensern, die einfach und von ihrer arbeit leben sollen. so hat diese burgundische klosterbewegung aus dem 12. jahrhundert viele gebiete neu erschlossen. auch in hauterive ist es so, selbst wenn das kloster ganz ungewöhnlich liegt: in einem tobel umgeben von hohen felswänden, nahe der sarine/saane, in einer grossen flusschleife.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

man nähert sich der weltlichen insel im göttlichen dienste nur blick für blick. das ist gut so, denn so kommt man der fremden welt, die sie heute noch oder wieder ist, bloss schritt für schritt näher.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

wer zum kloster hauterive wandert, steigt vor allem hinab. zunächst geht es noch über feld, durch wald und entlang von wiesen. doch dann werden die wege immer steiniger, und sie sind gelegentlich auch steil. weit unten erkennt man einer einer waldlichtung und in einer flusschleife ein paar dachfirste, dann einige häuser, schliesslich ein ganzes kloster.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

wie alle zisterzienerklöster ist der bau streng quadratisch angelegt. die klosterkirche bildet die eine seite. der kreuzgang ist das zentrum, und rund herum hat es die gebäude für die priester, vis-a-vis für die brüder und dazwischen für die verwaltung. wenn man vor dem kloster angekommen ist, sieht man auch die nebengebäude: gästehäuser, die über dem tiefgelegenen kloster stehen. zu diesem führt im leichten bogen eine kleine strasse hinab. schöner ist es aber, für die letzten höhenmeter die gedeckte treppen direkt nach unten zu nehmen.

von der spätburgundischen gründung zum höhepunkt unter den neuenburger grafen

das kloster kennt, obwohl es immer im katholischen umfeld war, eine wechselvolle geschichte. die ursprünge reichen bis ins 12. jahrhundert zurück. 1125 ging die salische dynastie im kaiserreich zu ende. der kaiser war damals gleichzeitig könig von burgund, zudem das gebiet von hauterive gehörte.

insbesondere der tod von kaiser heinrich V. brachte unsichere zeiten. zwei adelige stritten um die deutsche krone: es setzte sich lothar von supplingenburg durch, der weit im norden, in sachsen, lebt und seine hausmacht hatte. im süden stützte er sich auf einer stellvertreter, der gegen den konkurrenten aus staufischem hause herrschen sollte. dies waren die herzöge von zähringen, denen der könig das rektorat über burgund, eine art vizekönigtum, vermachte.

die zähringer waren im üchtland, wie man den streifen zwischen sarine und aare nannte, wenig beliebt. sie galten als eindringliche. ihnen fehlte der imperiale glanz des kaisers, und sie kompensierten dieses manko mit machtpolitik, die in der eroberung und erschliessung des burgundergebietes geschah.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

zwischen 1132 und 1138 stiftete wilhelm von glâne, ein burgundischer seignieur oder freiherr, kurz vor dem erlöschen seines geschlechts, das kloster hauterive. er stattete es mit grundbesitz aus. so versuchte er, seinen besitz dem zugriff der zähringer zu entziehen. 1138 weihte der bischof von lausanne das klosters, und der papst bestätigte seine existenz 4 jahre später.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

1157 setzten sich die zähringer mit der stadtgründung an der sarine, nur 6 kilometer luftlinie von hautrive entfernt, im üchtland fest. mit freiburg entstand ihre erste stadt auf burgundischem boden, die nach dem vorbild von freiburg im breisgau, ebenfalls zähringisch, geführt wurde.

allen versuchen, die eigenständigkeit zu sichern, zum trotz, kam hauterive jetzt ebenfalls unter zähringische herrschaft. die herzöge nutzten das kloster als machtbasis, das so zu neuem besitz und neuen rechten kam in der näheren und weiteren umgebung kam.

mit dem aussterben der zähringer 1218 kam hauterive unter die schirmherrschaft der grafen von neuenburg, später der grafen von aarberg. es war die blütezeit des klosters, das ländereien vom jura bis in die alpen, und von der sarine bis an den genfer see hatte.

städtische territorialbildung und abstieg zum staatlichen lehrerseminar

als die städte ihre territorialpolitik auszubilden begannen, setzte der abstieg des feudalen klosters ein. bern griff nach westen aus, provozierte damit dem gümmenen- und laupenkrieg, indem zahlreiche burgundische adelige ums leben kamen. das verunsicherte selbst die position von hauterive. nach 1341 sicherte die habsburgische stadt freiburg das kloster. 1387 wurde es, im sempacherkrieg der innerschweizer gegen habsburg von bernern geplündert, und 1448, im krieg berns gegen savoyen, wurde es in ebenfalls mitleidenschaft gezogen. 1452 kaum die abtei erneut unter die hohheit der stadt freiburg, die jetzt aber im radar berns war, und 1481, auf berner vermittlung, eidgenössisch wurde. aus hauterive wurde jetzt altenryf.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

das kloster ging seinen aufgaben weiter nach, kam aber 1618 zur oberdeutschen zisterzienserkongregation. 1798 litt altenryf unter dem zusammenbruch des alten regimes, und 1848 wurde es von den liberalen behörden des kantons aufgelöst und in ein lehrerseminar umfunktioniert.

neubegründung des streng klösterlichen lebens

1939, bei ausbruch des zweiten weltkrieges, siedelten sich wieder mönche aus dem zisterzienserkloster in bregenz an der sarine an, und errichteten 1973 die heutige abtei heuterive neu. durch diese abtei führt uns heute catherine waeber, die vor genau dreissig jahren ihre dokotroarbeit über die architektur des klosters hauterive gamacht hat. und es erklärt uns auch ein bruder, der im kloster lebt, wie das leben in der gegenwelt ist.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

wir erfahren vom strengen tagesauflauf, der auch heute um 4 uhr beginnt, und um halbneun endet, und der durch die gebete, das essen und die arbeit gegliedert wird. hinzu kommen noch die lesungen, für sich, und alle miteinander, wenn die priester und brüder auf den bänken im kreuzgang dem wort jesu lauschen.

meist ist es aber stil im kloster. man spricht nicht, wenn man isst oder arbeitet, um mit gott im dialog bleiben zu können. die zeit des sprechens ist klar geregelt und beschränkt. mit der aussenwelt ist man zwar in kontakt, aber auch das ist kontrolliert und beschränkt. das kloster verlassen die mönche gerade mal 4 tage im jahr. entweder gehen sie dann auf verwandtenbesuch, oder aber sie pilgern zusammen auf eine alp, die dem kloster gehört. die gemeinschaft ist hier deutlich spürbar über dem individuum. und seine erfüllung findet der mönch auch 2006 nur in dieser gemeinschaft.

berner plünderer und berner kulturfreunde

berühmtheit erlangte hauterive durch sein scirptorium, das seit der gründung im 12. jahrhundert bestand. es war ein ort des schreibens, damit die heilige schrift bekannter wurde. nur wer seinen gott kennt, kann ihn lieben, ist heute noch die losung. offiziell ist man heute französischsprachig. das klosterleben lässt aber auch die deutsche und italienische sprache zu, und das latein bleibt die sprache für die meisten gesänge.

die zutiefst römisch-katholisch-burgundische kultur kam 1387 in einem jähen kontakt mit der alemannischen. die berner plünderten das kloster; sie hatten es vor allem auf die klosterbibliothek abgesehen, die 1578 zusätzlich durch einen brand verwüstet wurde. trotzdem verfügt hauterive heute über ein der herausragendsten handschriftenbestände der klöster in der westschweiz. zudem sind 40’000 bücher in der klosterbibliothek greifbar.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

auch unsere besuchergruppe kommt auch aus bern, ist aber friedlich. sie ist nicht unter der führung eines schultheissen. vielmehr hat verena hegg eine friedliche carfahrt durch die gärten freiburgs organisiert. die teilnehmenden sind auch keine soldaten, vielmehr sind sie fast alle mitglieder der schweizerischen gesellschaft für gartenkultur. und ihnen hat sich der stadtwanderer angeschlossen.

geheimnisvolles dunkel in der kirche, helles licht im klostergarten

zuerst lauschen wir den täglichen gesängen der brüder in der klosterkirche notre-dame-de-l’assomption. sie wurde zwischen 1150 und 1160 errichtet, und sie ist ein gutes beispiel für die frühe architektur der zisterzienser. ganz im geiste des heiligen bernard von clairvaux gehaltem, besitzt die dreischiffige romanische kirche ein querschiff und einen rechteckchor, aber keinen kirchturm. einzig ein kleiner reiter ist der kirche aufgesetzt. das licht in der kirche ist spärlich, und wird durch die, im 14. jahrhundert eingesetzten, farbigen fenster noch gebrochen. so entsteht die spezielle atmosphäre einer kirche in der flusschleifen, die einem so vorkommt, als wäre man in ein u-boot gestiegen.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

krasser könnte der gegensatz nicht sein, wenn man dann in den romanisch gehaltenen kreuzgang hinauskommt, der aus dem 12. jahrhundert stammt und auf drei von vier seiten erhalten ist.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

mitten im kreuzgang ist 2006 eine neue gartenanlage entstanden. der belgische gartenarchitekt jacques wirtz stand hier vater. er hat in gelungener art und weise moderne elemente mit traditionellen materialien mitten ins kloster gebracht. die alte waschanlage ist heute offen, dargestellt durch einen quadratische wanne. ihr gegenüber ist ein runder brunnen. leicht erhöht sammelt er alle wege im klostergarten. symbolisiert wird dadurch das paradies.

begegnung mit einer eigentlich bekannten welt

hauterive kannte ich lange nicht. bei meinen recherchen über (spät)burgundisches leben in der schweiz bin ich natürlich auf dieses bijou der übergangszeit in die schwäbisch-alemannische welt gestossen, und habe mich für das leben in hauterive zu interessieren begonnen. irgendwie ist es wie ein stück burgund, das in einer andern welt überlebt hat.

diese einsicht hätte ich sogar ganz einfach haben können, hätte ich nur meinen vater gefragt. in der gegend aufgewachsen, hat er als junge regelmässig die mitternachtsmesse in der klosterkirche von hauterive besucht, – mein seinen kollegen von der jungwacht. ganz unten, in der flusschleife der sarine, wo das zisterzienserkloster steht, in dessen mitte der kreuzgang mit dem paradies ist.

stadtwanderer (auf landwegen unterwegs)

kloster hauterive

gartenjahr

also, was ist ein blog? – eine herausforderung für dr. blog-blogicki …

Sehr geehrter Herr Longchamp

Seit einigen Tagen vertreibt sich “Dr. B. Blog-Blogicki”, seines
Zeichens Blog-Kritiker, einen anständigen Teil seiner Zeit mit dem Lesen
des STADTWANDERERS. Er möchte ihn gerne bald rezensieren, hat Spass daran.

Der Stadwanderer hält sich bedeckt und signiert seine Einträge nicht mit
eigenem Namen. Ausser den ersten Eintrag, wo “Dr. B. Blog-Blogicki” auf Ihren doch wohlbekannten Namen stiess. Ja, die meisten Blog-Surfer schenken den ersten paar Einträgen kaum Beachtung. Obwohl Sie manchmal so viel über den oder die VerfasserIn verraten.

Ich möchte Sie nun anfragen, ob dies ein Versehen Ihrerseits war (den
ich natürlich noch so gerne ausschlachten würde), und Sie weiterhin nur
unter Stadt-, oder Burgund-, oder WeggisWanderer blogizieren möchten.
Dann schlage ich vor, Sie überarbeiten die erste Autoren Angabe und
lassen es mich wissen. Dr. Blog-Blogicki wird es respektieren, weil es
ihm sein Anstand ge”bier”t… oder so.

Mit freundlichen Grüssen

Peter A. Ziermann

guten morgen herr ziermann

tschuldigen sie die dauer meiner antwort, ich war gestern beruflich unterwegs, und dann war es zu heiss, um zu wandern, also ging ich duschen (ohne doris) …

es freut mich, dass sie interesse haben an unserem stadtwanderer – endlospapier. klar, das ist nicht einfach ein blog, also ein stipvisite, wie sie vielleicht meinen, das ist es eine richtige wanderung, und da kann es schon vorkommen, dass man etwas mehr von seiner zeit dafür braucht! schön, wenn sie seit jüngstem mitwandern wollen. seien sie herzlich willkommen!

nun, die stadtwanderer.redaktion ist ein kleines eingeschorenes team. man zeichnet mit der jeweiligen identität, das heisst, dem fremdbild, das man beim wandern abgibt, und dem selbstbild, das man beim wandern von sich selber hat. wenn beides zusammen passt, ist man ein stadtwanderer, weggiswanderer, burgundwanderer, internetwanderer, etc.

das ist ja heute alles komplexierter, als man denkt. wenn ein mensch mit medienbekanntheit kommt, wird er meist erkannt. wenn sein zwillingsbruder kommt, gibt es schon die möglichkeit, dass dieser unerkannt bleibt, oder es zu lustigen verwechslungen kommt. je nachdem weiss man aber schon jetzt ein wenig, jedenfalls in bern, dass da gewandert wird, um realitäten politisch unbefangen, historisch informiert und kulturell neugierig neu zu entdecken. und so kommt es vor, dass wir helfer und helferinnen bekommen, bewusst und unbewusst, die dann mitberichten, aber nicht jedesmal grossartig in einem impressarium erscheinen wollen.

das gibt dann durchaus die möglichkeit, dass sich neue identitäten entwickeln, das alles also ein offener prozess ist. die klare fixierung auf eine person und eine identität, wie das in den meisten blogs – leider, leider!! – der fall ist, ist, also, beim stadtwanderer, an sich, erschwert, mehr noch, gerade nicht da ziel. so ist es, wiederum also, kein versehen, dass die stadtwanderInnen, anonym bleiben, das heisst entwicklungsfähig, genauso wie eigentlich das junge medium des weblogs.

alle bernisch-welschen-burgundischen stadtwanderer sind bestens bekannt mit den firmennamen von turn- und wanderschuhen. wenn dann aber um die neuesten internettechniken geht, gibt es schon mal benekliche probleme. helfen sie uns das! denn gelegentlich fragt man sich, in der stadt.wanderer-redaktion, was rss ist, wie man texte schön editiert, und wie man die kommentare kommentiert, die kommentarweise ist die kommentarfelder gesetzt wurden. zum beispiel von ihnen, sodass sie auf slug erscheinen, dann aber nirgends greifbar sind. einfach weg, im niemandsblog. neidisch, sind wir schon ein wenig, dass sie das können, wir aber nicht!

sie sehen, wir sind neu im geschäft. verzeihen sie also, wenn wir jede der szenen-normen, die es schon mal geben soll, nicht kennen, ja sogar dagegen verstossen sollten.

doch, sehr geehrter herr prof. dr. beob. watch-watchinski, wenn ich sie schon “am draht” habe, können sie mir erklären, was also überhaupt ein blog ist. wikipedia, und auch die gescheite literatur über die google-world drücken sich darum, eine brauchbare antwort zu bieten. eine internetplattform, die regelmässig erneuert wird, ist ja wohl doch unter ihrem nivo, als definitionsversuch. bin also gespannt, ob sie uns weiter helfen können, denn für uns stadtwanderer ist ein blog so etwas wie der horizont:

das, was man vor augen hat,
das, wohin man will, und
wenn man dann wandert, sich immer wieder verändert.

am ziel ist man nie.

und nun erlauben sie eine kritische bemerkung: kritiseren kann man blogs demnach gar nicht, wie sie das tun, denn das setzt einen festen standort voraus, von dem aus man ein feld, wie ein feldherr überbloggt, und von wo aus man weiss, wohin die wanderer gehen sollen.

karl der kühne, war mal, vor murten, unserer lieblingskleinstadt, auf einem solchen hügel, und wollte mit einem schlachtensieg über die eidgenossen burgundischer könig, am liebstengleich kaiser alles länder, werden.


foto: murtenwanderer

da oben stand karl der kühne vor genau 530 jahren, liess murten beobachten, griff an, scheiterte an adrian von bubenberg, stellte sich neu auf, und wurde in die flucht geschlagen. sie sind halt scharfe beobachter, die murtemer!

bin gespannt, auf ihren kommentar. und hoffe, ich finde ihn dann.

(kritischer) definitionswanderer

Was ist denn nun ein BLog?

Ein BLog ist ein BLog ist ein BLog…
würde wohl Gertrud Stein sagen, oder auch nicht,
geehrter Herr Institutsleiter Longchamp
(Stein…habe ich mir natürlich angelesen).
Aber, keine Angst, so einfach werde ich es mir nicht machen, lieber Herr Longchamp.

Mensch spricht gern mit sich selber. Ständig.
Der innere Mono- manchmal wohl auch Dia-Log (weil man widerspricht sich auch gern des öfteren), welcher, wenn Mensch Kleinkind, irgendwann anfängt zu laufen, und erst wieder aufhört, so sagt man, wenn das Gehirn erkaltet ist.
Da haben wir also schon zwei Logs, jedoch noch keinen BLog.

B wie Beziehung,
L wie Lautbarkeit,
O wie m”Oh!”nolog (oh!-minös…),
G wie Gesellschaft.

Was? Lautbarkeit? Förmliche Erklärung vor Gericht? Da kann etwas nicht stimmen… Aber doch! Lautbarmachen heisst ja auch “Äussern”

BLog also die veräusserlichte Form des inneren Mono- oder Dia-Logs?

*abschweif*

Haben Sie Wim Wenders “Himmel über Berlin” (Wings of Desire) gesehen? Ein wunderbarer Film. Was mich beeindruckte, waren die Szenen, in welchen die Engelsgestalten einfach nur dem inneren Monolog der Menschen zuhörten. Das muss ein spektakuläres Surren ergeben, wie in einem Bienenstock, was da abgeht in den Gehirnen (oder vielleicht Seelen) der Menschen.
Der englische Titel gefällt mir übrigens besser. Warum? Er enthält das Wort “Desire”. Mal ganz abgesehen von “Wings”…

*zurückschweif*

Oh, da haben wir ja noch einen Aspekt des Bloggens beim Abschweifen gefunden: “Desire”. Babelfish übersetzt es mit “Wunsch”, doch damit bin ich nicht zufrieden. Es ist nicht stark genug. “Greed”? Babelfish übersetzt es als “Habsucht” hingegen wäre ZU stark. Etwas dazwischen wohl, das deutsche Wort fällt mir momentan nicht ein.
Apropos fish… Blogist-INN-en fischen ja öffentlich. Sei es um Anerkennung, materiellen Vorteil, oder auch nur Komplimente.
(BlogistIn erscheint mir übrigens ein eleganteres Wort statt BloggerIn)

Und “Wings”?
Bloggen verleiht Flüüügel (c) ?
In gewisser Weise ja. Denn wenn ich blogge, dann bin ich nicht nur auf meiner Strasse im Dorf (oder Stadt), sondern auf der ganzen Erdkugel zu hören (podcasting), zu sehen (vlog), oder auch nur zu lesen (blog).
Dann kommt nämlich auch die zwischenmenschliche Kommunikation in’s Spiel. Die Kommentarfunktion! Aber davon berichtet dann Teil 2

Hier schalten wir gewitzt eine Werbepause:
(welche noch immer nicht funktionieren will..hallo google schweiz? HELP…)

Also… Als erste, und nicht etwa vollständige, Zusammenfassung:

Ein Blog ist eine technologische Variante dessen, was Mensch schon immer tat. Mit sich selber sprechen (BLOG), und mit seinen Artgenossen kommunizieren (KOMMENTARE).
Angefangen hat’s mit Grunzlauten… so sagt man…

apropos grunz… kennen Sie den George Gruntz?

Fortsetzung folgt…

VPS(vor post scriptum): Übrigens, Herr Longchamp, eigentlich bin ich Rezensierer (Rezensör?), und kein Kritiker. Aber meine bruchhaften Erinnerungen an die schulischen Marketing-Lektionen vor zehn oder zwölf Jahren, liessen mich BLOGKRITIK.CH wählen, statt BLOGREZENSION.CH. Es ist halt irgendwie “snappier”, besser verkaufBAR…
Oder etwa nicht?

Herzliche Grüsse! Und bis zur Fortsetzung.

Dr. B. Blog-Blogicki

Peter A. Ziermann
Irrer Blog-”Küntsler”, und blog-enfant-terrible.. oder so…

nöö.. ich schau’s mir gern mal an.Ihr Teil..
in Bern oder so.. Hundeli kommt mit.. natürlich!
und Sie begleichen dann unsere SBB-Kosten (anderthalb billet retour),
und laden uns zum Z’Mittag ein, und ich mach dann Vorschläge..

wie ein richtiger Web-DINGSBUMS..

Konsultant!!!..

SAPPERLOTT..

Sonst kosten tut es Sie nix..
Als Iväuler bin ich eh schon vom Staat bezahlt

paz

guten tag herr konsultant!

dieser begriff wird jedoch häufig falsch verwendet, ich kenne das. siehe nzz folio. die haben mir schriftlich versichert, mit als politforscher zu bezeichnen. im heft stand dann politberater. so schnell geht das mit diesen begriffen.
klar lade ich sie gerne ein, und ihr hundeli. vor meinen ferien am 1.7. reicht es aber nicht mehr, ich kehre am 1.8. zurück, dazuwischen mache ich einen monat frei, wandere in den nordischen wäldern, und wohl ohne labtop. dann wirds halt nix mehr gehen, zum lesen. endlospapier findet dann einen – vorläufiges – ende.

wünsche schöne zeit, gruzz
cl.

Durch Stadt, und über Land

Jetzt, da ich die Herausforderung Claude Longchamps, des Chamäleons, so das NZZ Folio, angenommen habe, und ihr auch schon teilweise entsprach, komme ich natürlich nicht umhin, endlich auch seinen Blog zu besprechen, zu rezensieren.

Ein Endlospapier, nennt er es. Und in der Tat. Ein Scroll-Fest für Scroll-Hungrige. Die Beiträge eines ganzen Monats werden auf einer Seite gelistet, und alles ist klein geschrieben. Nichts wird Kapitalisiert… Da hat er etwas gemeinsam mit dem Dorftrottel (der Link blos als ein Beispiel), der Herr Longchamp. Wie wohl auch das Chamäleon-Sein…

(Den “Burzel-Tag”, den der Stadwanderer mit dem Genie Albert Einstein teilt, kann Dorftrottel jedoch nicht “toppen”. Ihm gereicht’s blos dem des grossohrigen englischen Thronfolgers, welcher den englischen Thron wohl nie besteigen wird. Oder dem des Sir’s? Richard Burton, selig?)

Die Doris fasziniert ihn. Mich auch… Die wohl schönste Bundesrätin bisher. Mit Silberblick zuweilen, und geschmeidiger Eleganz. Ein perfektes Lächeln.
Kein Wunder, träumt er wohl davon, mit ihr duschen zu gehen…
(-;
Und so findet man auf dem Stadtwanderer auch ausgiebige Beschreibungen sowie politische Analysen über die Leuthard, ja sogar anfeuern, tut er sie: “go, doris, go!”

Aber wer nun denkt, der Stadtwanderer sei nur ein Politblog, täuscht sich.
Was mich fasziniert, und spannend dünkt, sind seine Geschichten und Berichte über Orte. Er bewandert die Schweiz und das alte Burgund, bringt uns ihre Geschichte näher, und kann sie auch einem Unbedarften schmackhaft machen, die Historie. Er schreibt flüssig, in einem angenehm erzählerischen Ton.

(Wobei hier zu bemerken ist, es wäre noch viel angenehmer, wenn die kurrante deutsche Rechtschreibung -Gross/klein- angewandt würde. Kleinschreibung ist, für mich jedenfalls, angenehm zu lesen, wenn die Artikel kurzgehalten sind. Bei längeren Berichten verliert man doch oft den Faden, verirrt sich in den Zeilen, und es ergibt ein “CHrüsimüsi”.)

Herrlich sind die Fotos des Stadtwanderers. An”klickbar”, und die Wandererberichte äusserst schön illustrierend. Auch interessantes Kartenmaterial, und sogar historische Gemälde werden gezeigt. Ein Ooh! und AHA-Erlebnis.

Des Stadtwanderers Blog macht grosse Lust, selbst wieder auf Wanderschaft zu gehen. Zu Reisen auf Schusters Rappen und mit der SBB… Und sich vielleicht zuvor ein bisschen zu bilden, Geschichtlich, Soziologisch, wasauchimmer, über den Ort, den man sich anschauen geht.

Wunderbar, der Stadtwanderer.
Danke, Herr Longchamp!

Dr. B. Blog-Blogicki

der stadtwanderer:
was für eine rezension! wunderbar, wenn einer, der mal im rollstuhl sass, andere zum wandern animiert!
stadtwanderer, schnell-, lang- und kleinschreiber vom dienst

Kommunikation.

Zwei(Mehr-)weg-Kommunikation, sofern es von der blogisierenden Seite gewünscht wird.

Einerseits ein bisschen wie, wenn beispielsweise ein Briefwechsel über eine Zeit lang aufgehoben wird. König Soundso, der Fünfte, mit seiner dritten Mätresse (oder Matratze). Nur: Anstatt dass die Dritte Dame den plombierten oder wachsversiegelten Schmachtfetzen unter ihrem Mieder am Busen trägt, bis er schweisszerfressen zerfällt, dürfen nun die Untertanen, das Volk, auch ihren Spass daran haben. Obwohl, der König Soundso, der Fünfte, schreibt unter Umständen (sehr wahrscheinlich sogar) unter einem Pseudonym, und das Volk übersieht’s…

Na ja, die Zeiten ändern sich. Oder nicht einmal so die Zeiten, sondern blos die gebräuchlichen Technologien sowie der Bildungsgrad des Volkes. Ich hörte/las ja schon sagen/schreiben, ein Blog sei nichts anderes als die technische Fortsetzung des Pamphletenschreibens.

EinE jedEr darf sagen/schreiben/publizieren, was freut, gut ist, oder ärgert, oder ob er/sie grad eine Revolution anzetteln will… vor Wut.

Das Pamphletenschreiben jedoch war damals der gebildeten Schicht vorbehalten. Schule war ja nicht obligatorisch, und die meisten Leut konnten eh nicht lesen. Doch auch für dieselben wurde gesorgt. In der Form von gezeichneten oder gestochenen (radierten) Bildern. Vorläufer der politischen Cartoons (oder Podcasts, oder Bildblogs, oder Vlogs).

Man brauchte damals halt auch eine Druckerpresse, oder Zugang zu einer. Wenige Privilegierte hatten dies.

Doch kam es eh nicht so draufan. Das Volk tratschte und klatschte sowieso bei jeder Gelegenheit. Auf dem Dorf- oder Marktplatz, in der Schenke oder im Gasthaus, beim Jahr- oder Viehmarkt, vor der Kirche. Und die Neuigkeiten drehten ihre Runden. Ob wichtig oder unwichtig, sie drehten ihre Runden.

Auch heute finden wir markante Unterschiede zwischen weltbewegenden und völlig profanen Blogs. Blogs, welche eine Menge Menschen anziehen, und weit verbreitet werden, und solchen, die von einer eher kleinen Gruppe gelesen werden. Ich tönte es schon an, der Blog als Vereins- oder Marktplatz-Ersatz.

Neu ist jedoch, dass ich bei dem Klatsch und Tratsch, aber auch bei den weltbewegenden Neuigkeiten, nicht mehr persönlich dabei sein muss, um meine antwortende Stimme auch dem Verbreiter derselben hören zu lassen. Respektive meinen Kommentar, meinen Senf dazu, sofort der ganzen Leserschaft zu präsentieren, und ihn veröffentlichen kann.

Jaaa…aber, höre ich jetzt sagen: Dafür würde auch ein Forum reichen. Im Prinzip ja, sagt Radio Eriwan, aber Foren werden nie so persönlich gestaltet wie Blogs. Auch ein grosser römischer oder griechischer Orator hätte wohl einen Ort für seine Ansprachen gewählt, an welchem er von den richtigen Leuten gehört würde. Cicero hätte wahrscheinlich einem persönlichen Blog gegenüber einem Forum den Vorzug gegeben. Aber auch der heilige Franz von Assisi.

Da kann ich mich aber auch irren…

BlogistIN hat immer die Leser, welche er/sie verdient. UND: Wer sucht, der findet…

Fortsetzung folgt.

Dr. B. Blog-Blogicki

reto nause, der verpackungskünstler, von doris leuthard

die spannung war mässig. doch die vorfreude war gross. der bundesplatz war orange, und selbst das tschutti-ergebnis von gestern interessierte hier und heute niemand, als doris leuthart zur neuen bundesrätin gewählt wurde. nur 133 stimmen, aber im ersten wahlgang! der stadtwanderer hat den bundesplatz von links nach rechts und von oben nach unten abgeschritten. und den wahren sieger gesucht: reto nause, der verpackungskünstler, ist der heimlich star des events, quasi der mann, der hinter Der frau steht!


foto: stadtwanderer

schon am morgen früh gab es nur eine frabe: orange-orange-orange! obwohl der gleichnamige telefonanbieter nicht da war und obwohl die oranier die niederländische nationalmannschaft nicht unterstützen mussten. dennoch: wohin das auge reichtE, sah es orange hemden, orange röcke, orange haarbändel und orange tishis. die migros, mit baldachinen vor ort, hatte glück, die farbe des tages schon lange für sich gepachtet zu haben. doch selbst die stadt bern war heute im trend. ihre schlepper der infrastrukturabteilung sind aus sicherheitsgründen ebenfalls orange. wahrlich: es war der tag der cvp-farbe!


foto: stadtwanderer

eine orangene revolution wie in der ukraine fand heute auf dem berner bundesplatz nicht statt. dafür fehlte in diesen wochen die politische kontroverse. es mangelte an medialer auseinandersetzung ebenso wie an einer gegenkandidatin zur topfavoritin. deshalb mochte heute, anders als bei der bundesratswahl 2003, niemand von richtungswahl sprechen.


foto: stadtwanderer

vielmehr dominierte das harmoniebedürfnis der cvp. es war ihr wunsch, eine würdige bundesratswahl zu erhalten. dem 14. juni einen neuen sinn zu geben. den frauenstreiktag nicht vergessen zu machen, ihn aber in den hintergrund zu rücken, denn das symbol gehört den linken. vergessen gehen sollte heute auch die nicht-wahl von christiane brunner in den bundesrat, die eine der frauenstreikführerinnen war, und die eine diffamierungskampagne über sich ergehen lassen musste, als sie in den bundesrat wollte. der makel dieser nichtwahl hängt unvermindert der rechten an. und zu beiden polen will die cvp gute beziehungen, aber auch klare distanz. denn sie will die mitte, möglichst für sich allein. und dafür mobilisiert die partei neuerdings mit erfolg. viele freiwillige sind heute auf dem platz, um doris eine herzliche feier zu bereiten.


foto: stadtwanderer

weniger herzlich war der umgang der medien mit doris leuthard. einerkandidaturen mögen sie definitiv nicht. zu wenig spannung, zu viel selbstdarstellung. also muss man kritisieren. alles konnte man lesen und hören: weder weiss, noch schwarz, sei sie. den nationalratsaal verwechsle sie mit dem laufsteg der modeschauen, musste sie lesen, und beim abstimmen passe sie in heiklen momenten, stand da geschrieben. zu oft rechts sei sie, monierten die linken blätter, während die rechten sie zur linken machten. da unterschied sich nur der blick von der negativberichterstattung, der sie flugs zur königin doris I. kürte, und damit gleich selber gegenstimmen provozierte. schliesslich sind wir eine demokratie, die anderen werten verpflichtet ist als die monarchie.


foto: stadtwanderer

das alles flimmerte heute morgen nochmals über die grossleinwand auf dem bundesplatz. doch es interessierte kaum jemanden. politische demonstrationen gegen “unsere doris” war für die leute sur place fehl am platz. viele von ihnen waren aus merenschwand. jüngere frauen und ältere männer. sie kennen doris. auch ihren charakter. dafür brauchen sie die weltwoche nicht. ihre kinder sind mit doris in die schule gegangen, ihre schwestern haben mit doris im turnverein geturnt. und seither gehört sie ihnen, und so sind sie auch alle per du mit ihr geblieben. und mit der populärität ist doris leuthard auch ihr liebling geworden. im freiamt jedenfalls ist doris die königin der herzen.


foto: stadtwanderer

die cvp nutzte die gunst der stunde, um ihren neuen wahlkampfstil zu propagieren. nichts mehr mit plakaten. nichts mehr mit inseraten. nichts mehr parteiprogrammen. das alles ist passé! zu statisch, zu konventionell, zu abgenutzt. unter ihrem generalsekretär, der zum schweizerischen vermarktungskünstler nummer 1 avancieren will, soll die cvp dynamisch auftreten, unbekannte sachen machen und unkonventionell auftreten. nur das verschafft einer partei die nötig aufmerksamkeit.


foto: stadtwanderer

besser hätte reto nause die kulisse nicht wählen können. jeanne-claude und christo grüssen die berner uns schon mal von plakaten. das bundeshaus ist seit wochen fast ganz eingepakt, nur die helvetia lugt noch raus. und jetzt muss doris noch richtig verpakt werden, um geradeaus in den bundesrat zu gelangen. deshalb setzt die cvp neu auf ereignisse, die spass machen. stimmung braucht die partei, die schweiz verdient es, auf sich, seine vergangenheit und seine zukunft stolz zu sein, – und genau das soll die cvp verkörpern.


foto: stadtwanderer

die cvp profilierte sich heute auch im windschatten des aargaus. es kam einem vor, als würde sie den kanton alleine repräsentieren. die fdp, die kantonsgründerin, musste es innerlich geschüttelt haben, um das nach aussen zu zeigen, ist sie aber zu schwach geworden. auch die sp machte nur gute miene zum schlechten spiel. die chancen ihres favoriten für die nachfolge von moritz leuenberger, der aargauer nationalrat urs hofmann, sind heute etwas geringer geworden.


foto: stadtwanderer

bei so viel neuem selbstvertrauen in der cvp konnte der heimatkanton der kandidatin nicht passen. aufgeräumt werden soll mit dem image, alle aargauer würde weisse socken tragen. der kanton präsentierte sich im neuen kleid. und auf der grossleinwand. als kulturkanton. als kanton mit wohnqualität. als kanton mit historischer substanz, und als kanton mit starker wirtschaft. wäre das eine politische aussage, wäre sie heute gar nicht erlaubt gewesen. denn politische demonstrationen auf dem bundesplatz sind während der session nicht erlaubt. doch eben: es ist nauses event, nicht nauses bekenntnis.


foto: stadtwanderer

und alle wollten dabei sein, wenn doris wahlannahme erklärt. die srg ssr idee suisse ist vor ort, sogar telezüri kam nach bern. sie sorgen für die grosse aura landesweit. die viele fotografen rundherum sind für die kleine aura da, für das nach-safari-erlebnis zu hause. bis es soweit ist, fallen aber vor allem die zaungäste auf, die trittbrettfahren auf nauses palttform.


foto: stadtwanderer

subversiv ist die aktion des politischen gegners. die junge alternative, dem grünen bündnis nahestehend, ist flux in organene tishis geschlüpft. bisweilen aber mit dem eigenem aufdruck: “ja”, – junge alternative! und sie sagen nein, zum neuen asyl- und ausländerrecht. es stört sie, dass doris leuthard, die cvp-präsidentin, die mittepolitikerin im fahrwasser der blocher-reformen mitschwimmt. dagegen wollen sie ihre stimme erheben. weil man diese aber auf dem platz nicht hort, erheben ihre plakate. nein, nein, nein, liesst man überall. die verwirrung ist perfekt.


foto: stadtwanderer

derweil würdigt der nationalratspräsident den scheidenden bundesrat joseph deiss. ausgesprochen ausführlich: deiss, der lokalpolitiker aus barbereche. deiss, der wirtschaftsprofessor aus fribourg. deiss, der preisüberwacher aus der verwaltung. deiss, der am knappesten gewählte bundesrat. schliesslich: deiss, der aussenminister, der die schweiz in die uno führte, und deiss, der volkswirtschaftsminister, der den wiederaufschwung in die schweiz gebrachte. die rede ist zurückhaltend, präsidial. dafür ist deiss direkt, anders denn als bundesrat. er erinnert sich nur kurz, er dankt, vor allem babette, seiner frau, um dann deutlich zu werden: die schweiz ist blockiert, dagegen müsse sie ankämpfen, und sie müsse der eu beitreten! “endlich”, denken einige, murren aber andere: “endlich sagt er, was wir immer von ihm hören wollen resp. wussten.”


foto: stadtwanderer

danach ist die reihe an den einzelsprecherInnen. die linke demonstriert gegen die rechte leuthard, die mehr schuhe habe, als alle arbeiter in reconvilier zusammen. und fundamentalen christen sind gegen säkularisierten christen, und selbst therese frösch taucht aus dem bundeshausweiher auf, damit man die grüne empörung genügend hören kann. die fraktionsssprecher rücken die bühne wieder ins zentrum. sie alle sind für doris leuthard. sie soll die cvp in der landesregierung repräsentieren. sie sei die klare favoritin, deshalb habe man der einer kandidatur diesmal zugestimmt. die svp legte die latte rasch noch höher: bei so viel konsens rund um die kronfavoritin müsse sie heute wohl 170 stimmen machen. da muss iwan rickenbacher schon mal korrigieren. der bestgewählte im jetzigen bundesrat habe 146 stimmen gemacht.


foto: stadtwanderer

endlich ist es soweit. die stimmenzähler kehren in den nationalratssaal zurück, und die fotografen auf dem platz gehen vor der abordnung aus merenschwand in stellung. es spricht claude janiak, der die bundesversammlung souverän leitet. “gewählt ist, mit 133 stimmen, frau nationalrätin doris leuthard. ich gratuliere frau leuthard zur wahl in den bundesrat.” doris leuthard lächelt, etwas verhalten.


foto: stadtwanderer

auf dem platz ist der jubel gross. das publikum ist entspannt. obwohl es nicht richtig gespannt war. es ist erfreut, obwohl es schon lange freudig war. das resultat ist zwar mässig. doch die stimmung ist gut. reto nauses konzept ist haarscharf aufgegangen. doris leuthard ist am 14. juni 2006 zur neuen bundesrätin gewählt worden. sie erklärt öffentlich annahme der wahl. die partei, die sie so nötig hatte und die sie jetzt verlässt, hat ihr event gehabt. soviel orange wird man in bern so schnell nicht mehr sehen. doch das macht nichts, denn: die stimmung ist gut, und das ist das ziel. selbst wenn die wahlresultate der cvp inskünftig mässig bleiben werden. das prinzip hoffnung ist heute tief verankert an der cvp-basis.


foto: stadtwanderer

“wer wird neuer cvp-parteipräsident?”, will der stadtwanderer vom neuen star des politmaketings in der schweiz wissen. “ich”, sagt reto nause. “zu recht”, denkt der stadtwanderer, “denn der verpackungskünstler ist der wahre sieger heute, vor dem bundeshaus.” drinnen ist selbstverständlich seine doris die siegerin!

stadtwanderer

begegnungszone in der unteren altstadt

endlich, es ist sommer! die stadt erwärmt sich. und man kann draussen sitzen. am liebsten bin ich momentan in der gerechtigkeitsgasse. viele restaurants habe ihre tische und stühlen nach draussen verlegt. die stadt nennt das im amtsdeutsch schon mal “begegnungszone”. das tönt komisch, ist aber richtig. der verkehr ist hier stark beruhigt worden, und die fussgänger regieren wieder. und unter denen trifft man ganz verschiedene, – zur kleinen begegnung.

letztes jahr war an bern rückgrad, der kram- und gerechtigkeitsgasse, tote hose. eine riesenbaustelle den ganzen sommer. für die restaurants und läden war es die grosse flaute. die touristen wurden richtig gehend abgeschreckt. doch jetzt ist alles ganz anders: der stadtbach in der strassenmitte ist wieder sichtbar. die brunnen stehen, und die pflastersteine sind eingesetzt. vielleicht sieht alles ein wenig zu ordentlichaus, aber wenn kümmerts: seit dieser woche ist auch der sommer da. fertig mit den kalten tagen, ende regen, schluss mit wind, finito tutto!


foto: stadtwanderer (anclickbar)

die restaurants haben ihre herzen nach aussen gekehrt. die flanierende gästeschar wird eingeladen, gleich draussen platz zu nehmen. tische und stühle fast überall, und macherorts sogar fest bänke. die untere gerechtigkeitsgasse hat es mir diesen sommer besonders angetan. sie ist so schön wie noch selten. sanft fällt die strasse ab zur nydegg. schön ist die aussicht auf den obstberg. vor einem plätschert der stadtbach in seinem neuen bett. einige der häusser würden es zwar ertragen, renoviert zu werden, um zur neuen gerechtigkeitsgasse zu passen. doch insgesamt stimmt das bild einfach. besonders wenn die sonne untergeht.


foto: arlequin

früher war ich vor allem in der wäbere und etwa im commerce. doch das ist lange her. seit ich stadtwandere ist die krone wieder in mein blickfeld geraten. guter service! sie alle haben ihre gaststube in eine gastgasse verwandelt, nutzen die lauben, teilweise auch die strasse, um mann und frau, kind und kegel zu bedienen. und die hunde freuts auch. dieses jahr habe ich das arlequin entdeckt. die tische sind gleich fix draussen, samt bänken, die ebenfalls fest eingebaut sind. das gibt eine spezielle atmosphäre. manchmal ein wenig eng, doch immer bereit, um zu empfangen. und das bier schmeckt hier besonders gut.

ich liebe die aussicht auch nach westen. regelmässig kommt der rote bus die kramgasse runter gefahren. schön langsam, wie es sich gehört. man ist ja jetzt in der begegnungszone. und da sieht man aller art leute: aus dem quartier, aus dem ausland, solche mit tieren, und solche mit jogging-schuhen. sie alle schätzen es, dass das leben die strasse wieder zurück erobert.

die stadtpolizei hatte mühe, den verkehr zu beruhigen. 20 kilometer darf in der stunde noch fahren. und es wird einem mit leuchttafeln angezeigt, ob man zu schnell ist. doch der durchgangsverkehr ist verschwunden. gut, es hat immer noch viele anstösser, und solche, die nur rasch “etwas abladen” müssen. für die buschauffeure muss es streng sein. fussweg und strasse sind nicht mehr klar getrennt. wenn links und rechts parkiert wird und je ein bus von oben und von unten kommt, kann es rund um den stadtbach schon mal eng werden.

jüngst war in der zytung zu lesen, dass alle zu frieden seien. die wohnqualität in der altstadt sei gestiegen, die beruhigten gassen seien für die fussgänger attraktiver geworden, und sogar die geschäftsleute seien jetzt einverstanden. ursula bischof scherer, die präsidentin des kramgastleist ist sogar überschwenglich: “Es gibt wieder eine gewisse Grandezza» …


foto: kanton bern

und meine begegnungen? gestern zum beispiel, habe ich schon mal mit einer alt-regierungsrätin gesprochen. einfach so, beim kühlen bier. und erfahren, dass frau nicht svp-präsidentin werden will. dafür eine eigenes, kleines unternehmen führen möchte. es sei aber alles noch offen, angebote habe sie viele erhalten, vor allem von beratungsfirmen. vorerst geniesse sie die freiheit. sie sei gerad in brüssel gewesen. die stadt habe sie immer interessiert, nur bleiben hätte sie als berner regierungsrätin nicht können. schön, dass elisabeth zölch das jetzt als kann!

stadtwanderer

yverdon-les-bains (ifferten)

… ist eine station auf dem betriebsausflug des stadtwanderers

yverdon-les-bain ist auch für mich immer wieder eine überraschung: lange kannte ich nichts von diesem ort, dann das pestalozzi-denkmal, den see und die gärten, später auch das expo-gelände und die ausstellung. zwischenzeitlich erschliesse ich mir schloss und stadt systematisch. bin aber unversehens vorsichtig, aber auch neugierig, wenns um den schönen ort am neuenburgersee geht.

alte, aber kaum burgundische spuren

die besiedlung des platzes ist alt, uralt. 6000 jahre soll er schon benutzt werden. er dürfte, spätestens in keltischer zeit, ein handelszentrum gewesen sein. die römer erschlossen sich den vicus eburodunum mit einer strasse von lausanne nach avenches, sodass der ort das zentrale verbindungsstück zwischen rhone- und rheinmündung wurde. dieser nicht befestigte ort wurde 260 nach christus opfer der germanischen plünderer. neu aufgebaut wurde der ort um 370 nach christus, jetzt als befestigter castrum.

seit 443 stand eburodunum unter dem schutz der einwandernden burgunden. unter ihnen dürfte der ort auch christlich geworden sein, aller wahrscheinlichkeit nach von romainmotier ausgehend. wie fast an allen orten in der gegend, verschwinden die nachrichten danach, ganz sicher aber ab dem 7. jahrhundert. einzig im nahegelegenen orbe kann man von einer siedlungskontinuität ausgehen.

yverdon, die musterstadt von peter von savoyen

1251 erbte peter von savoyen die ländereien von yverdon von seinem schwiegervater, dem seignieur aymon de faucigny. angesichts der unsicheren zeiten, sammelte er die bewohnerInnen in der neu befestigten stadt yverdon. zwischen 1260 und 1272 entstanden mauer und schloss. die stadt erhielt damals auch das marktrecht (1264), das wochen- und jahrmarkt beinhaltete. die beiden häfen gleyre und la pleine erschlossen die stadt und ihr hinterland mit der weiten welt, die unter savoyischer führung auch über die mauern hinaus wuchs.


foto: picsiwss

1475 war damit fertig. yverdon kapitulierte vor den anrückenden eidgenossen, blieb aber auf französischen druck hin savoyisch. 1536 änderte sich dies, als die berner die waadt – gegen widerstände in yverdon – besetzten, und sie gleich auch reformierten. das schloss von yverdon, das neu ifferten hiess, wurde jetzt bernischer vogteisitz.

dieses prächtige schloss ist es auch, das jüngst meine aufmerksamkeit gewann. 1260 entstand die stadt unter savoyischer führung aus dem nichts heraus, uns sie erhielt zentrumsfunktionen, wie man heute sagen würde, die durch das schloss symbolisiert wurden. im gedächtnis yverdons geblieben ist vor allem peter von savoyen, der spätere graf, der die stadt als basis für seinen krieg gegen die grafen von habsburg nutzte.

englisches kapital für den kleinen karl den grossen

der freiherr von moudon, der peter bei der stadtgründung noch war, erhielt schon bald den übernamen “le petit charlemagne” (der kleine karl der grosse), weil er zu einem der bemerkenswertesten adligen seiner zeit aufstieg. er konnte jedoch nur so frei handeln, weil die imperiale macht nach dem sturz der staufer-dynastie weitgehend inexistent war. aus deutscher sicht spricht man heute, auch im gefolge von friedrich schiller, von der kaiserlosen zeit.

das stimmt nicht ganz. denn die deutsche königskrone, die bisher den anspruch auf den kaisertitel beinhaltete, wurde weiter vergeben, wenn auch nicht mehr an einen herrscher, der allseits anerkennung fand. einer dieser “deutschen” könige war in dieser zeit richard von cornwall, richard de cornuaille, wie ihn die savoyer nannten. und mit ihm waren sie verwandt. die savoyer waren fast das einzige herrschergeschlecht im untergehenden imperium, die den cornwaller grafen halfen, seinen fuss ins reich zu setzen. dafür wurden sie fürstlich bezahlt. und sie erhielten auch noch gleich englische baumeister wie james of st. george, die prächtige schlösser wie jenes in yverdon bauen konnten. mit diesem geld schuf sich peter von savoyen, der kurz vor seinem tod zum grafen aufstieg, die ganzen befestigten städte, im ehemaligen königreich burgund, die von yverdon bis bern reichten.

nicht verwunderlich, dass man sich in yverdon auch im 18. jahrhundert mit england verbunden fühlte, und sich seiner direkten schiffslinie bis nach london wähnte.

der burgund-wanderer

murten/morat

… ist eine station auf dem betriebsausflug des stadtwanderers

murten/morat ist meine lieblingskleinstadt. früher war mein verhältnis gespalten, denn ich habe auf murtens pantschau meine infanteriefunker-rekrutenschule absolviert. heute ist das geklärt. ich bin begeistert, es ist die schönste zähringerstadt in der schweiz. es ist aber auch die geheimnisvollste burgunderfeste überhaupt.


foto: stadtwanderer

die burgundisch-imperiale geschichte

in den urkunden beginnt alles im jahre 515. sigismund, unterkönig der burgundia mit sitz in genf, schenkte dem von ihm gegründeten kloster st. maurice d’agaune den königshof von muratum. was damit geschah, ist unklar. vielleicht ging die burgunderpfalz 610, ähnlich wie payerne und romainmotier, im krieg zwischen burgunden und alamannen unter.

von muratum hörte man erst im 9. jahrhundert wieder. kaiser ludwig der fromme besuchte den ort, der zum fränkisch-imperialen mittelreich gehörte. dieses litt daran, dass es sprachlich mehr und mehr auseinander viel, was wohl auch in muratum der fall war. der name verweist möglicherweise auf eine schon in keltischer zeit bestehende palissadensiedlung am see (mori-, see, und -dunum, feste). mit der ethnische differenzierung wird daraus schrittweise murat/morat.


foto: stadtwanderer

nach dem untergang des fränkischen reichen kam murat/morat sicher zum königreich hochburg. dieses kam durch die reiterheere der madyaren in bedrängnis, sodass sich könig rudolf ii. 926 in den schutz des ostfränkischen königs heinrich i. begeben musste. dieser schloss für 7 jahre einen fiedenvertrag mit den madyaren und bekräftigte diesen mit tributzahlungen. an der innenfront organisierte er die regionalen adeligen unter seiner führung, und leitet sie an, überall an den entscheidenden orten befestigungen zu erstellen, motten genannt, die zuerst aus holz, in speziellen fällen auch aus stein bestanden. sie sind die ersten burgen, die zum schutz angelegt wurden, und sie sind auch die ersten orte, wo man notvorräte hortete. gut denkbar, dass murat/morat zu so einem befestigten burgunderort wurde.

1032 gind das burgundische königreich unter, und damit kaum auch murten unter die räder. der letzte burgunder, könig rudolf iii., hatte sein erbe dem kaiser vermacht. conrad ii., seit 1027 kaiser, trat dieses an, blieb aber umstritten. vor alle eudes de blois, ein graf aus dem südlichen lothringen, machte ihm das erbe streitig. zwischen beiden kontrahenten entstand ein krieg, den der kaiser schliesslich gewann. vor allem umkämpft war murten, denn eudes hatte es auf die alte königsfeste neuenburg abgesehen, während conrad auf das klosterzentrum payerne zusteuerte. bis heute weiss man nicht, wer murat/morat zerstört hat. doch dürfte die burg den erbkrieg um burgund nicht überlebt haben.

die imperial-zähringische geschichte

erst mit der erschliessung burgunds durch die neuen vizekönige, die zähringer, kam in murat/morat wieder leben auf. jetzt wurde dieses aber mit alemannischer sprache erweckt.


foto: stadtwanderer

die zähringer hatten die absicht, ihren stammsitz, freiburg im breisgau, mit lausanne zu verbinden, denn der bischof von lausanne war für den kaiser auch das tor nach italien. deshalb legten sie, erstmals seit römerzeiten, wieder strassen an, die freiburg mit rheinfelden, herzogenbuchsee und burgdorf verbanden, wo man über murten/morat ins broyetal kommt, und von moudon aus sich auch lausanne erschliessen kann.

murten dürfte dabei als strassenstation zwischen 1157 und 1177 von herzog berchtold iv. wieder aufgebaut worden sein, ohne dass es zu einer formell belegten stadtgründung gekommen wäre. der stadtplan, der strikte symmetrisch angelegt ist, verweist jedoch auf eine sehr systematisch absicht, die beim neuaufbau wegleitend war.

1218, beim tod des letzten zähringers, musste murten/morat schon bedeutet gewesen sein, kam es doch wie bern als reichsfreie stadt unter die oberaufsicht des kaisers. dessen macht erodierte in den alten burgundischen gebieten ab 1239 sichtbar. ausgehend von aventicum entsteht ein städtebund mit murten und bern, das den landfrieden und den regionalen warenverkehr sichern sollte. murten/morat wird in dieser zeit auch befestigt.


foto: stadtwanderer

nach dem ende der kaiserlichen gewalt 1250 resp. 1254 dehnten sich die grafen von savoyen schnell nach norden aus. chillon und moudon hatten sie zu ihren basen gemacht, die peter von savoyen beherrschte, und von denen aus der das seeland bis nach bern erschloss. murat/morat kam unter die vorherrschaft savoyens, in der sie mit einigen ausnahmen, in denen die imperiale macht wieder greifbar war, bis 1475 auch verblieb. anders als bern, das sich zwischen 1298 und 1350 von adeligen herrschern befreien konnte, gelang das murten nie mehr systematisch. 1416 dürfe ein solcher umbruchmoment gewesen sein. die stadt, weitgehend noch aus holz, brannte damals nieder, während die mauern stehen blieben.

1475 erklärte bern burgund, das mit savoyen verbündet war, den krieg und eroberte die savoyischen gebiete im seeland. endstation war damals grandson, wo es 1476 zur ersten kriegerischen begegnung auf savoyischem boden mit dem burgunderherzog karl kam. der besiegte herzog griff im juni nochmals an, jetzt mit dem ziel, murten zu erobern, um den weg auf bern und die eidgenossenschaft frei zu bekommen.

am 9. juni 1476 setzte er zum angriff auf die stadt, die von ritter adrian von bubenberg aus bern besetzt war, an, doch misslang der coup. jetzt rüsteten die bedrohten eidgenossen gemeinsam, und schlugen das heer des herzogs am 22. juni 1476 in der berühmten schlacht von murten, an den bis heute der murtenlauf nach fribourg erinnert.

die eidgenössische geschichte

damit endet, wie überall die burgundische geschichte, murtens. die ehemalige herrschaft murten wurde in eine vogtei umgewandelt, die unter der gemeinsamen Herrschaft von freiburg und bern stand. beide stellten abwechslungsweise für fünf jahre den vogt, der im schloss von murten residierte. nach der abstimmung von 1530 wurde in murten die reformation eingeführt, was die stellung berns stärkte. erst 1798, als das ancien régime unter französischen truppen unterging, gewann das unter den franzosen welsch ausgerichtete fribourg die oberhand, zu dessen kanton murten 1803 auch kam.

napoléon, der 1797 in murten war, soll gesagt haben: nicht noch einmal greifen wir die eidgenossen mit dem see im rücken an. dieser ist und bleibt hat freud und leid für alle, die murten/morat sind. sag ich auch!

payerne (peterlingen)

… ist eine station auf dem betriebsausflug des stadtwanderers

payerne? das ist doch ein militärflugplatz? auf dem 2004 papst johannes paul ii. landete, als er die schweiz besuchte! vielleicht war das sogar höchst symbolisch gemeint, als die alitalia-maschine des papste in protestantischen payerne aufsetzte, denn der ort war einst zentrum der päpstlichen kirche und der kaiserlichen fürsorge, als sich beide potentaten noch unterstützen. so stark sich kirche und imperium für payerne auch eingesetzt hatten, an die gründerin des kloster, die gute könige berta, kommen sie in payerne bis heute nicht heraus.

die anfänge payerns als siedlungsort gehen auf das 3. jahrhundert nach christus zurück, als der römer publius gracius paternus aus aventicum kommend eine villa errichtete, wo heute die waadtländische kleinstadt steht. bischof marius gründet an gleicher stelle 587 ein kleine kirche, deren schicksal unbekannt ist. immerhin, der name, der sich auf den berühmten römer bezieht, scheint dem ort dauerhaft verbunden geblieben zu sein. 961 nennt man ihn peterniacum, 1238 paierno resp. paerno im jahre 1248.

ein burgundisches zentrum

dass man im 10. jahrhundert wieder von payerne spricht, hat mit der burgundischen königin berta zu tun. 922 wurde sie mit könig rudolf II von hochburgund verheiratet, um den streit zwischen burgund und schwaben über den grenzverlauf zu schlichten. so kam die friedenstifterin, die garantin der räumlichen konkordanz war, auf die zahlreichen pfalzen ihres mannes, von wimmis über spiez, thun, bümpliz, murten und orbe, welche der inneren herrschaftsbereich burgunds, wohl auch die siedlungsgrenze der burgundischen bevölkerung sicherten.


königin berta und könig rudolf ii. von hochburgund, hier im kirchenfenster der kirchen von köniz

937 stirbt ihr mann, und berta wird von könig hugo von der lombardei umworben, bis sie ihn schliesslich auch heiratet, und mit der vergabe ihrer tochter adelheid an den hugos sohn lothar auch die herrschaftsansprüche über die beiden königreiche, die aus dem fränkischen mittelreich hervorgegangen waren, bestätigte. durch den doppelten fang gestärkt, sah sich hugo, ein alter rivale von rudolf II. schon auf dem weg, neuer kaiser im westen zu werden.

doch berta bleibt nicht lange in tollkühnen pavia, kehrte enttäuscht ins hochburgundische zurück, heiratete nochmals, diesmal den herzog von acquitanien, von wo sie erst kurz vor ihrem tod zurückkam. der legende nach gründete sie an ihrem lieblingsort, payerne, ein kloster, dessen vollendung durch ihre kinder, kaiserin adelheid und könig conrad, sie aber nicht mehr erlebte.

ein imperiales zentrum

das kloster payerne gehörte von beginn an zum klosterverband von cluny, dem aufsteigenden neuen adelsorden, der nur dem papst unterstand. so wurde payerne mitten im 10. jahrhundert auch ein zentrum der päpstlichen kirche, das über zahlreichen boden entlang des jurafusses, im genferseegebiet, im seeland und im elsass verfügte.


kirche und kloster der ehemaligen abtei payerne, ganz im stile der romanik resp. von kloster cluny erbaut
foto: silvia ratelband-pally

wie das ganze burgundische gebiet auf dem boden der heutigen schweiz geriet auch payerne 1032 in die wirren um die nachfolge im königreich burgund. payerne galt als stragegisches ziel von kaiser konrad II., der so seine hand auf ganz burgund legen wollte. schliesslich gelang es ihm auch, sich in peterlingen, wie er payerne nannte, zum burgundischen könig krönen zu lassen, selbst wenn er, als entgegenkommen an die savoyer, den akt ein jahr später in genève wiederholen musste.

als dank an die kleinstadt stiftete der kaiser den bau der kirche von payerne, einer der schönsten romanischen kirchen auf dem gebiet der schweiz überhaupt. in dieser zeit entwickelte sich payerne auch zur befestigten, quadratischen siedlung, die im ausgehenden 12. jahrhundert auch das stadtrecht erhielt, und so ein regionales zentrum wurde.

der abstieg unter savoyen und bern

im 13. jahrhundert wiederholt sich hier, was fast überall mit dem burgundischen zerfallenden burgundischen königreich diesseits des juras geschah. es gelangte in den einflussbereich der herzöge von savoyen, und im 14. jahrhundert setzte der niedergang des priorats fest. zwar erhob gegenpapst felix V., der vormals herzog von burgund gewesen war, payerne 1444 zur selbständigen abtei, so liess sich payerne auch so dem wachsenden bernischen einfluss nicht enthiehen.


die wohl schönste romanische kirche, auf schweizer boden, steht in payerne, gestiftet von kaiser konrad ii., erbaut im 11. jahrhundert, und, mit kleinen ausnahmen, absolut stilrein
foto: silvia ratelband-pally

1449 besiegte bern freiburg, und bezog die stadt ihn ihr herrschaftsgefüge mitein. 1475 wurde payerne mit hilfe der lokalen bauern von bern eingenommen, und in den burgunderkriegen von 1476 kämpfte die stadt bereits auf eidgenössischer seite gegen herzog karl von burgund. 1536 kam payerne dann ganz unter die herrschaft berns. die mönche von payerne mussten jetzt das kloster verlassen, das durch die berner umgenutzt wurde. wie viele der ehemaligen brugundischen zentren wurde das ehemalige klöster zu gewerbezwecken, als kornspeicher, als gefängnis und als kaserne verwendet.

la bonne reine berte

heute gehört payerne zum kanton waadt. dieser wiederum machte berta zum leuchtenden vorbild des kantons, die als fremde kam, und von den einheimische verehrt wurde, weil sie die volksbildung vorantrieb und insbesondere den frauen das spinnen beibrachte. man glaubt, in einem grab unter der kirche von payerne ihr grab wiedergefunden zu haben. begraben liegt die mutter der heiligen adelheid seit 1818 jedoch in der reformierten kirche, gleich nebem dem kloster. doch auch sonst erinnert so vieles in der waadtländischen kleinstadt noch heute an die gute königin berta.

romainmotier (römische kirche)

… ist eine station auf dem betriebsausflug des stadtwanderers

romainmôtier ist ein ort der gemeinde romainmôtier-envy im bezirk orbe des kantons waadt in der schweiz. doch daran denkt kaum jemand, wenn man den namen nennt: vielmehr ist und bleibt dieser name mit dem einmaligen früheren kloster von romainmotier verbunden.

die erste, legendäre gründung

wer das gotteshaus im malerischen juratal auf schweizer seite gründete, ist bis heute nicht sicher. die legende st. romain, dem aus saint-claude stammenden vater des juras besagt, missionar selber war. stimmt das, ist romainmotier die früheste klostergründung auf dem boden der heutigen schweiz.


die kirche von romainmotier, im wesentlichen im 11. jahrhundert erbaut, im 13. jahrhundert beim eingang erweitert.
foto: biance rousselot

an sinnvollen daten hierfür wird man 450 annehmen können, als die römische kirche unter papst leo einen aufschwung nahm, der sich in verschiedenen bischofssitzen der schweiz bemerkbar machte. erschlossen worden wäre danach mit der klostergründung der südlich jurafuss zum schweizerischen mittelland, auf dem sich die burgunden ansiedelten, die zwar christen, damals aber noch nicht katholiken waren.

die frühe geschichte des klosters ist ebenso unbekannt, doch dürfte es nach 534 in den strudel der fränkischen völkerkriege gekommen sein. nach dem tod von könig childebert, der herr über austraisen und burgund war, brachen bruderkriege aus, die von childeberts mutter, könig brunichilde gefördert wurden. im fränkischen reich siegt vorerst könig theuderich, dem auch romainmontier gehört, doch überlebte er den tod seines bruders nur kurz. wenig zuvor griffen die alemannen vom elsass bis an den alpenfuss flächendeckend die burgundischen zentren an, und zerstörten 610 alles, was ihnen in den weg kam, – voraussichtlich auch romainmotier. dennoch galt die gegen als burgundisches zentrum, flüchtete sich doch königin brunichilde nach orbe, wo sie aber gefasst und dem letzten verbliebenen fränkischen könig chlothar ii. ausgeliefert wurde.

die zweite, nachgewiesene gründung

belegtermass begründete felix chramnelenus 632 die zweite abtei in romainmotier, jetzt nach der regel des heiligen columban. das keltische geprägte christentum der irischen wandermönchte kam im 7. jahrhundert jedoch in die defensive, was gleichzeitig den aufstieg der römischen kirche mit sich brachte. 753 überschritt mit stephan II. erstmals ein papst die alpen. er machte auf dem rückweg in romainmotier halt, und unterstellte die abtei direkt dem heiligen stuhl. spätesten jetzt bekommt sie den namen “romanum monasterium”, eben: römerkirche. von nun an lebte man, wie überall in den römischen klästern, nach der regel des heiligen benedikt von nursia.


das geheimnisch romanischer architektur erlebt man in der kapelle in der klosterkirche von romainmotier eindrücklilch
foto: silvia ratelband

die grosse konkurrenz von romainmotier wurde das kloster st. maurice d’augmne. bei dessen gründung durch den burgundischen könig sigismund sollen die möchte von romainmotier noch pate gestanden sein. jetzt, wo die franken den pilgerverkehr von canterburry nach rom quer durch ihre reich lotsten, wurde das kloster st. maurice, das an der strategisch entscheidenden stelle lage, wichtiger. vor allem karl der grosse förderte das kloster an der rhone. beim niedergang des fränkichen kaiserreiches war es denn auch der laienabt von st. maurice, der mit hilfe der bischöfe von lausanne, genève und sion das burgundische königreich gründete, und die oberherrschaft auch über romainmotier gewann.

die blüte als priorat des klosters cluny

910 kam es mit der klostergründung in cluny, in der nähe macons, zu einer weiteren konkurrenz. dieses klosters stand von beginn weg nur unter päpstlicher aufsicht, was seine attraktivität für schenkungen erhöhte. 928 wurde auch romaimotier dem kloster cluny unterstellt, und war, wie alle cluniazensischen klöster, ab sofort nur noch ein prioriat.

um die jahrtausendwende wird das prioriat vom burgundischen könig rudolf iii. reich beschenkt, was den beginn des aufstiegs des klosters romainmotier kennzeichnete. in ihm lebte ein teil des untergehenden burgundischen königreiches weiter. 1027 entsteht, als sichtbares zeichen des wandels, eine neue kirche, die im romanischen stil nach dem vorbild der zweiten abteikirche von cluny gebaut wurde. sie ist das wohl älteste romanische gebäude in der schweiz, das noch steht.

im 13. jahrhundert macht sich im malerischen tal, in dem das kloster nahe einer passstrasse über den jura lag, der einfluss savoyens bemerkbar. diese zeigte sich vor allem darin, dass nur noch günstlinge des grafen prior werden konnten. 1536 schliesslich wurde das kloster von den bernern sofort säkularisiert, um es dem savoyischen einfluss zu entziehen. kreuzgang und konventgebäude wurden abgerissen, sodass nur noch das haus des priors, leicht versetzt von der kirche stehen blieb. diese wurde 1537 in eine reformierte pfarrkirche umgewandelt, während das priorhaus als sitz des bernischen landvogtes diente.

die neue blüte als kulturelles zentrum

nach dem ende des ancien régimes gelten klöster gar nichts mehr. auch romainmotier zerfiel, und wurde noch als gewerbeschuppen verwendet.


die heute massgebliche dame in romainmotier berichtet über ihr lebenswerk

nach dem zweiten weltkrieg war es dann katharina von arx, die das haus restaurierte und die kulturelle bedeutung des ortes wieder aufnahm, indem sie den verbliebenen teil des klosters zu einem begegnungszentrum für künstlerInnen machte.

echallens (tscherlitz)

… ist eine station auf dem betriebsausflug des stadtwanderers

die gegend von echallens ist ein siedlungsplatz, dessen älteste spuren bis in die bronzezeit reichen. er war von keltischen und burgundischen stämmen besiedelt, stieg 1351 jahrhundert zu einem mittelalterlichen städtchen auf, das 1476 eidgenössisches untertanengebiet wurde, 1798 vollberechtigt zur helvetik und 1815 ebenso zur schweiz kam. es ist die gegend, aus der meine familie stammt.


echallens heute (quelle: search.ch)

um den namen von echallens gibt es viele geheimnisse. die berner obrigkeit nannte es zwischen 1536 und 1798 gerne tscherlitz. besser wäre aber karlingen gewesen. endungen bernischer gemeinden auf -itz sind gebräuchlich für urspränglich lateinische oder französische ortsnamen, die ins deutsche übertragen wurden. richtiger wäre aber – ingen gewesen, denn das entspricht der welschen endung -ens. was den wortstamm betrifft, dürfte tscherl- eine verhunzung von charl- sein, das sich im ortsnamen versteckt.

die ursprüngliche form zeigt sich in alten quellen. 1141 wird echallens
charlens genannt. etws später erschienen die bezeichnungen challeins, escharlens (1177), eschallens (1228) und eschalleins (1279). echallens ist erstmals im jahre 1315 bezeugt.

das burgundische zentrum

die namensforschung nimmt an, dass sich die älteste, schriftlich nicht bezeugte form von scarlingos oder von caralingos ableitet. das dürfte der name des sippenführers gewesen sein, der sich mit seinen leuten im heutigen echallens niederliess.

es wird auch darüber spekuliert, dass sich dahinter ein besonderer sippenführer versteht. echallens war schon früher besiedelt, ein verkehr- und arbeitsort, der als regionales zentrum galt. wer diesen platz bekam, muss etwas besseres gewesen sein. zudem steckt in den wörter car(a)lingos wie auch scarlingos die silbe carl, was in der regel auf eine führende person verweist.

echallens ist demnach entstanden aus ort, von wo die spippe des caralingos oder scaralingos herkommen. nun, komme ich selber aus der umgebung von echallens.


denkbares gebiet der sapaudia im 5. jahrhundert nach justin favrod (1997), wobei es wenig wahrscheinlich ist, dass die burgunden das ganze gebiet besiedelt hatten, vielmehr ist anzunehmen, dass sie sich vor allem links der aare aufhielten, während der teil rechts der aare im 6. jahrhundert entweder unbewohnt war oder von alamannen eingenommen wurde (quelle: pressedienst der universität lausanne)

doch von wo kamen meine vorfahren? eine dissertation der universität lausanne, 1997 von justin favrod verfasst, räumt mit den alten vorstellungen, die romandie sei von alamannen besiedelt worden, auf. vielmehr verweist er auf die germanischen burgunden, die um 400 in worms über den rhein kamen, das heutige elsass besiedelten und romanisiert wurden. nach ihrem erfolglosen aufbruch richtung trier wurden sie von den römern besiegt und in die sapaudia verfrachtet. diese ist nicht, wie man früher meinte, mit savoyen identisch. vielmehr handelt es sich um das gebiet zwischen jura und alpen im westlichen mittelland.


burgunderin aus dem 5. jahrhundert vor und nach der anpassung an die römische lebensweise (quelle: pressedienst der universität lausanne)

das wichtigste kennzeichen der burgunden, das sie auch in gegensatz zu den alamannen steht, ist ihr verhältnis zur lateinischen kultur. diese haben sie früh und willig aufgenommen, was sich in anpassungen in sitte, sprache und konfession zeigte. obwohl germanischen ursprungs verstanden sie sich selbst als teil des römischen reiches. das machte sie auch für das leben in städten empfänglich. ihre erste hauptstadt war das gallorömische genava, das heutige genf, gefolgt von lugduno, das heutige lyon. vorübergehend war gar orléans ihr königssitz, der dann aber nach chalons, dem heutigen chalons-sur-saone verlegt wurde.

der aufstieg zur (klein)stadt

echallens gehörte in dieser zeit zum bistum von lausanne, das im 6. oder 7. jahrhundert entstand. ende des 12. jahrhunderts begründeten die herren von montfaucon, ein zweig der burgundischen grafen von montbéliard in der heutigen freigrafschaft, die herrschaft echallens. sie liessen in der zweiten hälfte des 13. jahrhunderts, wohl während der unsicheren zeiten im zerfallenen kaiserreich, ein schloss erbauen. 1317 anerkannten sie die die oberhoheit der grafen von savoyen über echallens.


schloss echallens, in der form, wie es die berner wieder aufbauten
foto: silvia ratelband-pally

1351, nach der pest, dürfte aber auch diese erodiert sein, denn echallens bekam von den grafen von grandson das stadtrecht, und eine stadtmauer umschloss das städtchen. in ihm wurde auch ein wöchentlicher markt abgehalten. 1410 kam echallens zu den burgundischen grafen von chalons. deswegen bemächtigten sich die eidgenossen in den burgunderkriegen dieser herrschaft exemplarisch; sie zerstörten das schloss.

1476 endet die burgundische geschichte von echallens. es kam vorerst unter die gemeinsame eidgenössische verwaltung, wurde dann bestandteil der bernisch-freiburgischen vogtei orbe-echallens. nach dem zusammenbruch des ancien régimes kam echallens zum kanton léman, der mit der mediationsverfassung im kanton waadt aufging.

ganz von echallens bin ich allerdings auch nicht. vielmehr bin ich heute bürger von malapalud, einem ort, der in burgundischer zeit zu echallens gehörte, dann ein bauernweiler 5 kilometer ausserhalb wurde. die leute von malapalud waren wohl eher die einfacheren bauern, bewohnten sie doch die schlechte gegend: malapalus heisst nichts anders als der schlechte sumpf. und die bauern dort hiessen nicht simpleres als langfelder, eben: longchamp. ohne s. sie sind halt besonders geblieben.

burgund-wanderer

einen kurzen überblick über meine ältesten vorfahren gibt es hier: die burgunden als einwanderer in der schweiz

aventicum (avenches)

… ist eine station auf dem betriebsausflug des stadtwanderers

aventicum war der hauptort der römischen civitas helvetiorum im schweizer mittelland und religiöses, politisches und wirtschaftliches zentrum der helvetier. es war mit 20000 einwohnerInnen die grösste stadt auf schweizer boden. wie alles, was mit dem römischen reich zu tun hat, dominiert aber auch bei aventicum die perspektive des aufstiegs, des höhepunkte und des niedergangs der stadt.

der aufstieg

aventicum ist von der keltischen quellgöttin aventia abgeleitet. der name blieb so stark im bewusstsein der leute verankert, dass er andere, von den römern gegeben namen stets überlebte. im 6. jahrhundert verwendete man den stadtnamen auch in der weiblichen form als aventica.

die ursprünge des ortes gehen auf ein von den helvetiern im 1. jahrhundert vor christus gegründetes keltisches oppidum zurück, das vermutlich nach der rückkehr aus bibractae angelegt worden ist, bis heute aber nicht genau lokalisiert werden konnte. bei en chaplix, nahe dem heutigen avenches, wurde ein grabmal gefunden, das auf das jahr 15 vor christus datiert wird, und der älteste fund in der gegend ist.


dreidimensionale darstellung von aventicum, CAD-Projekt im Bereich Cultural Heritage, angeboten für Studierende der Architektur an der ETH-Zürich

unter kaiser claudius (41-54) änderte das keltische aventicum sein gesicht, denn alle häuser wurden alle in stein umgebaut. kulturell war das ein erheblicher sprung, den die helvetier lebten in holzhäusern.

der höhepunkt

unter kaiser vespasian (69-79), der einen teil seiner jugend in aventicum verbracht hatte, wurde aventicum eine römisch kolonie. sie überflügelte vindonissa,und wurde sitz von veteranen, die sich im krieg gegen die einheimische bevölkerung oder in den legionen, die gegen germanen kämpften, verdient gemacht hatte. die stadt hatte damals vermutlich den namen colonia pia flavia constans emerita helvetiorum foederata.


bildliche darstellung von aventicum zur besten zeit

in den zeiten vespasians entstand die stadtmauer. die wirtschaft erhielt neue impulse, was sich in vermehrter bautätigkeit niederschlug. neben den wohn- und gewerbehäusern entstanden grosse repräsentationsbauten, darunter das amphitheater, das römische theater sowie die tempelanlagen und cigognier. das forum wurde im schnittpunkt der beiden hauptachsen decumanus maximus und cardo maximus angelegt.

ihr wasser bezog die stadt aus brunnen und von einem aquädukt. ein etwa 800 m langer kanal und ein neuer hafen in der nähe der stadtmauer erlaubten den transport des nötigen baumaterials. in aventicum stand auch eine wassergetrieben mühle, die erste dieser art nördlich der alpen.

unter vespasian war aventicum ein teil des römischen grenzgebietes belgica. unter seinem sohn, kaiser domitian, ändert sich das: um 89 nach christus wurde aventicum in die provinz germania superior mit mainz als hauptstadt eingegliedert.

regiert wurde aventicum von zwei magistraten (duoviri), zwei aedilen und zwei präfekten. die duoviri waren gleichzeitig priesters, stadtvorsteher und richters.


aventicum und seine nähere umgebung (quelle: uni bern press)

die helvetische aristokratie konnte ins römische bürgerrecht aufgenommen werden. bekannt hierfür ist die familie der camilli. ritter gaius iulius hatte von 39 bis 69 n.Chr. an in mainz als tribun gedient. nachher verrichtete er in seiner heimatgemeinde den kaiserkult. seine tochter julia festilla war ebenfalls kaiserpriesterin. sie gilt als die älteste, auf dem gebiet der schweiz namentlich bekannte frau.

der niedergang

mit den ersten einfällen der alamannen in den jahren 259 und 260 begann der langsame niederung von aventicum. dabei kam es zu plötzlichen verstecken von wertgegenständen in flüssen und böden, die heute wertvolle archäologische funde sind. dazu zählt in aventicum auch die berühmte büste des philosophenkaisers.

beim überqueren des rheins heimwärts scheinen die alamannen in die defensive geraten zu sein. sie haben verschiedene ihrer schätze im rhein versenkt. die auswertung der herkunftsorte lehrt, die alamannenangriffe in helvetien neu zu interpretieren: demnach wäre der angriff nicht über augusta raurica oder vindonissa auf aventicum erfolgt. vielmehr wären die alamannen nördlich davon in gallien eingedrungen, hätten sie in verschiedenen zügen den mittleren und südlichen teil geplündert, und wären sie erst auf dem rückweg über lyon und genf ins helvetiergebiet gekommen.


quelle: der barbarenschatz, stuttgart 2006 (anclickbar)

das römische reich überlebte die gleichzeitigen einfälle der germanen im norden, der sassaniden im osten und der berber im süden noch einmal. es wurde unter diokletian als spätantikes kaiserreich neu gegründet.

seit dem 4. jahrhundert war aventicu sitz eines bischofs. zwei frühchristliche kirchen, saint-martin und saint-symphorien, sind belegt. mit der einwanderung der burgunden im 5. jahrhundert wurde ein teil von aventicum wieder aufgebaut. gleichzeitig zerfiel die römische herrschaft nördlich der alpen.

nach 534 aventicum ein zentrum der fränkischen könige von reims. 561 dürfte der definitive niedergang begonnen haben. das mittelland, in helvetischer zeit eine einheit bildend, wird entland der aare. die grenze markiert gleichzeitig die grenze zwischen den fränkischen königreichen von burgund resp. von austrasien. sie scheidet auch die völkerschaften der burgunder und alamannen.

bischof marius, der als schriftsteller bekannt wurde, verlegte in dieser zeit seinen sitz von aventicum nach lausanne, wo der hügel über dem lac léman schutz bietet. aventicum versinkt nun in die dedeutungslosikkeit. 610 wird es von den alamannen gänzlich zerstört.

erst im 11. Jahrhundert wird es von lausanner bischof burkhart von oltigen als mittelalterliche stadt neu gegründet und nun definitiv auf den hügel verlegt, wo heute noch avenches steht.

burgund-wanderer

tathaus statt rathaus

lieber andreas rickenbacher

heute ist dein grosser tag: vereidigung als bernischer regierungsrat im ehrwürdigen rathaus von bern. ich wünsche viel erfolg bei deiner neuen tätigkeit als volkswirtschaftsdirektor!


der neue bernische volkswirtschaftsdirektor schreitet zur tat (foto: stadtwanderer, anclickbar)

erinnere dich gelegentlich an die stadtwanderung 2005, als wir auf dem müsnterplatz vor “deiner” direktion halt machten und mit dem ganzen gfs.bern ausschau hielten, bis zu welchen europäischen zentren bern einmal reichte. nimmt das als massstab, dass es eurer wirken in der neuen regierung bern mit tat und kraft erfüllen möge, und dass es über kantons- und landgrenzen ausstrahle.

ich bin natürlich ein wenig stolz, der erste arbeitgeber des neues chefs für das allgemeine wirtschaftliche wohl des kantons bern zu sein. ich erinnere mich gut, wie du damals 1992 bei mir begonnen hast.

zwar ist bis heute unklar, ob das am 1. oder 2. mai war, als du zu arbeiten begonnen hast. es ist mir aber noch klar, mit welchem elan du an die arbeit, die ewr-volksabstimmung vorzubereiten, gegangen bist. das hat mich beeindruckt und gezeigt, dass du politische weichenstellungen erkennst und deine tätigkeiten zielstrebig darauf hin ausrichten kannst.

gut, das ergebnis kam anders, und damit muss man in der direkten demokratie leben. das war seinerzeit so, und das wird wohl auch inskünftig bei dir gelegentlich der fall sein.

du weisst aber, dass du bei mir ein zweites mal anlauf genommen hast und ein ausgezeichneter assistent der geschäftleitung resp. ein sehr guter projektleiter geworden bis. du warst schnell eine man der tat, und gfs.bern verdankt dem in der aufbauphase viel. merci!


foto: stadtwanderer

als du mit dem wunsch gekommen bist, in die bernische politik einsteigen zu wollen, hat mich das nicht mit begeisterung erfüllt. verzeich mir das! du hast, und das zeugt von grösse, meine bedingung angenommen: nicht bei einem milizamt stecken bleiben, sprich als grossrat auf- und abzusteigen, sondern auf einem vollamt zu arbeiten. ob das nun stadtpräsident oder regierungsrat heisst, war mir egal. nun hast du das beste daraus gemacht, was mich besonders freut.

in letzter zeit habe ich in der mediendokumentation über gfs.bern häuftig mir unbekannte artikel erhalten. das hatte einen grund: mein ehemaliger mitarbeiter und regierungsrat in spe gab in seiner biografie getreu an, einst beim gfs-forschungsinstitut, wie es damals hiess, gearbeitet zu haben. der compi hast so nicht nur unsere, sondern auch deine aktivitäten erfasst. so war ich immer gut informiert über deinen engagierten wahlkampf und über deine interviews vor und nach der wahl.

bleib ein mann der tat! mach aus dem rathaus ein tathaus. ich werde es genau verfolgen, was du aus der berner wirtschaft machst, wenn ich bei meinen fast täglichen spaziergängen am rathaus vorbeikomme!

schöne zeit

stadtwanderer

der neue volkswirtschaftsdirektor

der unglaublichste chronologist

chronologien sind in jeder geschichte unverzichtbarer alltag. wer darauf verzichtet, erzählt geschichten. wer geschichte erzählen will, kennt also das geschäft. doch hier wird man mit sicherheit überrascht. der unglaublichste chronologist, den es gibt, leert auf seiner website seine noitzzettel aus, und erstellt ordnungen, die man noch nie gesehen hat.


nett, dass roland müller eine fliege trägt

er heisst roland müller und ist dr. phil. er lebt in der schweiz. wo genau, sagt er nicht. selber dürfte er 60 sein, wie genau, sagt er auch nicht. wahrscheinlich ist er betriebswirtschaft, physiker, psychologe oder historiker. was genau, sagt er selbstverständlich nicht. nur das fügt er bei: abstract of the doctoral thesis: „Das verzwistete Ich“ (1971).

sonst nimmt er es seit vielen jahren sehr genau. was dabei heraus kommt, ist die verrückteste chronologiensammlung auf dem web, die ich kenne. “es packte mich offenbar ein heiliger chronologischer Eifer, der mich bis heute nicht losgelassen hat”, sagt der enthusiast. seine website ist wiederum das gegenteil davon. funktional ist sie gegliedert in

. wirtschaft
. pschologie
. modell
. frühmensch
. esotrik und
. spezialitäten.

jede rubrik zählt mindestens soviel unterrubriken. zu denen gehört beispieslweise die spezialität schweiz. und da gibt es unterunterrubriken zu

. persönlichkeiten
. schweizer wirtschaft
. geschichtliches und
. fritz zwicky

und jede dieser unterunterrubriken ist geballt voll mit chronologien: die wirtschaftsrubrik listet 370 schweizer erfindungen und entdeckungen (auf dt. und engl.) auf, sie enthält die ältesten permanenten schweizer firmen (1367-1799), 350 aktuelle firmengründungen (1700-1988), und den ausverkauf der schweizer wirtschaft (seit 1984). die persönlichkeiten wiederum sind gegliedert in: swiss hall of fame (mit 300 namen aus über 2000 jahren), berühmte schweizerInnen im ausland, 700 bemerkenswerte schweizer (vor 1400 und danach), schweizer, die im lande blieben, autoren (ab 600), künstler (ab 800), gelehrte, geistliche und mystiker (ab 900), mechaniker, ingenieure und architekten (ab 1400), unternehmer und firmengründer (ab 1500), ferber 380 berühmte schweizer, die im ausland wirken (ohne usa und kanada, dafür ab 111 vor christus), danm die 100 wichtigen schweizer in nordamerika (seit 1550) separat, und schliesslich einige feldherren sowie (ab 1840) auch anarchisten und politische persönlichkeiten.

und wer meint, das wärs, klickt dann eine der fundgruben an, und kann sich ewig darin verweilen. fleissiger als jedes ameisenvolk, gekonnter als manches lekikon, und knapper als jeder 20 minuten artikel werden jahreszahlen, namen, bemerkenswerte taten und folgen zusammengestellt vorgeführt. ein lebenswerk.

selbst in den rubriken, in denen man sich heimisch fühlt(e), wird man eines besseren belehrt. “die insgesamt 1000 dateien sind zwischen einer und hundert seiten. die vornamen sind meist ausgeschrieben.” trockener geht die selbstwerbung nicht mehr!

echt, wie lange muss ich da wandern? bis ich das alles gesehen habe. und wieviele anregungen zu wissensgebieten erhalte ich da, von denen ich noch nicht einmal weiss, dass es sie gibt? selbst über bern habe ich diese nacht vergessenes, verschwiegenes und verdrängtes im nu erfahren. der autor dazu: “Mit der chronologischen Darstellung möchte ich den unzähligen Forschern und Denkern, die heute meist vergessen sind, Reverenz erweisen. Gleichzeitig ergibt sich ein lebendiges, kulturgeschichtliches Bild grosser Themen und zeitbedingter Trends, manchmal erstaunlich, oft überraschend, ab und zu rätselhaft.”

also, wer wissen will, was wann wo auf dieser welt geschah, schlägt am einfachsten nach bei

roland müllers chronologiensammlung

der staunende stadtwanderer

mit meinen neuen favoriten unterwegs

tja, bloggen ist dynamisch, und ich bin frisch dabei. so ändert sich meine favoritenlisten rasch! für den monat juni empfehle ich den politsch-kulturell und historisch interessierten stadtwanderInnen:

1. weiach

gebe zu, bis vor kurzem wusste ich nicht, wo weiach liegt. gut, das mit dem alitalia flugzeugabsturz in diesem dorf wusste ich noch, aber wie die gemeinde hiess, vergass ich. verstehe, dass der ort von diesem image wegkommen will. und das mit dem besten blog macht, den ich kenne. ich sage nur: suuuuper gemacht, fast jeden tag neues zur lokalgeschichte von weiach und weit darüber hinaus!

weiacherblog

2. rhetorik

unverändert die beste seite zur (politischen) kommunikation. fast tägliche updates, aktuell, geistreich, gepflegtes layout. hohe kunst der instant vermittlung von informationen, eigentliche pflichtlekütre für alle, die insbesondere die medienrhetorik durchschauen wollen.

knill+knill kommunikationsberatrung

3. ignoranz.ch

interessante seite zur politisierung des alltag, nicht der hohen politik, aber der alltagspolitik. wohl eher links, letztlich aber unkonventionell erfrischend. gegen ignoranz gerichtet, und voll von spannenden anregungen gegen die trägheit im alltag.

ignoranz.ch

4. kulturstattbern

bern – langweilig? nein!, sag ich da. nicht wegschauen! hinschauen! dies ist der beste blog über das kulturleben in bern. kinokritiken, künstlerkritiken, stadtkulturkritiken. und viele bilder. meist gebrauchsfotografie. aber auch spezialfotografie über orte, die man sonst übersieht. von der zeitung “der bund” gesponsort (gegenwärtig ohne chefredaktor).

kulturstattbern

5. hugo stamm

er ist in einem sensiblen umfeld tätig. seit jahren ist er d e r berichterstatter über die sekten und neureligösen fragen in der schweiz. schon als sozialforscher bewundere ich das. und als zeitgenosse faszinieren mich seine analysen und aussagen meistens. ich zähle hugo stamms blog gerne zu meinen favoriten.

hugo stamm

6. ueli haldimann, cr sf drs

wer ein so grossen medienunternehmen wie das schweizer fernsehen täglich führt, muss einen grossen vorrat an ideen haben. wer einen so grossen vorrat an ideen hat, kann das auf seinem blog auch anderen interessant zu gänglich machen. wer das anderen interessant zugänglich macht, verdient meine anerkennung. in diesem fall: ueli haldimann, chefredaktor, sf drs.

ueli haldimann

7. blogwiese

sprachsensibilität entwickelt man meistens dann, wenn man eine sprache erlernen muss. hier ein aufmerksames, einfallsreiches und höchst aktuelles blog zu helvetismen aus deutscher sicht. selbst ich lerne da noch viel, was woher kommt und was es eigentlich meinte!

blogwiese

8. edemokratie

höchst anspruchsvolle seite, mit vielen informationen und kurzanalysen eines politikwissenschafters (aus bern!), der sich der politischen kommunikation via intrnet verschrieben hat. gelegentlich etwas brav, gelegentlich aber auch experimentell. offener, liberaler geist, der die debatte sucht.

edemokratie

9. pendlerblog

stadtwandern ist das eine. informationswandern das andere. 20 stunden bräuchte man, um alle blogs, alle newstickers, alle zeitungen und alle zeitschriften zu lesen, die einem jeden tag begegnen. das fasst einem 20 minuten schon mal jeden morgen gekonnt und bündig zusammen. und des pendlerblog kommentiert das einem jederzeit bündig und gekonnt für die 20 sekunden-lektüre. danke!

pendlerblog

10. medienzirkus

medien bestimmen, was uns bestimmt. und sie verändern sich schnell. gut, dass es da blogger gibt, die versuchen, genau die veränderungen der bedingungen unseres alltagsdenkens zu beschreiben. medienzirkus der beste davon, den ich kenne.

medienzirkus

stadtwanderer