maja einstein – alberts schwester

es ist die tragik dieser frau: immer nur ist sie „einsteins schwester“! nie nennt man sie direkt mit ihrem namen. selbst ihre jüngst erschienen biografie heisst nicht „maja einstein“. obwohl eine feministische historikerin das buch geschrieben hat, das jüngst im nzz-verlag erschienen ist.

die erste biografie maja einsteins

franziska roggen, die archivarin der universität bern, musste es satt gehabt haben. immer nur frage zum berühmten albert einstein, nie jedoch zur wenig bekannten maja einstein. dabei sind die bezüge des „fräulein einstein“ zur hiesigen uni sicher inniger als die alberts. er doktorierte in zürich, sie in bern. er foutierte sich um das unileben, sie beteiligte sich an ihm. aber er war das genie, und sie nur seine schwester!


marie (maja) einstein (1881-1951)

wer nur war diese frau? was für ein leben führte die junge akademikerin? und wie standen die geschwister einstein zueinander? die antworten auf diese fragen präsentierte franziska roggen – im einsteinjahr 2005 – in form der ersten biografie zu maja einstein, – pardon in form des lebenslaufs der schwester einsteins!

ein leben für sich – und mit ihrem bruder

1881 in münchen geboren, war maja, eigentlich: marie, zu klug, um ein gänzlich angepasstes frauenleben zu führen, aber zu wenig rebellisch, um ganz mit dem konventionellen zu brechen. so fasst roggen maja einsteins biografie zusammen. und: sie litt unter den zahlreichen eskapaden ihres bruders als genialer wissenschafter und untauglicher ehemann, konnte sich aber seiner familiären fürsorge in jeder lebensphase sicher sein. das ist es denn auch, dass sich wie der rote faden durch maja leben zieht, selbst in zeiten, als albert keine weltberühmtheit war.


klein maja und klein albert, um 1893

schon in aarau, wo albert die matura nachholen musste, lebte maja mit ihrem bruder zusammen. hier lernte sie auch ihren späteren ehemann paul winteler kennen, albert wohnte im haus der familie. mit dem aarauer juristen zog sie, gut 30jährig, gemeinsam nach luzern. er arbeitete dorch bei der sbb-generaldirektion. doch dem bürgerlichen leben blieb der nachwuchs verwehrt, sodass man um die 40 mit der stadt brach und sich in colonnate, einem kleinen ort der italienischen toskana, den traum der intellektuellen selbstverwirklichung erfüllte. “samos” hiess das gut, mit dem man sich selbst versorgte.

künstlerleben und schriftstellerei brachten indessen kein geld, sodass man schon bald von den zuschüssen zehrte, die der inzwischen weltbekannte wissenschafter albert grosszügig aus berlin leistete. den faschisten war das ganze leben ausserhalb der normen auf dem land suspekt, und sie vertrieben die jüdin maja noch vor dem zweiten weltkrieg aus italien. in den usa, wohin ihr bruder zwischenzeitlich emigriert war, fand maja 1939 – ohne ihre mann paul – lebenslangen unterschlupf in alberts nähe.


die jugendlichen geschwister maja und albert, um 1898

nach dem tod elsas, der zweiten frau alberts, war maja lange die wichtigste bezugsperson des grossen physikers, der zusehends isolierter lebte. wie albert 1955 ist auch maja 1951 in princeton gestorben. bruder albert schrieb dazu trocken: „nun fehlt sie mir mehr, als man meint.“

majas berner jahre

in bern lebte maja einstein an verschiedenen orten: 1907 mit ihrem freund an der florastrasse 6, 1908 bei der familie ihres bruders an der aegartenstrasse 53, und 1909 hielt sie sich – unterbrochen durch einen kurzen abstecher nach paris – an der spichergasse 7 auf.


maja einsteins dritter wohnort in bern: spichergasse, wo sie 1909 wohnte (foto: stadtwanderer, anclckbar)

in dieser zeit schloss sie ihr studium als romanistin ab und doktorierte sie bei prof. karl jaberg, den sie schon von aarau aus kannte. ihre these verfasste sie zu gottfried von bouillon, dem anführer des ersten kreuzzuges und ersten christlichen herrschers über das mittelalterliche jerusalem. in der stadtbibliothek – heute burgerbibliothek – fand sie zwei geschichten zum epos, das um 1200 zu seinen ehren verfasst worden war; sie sollten sich als die ältestens texte zum zyklus entpuppten. ende 1908 wurde maja nach leidvollen tagen der reglementsklauberei geprüft und bestand magna cum laude. ihr doktorarbeit fand nicht ungeteilte zustimmung von prof. jaberg; immerhin lobte er sie und die autorin, zahlreiche neue entdeckungen zum thema gemacht zu haben.


könnte leicht “geschwister einstein-platz” heissen: links, nochmals wo maja einstein wohnte, rechts, wo städtisches gymnasium, wo der junge beamte im keller experimentieren durfte (foto: stadtwanderer, anclickbar)

das war vielleicht auch typisch für ihr ganzes leben: ganz vorne, wie albert war sie nie; dazu fehlte ihr auch der hang, eine besondere person vor publikum, in der masse und für die öffentlichkeit zu sein. aber sie war ehrlich, grad und menschlich, und trug so in den vielen nischen, die ihr das leben eröffneten neues und kreatives zum ganzen bei.

auch in bern war das verhältnis zu albert genauso bestimmt: er war der star, und sie achtete auch sich und ihn. am 27. februar 1908 hielt er seine probevorlesung zur erreichung der privatdozentur, und sie war dabei, selbst wenn sie nichts von physik verstand. typisch ist aber die folgende episode: als maja den ihr wohlbekannten pedell fragte, in welchem saal ihr bruder vorlesen würden, antwortete dieser: „was, dieser … russ ist ihr bruder?“. schockiert musste sie gewesen sein, denn auch sie fand es unüblich, wenn dozenten keine socken trugen, wenn sie in hemdsärmeln lehrten, und wenn sie mit bartstoppeln korrigierten.

engagierte und einfühlsame, aber wenig übersichtliche lebensbeschreibung

vor allem mit der kritik an einsteins verhältnis zu seinen frauen ist das intersse an maja einstein, seiner schwester, der er ein leben lang verbunden blieb, erwacht. stattland widmet ihr in ihrer führung “Bern relativ – Einstein in seinem weltlichen Kloster” eine spezielle station.


maja einstein in der einstein-führung von stattland

nun hat auch franzika roggen nachgedoppelt. für ihre schön gemachte biografie hat die autorin roggen zahlreiche unveröffentlichte fotos gesammelt, hat sie interviews mit noch lebenden personen geführt, die maja direkt oder indirekt gekannt hatten, und hat sie persönliche briefe ausgewertet, die bisher kaum jemand beachtet hatte. entstanden ist so ein buch, das gut lesbar und reich illustriert ist. fast 40 kapitel hat es, und ist es keine 200 seiten dick. einzig eine lebenstafel, mit den wichtigsten jahreszahlen, lebensphasen, aufenthaltsorten und alltagsbegebenheiten maja einsteins vermisst man am ende des buches. handlicher hätte es die anregende lektüre auf jeden fall gemacht.


einsteins schwester, die biografie aus dem nzz-verlag

das leben maja, wohl stellvertretend für viele akademikerinnen anfangs des 20. jahrhundert, für viele jüdinnen während des zweiten weltkrieges und für viele schwestern berühmter brüder erzählt franziska roggen engagiert und einfühlsam zugleich. sie bilanziert es so: „trotz ihrer einsicht, heiterkeit und fürsorge spielte maja keine rolle im grossen weltengetriebe, sie verwöhnte aber ihren freundeskreis. hier wurde sie, die kein talent zum bösesein hatte, als “sonne”, als “das warme leben selbst” geliebt. ihre ausstrahlung hatte etwas vorbildliches, und sowohl in der familie einstein wie auch in den familien winteler und besso wurden töchter nach ihr maja genannt.“

des stadtwanderers schwester

franziska roggen: einsteins schwester. maja einstein – ihr leben und ihr bruder albert, zürich 2005