alles ist relativ, sagt einstein. er könnte schneller recht haben, als bern lieb ist …

berner kramgasse 49: einstein-haus. auf den ersten blick ist alles unscheinbar. bis man das hausschild liesst. hier wohnte albert einstein 1905, als er seine sechs bahnbrechenden arbeiten schrieb. zu diesen zählt sein artikel für die annalen der physik, der ihm den nobelpreis einbringen sollte. berühmter noch als diese abhandlung ist heue seine spezielle relativitätstheorie, – auch sie wurde in ihrer ersten verbindlichen form an der berner kramgasse 49 verfasst. Populär zusammengefasst sagt sie: alles ist relativ …, selbst in der berner altstadt, muss man seit heute nachtragen. den das haus mit dem einstein-museum wird verkauft. bald schon könnte kein stein wie bisher auf dem andern stehen, an der berner kramgasse. …


einsteintafel an der kramgasse 49 (foto: stadtwanderer, anclickbar)

seit einem jahr populär ist die führung “600 jahre zytglogge – 100 jahre relativitätstheorie”. dabei geht es um die zeit, die zeiten, das zeitbewusstsein und die zeitmessen. Der bogen ist gross: man ende bei einsteins relativitätstheorie aus dem jahre 1905; man beginnt aber beim grossen stadtbrand von 14. mai 1405.

600 jahre zytglogge

der heutige zytglogge, ganz oben an der kramgasse war damals ein bordell für die pfarrherren. “pfaffenwyberhus” nannte man es, und dort, wo die tausenden von touristen heute in die höhe schauen, blickten im frühen 15. jahrhundert die gottesleute hin: kein Zifferblatt war zu sehen, aber das antlitz der 7 schönheiten, die zu ihren diensten standen. die sage will es, dass man zwei von ihnen entlassen hatte, und sie aus rache feuer gelegt haben. die stadt brannte in einer nacht zu einem drittel nieder. 600 häuser nhamen schaden, 100 menschen fanden den tod.

aus dem bordell wurde in der neu aufgebauten stadt der “zytglogge”. seither beherbergt der turm keine huren mehr, nurmehr uhren. Bestimmen auf ihre art den takt der zeit: in form von stunden, als tag und nacht, als monate und tierkreiszeichen. Und alles für jedermann sichtbar!

ein wunderwerk ist die uhr heute noch; ganz verstehen kann ich sie bis heute nicht: die symbolik mit hahn und bär, mit herrscher und glöckner ist reich, aber klar. die farben mit schwarz und gold, aber auch mit rot und grün sind schon schwerer zu deuten, und die informationen mit sonne und mond, umlaufbahnen und karusellen sind für mich meist zu viel.


ein fantastisches räderwerk im zytglogge hält die zeit sekundengenau in schwung (foto: stadtwanderer, anclickbar)

im innern des zytglogge wird alles noch komplizierter: das uhrwerk, 1527 in renovation gegeben, ist zum teil noch im original zu sehen. es ist, aber ob mit der messung der zeit die zeit selber stehen geblieben wäre! doch damit nicht genug: zahnräder, achsen, pendel und gewichte halten die zeit auf mysteriöse art und weise in schwung, und seitjeher punktgenau. nur die sommerzeit ist hier nicht programmiert, man muss im herbst die uhr eine stunden abstellen, im frühling das pendel aber eine stunde von hand schneller pendeln lassen.

zeit und kultur im mittelalter und in der neuzeit

in das kulturell vielfältige verständnis von zeit brachte isaac newton im 17. jahrhundert ordnung: die naturzeit der zyklen war schon längst durch die lineare zeit des christentums abgelöst worden. doch es gab nicht mehr das paradies am anfang und das jüngste gericht am schluss. vielmehr war die zeit zu etwas offenem geworden, ohne anfang und ohne ende. in der newtonschen physik existiert sie an sich und ist sie unabhängig vom raum. zeit besteht aus kleinsten einheiten, die überall gleich lang sind. deshalb hat ein tag 24 stunden, hat eine stunden 60 minuten, und hat eine minute 60 sekunden. immer, und überall!


isaac newton (“zeit ist unabhängig vom raum”) vs. albert einstein (“raumzeit ist”)

das galt, bis albert einstein kam. 1905 spaziert er regelmässig zwischen seinem arbeitsort, dem patentamt an der spichergasse und seinem zuhause an der kramgasse. regelmässig kam er da am zytgloggen vorbei. und er soll den turm schon mal verwendet haben, um seinen freunden “die zeit” zu erklären. das wort “raumzeit” wurde damals erfunden, denn anders als bei newton waren raum und zeit bei einstein nicht getrennt, sondern aufs engste miteinander verbunden.

100 jahre relativitätstheorie

mir erklärt eine junge physikerin im einstein-haus die relativitätstheorie von professor einstein. schon vor einstein war den physikern bekannt, dass sich das licht nicht unendlich schnell bewegte. vielmehr breitet es sich mit einer maxiamalen geschwindigkeit von 300000 km in der sekunde aus. für den menschen fast unvorstellbar, sagt meine lehrerin, für die physik einsteins aber essentiell: claude nicollier sauste schon mal mit 6 km in der sekunde um die welt; 50 000 mal schneller ist das licht, aber eben: nicht unendlich mal schneller.

und genau dabei setzt die lektion im einstein-haus, ausgerüstet mit obligater wandtafel und hellraumprojektor, ein: alles beginnt mit einer frage: was würde geschehen, fragte albert, wenn man sich mit lichtgeschwindigkeit auf das licht zu bewegen würde, und vor sich einen spiegel hätte? würde man sich im spiegel sehen können? wenn das licht mit lichtgeschwindigkeit auf unsere nase kommt, husch farbe aufnimmt und wieder mit lichtgeschwindigkeit auf den spiegel reflektiert wird, sieht man sich, sofern man sich nicht bewegt. Und wenn man sich selber mit lichtgeschwindigkeit bewegen könnte? Nein! Hätte newton gesagt, denn das von der nase reflektierte licht würde mit lichtgeschwindigkeit den spiegel suchen, der sich mit lichtgeschwindigkeit von der nase entfernen würde. Ja! sagt einstein, denn das licht bewegt sich immer mit lichgeschwindigkgeit, über-all! das ist das einzig konstante.


fast so wie wenn der meister selber seine theorie skizziert hätte … (foto: stadtwanderer, anclickbar)

eie pointe kommt aber eben noch! wenn man sich in einem käfig befinden würde, von aussen durchsichtig, von innen mit spiegeln ausgefüllt und eine lichtquelle von oben nach und unten und von unten nach oben ginge, braucht das licht eine kleine zeiteinheit t, um wieder am gleichen ort zu sein. dabei würde es die doppelte höhe des käfigs h zurücklegen. die geschwindigkeit wäre weg durch zeit, c=h/t.steht nun ein zweiter beobachter ausserhalb des käfigs und bewegt sich dieser käfig von links nach rechts, sieht dieser beobachter nicht nur, wie sich das licht im käfig von oben nach unten und umgekehrt bewegt. vielmehr sieht er auch, wie sich der käfig bewegt, und damit das licht eine doppelte bewegung macht. Es legt die doppelte höhe des käfigs und den weg zurück, um den sich der käfig in dieser zeit verschoben hat. der weg ist also offensichtlich länger.

wenn die geschwindigkeit konstant ist, ist die zeit, die die das licht braucht für den stillstehenden beobachter braucht, um den längeren weg zurückzulegen länger. Für den bewegten beobachter ist die zeit kürzer, weil auch der weg kürzer ist. beide merken nicht, dass sie eine unterschiedliche zeit lang beobachten. er wenn sie wissen, dass sie beide das gleich sehen, merken sie, dass ihre zeiten nicht gleich schnell sind. es gilt seit einstein: je schneller sich bewegt, desto langsamer geht die zeit. sie steht still, wenn man sich mit lichtgeschwindigkeit bewegt!

im normalfall merkt man nichts davon, sagt meine professorin. deshalb waren die menschen auch nicht reif, einsteins theorie zu akzeptieren. wegen diesen zweifeln, hat er seinen nobelpreis auch nicht hierfür gekriegt. wenn wir uns aber dereinst mit lichtgeschwindigkeit bewegen werden, werden alle merken, dass einstein recht hatte. jetzt muss man es glauben, oder zu verstehen lernen.

ich habe verstanden: mit einsteins relativitätstheorie verhält es sich so, wie mit dem zytglogge: ein wunderwerk der mechanik aus dem 15. und 16. jahrhundert ist dieser, selbst wenn ich ihn nicht ganz verstehe. ein wunderwerk aus der physik des 20. jahrhunderts ist einsteins relativitätstheorie, selbst wenn ….

zeit und kultur im 21. jahrhundert

einstein könnte schneller recht bekommen, als einem lieb sein kann. seine zeit an der kramgasse könnte bald abgelaufen sein, still stehen, weil sich bern ändert, mit lichtgeschwindigkeit. gestern noch bin ich am wohlbekannten einstein-haus vorbei spaziert. nostalgie pur. 100 jahre einstein in erinnerung. einstein-jahr noch ganz präsent. 2006 – meine einsteinführungen sollen morgen beginnen.


schock vom tag: bern einstein-haus steht zum verkauf an (foto: stadtwanderer, anclickbar)

und heute: schock! ich lese: “Einstein-Haus wird verkauft”. die berner zeitung berichtet: “Das Einstein-Haus an der Kramgasse 49 steht zum Verkauf. Die Einstein-Gesellschaft bangt nun um den Fortbestand des seit 1979 bestehenden Museums. Als Käufer ist ein Geschäftsmann aus Holland im Gespräch.”

die jetzige besitzerin des einstein-hauses ist die rirma psp swiss property, die schweizweit grösste börsenkotierte immobiliengesellschaft mit sitz in zug. sie will das einstein-haus nicht mehr. «Wir sind vor allem in Zürich und Genf tätig», sagt psps-pressesprecher vasco cecchini der bz. in bezug auf nutzung und lage gäbe es liegenschaften, die nicht zur kernstrategie der firma gehören würden. und die würden abgeschoben.

der einstein-gesellschaft, bestehend honorablen physik-professoren aus bern, ist die liegenschaft mit einem wert von 3,4 mio chf zu teuer. und auch dem stadtpräsidenten alexander tschäppat fehlt das kleingeld für den kauf. die burgergemeinde wiederum interessiert sich kaum für albert einstein. der lebte zwar hier, war aber kein hiesiger! also bleibt noch die schwache hoffnung, der regierungsstatthalter würde wegen der lex friedrich gegen die änderung votieren, wie er es anderswo auch schon machte …

die angst ist aber allgegenwärtig, am heutigen 25. august 2006: was wird, wenn der holländische geschäftsmann keinen sinn für albert einstein und berns neu entdeckte liebe zu ihm hat?, ist hier und heute die bange frage.

zerstört die praxis die erinnerung an die eigene theorie?


einstein weiss es: alles ist relativ! am anfang war das nichts. dann explodierte es, und seither dehnt es sich mit lichtgeschwindigkeit aus. der ganze raum ist ein bewegung. und die zeit verändert sich mit ihm, nur die lichtgeschwindigkeit ist konstant.


ausser der lichtgeschwindigkeit ist nichts konstant, sagt einstein, nicht einmal die häuser in der berner altstadt (foto: stadtwanderer, anclickbar)

ins 21. jahrhundert übersetzt hiesse das: die herrschaft ist in bewegung. und mit ihr ändern sich die eigentumsverhältnisse. nur das interesse des geldes ist konstant.

ansonsten ist alles relativ, sogar das einstein-haus …

stadtwanderer