einen ungehaltenen vortrag halten …

vorgeschichte

das ist gar nicht nett: wollte ich doch das schloss thun erwerben, wenn die reform der nernischen amtbezirke in der volksabstimmung vom 24. september 2006 durchgeht, und nun hat die stadt thun massiv geld in eben diesen kauf eingeschossen, – und das schloss vor meiner hand erhalten. doch ich werde mich morgen in thun revanchieren und einen ungehaltenen vortrag halten!


schloss thun, so greifbar nahe in meinen händen, wurde an die stadt verkauft (foto: schlossgeist)

der thuner schlosskauf …

man wusste es: bei einem “ja” in der volksabstimmung werden die 27 amtsbezirke (ehemalige landvogteien resp. napoléonische verwaltungsbezirke) der kantons bern auf 10 reduziert. zahlreiche regierungsstatthalter werden dann einen neuen job suchen müssen, und eben so viele schlösser, bisher ihre sitze, werden zu haben sein.

am sonntag war es dann soweit: die vorlage ging glatt durch. interessiert hatte ich mich für das schloss thun. mein angebote: ich halte in thun einen vortrag über adrian von bubenbergs bernische und burgundische wurzeln, erweitere das zu einer eigentlichen serie von vorträgen zur thuner heimatkunde und mache regelmässige stadtwanderungen in der oberländer-metropole. meine honorare investiere ich in den kauf des schlosses thun, von dem aus ich inskünftig meine burgund-, kantonbern-, stadtbern und stadtthun touren plane …

nun ist mein objekt der begierde schon weg. die stadt thun “ihr” schloss selber gekauft. 3,4 mio franken hat sie hingeblättert, – ich verstehe, dass der hochverschuldete kanton fast nicht nein sagen konnte. mein angebot war doch um einiges kleiner.

… und meine morgige revanche

nett ist das aber nicht von der stadt thun! also werde ich mich revanchieren und direkt in die thuner politik und geschichte einmischen: neues fussballstadion und das thuner politforum im schnittfeld von medien und behörden bieten mir willkommene anlässe hierzu. auftakt ist aber mein morgiger vortrag, – der ausgerechnet in thun stattfindet!

eine ungehaltene rede werde ich morgen in thun halten!

mein thema: “schlief adrian von bubenberg nach der schlacht von murten gut? unkonventionelle betrachtungen zu einem wendemoment der bernischen, eidgenössischen und burgundische geschichte.”

schön aufs glatteis führen werde ich das die militärfreunde, eidgenössischen patrioten, thuner lokalhelden, den ich werde mich outen, und meine burgundische herkunft beweisen, adrians zwiespalt als burgunder und berner aufzeigen, und das schwarz-weiss-denken der militärhistoriker kräftig aufweichen …

aktives mittelalter!thun

eingeladen bin ich von den veranstaltern mittelalter!thun. das ist ein junger verein mit vielseitigem programm. in diesem jahr haben sie schon zweimal das rathaus in beschlag genommen und konzerte durchgeführt. bis ende jahr lädt er das tanzfreudige publikum mehrfach zu mittelalter-discos (?!) ein. gegen ende jahr erwartet die fans
mittelalterlicher musik ein weiterer leckerbissen: die virtuosen
musikerinnen und musiker von “Faun” spielen unplugged im rittersaal des
thuner schlosses. dazu liest der historiker-kollege christian folini
mittelalterliche geistergeschichten.

selber trete ich beim “Fulehung” (fauler hund) auf, der beim thuner “Ausschiesset” eine zentrale rolle spielt. ursprünglich war er der hofnarr bei karl dem kühnen. laut sage konnten die tapferen thuner ihn fangen, und halten ihn immer noch irgend wo im schloss versteckt. selbst der stern im thunerwappen geht auf mein vortragsthema zurück: bei der schlacht von murten kämpften die thuner truppen so erfolgreich, dass der staate bern ihren einsatz mit dem stern im banner belohnte.

schade nur, dass der kanton bern meinen einsatz beim stadtwandern, beim burgunderblut-auffrischen und beim historischen bewusstseinsfördern nicht mit einem kleinen schloss belohnen wollte …

(ungehaltener) stadtwanderer

mein nevö

nevö? das wort ist heute ungebräuchlich. korrekt würde man es “nevoeu” schreiben. damit meinte man bis ins 20. jahrhundert die kinder der geschwister. heute ist für diese kinder männlichen geschlechts “neffe” üblicher, für solche weiblichen “nichte.” und nun, nach der langen vorrede die pointe: der stadtwanderer hat einen nevö erhalten. er heisst www.kommunikationsblog.ch .


communication, wallpaper by isabel cardinal

die verwandtschaft zum “stadtwanderer” zeigt sich schon am layout. da ist unzweifelbar mein bruder am werk gewesen. doch es ist nicht des stadtwanderers zwilingsbruder, der da bloggt, sondern dessen söhne und töchter. es sind die projektleiter vom forschungsinstitut gfs.bern, dem ich verschiedenartig verbunden bin, die kommunikationsblog.ch betreiben.

ganz schön zur sache gehen die neulinge der szene in den ersten beiträgen, die seit sonntag erschienen sind:

. Kritik ohne Rückfrage! Die NZZ und ihr Chef-Anti-Demoskop aus der Redaktion wissen selbst alles besser, deshalb greifen sie Umfragen regelmässig an. Das ist schade, denn in der NZZ-Redaktion hat es Menschen, die viel wissen über die Meinungsbildung bei Abstimmungen. Dank den Modellen und Umfragen von …

. Heute keine Umfrage! Zu allerlei Themen grassiert die Umfragewut. Umfragen sind oft nicht zielführend und schlechte Umfragen verleiten zu Fehlschlüssen.

. Heute keine News! Der “Flugs-Journalsimus” grassiert. “heute” fischt im seichten und klaren Wasser, zieht entsprechend keine Beute an Land und spitzt darauf basierend weil die Informationsbeute fehlt einzig den eigenen ausgeworfenen Angelhaken zu.

. Heute Hochrechnung! Die Hochrechnung ist eine von gfs.bern entwickelte Methode und war am 24. September 2006 zum wiederholten Mal sehr präzise. Das Institut stellt damit seine Leistungsfähigkeit unter Zeitdruck unter Beweis und zeigt unser Verständnis einer Kombination aus einem guten Produkt und dessen öffentlicher Kommunikation davon..

meine geneigte leserschaft merkt die unterschiede sofort: grammatikalisch ist der/das kommunikationsblog konventioneller. sprachlicher ist er/es direkter und sachbezogener, und thematisch ist er/es natürlich ganz in der gegenwart, allenfalls in der jüngsten vorvergangenheit oder dem futurum I angesiedelt. historische exkurse, burgundische kulturen und bernischer alltag sind auf dem kommunikationsblog.ch denn auch nicht zu erwarten.

vielmehr wollen die autorInneen, lukas golder, urs bieri und monia äbersold (alle megamässig jünger als ich) regelmässig über politische (und andere) kommunikation schreiben, sich zu demoskopischen instrumenten äussern, über veranstaltungen der sozialforschung berichten und kommunikationswissenschaftliche literatur bekannt machen. ein bisschen eigenwerbung werden sie sich machen wollen, aber auch jene menge klatsch&trasch aus dem gfs.bern wird in aussicht gestellt.

anlass soll jeweils sein, was die junge crew an überraschendem, interessantem und missverständlichen in allen formen der kommunikation vom gerücht bis zur medienmitteilung in ihrem eigenen alltag erlebt.

wer weiss, vielleicht schreibe ich auch mal eine gastkolumne. vorerst schaue ich meinem nevö gebannt zu, wir er aufwächst und wie er sich macht in der blogosphäre!

stadtwanderer