mit adrian von bubenberg duzis gemacht

am morgen fahre ich mit dem poschi in die stadt bern. ich steige beim city west aus. normalerweise gehe ich beim glatz am hirschengraben einrn cafe haben. von dort sind es nur noch ein paar schritte bis in mein büro. doch diese führen am denkmal von adrian von bubenberg vorbei.


tatort rathaus thun (foto: stadtwanderer, anclickbar)

das aufkeimende bouquet

seit jahren mache ich diese morgentour. am anfang war ich sehr ehrfürchtig, wenn ich ins blickfeld des alten schultheissen geriet. später wurde ich mutiger, schaute ihn gar an. bis ich ihm schliesslich eine rotzfreche frage stellt: “was soll dieser blick? ich bin nicht dein leibeigener!”

adrian von bubenberg schüttelte kopf. er schien zu sagen: “ich bin nicht der, für den du mich hälst. ich bin nicht einfach der schlachtensieger von murten. ich bin viel geheimnisvoller. ergründe mich!”

von so viel aristokratischem selbstbewusstsein liess ich mich nicht beeindrucken. vorerst jedenfalls. dann aber begann ich zu suchen, zu lesen und zu staunen: adrian von bubenberg, ein berner burgunder? wie soll ich das verstehen? der hat doch mit seinen bernern die burgunder besiegt? war das ein schlachtensieg wider willen?

ich begann meine lesefrüchte zusammenzufassen, und sie adrian von bubenberg in stillen minuten vorzulesen. ich wollte wissen, wer er war, und ich wollte wissen, was er meinte, wenn ich über ihn schrieb. so sind wir uns näher gekommen. morgen für morgen, schritt für schritt. zwischenzeitlich verstehen wir uns ganz gut. klar, er ist konservativer als ich, und ich bin jünger als er. das macht aber nichts. manchmal sind wir ernst, wie adelige vor der entscheidenden schlacht. doch dann lachen wir wieder, wie katholiken.

jüngst hat mir adrian von bubenberg das duzis angebote. “ja”, hab ich gesagt, “ich bin der stadtwanderer, und du, du bist dann der adrian.” sogar angestossen haben wir miteinander. mit einem blauburgunder!


mit spitzer zunge alte geschichten neu interpretiert (foto: stadtwanderer, anclickbar)

anhaltend vollmundig

so habe ich heute mein referat in thun begonnen. dann habe ich kräftig zugelegt. die schlacht von murten ging wie ein film an uns vorbei. die vorgeschichte, in grandson, der zweite anlauf der burgunder, direkt auf murten, die besetzung der kleinstadt durch adrian, die belagerung durch karl den kühnen, und der aufmarsch des entsatzheeres im wald von lurtigen. das schlachtgeschehen, das ich 1977 im rahmen meiner rs nachspielen musste, purzelte nur so aus mir heraus: das feld von salvenach lag vor mir, der grünhag wurde gedanklich sichtbar, der überraschungcoup der innerschweizer beim burggraben, ein erlebnis wie ein kinderspiel, die überrumpelung der burgunder, als ob nichts gewesen wäre, und dann, dann der sturm auf murten. selbst das schreckliche gemetzel in meyriez am murtensee habe ich nicht ausgelassen.

wer meinte, ich würde nun als militärhistoriker enden, der sah sich getäuscht. das war nur das vorspiel. jetzt ging es erst richtig zur sache. der schlachtensieger auf eidgenössischer seite, adrian von bubenberg, war der jugendfreund von karl dem kühnen! selber verstand er sich als politischer anführer der burgunderpartei in bern. als ritter von spiez residierte er zudem auf einem der burgundischen königssitze aus zeiten von könig rudolf und königin berta. den burgunderkrieg mit den herzögen aus dijon wollte er nicht. er versuchte ihn im bernischen kleinrat zu verhindern.

deshalb wurde adrian gestürzt.

die franzosenpartei, angeführt von niklaus von diesbach, übernahm die macht im bernischen kleinrat. dessen vater war durch den tuchhandel mit den europäischen königshöfen reich geworden; nobilisiert wurde die familie durch titelkauf. in die bernische politik ist sie dann eingestiegen. kräftig aufgemischt haben sie die feudalen verhältnisse. mit den habsburgern haben sie den frieden gesucht und gefunden. mit frankreich haben sie dann einen neutralitätspakt geschlossen. doch das war nicht nur staatsmännisches handeln. es war die vorbereitung zum krieg gegen die herzöge von burgund.

als sich der gestürzte adrian nach spiez zurückgezogen hatte, erklärte bern dem hause savoyen den krieg, eroberte grosse teile der heutigen waadt ein erstes mal, war rücksichtslos gegen mann, frau und kind. die romands wissen rechnen ihnen das heute noch auf. doch dann kam die katastrophe: niklaus von diesbach erlag den kriegsverletzungen, die er sich in blamont, im jura zugezogen hatte.

bern war im selbst gewollten krieg, und der stadtstaat hatte von einem tag auf den anderen keinen politisch-militärischen anführer mehr.

in dieser heiklen lage wandte man sich erneut an adrian von bubenberg. der liess sich bitten, kam nach bern und organisierte die bernischen truppen. in grandson wurden die anrückenden truppen des burgundischen heeres lautstark erschreckt, aber nicht besiegt. diese sammelten sich in lausanne und griffen nun murten an. adrian blieb nichts anderes übrig, als die exponierte stadt zu besetzem, um ein direktes vorrücken der burgunder auf bern zu verhindern.

patriotisch genug, bekämpfte er karl den kühnen. und militär beschlagen, besiegte er ihn auch. für den kaiseraspirant war das eine schreckliche niederlage, die nur noch durch die entscheidungsschlacht vor den toren von nancy gesteigert wurde! ausgeträumt war der traum von einem burgunder auf dem kaiserthron …

adrian wurde nach der murtemer schlacht erneut schultheiss von bern. den feldzug gegen karl in nancy verurteilte er. als diplomat war er bemüht, den schaden, den die berner kaufleute mit ihrem krieg gegen savoyen und burgund angerichtet hatten, so klein wie möglich zu halten.


thun, während des vortrages (foto: stadtwanderer, anclickbar)

nachdenklich im abgang

adrian wusste um seine eigenen burgundischen wurzeln. sie rühren aus der zeit des burgundischen königreiches, das von 888 bis 1032 ein selbstständiges regnum war, das von arles bis dijon, aber auch bis bern reichte. die burgundische tradition war hier schrittweise zerfallen, aber nie ganz vergessen gegangen. die zähringer wussten darum, sie waren die vizekönige von burgund. und auch den habsburgern waren die zusammenhänge bewusst. der alte rudolf ehelichte die junge isabell von burgund, um hand auf das untergegangenen königreich legen zu können. selbst die staufer und die luxemburger griffen, als sie auf dem kaiserstuhl sassen, immer wieder nach der burgundischen königskrone, und suchten sich bei den herzögen von savoyen oder bei der burgundischen eidgenossenschaft berns zu stärken. bern war in seiner gründungszeit ein adeliger stützpunkt in burgund. noch 1375 nannte man bern die krone burgunds.

adrian von bubenberg war der schlachtensieger in bern. er hat damit den durchbruch zur verfassten eidgenossenschaft massgeblich vorbereitet. das ist seine bleibende tat. er hat aber auch die burgundische tradition in uns mit seinem schlachtensieg ausgelöscht. das ist sein schicksal.

schlief adrian von bubenberg nach der schlacht von murten gut? war meine rhetorisch gemeinte einstiegsfrage heute abend.

sicher war er müde und froh, am abend des 22. juli für ein paar stunden zu schlafen. sicher fühlte er, wie er seine vaterstadt gerettet hatte. das alles spricht für einen guten schlaf. sicher wurde ihm aber mit der schlacht bewusst, dass er seine eigene herkunft, seine tradition, seine partei mit dem krieg wider willen verraten und zerstört hatte. ohne zweifel musste das in ihm gewissenbisse hinterlassen haben, und das spricht dafür, dass er schlecht geschlafen hat.

merci, “mittelalter!thun”, ich wollte immer schon für thun etwas gutes tun. ihr habt mir eine tolle möglichkeit geboten, das nun einzulösen. 111 nasen, die sich in thun für den schlaf von adrian von bubenberg interessieren, erachte ich als kleinen erfolg für euren jungen verein, – und als beweis, dass das interesse an burgund in uns weiter lebt!

tschüss, ich gehe jetzt selber schlafen … hoffentlich gut!

stadtwanderer

und hier die vortragsunterlagen:

schlief adrian von bubenberg nach der schlacht von murten gut?

ich danke drei autoren für die erhellenden einblicke bei meiner vorbereitung:

volker reinhard: geschichte der schweiz, münchen 2006
stif förster; markus pöhlmann, dierk walter: schlachten der weltgeschichte. von salmis bis sinai, münchen 2003, 3. auflage
hans-rudolf fuhrer (hg.): burgunderkriege. dokumentation, militärgeschichte zum anfassen, au 2003, 4. auflage

und hier der bericht im thuner tagblatt.