felix austria

gratulation dem glücklichen österreich! immer am 26. oktober zelebriert es seinen nationalfeiertag. erinnert wird damit an die aufnahme der österreichischen neutralität in die bundesverfassung, – just einen tag nachdem die besatzungsmächte des zweiten weltkrieges das land nach 10 jahren herrschaft auf friedlicher basis und vertraglich zugesichert verlassen hatten. der stadtwanderer hat, wie jedes jahr, zu diesem anlass die österreichische botschaft besucht, und sich ein wenig umgehört und umgeschaut. hier sein tatsachenbericht!

der östereichische nationalfeiertag in bern

2005 war die kolonne vor der botschaft deutlich länger. selbst nach zwei stunden stand man da noch bis weit auf die kirchenfeldstrasse hinaus an. doch auch zur 50. wiederholung eben dieses nationalfeiertags ging es bei botschafter doktor aurel saupe und seiner frau angelika zu und her. jedermann und jedefrau wird förmlich korrekt begrüsst, doch nur, wenn man sich vorher ins gästebuch der republik eingetragen hat. und dann ist man frei, sich an der party zu amüsieren.


zu viele leute, zu feine getränke, zu kleine häppchen!

wie immer, hat es zu viele leute, gibt es zu feine getränke, zu kleine häppchen, aber den unverwechselbaren ewiggrossen small talk. botschaftssekretär desser, der mit einer brasilianierin verheiratet ist, geht andern tag auf urlaub. o-ton: “über all wird gespart, doch beim urlaub getraut sich nicht einmal die sich abzeichnende grosse koalition in wien hand anzulegen.” und sein chef doppelt nach: “spannend ist im november nicht nur in der schweiz, mit der osthilfe. spannend wirds auch in wien, mit der der regierungsbildung. man lasse sich überraschen, in bern und in wien.” dass die osthilfe abgelehnt werde, hoffen man nicht, genauso wenig wie, dass aussenministerin plassnik die neue bundesregierung nicht mehr überragend werde: erstens mache sie gute arbeit, sagen sekretär und botschafter über ihre chefin; sie haben sich deshalb auch für eine weitere amtszeit empfohlen. und zweitens bleibt sie 1,91 m gross, denkt sich der stadtwanderer. der war, als frau plassnik noch botschafterin in bern war, mal bei ihr eingeladen. im garten hat sie ihn empfangen. ausgerechnet auf der mauer stehend, welche die treppe zum rasen abgrenzt: riesig kam sie dem kleinen schweizer vor, und erst noch von oben bis unten in knallorange gekleidet, war sie. nicht ohne dass auch die turnschube von dieser farbe gewesen wären!

der diplomatische empfang

die sitten am nationalfeiertag sind diplomatischer: die herren in schwarz gekleidet, die militärattachées in ausgangsvollmontur, und die damen meist elegant, von dezent bis extravagant ist aber alles zu sehen. enstprechend sind auch die kommentare zur schweiz. so der zweite sekretär der grand nation, wenn er berichtet, wie er über den türkeibesuch von justizminister blocher berichtete, als frankreich gerade unter dem eindruck einer gesetzgebung gegen den genozid an den armeniern stand. man habe vor allem la divergence des cultures politiques kommentiert, die in der behandlung der gleichen frage aufgeschimmert sei, und die schweiz sei in budapest, wo sie durch bundespräsident moritz … leuenberger vertreten war, schon mal direkt auf das thema und seine behandlung angesprochen worden. in bern zu arbeiten sei aber immer spannend, toujours les référendums, mit den erläuterungen des bundesrates an das volk, très pédagogique!, wird das gastland gelobt.


englischer rasen für europäische und fussballerische diplomatie!

erzählen liesse sich noch vieles, was an so einem abend alles gesagt, erwogen und verworfen wurde. der stadtwanderer hat aber nicht alles aufgeschnappt, und einiges davon auch gleich wieder vergessen. denn er hat sich im garten der residenz umgesehen: wunderbar, das gemäuer des hauses aus dem 16. jahrhundert, das dach noch ein wenig burgundisch, der garten stilvoll englisch, und der angrenzende wald bernisch, wie im tierparkquartier üblich. gut leben lässt sich hier, denkt er sich, und fragt sich schon mal, ob hier demnächst die eu-politik der schweiz gemacht werde, wenn die vertretung der europäischen union in bern eröffnet und mit einem österreichischen diplomaten besetzt sein wird. sicher, denkt er sich, das weiss man seit dem staatsbesuch von bundespräsident fischer, über den er ja auch bericht hat. doch dann leitet der grüne rasen nahtlos zum fussball über: der präsident vom schweizerischer fussballverband, ralph zloczower (was ich mir immer nur in anlehnung an game over merken kann), fast ebenso so lang wie frau plassnik, ist auch im garten, um die guten beziehungen zum fussballnachbar zu pflegen, mit dem man bald europameisterlich sein wird. ansonsten fällt jedoch auf, wie wenig schweizerinnen und schweizer am heutigen tag in der österreichischen botschaft anwesend sind.

das unverwechselbare wiener schnitzel

der stadtwanderer und seine stadtwandererin beschliessen zudem, denn österreichischen nationalfeiertag auf ihre art zu beende. sie verabschieden sich bei den gastgebern saupe, und machen sich zum soupe ins restaurant frohegg auf. da gibt zwei tolle wiener schnitzel, ganz frisch, ganz dünn und ganz fein gebacken. unvergessene erinnerung an die regelmässigen wien aufenthalte, mit dem obligaten abstrecher in die gösser bierklinik, tauchen da schon mal auf.


unvergessene erinnerung an die gösser bierklinik in wien!

in ihrem news-system sehen sie dann noch, dass es in österreich unvermindert keine regierung gibt, der bundespräsident aber die höchstwahrscheinlichkeit einer neuen grossen koalition ankündigt hat. damit überraschte er die medienschar nicht besonders heftig, aber gesagt ist gesagt. überraschen tut an diesem abend dafür ehepaar grasser-swarovski. er, noch-finanzminister der regierung schüssel, die kommissarisch bis zu ihrer ablöse regierung spielt, und seine fiona, die juwelen-erbin und unternehmerin, mit absteige in bern sind für das highlight besorgt: beide wären sie an diesem tag – beinahe! – entführt worden, von einer rumänischen kriminellenband, weiss der orf zu berichten. doch der staatsschutz war schneller, soko-innsbruck ermittelte wieder erfolgreich, und vereitelte den coup. dem strahlepaar aus wiener gereichte die meldung indessen im besten moment zu einer unverhofften schlagzeile.

“felix austria!”, sagt sich da der stadtwanderer, “das hat sich gut ausgelassen, heut abend”, und versinkt glücklich in in sein eigenes bett.

stadtwanderer

mein 1968

1968 – da war ich 11 jahr alt. und mega sportbegeistert. das hat mich politisiert. auf meine ganz bestimmte art und weise. daraus ist mein ’68 – und genau 38 jahre her!

der unverstandene protest

selber war ich ein mässig guter läufer, wenig ausdauernd, denn mein husten aus der kindheit plagte mich vor allem im winter. aber ich war einigermassen schnell. und reaktionsstark. das prädestinierte mich zum sprinter. für ein paar medaillen als junger leichtathlet sollte es in den folgenden jahren reichen.

im oktober 1968 hatte ich nur einen wunsch: mir meine ersten olympischen sommerspiele am fernsehen ansehen zu können. ich verfolgte schon vorher über zeitungen die die sprinter aus den usa, die hürdler aus cuba und die mittelstreckler aus kenia. sie waren meine ersten stars.

warum die studenten in mexico kurz vor der eröffnung der spiele demonstrierten, verstand ich nicht. umso mehr ärgerte ich mich über ihre gewalttätigkeiten. genauso wenig wie ich, duldete die polizei den aufstand der strasse nicht. sie schlug in tlatelolco brutal zu und erschoss zahlreiche studenten. wie der mexikanische präsident war ich froh, dass die spiele termingerecht am 12. oktober 1968 beginnen konnten.

das sportliche vorbild

ich wurde in diesem unvergesslichen oktober 1968 voll bedient: 100 m mit dem sieg von jim hines in der weltrekordzeit von 9,94; 400 m mit dem sieg von lee evans in der weltrekordzeit von 43,8; und dann die 200 m, meine strecke: sieg von tommie smith mit dem fabulösen weltrekord von genau 19,83. damit wurde er der schnelleste mensch auf allen strecken überhaupt.

die fakten, die zahlen, die sieger prägten mich: mit tommie smith hatte ich ein faszinierenden vorbild gewonnen. 1,91 war er gross, 84 kilo war er schwer, und 2,8 meter mass seine schrittlänge, wenn er in fahrt kam. das alles konnte ich auswendig, selbst wenn mir dabei auch bewusst wurde, nie ein solcher modellathlet zu werden!

der verstandene protest

doch dann kam der schock: gemeinsam mit john carlos, dem dritten im olypmischen 200 m final, erhob tommie smith die schwarz bandagierte faust zur us-amerikanischen nationalhymne. noch heute läuft es mir kalt den rücken hinunter, wenn ich mich an den 17. oktober 1968 zurück erinnere.

dann ging alles schnell: noch während der siegeszeremonie wurden die beiden us-sprinter aus der amerikanischen mannschaft ausgeschlossen! mein held, von bekloppten ami-sportfunktionären in die wüste geschickt! wie konnte man nur!, musste ich wissen.

aber ich bekam keine antwort. sicher hat mein amerika-bild damals schweren schaden genommen; sicher bin ich seither schlecht zu sprechen, wenn ich nur schon das wort “funktionär” höre.

aber ich weiss, dass ich in sekundenschnelle begriff, was soziale ungerechtigkeit ist, und wie nationalstolz und sozialer zorn zusammen hängen. denn diese siegerehrung hat mich politisiert. mit sympathien für benachteiligte gruppen. und der ausschluss hat mich scokciert, mit antipathie für sturheit, überlegenheit und rassismus. dass tommie smith am letzten tag der spiele – heute vor 38 jahren – auch noch auf lebzeiten für olympische spiele gesperrt wurde, gab mit den rest.

der sportsmann des jahrtausends

ein vorbild ist er geblieben, dieser tommie smith. mein 68er idol. gesehen habe ich ihn nie. verfolgt habe ich seinen werdegang schon. soziologie studierte er nach dem tiefen fall, um zu verstehen, was ihm angetan wurde. bis zum professor am santa monica college stieg er auf. das hat sogar mich bewegt. wie er, wollte ich soziologie studieren, um zu verstehen, was falsch gelaufen ist, wenn soziale proteste ausbrechen.

1978 begann die rehabilitierung von tommie mit der aufnahme in die amerikanische “hall of fame” der leichtathlektik, und 1999 erreichte sie mit der verleihung des titels “Sportsman of the Millennium Award” ihren höhepunkt erreichte.

eben, ein vorbild, nein, mein vorbild, seit den berüchtigten oktobertagen des jahres ’68.

stadtwanderer

Röschti-Brücke

tja, folgende zuschrift habe ich auf meinen artikel zum röschtigraben erhalten. von einer person, die unbedingt anonym bleiben will. der beitrag ist aber so stark, dass ich ihn nicht nur als “comment” bringen möchte, sondern gleich als eigenen “gastbeitrag”. die bilder sind von mir ergänzt.


alte Darstellung des Viaduktes von Grandfey, erbaut zwischen 1857 und 1862 (foto: museum für geschichte und kunst, freiburg i.ü.)

“Der Viadukt von Grandfey ist schon technisch ein Meisterwerk. Er wurde kurz nach der Gründung der Schweiz gebaut. Er erschliesst das Uechtland für den Zugverkehr, denn er verbindet Freiburg mit Bern. Ohne die gewaltige Bürcke würde es keine so direkte Verbindung vom Lac Léman an den Bodesee geben.
Die Brücke ist 333 Meter lang, und über 80er Meter hoch. Sie musste nur einmal ganz überholt werden. Sie bietet auch Fussgängern und Velofahrern einen geschützten Durchgang.
Davon sollte man mehr sprechen, statt immer vom Röschtigraben. Denn die Brücke verbindet über die Sprachgrenze. Sie ist eine richtige eidgenössische Tat.
Unbekannter Gesamtschweizer”


geschützer durchgang auch für den einfachen landverkehr über die röschtibrücke (foto: gemeinde düdingen)

da sag ich als ehemaliger freiburger nur noch: herzlichen dank, hätte schon längst selber auf die idee kommen können!
stadtwanderer

rideau de roesti – röschtigraben

fast kein abstimmungswochenende vergeht, ohne dass die frage nach den sprachkulturellen unterschieden in den abstimmungsergebnissen gestellt wird. eine ausstellung des bieler museums schwab geht nun den vielfältigen erscheinungsweisen, aber auch den tieferen ursachen des röschtigrabens nach, – bleibt aber auf halbem weg stehen. ein report von der vernissage.


hochgespielt: den “röschtgraben” kann man nicht mal übersetzen, den auf französisch sei er ein vorhang, le rideau de rösti, suggeriert die ausstellung

die problematik

die kultur der modernen direkten demokratie in der schweiz entwickelte sich in den letzten 175 jahren auf kantonaler und nationaler ebene schrittweise. sie ist historisch gesehen “jung”. die kultur des eidgenössischen bewusstseins entstand seit dem 14. jahrhundert mit dem starken hang zu regionaler autonomie. geschichtlich betrachtet ist sie von “mittlerem” alter. die grundlagen aber, die sich an einem abstimmungstag mit sprachregionalen gräben äussern, sind allesamt älter: sie stammen aus der konfrontation von gallo- resp. raetoromanischer und germanischer kultur, die im 5. bis 7. jahrhundert begann und bis heute dauert.

am ende der römischen herrschaft auf dem gebiet der heutigen schweiz, an der wende vom 4. zum 5. jahrhundert, wanderten nacheinander burgunder, alemannen und langobarden ein. sie integrierten sich sehr unterschiedlich in die vorherrschende römisch-keltisch resp. römisch-raetische kultur. bei den burgunden kam dies einem recht raschen aufgabe des germanentums zugunsten der römischen tradition gleich. bei den langobarden verlief der prozess viel langsamer, aber weitgehend vollständig. nur bei den alemannen versagte fast vollständig. sie entwickelten sich in opposition zur mediteran-lateinischen welt weiter.

doch genau diese alemannische kultur ist die basis, auf der die alte eidgenossenschaft im spätmittelalter entstand: als rechtsform, um den lokalen handel auf nicht-adelige art und weise zu sichern, als stadt- und landkultur, die es so nur in der reichsprovinz gab, als militärischer zweckverband, nicht als politischer staat und später als selbstverständnis der protestantischen zentrem gegen die katholischen umländer. doch die herrschaft der alten eidgenossenschaft beschränkte sich nicht nur auf die deutschsprachigen gebiete. sie erstreckte sich auch auf teile jener regionen, die sich in der französischen resp. italienischen kultur entwickelt hatten, hielt sie jedoch als untertanengebiete.

erst mit dem fall der alten eidgenossenschaft unter französisch revolutionärem druck entwickelte sich das selbtverständnis der mehrsprachigen schweiz, das ein produkt des frühen 19. jahrhundert ist und von der freisinnigen grossfamilie im modernen bundesstaat als eine der unverwechselbaren identitäten des sonderfall schweiz gepflegt wurde. mit dem zerfall der fdp seit den 90er jahren des 20. jahrhunderts wieder zum problem wurde.


relativiert: der röstigraben vor dem hintergrund der weltpolitik, karikatur aus der ausstellung

die einladung

ein perfekt zweisprachiges buch von laurent flütsch, das als katalog des musée romain de lausanne-vidy entstanden ist, und den titel „rideau de rösti – röschtigraben“ trägt, geht genau diesem problem mit vielfältigen zeugen ihrer zeit nach:

. zunächst mit karikaturen, die fast alle aus der gegenwart stammen, das heisst, die publizistische verarbeitung rideaus de rösti namentlich in der romandie vorführen,
. dann mit volkskundlichen übersichten, speziell aus den 50er jahren des 20. jahrhunderts, die eine bilanz der alltagskultur dies- und jenseits des saane/sarine ziehen,
. ferner mit ein paar exzerpten aus der zeit des jungen bundesstaates, die den aufbau und zerfall zeitgenössischer eidgenössischer kultur am beispiel des frankens positiv und des ersten weltkrieges negativ aufzeigen, und
. und schliesslich mit archäologischer funden aus der zeit vor der kartoffel, die sich speziell mit der regionalen verbreitung von töpferwaren, alltagskleidern und beschäftigen.

momentan zu sehen ist die wanderausstellung, die auf dem buch flütschs basiert, in der zweisprachigen stadt biel/bienne, genauer gesagt im dortigen museum schwab. sie wurde am wochenende eröffnet und bietet den interessierten verschiedene zugänge zum gleichlautenden polit-kulinarischen thema: einmal als quiz im eingang, das sich mit der entwicklung des bilinguaalismus in der uhrenmetropole beschäftigt, vor allem aber als führung durch den (engen) röschtigraben, sinnbildlich als furche in der landschaft dargestellt: links bekommt man jeweils die französischsprachige perspektive vorgeführt, und rechts kann man sich das gleiche aus deutschschweizericher optik ansehen. der trick der ausstellung dabei ist verblüffend: es beginnt nur vordergründig mit den verschiedenen sprachen, es endet am schluss einer jede erläuterung bei der sichtweise der anderen sprachregion. das verbindet, wo auch immer man anfängt!

selber habe ich mich als freiburger mehrfach in dieser ausstellung wieder gefunden. manchmal habe ich mit über meine eigenen unkenntnissen gewundert. so beim alemannischen grittibänz, den es bis in die frühe nachkriegszeit in der romandie nicht gab, und der als beleg für eine eher barbarische kultur der alemannen vorgeführt wird; so beim arbeitsverkehr, der in der lateinischen schweiz signifikant höher mit dem privatwagen geleistet wird, und als zeichen des materialistischen bewusstseins in der romandie gilt; und so bei der nusstorte und dem birewegge, die, wie mir nicht präsent war, ihre ursprünge in den verschiedenen sprachregionen haben. besonders angesprochen gefühlt habe ich mich als historiker aber, als es in der ausstellung die vorgeschichte der sprachregionen ging, den zahlreichen wanderbewegungen, aus denen im schweizerischen mittelland seit langem ein gemisch aus verbindenden und trennenden alltagskulturen entstanden sind.


perfekt bilingue: der ausstellungskatalog der edition infolio

die bewertung

trotz diesem lob für das spezielle projekt, sei mir eine enttäuschung am ende der ausstellung und der buchlektüre erlaubt: eine durchgehende geschichte der beziehungen zwischen den räumen, die heute zentral zur schweiz, europäisch gesehen aber immer zu den rändern verschiedener grosskulturen gehörten, bekommt man leider nicht. nur zu gerne hätte man am schluss der vorführung eine erläuternde übersicht über die 7500 jahren nachbarschaft, die in der ausstellung und im buch angesprochen werden, die einem die wechselhaften phasen des zusammenlebens mit höhen und tiefen sichtbar gemacht hätte.

sicher wäre es hierfür nötig gewesen, die zeit vom 8. bis 18. jahrhundert nach christus, die weitgehend ausgeblendet wird, mehr informationen und eindrücke vermittelt zu erhalten. denn genau in dieser zeit vollzieht sich die unterschiedliche ethnisierung der mittellandgesellschaft, beginnt die ausbildung der sprachgebiete und setzt ihre verfestigung durch kirchen, staat, schulen und medien ein, bis napoléon dem anachronimus der deutschschweizerischen herrschaft über „die lateiner“ ein jähes ende bereitete.

damit bleibt die zentrale frage offen, was denn, trotz des evidenten röschtigrabens, die schweiz bis heute zusammenhält? ist es die immerwährende herrschaft über die alpen? sind es die verdienstmöglichkeiten vom soldwesen von damals bis zum bankenplatz von heute? oder ist es die drohende marginalisierung der drei randregionen, wenn sie in ihren umliegenden sprachkulturen aufgehen würden?

vielleicht ergibt sich die antwort hierauf auch nicht intellektuell. dann wäre die ausstellung nur der magnet, um anschliessend in die stadt biel/bienne zu gehen, gleihc zwei restaurants zu besuchen, das eine mal eine rösti, angerührt mit öl, das andere mal eine röschti, gemacht mit butter, zu bestellen, und sich mit der jeweiligen bevölkerung in seiner und ihrer sprache über das zusammenleben am berühmten vorhang/graben zu unterhalten. denn auch das bildet!

stadtwanderer

biel/bienner ausstellung

ausstellungskatalog:
laurent flütsch: rideau de rösti – röschtigraben. infolio édition CH, gollion 2006, 2. auflage.

bestelladresse

ende formel ohne ende

ausgerechnet! ich, der nicht auto fährt, dafür fleissig den oev benutzt, fahre jeden tag auf einer ehemaligen formeleinsrennstrecke. aber ich mache mir immer noch hoffnung auf das definitive ende der formel ohne ende!

mein arbeitsweg führt von hinterkappelen über die aare durch den berner bremgartenwald, die eymatt hinauf bis zur autobahneinfahrt, dann auf der alten murtenstrasse richtung bern, an der zentralwäscherei vorbei, bis zum güterbahnhof, und von da an geht’s unwiederruflich in die stadt.


schnell wie damals fährt man auch heute durch den bremgartenwald, – achtlos, selbst an totengedenktafeln vorbei (fotos: stadtwanderer)

das alles war bis am 22. august 1954 teil des bremgartenrings, der rennstrecke, auf der der „grand prix suisse“, das schweizerische formeleinsrennen, ausgertragen wurde. 20 jahre kurvten hier die schnellsten vierräder der welt, in umgekehrter richtung als ich heute, durch das stadtberner naherholungsgebiet. start/ziel war bei der zentralwäscherei, und von da ging es mir vier grossen rechtskurven rund um den “bremer”, bis man auf pflastersteinen über die 1000 meter lange zielgerade flitzte.

am 11. juni 1955 kam das ende für die formel 1 in der schweiz. im französischen le mans raste ein rennfahren über die piste hinaus und in die zuschauer. schreckliche bilanz des unfalls: 85 tote und weit über 100 verletzte. aus gründen der pietät verzichtete der verein „grosser preis der automobile und motorräder bern“ auf die durchführung des rundstreckenrennens im gleichen jahr. 1956 war es dann der berner regierungsrat, der das treiben vorläufig beendete und die bewilligung für den grand prix aussetzte. das definitive ende besiegelten schliesslich der national- und ständerat 1957 resp. 1958 im strassenverkehrsgesetz. sie sahen kein nationales interesse an autorennen, „weil wir in der schweiz keine personenauto mehr herstellen“, auf dem bremgartenring also nur ausländische marken konkurrieren können.

der crash von le mans löste in der schweiz eine teifgreifende gesellschaftliche diskussion aus. eröffente hatt sie am sonntag nach dem unglück der berner heiliggeistpfarrer robert morgenthaler: „denn siehe, der herr kommt gewaltig, und sein arm wir herrschen“, predigte er. hans zbinden, der philosophieleherer in bern, doppelte nach: „wenn wir nicht den mut aufbringen, auf solche art wirtschaftlicher belebung zu verzichten, und zu einer entartung, in der die technik missbraucht wird, nein zu sagen, bleibt das ganze gehabe um verkehrsmoral und verkehrserziehung bare heuchelei.“ Selbst die nzz schonte in dieser debatte nicht mit kritik; der züricher pfarrer karl zimmermann forderte die schweizer auf, „sich der dämonie des motors zu entziehen“, und warnte vor dem abgrund, an dem die moderne menschheit unter der einwirkung einer entfesselten technik stehe.


einfach gedenktafel für verunfallten autorennfahrer achille varzi der im jahre 1948 auf dem bremgartenring verstarb

auch bern kennt seine grand-prix-toten: 9 rennfahrer haben zwischen 1947 und 1954, als die geschwindigkeit schneller als die wagentechnik fortschritte machte, ihr leben auf dem bremgartenring gelassen. 44 personen wurden zudem teils schwer verletzt. an achille varzi, dem stilisten unter den rennfahrer der nachkriegszeit, der bei einem trainigslauf 1948 tödlich verunfallte, erinnert noch heute eine kleine gedenktafel unmittelbar an der strasse. wie die meisten passanten bin auch ich einige jahre lang achtlos mit dem poschi daran vorbeigefahren. bis ich dann einmal die strecke abmarschierte und merkte, wie nahe unser “le mans” eigentlich ist.

eigentlich wäre ich heute, wo die formel wieder ihr selbstgewähltes, aber nur vorläufiges ende hat, gerne mit ulrich giezendanner rund um den bremer gewandert. denn der aargauer svp nationalrat war es, der am 2004 forderte, die formel 1 in der schweiz wieder zuzulassen. sauber sei der sport heute, sicher zudem und wirtschaftlich mit grossen entwicklungspotenzial verbunden, waren seine argumente. doch der spaziergang mit dem transporteur vom dienst war nicht möglich; giezendanner weilt ferienhalber in kuba!

„ende für die formel ohne ende!“, bleibt auch so meine hoffnung zum tag.

stadtwanderer

tierisch kommunikativ

es muss ja nicht immer tierisch ernst zu und her gehen in einem blog. die themen der letzten tage waren ein hartes brot, ich weiss: the devil wears-prada verriss, der berner modefrauen- resp. twingherrenstreit gehörten aber in diese kategorie. zur erholung dafür ein paar schnappschüsse, aufgenommen in der berner altstadt an einem rosenstand. ein bisschen berner alltag also!


(fotos: stadtwanderer)

der hundedialog hat sich so abgespielt:

– hej, schau mal was es da hat (1).
– rosen? futter wäre mir lieber (2).
– mal schnuppern, vielleicht sind rosen doch gut (3).
– lass uns gehen, das ist nichts für uns (4).

einen schönen tag für weitere schnappschüsse
wünscht der

stadtwanderer

der berner twingherrenstreit (1470)

ganz bewusst habe ich die vorhergehende geschichte den “berner modefrauenstreit” genannt und nicht den “berner twingherrenstreit”. unter diesem namen wäre das gleiche ereignis von 1470 jedoch viel bekannter gewesen. aber eben: es fasst nur die hälfte der geschichte im titel zusammen. deshalb habe ich mit den unbekannteren teil begonnen, und schiebe jetzt noch den bekannteren nach.


gesellschaft zum distelzwang: 1470 der sammelort der edlen twingherren, bis heute eine leicht geheimnisvoller treffpunkt

twingherren: die schwindende macht der feudalherren im spätmittelalter

in der feudalen gesellschaft waren twingherren jene adeligen, welche die untertanen zu verschiedenen leistungen aufbieten – und im falle einer widerhandlung eine busse kassieren – konnten. dabei ging es um steuerleistungen, gerichtstage, kriegsdienste, waffenschauen und transportleistungen.

normalerweise waren das weltliche oder kirchliche herren auf dem lande: landgrafen oder freiherren auf der einen seite, klöster mit ihren abten oder prioren auf der anderen seite. doch in bern war das anders: die twingherren sassen in der stadt. sie hiessen von bubenberg, von scharnachtal und von diesbach. und sie waren mächtig, denn sie dominierten die politik des kleinen rates, der täglich über stadt und land regierte. in der regel war einer von ihnen auch schultheiss.

doch ihre macht schwand im 15. jahrhundert. der grosse rat strebte danach, die adeligen twingherren in die schranken zu weisen. im prozess der bildung geschlossener territorien, in dem man sich befand, sollten die rechte nicht mehr an persönliche bindungen, sondern an staatliche zugehörigkeiten gebunden werden.

dass bei den osternwahlen 1470 peter kistler gewählt werden konnte, hatte mit einer der typischen uneinigkeit im stadtadel zu tun: gleich vier edle kandidaten bewarben sich um das amt des stadtherren und nahmen sich so wechselseitig die stimmen weg. so war kistler, ebenfalls kandidat, aber aus den reihen des gewerbes, am 23. april 1470 der lachende fünfte.

die folgen kennen wir: mit dem kleidermandat suchte der grosse rat, der die wahl kistlers vorgenommen hatten, dem stadtadel noch eins auszuwischen. doch im hintergrund ging es aber um mehr: um die macht der stadt über das land, und um die verteilung eben dieser macht in der stadt. es standen sich das bürgertum und der stadtadel gegenüber. dieser beharrte auf die hergebrachten rechte, jener bestand auf neuen. der unübersichtliche verband des feudalstaates sollte vereinfacht werden: die stadt, nicht der adel sollte herrschen!

der stadtadel nahm die herausforderung voll auf. nicht nur während der messe im münster liess man die situation eskalieren. auch politisch legte man ein paar holzscheit zu: zuerst boykottierte der adel die ratssitzungen. dann drohte er mit der aufgabe des bürgerrechtes und dem wegzug aus bern. ferner übte er wirtschaftliche pressionen auf das handwerk aus, und schliesslich mobilisierte der landadel seine untertanen in der bauernschaft gegen das bürgertum. kistlers mannen ihrerseits waren bestrebt, den kleinen rat zu schwächen und den grossen rat zu stärken, übten sich in disziplinierter teilnahme an den ratssitzungen und pochten auf die einhaltung des mehrheitsprinzips, das ihne im grossen rat knapp zu recht verhalf.

stadtbürgertum: die kommende macht im frühneuzeitlichen territorialstaat

wer im berner twingherrenstreit wirklich gewann, war lange umstritten. klar war nur, dass das kleidermandat zurückgenommen wurde. ebenso klar war auch, dass die twingherren auf einen teil ihrer rechte verzichteten. doch in der gewichtung neigte man zwischen adeliger und bürgerlicher parteinahme.

den zeitgenossen blieb vor allem der triumphale einzug der zurückgeholten ritter in die stadt. sie galten als die eigentlichen sieger im machtkampf mit peter kistler. doch sie sollten sich schon bald in allianzfragen zerstreiten. ab 1471 stellten sie erneut den schultheiss, peter kistler erleichterten sie den abgang als schultheiss durch die aufnahme in die edle gesellschaft “zum distelzwang”.

der zurückgekehrte adel fand aber nicht zu seiner alten stellung zurück, denn die alten eliten um adrian von bubenberg, anhänger der burgunderpartei, waren substanziell auf die einnahmen aus den twingherrschaften angewiesen, während die neue eliten im stadtadel um wilhelm und niklaus von diesbach, welche die franzosenpartei anführten, vor allem vom fernhandel lebten, und die abtretung von rechten an die stadt besser verkrafteten.

aus heutiger sicht fällt denn die würdigung des twingherrenstreites von 1470 eindeutiger aus: roland gerber, der die soziologie der berner gesellschaft im 15. jahrhundert erforscht hat, kommt zu folgendem schluss der umwälzungen: “obwohl es in bern im unterschied zu den meisten grössereen städten oberdeutschlands und der heutigen schweiz bis zum ende des mittelalters zu keiner in der stadtverfassung garantierten beteiligung der zünfte an den ratswahlen kam, entwickelten sich diese auch in der aarestadt zu den sozialen, ökonomischen und politischen grundeinheiten der stadtgemeinden. in den vier vennergesellschaften und der von den adeligen twingherren gegründeten herrenzunft zum distelzwang sassen im 15. jahrhundert zahlreiche vermmögende ratsherren, die die zunftmitgliedschaft als ausgangspunkt für eine ämterlaufbahn innerhalb des regiments nutzten.” und diese führte in den grossen und in den kleinen rat, und nach der reformation als landvögte berns in eine der alten twingherrschaften: nun aber als abgesandte des staates bern!

der twingherren und frauenmodestreit: beginn der politischen theoriebildung

der ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle konflikt in der stadt bern, der 1470 aufschimmerte, hinterliess in der im 15. jahrhundert entstehenden geschichtsschreibung in bern einen tiefe spur: stadtschreiber thüring fricker verfasste eine nach allen regeln der rhetorischen kunst aufgebaute, selbst literarisch bedeutsame darstellung, nahm aber einseitig für die twingherren stellung. bendicht tschachtlan, der als chronist auf fricker folgte, korrigierte das bild und hob die argumente des bürgertums stärker hervor. diebold schilling schliesslich, der im letzten viertel des 15. jahrhunderts die offizielle stadtgeschichte schrieb, nahm die kritiken am adel wieder um einiges zurück.

die geschichtsschreibung, die in bern mit der chronik von conrad justinger 1420 begonnen hatte, wurde so zum politischen instrument. das blieb nicht ohne folge: thüring fricker entwickelte in seiner darstellung eine erste theorie des regierens im spätmittelalter, die den exemplarischen konflikt zwischen stadtadel und bürgertum im süden des zerfallenden heiligen römischen reiches beleuchtete!

“schein und sein”, “haute couture und hohe politik” “laufsteg und karriereleiter” waren schon im 15. jahrhundert eine symbiotische beziehung eingegangen, die man erst versteht, wenn man sich mode und politik, glamour und macht in verbindung ansieht.

stadtwanderer

der berner modefrauenstreit (1470)

bei den osternwahlen 1470 kam es in der stadt bern zum eklat: erstmals wurde mit peter kistler kein stadtadeliger, sondern ein bürgerlicher zum schultheissen gewählt, und eben dieser kistler schickte sich als erstes nach seiner wahl an, ein kleidermandat zu erlassen, dass schnabelschuhe und schleppen, modische distinktionsmerkmale des adels, kurzerhand verbot. doch der stadtadel holte zum gegenschlag aus, und demonstrierte im berner münster, mit langen schnabelschuhen und überbodenlangen schleppen, während der heiligen messe! der bericht zum berner modefrauenstreit von 1470.


1450er jahre: noch dominieren einfache frauenkleider das stadtbild

veränderungen der europapolitik

was nur war geschehen in der stadt bern? 1414 hatte der könig sigismund bern zum vollwertigen stand seines reiches gemacht, und nur ein jahr später forderte er diesen stand auf, gegen das verfeindete haus habsburg vorzugehen, und ihm die stammlande im aargau abzunehmen. erfolgreich, wie man weiss. bern war es auch, das nach der militärischen niederlage in st. jakob an der birs, gegen die französischen truppen der eidgenossenschaft 1452 einen freundschafts- und handelsvertrag mit frankreich schmackhaft machte, und so handel und soldwesen beförderte. 1467 vervollständigte die aufstrebende stadt ihr aussenpolitisches bündnissystem, indem sie mit freiburg, solothurn und zürich auch mit dem hause burgund einen solchen vertrag einging.

das alles passierte, weil im 15. jahrhundert die staatliche territorialisierung des unter adeligen verhältnissen zerstückelten landes eine neuorientierung erforderte, bei der es galt, europäische und lokale interessen in übereinstimmung zubringen. bern handelte in dieser zeit ausserordentlich geschickt, vergrösserte nicht nur ihr territorium, sondern auch ihr ansehen als europäisches zentrum.

doch handel und pensionen, die so aufblühten, hinterliessen gerade in den 1460er ihre teifen spuren in der stadt: man nun wer und zeigte dies auch! der stadtadel war zu reichtum gekommen, musste aber auch vermehrt und weitherum repräsentationspflichten wahrnehmen. es änderte sich nicht nur die ökonomische lage der führenden stadtfamilien, auch das auftreten unterlag einem markanten wandel. in anlehnung an die sitten, durch die renaissance gespiesen und namentlich am burgundischen hof vorgelebt, änderte sich auch die kleidung in bern.


burgundischer hof in dijon: trendsetter in sachen höfischer mode seit den 1460er jahren

veränderungen der berner mode

was für ein skandal war das! männer trugen nun kurze röcke und strümpfe als beinkleider, und frauen pflegten ausgeschnittene und taillerte kleider zu tragen und sich in überbodenlange schleppen zu hüllen. fertig war die zeit des einfachen sacks, dem graden stoffstück, mit einem loch in der mitte für den kopf, das über den körper gestülpt wurde, links und rechts notdürftig zusammengenäht war und einzig mit einer kordell um den bauch etwas geformt wurde. fertig waren auch die zeiten des simplen tuchs, das die frauen auf dem haupte trugen: elegente hüte mit feinem gefrense waren jetzt angesagt!

berner trendsetter in dieser mode war die familie von bubenberg, angestammt und angesehen, und seit der stadtgründung unzählige male mit dem amt des schultheissen betraut. mit ihrem jüngsten spross, adrian von bubenberg, kam das neue outfit en vogue. nicht nur der ritter, vor allem auch seine mutter, anne von rosenegg, und seine zweite frau, jeanne de la sarraz, liebten es, wie an ausländischen höfen durch berns strassen zu defilieren und promenieren.


das kleidergericht: prominente bernerinnen aus dem adel werden durch die sittenmandate des metzgermeisters kistlers angeklagt

bernische sittenmandate gegen europäische unsitten

doch das kam nicht gut! schon 1464 hatte die berner obrigkeit versucht, mit dem ersten kleidermandat der geschichte die äusseren modeeinflüsse abzuwehren. erfolglos war man geblieben, denn die selbstbewusste gesellschft an der junkern- und müstergasse liebte den laufsteg vor dem müster und kleidete sich unversehens weiter modisch, auffällig und extravant.

als peter kistler, der metzgermeister mit politschem ehrgeiz, der aufsteiger, der nicht aus den traditionellen oder nobilisierten familien des stadtadels stammte, 1470 überraschend genug zum schultheissen gewählt wurde, verblüffte er die öffentlichkeit gleich noch ein zweites mal: noch gleichentags mobilisiert er den grossen rat, in dem die handwerker die mehrheit besassen, gegen die junker und kaufleute, die im kleinen rat das sagen hatte. mit einem paukenschlag erneuerte er das kleidermandat von 1464. darin beharrte das aufstrebende bürgertum auf dem verbot von “schnabel und schwänzen”, wie man die männerschuhe und frauenschleppen nannte, löste aber eine öffentliche demonstration der adeligen gesellschaft aus, die in ostentativer übertretung des mandates mit schleppen und schnabelschuhen zur messe im berner münster erschien.

für diesen frechen auftritt im adelsornat wurde zahlreiche stadtadelige vor gericht gestellt, – und gebüsst! in der aufgewühlten stimmung nützten den edlen ihre argumente erstmals nichts mehr. ihr recht auf distinktion, das sich in kleidung, schuhen und schmuck äussere, wurde ihren glatt weg abgesprochen. inakzeptabel erschien es nun, selbst an werktagen, an dem die noble gesellschaft auf seidene und goldene kleider verzichtete, sich mit schnabelschuhe nund schleppen von normalen leuten abheben zu wollen.

22 edle damen und herren wurden nach diesem gerichtstag aus der stadt bern verwiesen. die von bubenbergs, die von scharnachtal und die von diesbach waren wegen ihrer mode in die verbannung gedrängt worden.


die rückkehr des europäisierten stadtadels aus der modeverbannung

die rebellion der europäisierten stadtadeligen

doch der gepeinigte stadtadel liess sich nicht lumpen! er organisierte seine hausmacht auf dem lande und setzten die stadt unter wirtschaftlichen druck. peter kistler sah sich schon nach einem monat gezwungen, die verbannten wieder herein zu bitten und die kleiderordnung zu ihren gunsten zu modifizieren. sie durften ihre statussymbole, welche den sozialen und politischen führungsanspruch der junker und kaufleute dokumentierten, behalten und gingen aus dem grossen modestreit in bern, den sie mit der bürgerschaft ausfochten, sozial voll rehabilitiert hervor.

ein jahr später wurde peter kistler als schultheiss nicht mehr wieder gewählt. sein versuch, die stadt zu reformieren, war gescheitert. vielmehr hatte man ihm mit spitzen schnabelschuhe das bein stellt, und war er über bodenlange schleppen politische ins abseits gestolpert.

the devil allways wears prada?

allerdings, wäre die geschichte unvollständig erzählt, wenn man sie nur aus der modesicht schildern würde. eine einfache “the devil wears prada”-story will ich ja nicht bieten. also lesen sie die nächste ausgabe in meiner kleinen berner modereihe aus dem spätmittelalter!

stadtwanderer

en vogue!

es darf gelästert werden. der teufel per se sei sie. eine eiskalte besucherin der fashionshows zudem. und eine machtfrau über ihrer redaktion obendrein. nichts weibliches bleibt da hängen! und deshalb ist sie zum abschuss frei. doch der stadtwanderer hält dagegen: eine laudatio für den stil, die eigenart und die chefin, die nicht nur en vogue, sondern jeder modeströmung auch eins voraus ist!


reportages en vogue:vorbilder für jede bildredaktion in massenmedien (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

das machwerk

auslöser der gegenwärtigen medienhype war das machwerk, das lauren weisberger geschrieben hat: “the devil weares prada!”. wer es nicht gelesen hat, kann sich seit gestern abend im kino aufdatieren, denn david frankel hat die filmische übersetzung des buches geliefert.

mode, macht und modells sind in beiden medien das grosse thema. geschildert werden sie aus der sicht von unten. aber nicht als sozialreportage, sondern als voyeurismus. weisberger war kurzfristig praktikantin bei „vogue“. sie hat mal für die angeschwärzte wintour gearbeitet. und hat hat sie sie schreibend verbraten!

sie hat keine karriere machen wollen, wie die erfolgreiche vogue-chefin. sie ist davon gelaufen. und sie hat auf das ganz schnelle geld gesetzt: einen gesellschaftsroman hat sie verfasst, eine erfundene geschichte, wie sie im nach hinein sagt. doch der verkauft sich nur, weil er auf den erfahrungen der weisberg als angestellte bei vogue basiere, kündigte sie ihr buch seinerzeit schon mal an.

als journalistin wusste sie es: je kräftiger sie vom leder ziehen würde, desto grösser würde die auflage werden. denn der applaus der klatschpresse war ihr nur so sicher. der einzug in die meinungsbildenden medien konnte die kleine schreiberin nur so schaffen. und das alles war voraussetzung, wenn man einen weltweiten bestseller schreiben will. en vogue wollte sie sein, wenn auch auf eine andere art.

die institution

genau das macht wintours vogue tausendmal besser. denn wintours vogue folgt nicht den wellen, sie löst sie aus. vogue hat sich in der weltweiten modewelt den platz erobert, den alle wellenreiterInnen gerne hätten. man macht nicht nur trends. man ist trend! nur was wintour auf dem laufsteg vorgeführt und persönlich für gut befunden wird, kommt ins heft. und das hat durchaus stil. amerikanisch-konventionell für die usa. europäisch-frech für frankreich, und historisch-traditionell für deutschland.

man sehe sich eine nummer ruhig an. “vogue” im oktober 06 ist eine ethnografische reportage über das leben im ländlichen sizilien. sind ritterspiele mit anspielungen auf jeanne d’arc, krimhilde und brunehault. sind portraits von kronprinzen in der modebranche. und ist eine wunderbare fotoreportage zum thema “was wir lieben!” von alle dem weiss man, dass es tausendfach nachgeahmt werden wird, denn es hat stil, und es wirkt stilbildend. deshalb ist vogue schlicht die modeinstitution!

da mag nicht einmal die spezialisierte modewerbung im magazin mithalten: vom machismo bis zum softie findet sich alles. extravaganz steht neben natürlichem. und konservativer geschmäcker wechseln sich mit futuristischen. denn jeder weiss, am schlimmsten ist es, mit seiner werbung, mit seinem namen nicht en vogue zu sein.


seit gestern, 12. oktober 2006 im berner kino “bubenberg”

die wellenreiter

genau diesem meachanismus sind auch die medien aufgesessen. beatrice schlag hat in der schweiz alles ausgelöst. schlag-artig hat sie uns den teufel aus new york so hinreissend verbissen nahe gebracht, dass alle folgen mussten. die galas, solos und wie sie heissen, liessen bilder vom kommenden kassenschlager folgen, mit meryl streep als anne wintour, mit teuren accessoirs, die so die runde machten, und mit geschichten aus der new yorker szene, die so noch geläufiger wurden. da konnte sogar die lokalpresse nicht nachstehen: die bz war als erste dran, und der von ihr abhängige kleine bruder, den serbelnde bund, durfte am tag der filmpremiere dann auch noch nachziehen.

was mich ärgert, ist, dass eigentlich alle massenmedien selber wellenreiter waren. sie folgten dem trend, der heisst: da ist eine mächtige in die falle geraten. und jetzt darf man über die zappelnde schimpfen!

die gegenrede

bei so viel mainstream, halte ich dagegen und frage die sogenannten trendsetter:

erstens, wer nur hat die frage gestellt, wie glaubwürdig eine praktikantin ist, die nach wenigen monaten einen jahrelang florierenden betrieb verlässt? wohl nieman! denn es hat wohl auch keine(r), der/die hier negativjournalismus betrieben hat, das buch gelesen, die fakten geprüft, new york besucht, und die weltpremiere zu sehen. alle haben die pr-mässig vorfabrizierten texte genommen, und daraus die lolawelle der massenmedien fabriziert.

zweitens, wer hat ein gute reportage über das modebusiness gemacht. den aufstieg der trendsetzenden eliten, und der niedergang der branache angesichts rasch wechselnder stile in de populärkultur? wohl niemand, denn das hätte ökonomischen und kulturellen spürsinn vorausgesetzt. echtes interesse an trends, an ereignissen, die sie setzen, an strukturen die sie verstärken. und das ist weniger einfach als das heute so beliebte content-management.

drittens, wer schliesslich hat mir den zusammenhang zwischen grossstadt, objektiver kultur und subjektivem bewusstsein ausgeleuchtet. gezeigt wie anonymität des stadtlebens die regeln der aufmerksamkeitsgewinnung bestimmen. den menschen aus der tradition schälen, und die wunsch nach differenz in der massen fördern? doch auch hier: wohl niemand! denn das würde kenntnisse der stadtsoziologie voraussetzen, das studium von georg simmel bedingen. es würde aber verständlicher machen, warum es zeitschriften wie vogue gibt, als das banale buch weisbergers.


mitten in den grossen namen der weltgeschichte: selbst mein namensvetter weiss, dass man auf die weltweite stilbildung durch werbung von vogue nicht verzichten kann (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

das vorbild

ich kann da nur sagen: medienschaffende, nehmt euch die wintour als vorbild! löst sie einmal keinen wirklichen trend aus, sondern erfasst die welle sie selber, reagiert sie cool darauf. wenn der titel des filmes heisst “the devil wears prada”, und das haarscharf auf sie gemünzt ist, dann geht sie selbstverständlich an die première. trägt sie ohne zu zögern prada. und spricht sie vielsagend kein wort. weisberger kam da schon mal ganz flach heraus …

genial kommuniziert, sage ich da, anne wintour! stil haben sie! deshalb sie nicht nur en vogue, sondern ihrem magazin und seinen nachahmern stets eins voraus! das wirkt sogar auf mich, – positiv natürlich …

stadtwanderer

ps:
den zusammenhang von mode und politik, den ich ebenso in allen bernern ankündigungartikeln zum film, der in bern im bubenberg läuft, vermisst habe, liefere ich als nächstes nach. ich sag da nur: jeanne de la sarraz, die frau von adrian von bubenberg, war die anne wintour der 1470er jahre, und verdrehte sie schon mal tout berne und der obrigkeit mit frauenmode den kopf, bis man sie in die wüste schickte …

mein bücherherbst 2006

nun ist die frankfurter buchmesse vorbei, sodass man wieder für bücher werben darf, ohne im verdacht zu stehen, verlaggeschäfte zu betreiben!


bookstore everywhere (quelle: flickr_bluehour)

die empfehlungen der “damals”-jury

was sollen profi-historiker heute lesen? dieser frage geht die anspruchsvolle zeitschrift “damals” einmal jährlich nach. sieben empfehlungen gibt es jeweils; 2006 heissen die top-bücher:

einzelstudien:
Gerd Koenen: Der Rußland-Komplex.
Die Deutschen und der Osten 1900-1945. C.H. Beck, 2006.

überblick:
Peter Hersche: Muße und Verschwendung.
Europäische Gesellschaft und Kultur im Barockzeitalter. 2 Bände. Herder, 2006.

unterhaltung:
Adolph Freiherr Knigge: Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien.
Eichborn, 2006.

ästhetik:
Jacques Dalarun (Hrsg.): Das leuchtende Mittelalter.
Primus, 2006.

denkanstöße: Joachim Radkau: Max Weber.
Die Leidenschaft des Denkens. Hanser, 2006.

autobiographisches:
Karl Dedecius: Ein Europäer aus Lodz. Erinnerungen.
Suhrkamp, 2006.

thema des Jahres “Familienporträts”:
Harold James: Familienunternehmen in Europa.
C.H. Beck 2006.

und das historische buch des jahres 2006: gleich nochmals

Joachim Radkau: Max Weber. Die Leidenschaft des Denkens. Hanser 2006.

radkaus werk wurde von der damals-jury geehrt, weil es sich mit dem übervater der historischen sozialwissenschaften, dem deutschen soziologen max weber, beschäftigt. Es macht dies aber eben nicht als werkanalyse, sondern als lebensbericht zur ihrer zeit: webers leidenschaften kommen zur sprache, seine depressionen und seine beurteilungen der damaligen politik.

mehr noch als diese würdigung hat mich peter hersches würdigung gefreut. als studenten habe ich ihn kennen gelernt; ein junger dozent, aus dem appenzellischen, war er damals. nun ist er emeritierter professor, dessen karriere nicht immer so gradlinig verlaufen ist, wie man sich das gewünscht hätte. dafür wird sein momumentales lebenswerk, das über die frühe neuzeit europas berichtet, den konfessionellen kämpfen nachgeht, und die kultur ausbreitet, die so entstanden ist. genau diese welt verstehe ich gut, wenn auch nicht aus europäischer sicht, so doch aus lokaler: genau von diesen gegensätzen ist mein heimatort geprägt, von ihnen zehrt man in echallens.


berns altstadtgassen laden schon mal zum bücherherbst ein (foto: stadtwanderer, anclickbar)

mein katalysator zum stadtwandern

heute bin ich ja wieder ein richtiger bücherwurm, ich war es schon während und nach dem studium. mit meiner arbeiten, nicht selten schreibend …, verging die lust am lesen jedoch zunehmen. das hat sich 2003 fast schlagartig geändert. über die äusseren umstände habe ich ja jüngst berichtet; das buch, das ich damals zu weihnachten geschenkt bekommen habe, und bei mir das licht der erleuchtung durch bücher wieder angezündet hat, will ich hier speziell erwähnen:

Theo Tschuy: 5. März 1798. Der Tag, an dem Bern fiel, Bern 1998.

das buch war schnell vergriffen, und man kann es nur noch antiquarisch bestellen. dafür haben es die fachhistoriker haben es mit verdacht aufgenommen; zu viel aversion auf die berner aristokratie, die falsch eingeschätzt würde, war die kritik. mit hat der dramaturgische aufbau besonders gefallen: das buch handelt im hauptteil den 5. märz 1798 im sinne eines tatsachenberichtes ab. mit jedem kapitel rücken die französischen truppen näher auf bern vor, und es rückt auch die zeit immer eine stunde vor, – bis dann berns letzte schlägt. das ganze wird, geschickt, durchbrochen, mit historischen exkursen, die das geschehen aus der geschichte verständlich machen.

das buch passte damals gut zu meiner stimmungslage, dem ende der zauberformel, und nahm die frage auf, ob die wende, die sich 2003 wie 1798 ankündigte, gut ausgehen würde. es lässt die antwort jedoch offen, genauso wie heute, ordnet aber das breit berichtete geschehen von 1798 in die bernische geschichte ein. das hat mir eingeleuchtet, und meinen hunger nach lokaler geschichte, nach kulturellen bestimmungsgründen von entscheidungen und nach grösseren zeitraum-horizonten als in der politikwissenschaft geweckt. das stadtwandern und bücherwurmen ist daraus entstanden.


… und auch der frienisberg empfiehlt sich, in den frühen abendstunden ein wenig in büchern zu schmöckern und den herbst zu geniesen (foto: stadtwanderer, anclickbar)

die empfehlungen des stadtwanderers

und ich will den wunderbaren bücherherbst, gleich wie “damals” mit meinen empfehlungen anreichern. anders als die promi-jury richte ich mich aber nicht an die profi-historiker, sondern richte ich mich an die hobby-historikerInnen, die sich gerne weiter entwickeln möchten; hier ist sie die top-ten-liste des stadtwanderer-bücherwurms, die er, seit dem 9. dezember 2003, dem tag, an dem die zauberformel fiel, mit dem grössten gewinn gelesen hat:

bern:
Berner Zeiten (Hg): Berns grosse Zeit. Das 15. Jahrhundert neu entdeckt. Stämpfli-Verlag, Bern 2003 (seither verschiedene Neuauflagen).

schweiz heute:
Tobias Kästli: Die Schweiz – eine Republik in Europa. Geschichte des Nationalstaates, NZZ-Verlag, Zürich 1998.

schweiz damals:
Ulrich Im Hof: Mythos Schweiz. Identität – Nation – Geschichte, 1291-1991, NZZ-Verlag, Zürich 1991.

nationen:
Monica Flacke (Hg.): Mythen der Nationen. Ein europäisches Panorama, Köhler&Amlang, München/Berlin 1998 (seither verschiedene Neuauflagen).

europa:
Silvio Vietta:Europäische Kulturgeschichte. Eine Einführung. Wilhelm Fink Verlag, Berlin 2005.

zeitgeschichte:
Photografie des 20. Jahrhunderts, Taschen, Köln 2005.

weltbürger:
Ze’ev Rosenkranz: Albert Einstein. Privat und ganz persönlich. Historisches Museum Bern/NZZ-Verlage, Bern/Zürich 2005.

philosophie:
Ingeborg Gleichauf: Ich will verstehen. Geschichte der Philosophinnen, dtv, München 2005.

geschichtswissenschaft:
Jan Assmann, Klaus E. Müller: Der Ursprung der Geschichte. Archaische Kulturen, das Alte Aegypten und das frühe Griechenland, Stuttgart 2005.

unerreicht bibliophil, schön und kompetent, didaktisch und spannend zugleich ist aber mein top-favorit der letzten drei jahre:

Jan Peter Jankrift: Das Mittelalter. Ein Jahrtausend in 12 Kapiteln. Thorbecke, Ostfildern 2004.


an die 2000 bücher stehen bei mir zuhause in der bibliothek, und gleich viele in meinem büro, sie fast so aus wie auf der foto: “bibliothek” (quelle: flickr_dreamer7112)

viel erfolg beim selber lesen!

stadtwanderer

ps:
gleich noch eine empfehlung. auch anderer bloggInnen haben zum mittel der persönliche bücherliste gegriffen, um ihre lieblinge weiter zu empfehlen. allen voran natürlich apropos, unverändert der ästhetischste unter den blogs, der aber in sache bücher zu ganz anderen schlüssen kommt:

apropos’ bücherliste

ps2:
das ist übrigens mein 200. blogeintrag als stadtwanderer!

apropos titanic

apropos brauchte genau ein bild, um mein auge zu öffnen: welche wunderbare spiegelungen, sagte ich mir! und fragte noch nach, wo denn das sei?

die titanic ist es doch, schlug ich mir bald an den kopf! du thor, voll von antworten auf fragen bist du einige jahre hier ein- und ausgegangen, um deine kundschaft zu bedienen. übersehen hast du dabei die prächtige vielfalt der titanic.


(fotos: stadtwanderer, alle einzeln anclickbar)

ich weiss, es ist ein wenig ein plagiat, und sag sorry, apropos! aber es hat grossen spass gemacht, bern und sich, die häuser und mich in diesem architektonischen kunstwerk zu spiegeln.

stadtwanderer

das vorbild von apropos

christoph blocher und die politische kultur

der 9. dezember 2003 war für mich ein einschnitt. ruth metzler wurde aus der landesregierung abgewählt, und christoph blocher wurde neuer justizminister der schweizerischen eidgenossenschaft.der moment hat mich bewegt, – “ein einschnitt, eine änderung, ein bruch”, ging es in mir vor.


in der nähe meiner wohnung: asylunterkunft, gelegentlich auch mit leuten aus der türkei, – und einer botschaft: “rechts abbiegen verboten!” (foto stadtwanderer)

der kampf der politischen kulturen

es ging mir nicht einmal um die person von ruth metzler, sondern um den mechanismus, der diesen tag bestimmte. denn es war sichtbar geworden, dass der zauber der zauberformel von 1959 verschwunden war. nicht mehr das proportional-ausgeglichene, nicht mehr das gemeinsam-kooperative sollte regieren, sondern der kampf um köpfe und richtungen. und dafür gibt es seither nur noch eine “formel”, wie der budnesrat zusammengesetzt wird.

mehr noch: nicht mehr die verblassenden parteien, wurde mir damals schon klar, würden diesen kampf führen, sondern der bundesrat selber, besser gesagt die markanten personen unter den bundesrätInnen gegeneinander. das war der wandel, der sich vor drei jahren schon mal ankündigte!

“der kampf der kulturen”, lautet der berühmte titel eines der berüchtigsten bestseller der politikwissenschaftlichen literatur der gegenwart. genau diesen kampf der kulturen spürte ich kommen, als ich mich entschied, ein bisschen weniger tagespolitik, dafür ein bisschen mehr politische kulturen der schweiz zu verfolgen. ein projekt, das mir ein wieder professor hierzu angeboten hatte, gab mir die berufliche basis. das stadtwandern, das ich genau seit dem 9. dezember 2003 bewusst pflege, schenkt mir den nötigen freiraum für erkundungen.

das argument des bundesgerichtspräsidenten

guisep nay, der präsident des bundesgerichtes, gehörte zwischenzeitlich zu meinen begleitern auf der stadtwanderung. corina casanova, die vizebundeskanzlerin der schweizerischen eidgenossenschaft, zu deren ehren ich eine spezialtour vorbereitet hatte, hat ihn 2005 mit auf den weg genommen.

es war ausgerechnet das wochenende, an dem sich bundesrat blocher mit dem bundesgericht über deren reorganisation in den wochenendpostillen stritt. bundesrichtet nay musste deshalb zwischenhin weg, hatte ein tuttifrutti aus burgunderhistorien und blochergeschichten, – eine richtige berner platte also! immerhin, beim mittagessen in der krone berns hatte ich zeit, einmal direkt den puls eines bundesrichters zu fühlen, wenn der gerade am steigen ist.

nun hat eben diese guisep nay über die sonntagspresse erneut zugeschlagen: auslöser ist christoph blochers auftritt in der türkei gewesen, verbunden mit seiner schelte an die adresse des antirassismus-gesetzes. es “verwildert die politische kultur, wenn sich die politiker nicht an die gewaltenteilung halten und den richtern anweisungen geben”, konterte nay blochers idee für eine baldige gesetzesrevision. doch diese ist nach nay gar nicht nötig. weder sei alles verboten, noch alles erlaubt. vielmehr würden meinungsäusserungsfreiheit und menschenwürde vom bundesgericht geschützt. und dann: “das volk hat das gegebene spannungsverhältnis zugunsten der wahrung der menschenwürde der von rassismus bedrohten bevölkerungsgruppen gelöst.”

soweit die richterlichen wort. bundesrat blocher lässt derweil ausrichten, er werde hart bleiben, und für seine idee kämpfen. dem bundesrat sei das bekannt gewesen, liess der konfliktpolitiker verlauten, und machte sich übers wochenende über den andern konfliktpolitiker im gremium, pascal couchepin, der sich schockiert über kollege blocher zeigte, lustig.

meine vorläufige wertung

ganz ehrlich: ich verstehe, wenn man, ausgehend vom polit-kulturellen verständnis der schweiz, volksrecht vor gerichtsrecht setzt. ich bin nicht automatisch gegen blocher und für nay. dessen argumentation von gestern war aber messerscharf richtig: bei der antirassismus norm steht volksrecht über gerichtsrecht. nur wer volksrecht mit volksmeinung gleichsetzt und das mit volksentscheid verwechselt, kann dem widersprechen. denn: über das antirassismusgesetz haben wir in einer volksabstimmung entschieden, und wir haben es – gegen die empfehlung der svp – angenommen.

wenn der svp präsident das gesetz sturm laufen würde, wäre mir das gleich; irgendwo würde ich das sogar erwarten. wenn aber der justizminister das tut, ist es mir nicht egal; zuviel an glaubwürdigkeit der schweiz im in- und ausland steht da auf dem spiel, als dass man es dem wahlkampf einer partei überlassen kann.

noch klarer und deutlicher: meinungsäusserungsfreiheit ist die basis der demokratie, gerade auch der direkten demokratie. man tut gut daran, diesen wert hoch zu halten. meinungsäusserungsfreiheit ist aber nicht grenzenlos, vor allem dort nicht, wo es um verstösse gegen die menschenrechte resp. menschenwürde geht.

die widersprüche in christoph blochers argumentation

der sich abzeichnende politische kulturwandel überrascht übrigens umso mehr, weil sich gerade christoph blocher noch vor jahresfrist weigerte, abstimmungskämpfe zu vorlagen seines departementes zu führen, und er in person demonstrativ vorlebte, dass es nicht sache des bundesrates sei, gefällt volksentscheidungen zu kommentieren.

das erste hat er im vorfeld des asylgesetzrevision schon mal kräftig dementiert; zu aktiv hat er seinen eigenen abstimmungskampf geführt, um seinen grundsätzen treu zu bleiben. doch auch das andere scheint er zunehmend zu desavourieren: selbst volksentscheide sind für den jüngsten svp-bundesrat kein tabu mehr!

am meisten überrascht aber, dass christoph blocher den bundesrat über seine genauen absichten in der türkei nicht ins bild gesetzt hat. er hat zwar über seine reise informiert, nicht aber über seine kritik an antirassismus gesetzt. wie hiess es so schön: seit christoph blocher im bundesrat ist, werde nicht mehr nur genickt, sondern hart zur sache diskutiert!

meine ausnahme! – blochers ausnahme?

“keine tagespolitik zu betreiben”, war mein grundsatz für den stadtwanderer. beschrieben werden sollten geschichte und aktualität der politischen kultur der schweiz. genau das steht heute aber zur debatte; und da kann ich einfach nicht schweigen … doch ich will mich bessern, und ich hoffe bundesrat blocher auch!

auf jeden fall werde ich vergangenheit und zukunft der schweizerischen politischen kultur in geschichte und gegenwart weiterhin aufmerksam
verfolgen und kommentieren.

stadtwanderer


die debatte hält unvermindert an, auch in der blogosphäre!

einen pointierten standpunkt contra blocher, im vergleich zum auftritt chiracs in der türkei, hat der auswandererblog eingenommen:
wallfahrer-blocher

einen ebenfalls pointierten standpunkt contra blocher, vor allem auch im vergleich zu berlusconi-italien, hat der ignoranz.ch eingenommen:
blocher schaut nach italien

einen ebenso pointierten standpunkt pro blocher, als sendungskritik an der “arena” hat side effects eingenommen:
alles blocher oder was?

wahlerns beitrag zur weltgesellschaft

seit einigen tagen bin ich mitglied der “che guevara group” in der fotocommunity “flickr”. so habe ich denn auch mein lieblingsbild von che guevara, aufgenommen in bern, für die weltweite fan-gemeinde der besagten gallery beigefügt. daraus ist eine lustige geschichte geworden: aus indiana wurde das orginial beigefügt, das 1963 rené burri vom commandante gemacht hatte. die burris wiederum stammen aber nicht aus den usa, sondern aus wahlern bei bern. so klein ist die welt, und sowirksam ist das zur ikone der cubanischen revolution gewordene bild che guevaras des schweizer fotografen.

der fotograf rene burri

rené burri wurde 1933 in zürich geboren. seine vater rudolf otto stammte jedoch aus wahlern bei bern. burri widmete sein leben ganz der fotogafie und wurde einer bekannsteten schweizer fotografen.


mein bild von che guevara aus der berner bar “cuba libre” (foto: stadtwanderer, anclickbar)

burri arbeitete in zahlreichen ländern als fotograf, meist in krisengebieten: im nahen osten, in südamerika, in afrika, im fernen osten und den vereinigten staaten. seine bilder erschienen in zahlreichen wichtigen zeitschriften, so “Epoca”, “Life”, “Look”, “Paris-Match”, “Stern” und “GEO”, aber auch als sondernummern des “Du”.

zwischen 1959 und 1961 entstand sein fotobuch, das seinen weltruf begründete: “Die Deutschen”, das 1962 erstmals erschien und mehrfach mit zeitgeschichtlichen dokumenten aufdatiert worden ist. die neuausgabe aus den 90er jahren gilt denn auch als der einzige versuch, ein gültiges, fotografisches bild deutschlands vor und nach dem mauerbau, aber auch vor und nach dem mauerfall zu zeigen.

immer wieder portraite burri länder und prominente. hierzu war er in cuba, china, israel und wieder in der schweiz. doch auch die architektur und die kunst interessierte den menschenfotografen. so schuf er werke über pablo picasso, alberto giacometti, le corbusier und jean tinguely. 55jährig wurde burri schliesslich art director bei der schweizer illustrierten.

rené burri ist heute zum zweiten male verheiratet, mit clotilde blanc, mit der er seit 1994 einen sohn hat. die bernstämmigen burri leben heute in paris.

das bild von che guevara

das bekannte bild von che guevara entstand 1963 während seiner reise durch cuba. es war eigentlich als portrait gedacht und bannte den damaligen innenminister che guevara, eine habana rauchend, in entspannter pose auf das fotopapier. doch dabei sollte es nicht bleiben: das bild entwickelte sich gleichsam zum symbol für die cubanische revolution unter fidel castro, und es wurde weltweit veröffentlicht. ohne zweifel ist es burri berümtes fotografie geworden.


das bild von rene burri von che guevara, während seiner cuba-reise 1963 aufgenommen, und mir jetzt als antwort auf mein bild von zymal aus indiana zugestellt (foto: rene burri, zymal, ebenfalls anclickbar).

zufall oder nicht: die bar “cuba libre”, mitten in der berner altstadt, szenentreffpunkt für latinos, zeigt im eingangsbereich genau dieses bild burris über che guevara. zwar nicht mehr als fotografie, sondern als gemälde; doch es ist haarscharf burris einstellung nachempfunden. man erkennt es unweigerlich wieder.

fotocummunity als spiegel der weltkultur

selber habe ich es in einem tollen moment in der bar wieder als fotografie aufgenommen, und ich habe es auf “flickr” ausgestellt. nach ersten erfolgen habe ich es in die weltweite “che guevara group” eingebracht und postwendend, wiederum bewusst oder unbewusst, antwort aus erhalten: “zymal” aus indiana, wie sich mein fotopartner nennt, male, 28, schreibt dazu: “this picture was taken before I was born.”

ja, es wurde von rené burri aufgenommen, eben 1963, und es hat sich ganz tief in die weltkultur eingeprägt; eben: wahlerns beitrag zur weltgesellschaft.

stadtwanderer

Ein guten Interview mit René Burri (zum runterladen):
Interview

Ein fotografisches Portrait von René Burri:
Hans M. Koetzle: René Burri. Fotografien. Phaidon-Verlag, Berlin 2003

nydeck –  nydegg ?!?

man geht nur wenig meter weit und stutzt: das restaurant beim östlichen eindgang in die altstadt heisst auf der linken seite der gerechtigkeitsgasse “Nydeck”. doch das restaurant vis-à-vis, auf der rechten strassenseite ist das “fugu nydegg bern”. ein schreibfehler, quer über die gasse?


paltz der geistigen landesverteidigung (1940)

heute überwiegt im quartier die schreibweise “nydegg” eindeutig. es heisst: nydeggkirche, nydeggtreppe, nydeggkirche, nydegglaube und nydegggasse. das “ck” ist fast ganz verschwunden, und es ist weitgehend durch das “gg” ersetzt worden. – das hat system: 1940 beschloss die stadt bern offiziell, das traditionsreiche “nydeck”-quartier umzubenennen. aus der deutschen schreibweise wurde im zweiten weltkrieg die bernische, – ein teil der geistigen landesverteidigung.


traditionalistisch, standardsprache, mit “ck” vs. modernistisch, mundart, mit “gg”

wer in den alten berichten über die stadt bern heimisch ist, merkt die neumodische schreibweise sofort: das nydeck-quartier ist eines der ältesten in bern. hier stand der erste holzbau, der seit dem 10. jahrhundert den übergang über die aare sicherte, und hier liess berchtold v. von zähringen im 12. jahrhundert seine steinburg erbauen, welche ihm als regierungssitz in der neugegründeten stadt bern diente. später wurde sie zur kaiserlichen reichsfeste, und noch später ging sie in die hände der grafen von savoyen über. davon sieht man heute fast nichts mehr. 1270 schleift man die 18 x 33 meter grosse burg; dabei soll ein erheblicher teil den burghügel hinter gestürzt sein. im 14. jahrhundert errichtete man an stelle der burg die heute nydeck-kirche, pardon: nydegg-kirche, die in renovierter form noch heute an gleicher stelle steht.


bern zur zeit der landesausstellung 1914: das nydeck-quartier

um die historische schreibweise wissen auch die uahlreichen postkartensammler. die bekannsteten bilder von der landesausstellung 1914, die in bern stattfand, sind noch alle mit “nydeck” angeschrieben.

doch seit 1940 ist dem nicht mehr so!

ganz vergessen gegangen ist die alte schreibweise nicht. traditionsreiche restaurants und neue cafés kann man bis heute nicht nur an ihren angeboten unterscheiden, und sie fallen einem nicht nur wegen ihrer unterschiedlichen erscheinungsweise auf. sie schreiben auch den quartier-namen bis heute anders …

– eine weitere berner kuriosität.

stadtwanderer

fürchterliche woche

eine fürchterliche woche war das! arbeit, arbeit, arbeit! ich war in flims, in zürich, in bern, in hinterkappelen und im leutschenbach. jeden tag war was los! arbeiten zur gesundheit, arbeiten für private kundschaften, arbeiten zu den kommenden wahlen. selbst auf anderen blogs habe ich geschrieben.

nur mein liebtes stadtwandern kam zu kurz! schlimm …

ich entschuldige mich bei allen, die ich vernachlässigt habe. ich will mich bessern!


endlich wochenende, aufgeräumt wird montags … (foto: stadtwanderer, anclickbar)

als stadtwanderer: ideen hats genug für neue einträge, “burger king” und “la bonne reine berthe” sind fast soweit. zwei weitere berner kuriositäten habe ich auch entdeckt und memoriert; aber eben schreiben, schreiben, schreiben muss man das alles noch …

als flickr: einige fotos habe ich diese woche machen können. hält mich über wasser. macht spass, einfach so beim vorbeigehen eindrücke festhalten. aber auch da bin ich angestanden: “achtlos” bliebt erneut achtlos liegen. dafür ganze woche tolle unterhaltung gehabt mit apropos, danke!, war ein aufsteller, – meist auf flickr, geht einfach einfacher!

als stachanow: mein büro sieht aus wie nach einem hurrrrrikan, unerledigtes überall, uiuiuiii! kalter kaffee steht noch rum, wasser ist abgestanden, und selbst die chocolates sind nicht gegessen worden. kaum zu fassen. und es warten mails, anrufe und die liebsten. also, nichts wie weg hier!

freue mich auf die zeiten, in denen meine worklifebalance wieder besser im lot ist.

stadtwanderer

ps:
was mich am meisten überrascht: so wenig gebloggt, und auf technorati 30000 ränge weltweit gut gemacht. bin jezt 170’093. bestbesuchter blog weltweit. werde mich mal kümmern müssen, wie dieses ranking zustande kommt!

1000 mal geflickred

wer hätte das gedacht? 1000 mal sind meine flickr-fotos angesehen worden. heute morgen habe ich die magische marke überschritten!

überrascht bin ich schon: denn vor einem jahr wusste ich nicht einmal, was ein fotoapparat ist, und vor zwei monaten hätte ich ausserhalb des familien- und freundInnenkreises kaum jemandem meine hobby-bilder gezeigt.

zwischenzeitlich habe ich aber gelernt, genauer hinzusehen, themen zu ausdenken, auschnitte zu suchen und kompositionen zu verbessern. entstanden sind so 234 bilder, die ich auf der website www.flickr.com ausgestellt habe.


“platz des goldes”, der favorit meiner zuschauer- und kritikerinnen auf “flickr” entstand für bei den vorbereitungen zur letzten volksabstimmung für den “stadtwanderer”

der favorit meine zuschauer- und kritikerinnen-schar ist übrigens bei den letzten abstimmungen entstanden: “platz des goldes” heisst er und zeigt die nationalbank, wie sie in der berner nacht güldern glänzt. ein toller gegensatz, zum bundeshaus im sommerkleid!

besonders gefreut hat mich, dass mich ffgaotee, wie ich “male, 49 and taken”, eingeladen hat, dieses bild in seiner gallerie “spectacular switzerland” plazieren. auch die kann ich ganz speziell empfehlen.

luege, ned läse, esch s’motto bi flickr!

stadtschauer

flickr/stadtwanderer

spektakulärer fund aus der bronzezeit

im volksmund sind sie als pfahlbauern bekannt, unsere ältesten sesshaften bewohner und bewohnerinnen, aber noch ohne zivilisation. dieses bild wird man korrigieren müssen. doch die menschen in der bronzezeit hatten weitreichendende astronomsche kenntnisse und entwickelte fähigkeiten, diese auch mit metall zu symbolisieren. zeit, unsere lieb gewonnen vorstellungen von den einfachen bauern an den see- und flussrändern zu revidieren!


die himmelsscheibe von nebra: prachtsfund in der bronzezeit (ca. 1600 vor chr.)

die unsachgemässe entdeckung der metallplatte

das ganze beginnt mit einem krimi. denn die himmelsscheibe wurde 1999 nicht von archäologen, sondern von hobbysammlern entdeckt. auf der suche nach verteckter militaria stiessen zwei männer auf dem mittelberg bei nebra, südöstlich von berlin, mit einem metalldetektor auf zwei schwerter aus der bronzezeit. dabei buddelten sie auch die himmelscheibe aus, erkannten aber den wert des “deckels” nicht gleich. erst später brachten sie die rarität auf den schwarzmarkt, von wo die himmelsscheibe mehrfach deutschen museen angeboten wurde. schliesslich liess man sich 2002 für 1 mio euro auf einen deal ein. der sollte in basel im “hilton” erfolgen, wo man sich traf, das fundstück zeigte, es begutachtete – und die anbieter in polizeihaft nahm. museumsdirektoren, vermeintliche käufer und hotelportiers waren bestandteil ein spektakulären aktion des basler staatsanwaltes, der geraubte kulturgut sicherstellen wollte. das museum in halle, dem die himmelsscheibe von nebra heute gehört, dankt basel für diese tat. als vorest einzige stadt ausserhalb sachsen-anhalts kann basel das berühmt gewordene fundstück der staunenden öffentlich zeigen.


unser bild von kulturlosen pfahlbauern in der bronzezeit ist revisionsbedürftig: die geschichte der astrologie muss neu geschrieben werden

die vorläufige ionterpretation der metallplatte

die himmelsscheibe von nebra dürfte 3600 jahre alt sein. damit ist die metallplatte die weltweit älteste konkrete himmelsdarstellung. erforscht und ausführlich beschrieben wurde sie vom archäologen harald meller, dem astronomen, religionsspezialistInnen archäochemiker zur seite standen. meller interpretiert die 39 goldplättchen auf der scheibe als sterne. erkennbar sei der sternhaufen der plejaden, die zum sternbild des stiers gehören, und schon vor der antike zur bestimmung von jahreszeiten verwendung fanden. die anderen plättchen können nicht identifiziert werden und werden als abstraktion des sternenhimmels verstanden. zusätzlich ist der mond, einmal als voll-, einmal als sichelmond erkennbar.

ralf hansen, ein astronom vom planetarium hamburg, geht mit seiner interpretation noch weiter: die scheibe zeige mond und sonne und habe dazu gedient, sonnen- und mondjahr zu harmonisieren. sie symbolisiere damit das älteste wissen, das heute im schaltjahr verdichtet und verfeinert vorliegt. die diesbezüglichen astronomischen kenntnisse wären mehr als 1000 älter, als man bisher annahm.

die scheibe selber ist in mehreren phasen entstanden. nach den sternen, mond und sonne wurden horizontbögen mit einem winkel von 82 grad beigefügt, die dem abstand von sonnenauf- und untergang ziwschen winter- und sommerwende am fundort nebra entsprechen. schliesslich erhielt die scheibe einen goldbogen, der als sonnenbarke mit kleinen rudern gedeutet wird, und den transport der sonne über den himmel darstellt.


leistung, die sich sehen lässt: museumsausstellung in basel zur himmelsscheibe, die für jung und alt spannend gemacht ist

der bestechende eindruck der metallplatte

all das spricht für eine kräftige revision des gesellschaftsbildes in der bronzezeit, die ganz offensichtlich zu erheblichen zivilisatorischen leistungen fähig war, und es in der astronomie durchaus mit der kultur der aegypter im mittelreich aufnehmen konnte. diese leistungen dürften einer eigentlichen religion entsprungen sein, die mit der scheibe in einfacher und transportierbarer form sichtbar gemacht wurde. die himmelsscheibe von nebra wäre damit so etwas wie die bibel der bronzezeit.

genau beurteilen kann ich das nicht. wie die hobbysammler, die die entdeckung machten, bin ich in der frühgeschichte nur ein hobbyhistoriker, der sich beeindrucken lässt. und das kann ich von der himmelsscheibe von nebra sehr wohl sagen: egal, welche interpretation stimmt, die metallplatte ist von einer bestechenden schönheit, zeugt von entwickelten handwerktlichen fähigkeiten und präsentiert eine verdichtete menge von geheimnisvollem wissen. doch das mystische an ihr kontrastiert mit dem geradezu rationalen zweck, den man in der scheibe erkennt: aus dem verlauf der gestirne die zeit zu bestimmen, um sich in der veränderungen der jahreszeiten zurecht zufinden, war schon früh ein bedürfnis. mit dem sesshaftwerden der bevölkerung, insbesondere mit dem gezielten ackerbau, wurde dies sogar lebensnotwendig. so förderte der überlebenskampf die geistige suche nach orientierung in raum und zeit.

was dabei herauskam, kann sich sehen lassen: in der menschheitsgeschichte und im historischen museum basel. ich kann da nur sagen: gottseidank, hat es am sonntag geregnet! sonst hätte ich mein schiefes geschichtsbild der bronzezeit wohl nie revidiert.

stadtwanderer

mit meinen neuen favoriten unterwegs (oktober 06)

alle bisherige favoritenlisten ansehen

ich habe schlecht geschlafen. was mache ich mit jene, die mal top waren

. weitertoppen? – wirkt langweilig, wenn ich die gleichen vorne sind.
. enttoppen? – wirkt fast wie eine gegenempfehlung, für jemanden der einmal top war?
. wegtoppen? – wirkt künstlich, denn schön, nützlich, lehrreich können die blogs immer noch sein.

also habe ich des nachts gegrübelt. und bin zu folgendem schluss gekommen: wer einmal top war, ist immer top, kommt aber in eine separat rubrik, ist sozusagen “für immer gut”.

“für jetzt gut” sind:

1. edemokratieblog (vormals 6.)

edemokratie
dieses blog ist seit ich bloge der aufmerksamste zuverlässigste informant zu fragen der politischen philosophie, kommunikation und aktualität


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

2. münstergassblog (neu)

mügablog
bücher sind seit langem meine beste quelle der inspiration, und die münstergassbuchhandlung ist seit langem die beste buchhandlung, und die beste buchhandlung kann man seit neuestem als blogger besuchen, toll!


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

3. auswandererblog (vormals 3)

auswanderer-blog
meinen nutzerInnen schon längst bekannter, bilaterales schweizisch-europäisches blog aus der feder von ruedi baumann; sein früher konventionelles tagebuch ist ein renner als buch und auf meinem blog.


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

4. bernet blog (neu)

bernetblog
das ist das wohl beste firmenblog, das es in der schweizer kommunikationsbranche gibt, fast täglich frisch, informativ, und anregend, ohne (wie beneton&stöhlker) alle runtermachen zu müssen.

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(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

5. kritikerblog (vormals 8.)

blogkritik
unverändert das kritischste blog zur blogosphäre, der mich immer wieder auf neue, mögliche favoriten aufmerksam macht, und schon so weit institutionalisiert ist, dass er auch während der abwesenheit von paz spannend informiert.


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

6. recherchenblog (neu)

recherchenblog
einfach professionell, in der selbstankündigung, einfach für alle professionellen bloger in meinem rückspiegel, unverzichtbar, wenn man als blogger mehr als nur smalltalker sein will!


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

7. gedankenbörsenblog (neu)

gedankenbörsenblog
die eigentliche neuentdeckung des monats, frech bebildert und beschriftet, – also alles, was man sich von einem anregende blog wünscht.


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

8. damals (neu)

damals
kein blog im konventionellen sinne, sondern die e-version der gleichnamigen zeitschrift, deren news-rubrik aber so gut gemacht ist, dass man das problem als top-historien-ankündigungs-blog empfehlen kann.


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

9. kommunikationsblog (neu)

kommunikationsblog.ch
das neue blog meiner berufskollegen am forschungsinstitut gfs.bern, das letzten monat ganz ansprechend mit erhellenden infos aus der politik-, kommunikations- und sozialforschungsbranche gestartet ist.


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

10. technorati (neu)

technorati.ch
der beste blog, der wahrheit über die blogosphäre verspricht, und mich aktuell auf dem 203’495. platz der weltweiten favoritenliste führt …


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

und nun “für immer gut” …

meine top-empfehlung im monat september ’06

apropos
einfach der schönste aller schönen blogs …

meine top-empfehlung im monat august ’06

today’s strip
es ist unser bevorzugter “bericht aus schweden”, ohne grosse worte zu verlieren, versprüht er viel hintergründige humor. lars mortimer ist der bekannteste schwedische karikaturist, der jeden tag seine website mit einem neuen “hälge”, dem träfen elch aus den schwedischen wäldern, ergänzt. so kann man ganzjahresstimmungen im norden minutiös mitverfolgen.

meine top-empfehlung in den montaten juni und juli ’06

weiachblog
unverändert unschlagbar das beste, was es für politisch-historisch interessierte stadt- und dorfwanderer gibt. ich bewundere die gabe, auf fast nichts, nichts weniger als eine täglich spannende kolumne schreiben zu können.

stadtwanderer

mister schweiz auf lebzeiten

der titel des buches ist mehrdeutig. „der rote boss“ spielt sowohl auf benedikt weibel, ist. geschrieben haben das buch christian dorer und patrick müller, beides redaktoren beim „sonntagsblick“. entstanden ist so eine mischung auf spannungsreicher verkehrsgeschichte der gegenwart und lesenswertem portrait eines erfolgreichen wirtschaftsführers der heutigen schweiz.


die erste biografie benedikt weibels, gerade rechtzeitig zu seinem rücktritt als ceo der sbb (foto: stadtwanderer, anclickbar)

wie ein buch entsteht …

der ort der buchpräsentation ist ausgesprochen symbolisch: obwohl von der buchhandlung „stauffacher“ veranstaltet, findet sie im „hotel bern“ statt, – dem ehemaligen berner volkshaus, das heute für eine modernisierte sozialdemokratie steht: und das passt zum portraitierten erfolgreichen aus den sp-reihen. benediktus ist dabei eher trügerisch, denn beppo, wie die genossen ihn nennen, ist nicht nur ein gutredner; er ist vor allem ein gutmacher und müsste demnach eigentlich bonifatius weibel heissen!

wenig real erscheint dagegen die geschichte der beiden jung-autoren, wie sie zum buchschreiben gekommen seien. man habe sich zu zweit auf der bellevue-terrasse getroffen, um die berufliche situation zu besprechen. dabei sei man übereingekommen, nebst dem kurzfutter für die sonntagspresse mal „was grösseres“ verfassen zu wollen. eine biografie zu schreiben, sei das losungswort gewesen, – und „benedikt weibel“ sei das bevorzugte thema gewesen. mit dem rücktritt habe als gratispromotion habe das gar nichts zu tun.

doch benedikt weibel wusste von seinem bevorstehenden rücktritt schon länger, wie er bei der buchpräsentation sagt. er habe mit seiner frau im herbst 2005 abgemacht gehabt, nicht wie vorgesehen bis 2008, sondern nur bis ende 2006 an der spitze der SBB zu bleiben. kommuniziert hat er es aber erst am 24. februar 2006. und mit diesem hintergrundwissen stieg er vor einem jahr in das buchprojekt ein, um, ganz der clevere marketinger, die sich bietende chance zu nutzen. immerhin ist so ein anregender rückblick auf 28 Jahre unternehmensgeschichte und auf weibels steile karriereleiter vom sekretär der generaldirektion bis zu dessen präsidenten und zum ersten ceo der ehemaligen staatsbahnen entstanden. glaubwürdig ist die schreibe, weil sie negatives wie positives zu weibels wirken enthält. lesenwert ist sie, weil sie kurzweilig und einfach verständlich geschrieben ist, nützliche statistiken zur eisenbahngeschichte und eine chronologie der ereignisse seit weibels wirken bei der SBB enthält. und illustriert ist das buch, weil es den sportler benedikt, den politisierende studenten beppo und den znternehmer weibel mit zeittypischen fotos vorstellt.


stationen einer erfolgsstory: fotos aus dem berufsleben von benedikt weibel (foto: stadtwanderer, anclickbar)

wie eine karriere entsteht …

was man weibel ihm im zeitalter der raschen firmenwechsel, des raschen geldes und des raschen verschwindens aus der verantwortung hoch anrechnen muss, ist seine standfeste persönlichkeit als führungskraft. er nutzte seine fähigkeiten als analytiker und motivator, als entscheider und kommunikator nicht nur, um das unternehmen zu modernisieren. er brachte sie, gerade auch in der medialen öffentlichkeit, stets gewinnbringend für „seine“ sbb ein, mit dem er sich in guten wie in schlechten zeiten uneingeschränkt identifizierte.

gerade das spürt man an der buchvernissage in bern: weibel kennt seinen betrieb. er weiss um die mentalitäten seiner angestellten. und er ist bestens informiert über die kundschaft, die man gemeinsam bedient. „ihr sorgt dafür, dass die sbb heute fährt, und ich sorge dafür, dass sie morgen auch noch fährt“, ist sein motto an die belegschaft. dabei überschätzt er sein bewusstsein nicht, weiss er um die bedingtheit vom sein: wie kein anderer kennt die anfälligkeit des komplexen systems „sbb“. und: „je besser eine person ist, umso mehr fehler begeht sie“, zitiert er an diesem abend peter drucker, seinem vorbild in der managementlehre. solche einsichten haben zum reflektierten botschafter der eisenbahnen gemacht, der die organisation modernisiert und das image popularisiert hat: das viel zitierte „bahnland schweiz“ ist substanziell mit der ära-weibel verbunden.

beppo, der 68er rebell aus lebensgefühl, ist zwischenzeitlicher reifer geworden und hat besondere fähigkeiten zur synthese entwickelt. bis heute verabscheut er formale autorität: „status ist keine legitimation“, bekennt er freimütig. vorgesetzte können ihre vorteile nur durch kompetenz begründen. und genau daran arbeitete er sein ganzes leben lang: zuerst als assistent für betriebswirtschaft an der uni bern theoretisch, dann in der lehre als unternehmer bei migros-chef pierre arnold praktisch. und noch heute steht er nicht still: 50 bücher liesst er im jahr, nicht selten auf langen bahnfahrten nach paris, berlin oder rom. das alles hat den charismatischen wirtschaftskapitän aus fleisch und blut geformt.

dem unternehmen sbb hat es zur erfolgsstory gereicht: unter weibels führung haben die sbb ihre zugs-, personen- und tonnenkilometer zwischen 25 und 50 prozent gesteigert. boomender personenverkehr und prosperierende bahnhöfe haben geld in die leeren kassen der staatsbahnen gespült. alle volksabstimmungen zur sbb sind seit 1987 im sinne des unternehmens ausgegangen, und bahnjubiläen resp. publikumsanlässe wozu-auch-immer sind publikumsmagnete geworden. sogar ins ausland expandiert das unternehmen, und ihr chef ist bei europäischen bahnpartnern ein gefragter ratgeber.

der linken hat der kräftige modernisierungsschub des ehemaligen staatsbetriebes nicht immer gepasst: namentlich die gewerkschaften haben den personalabbau nach der finanziellen krise von 1995 nicht akzeptieren wollen und versucht, „ihren Beppo“ aus der sp auszuschliessen; – erfolglos, wie man sich erinnert. erfolglos waren sie auch, als sie sich gegen die umwandlung der sbb in eine aktiengesellschaft wehrten, denn der übergang vom beamten zum angestellten war ihnen ein dorn im auge. nicht so weibel, der diesen zustand als anachronismus bekämpfte.

fast gestrauchelt wäre weibel dann aber, als er zum ceo befördert worden war. denn damit wurde auch ein neues lohnsystem durchgedrückt, das quer zum umfeld weibels und auch seinen eigenen überzeugungen stand. doch der politische instinkt blieb dem sozialdemokraten auch hier erhalten. mehr verantwortung bedinge mehr lohn, weniger erfolg aber weniger bonus, verkündete er nach dem strom-blackout 2005. und die summe seines gehalts liess er – demonstrativ gegen den willen seines verwaltungsratspräsidenten – nach oben einfrieren.

dieser wird auch nach dem rücktritt seines ceos, benedikt weibel, nicht ohne arbeit sein, den baustellen gibt es bei den eisenbahnen unverändert zahlreiche: der güterverkehr hat den turn-around noch nicht geschafft, die signaltechnik etcs funktioniert nicht wie gewünscht, und die pensionskasse der sbb ist, herkules weibel zum trotz, noch bei weitem nicht im lot.


beleg einer begegnung: benedikt weibels dank für die politisch-idelle unterstützung seiner lebenswerkes (foto: stadtwanderer, anclickbar)

wie ein mythos entsteht …

mit benedikt weibel wird ende 2006 ein intellektueller macher der schweizerischen und europäischen eisenbahnen vom zug steigen. die bilanz der autoren dorer und müller lautet: im stationenreichen prozess der sbb-modernisierung war weibel weder gott noch teufel. vielmehr war er querdenker, antreiber, bahnarchitekt, abzocker und vorkämpfer in einem. mit den arbeitnehmerorganisationen lag er mehrfach im streit, den kaktus der woche, ausgeteilt durch die „schweizer illustrierte“, hat er gleich neunfach erhalten, und auch die bahnkunden mit spezifischen interessen haben ihm x-fach erboste briefe geschrieben. das alles trug seinem ruf als ausgezeichneter bahnchef mit sitzleder keinen abbruch. denn ebenso häufig erhielt er in all diesen jahren dankesbriefe, die rose der woche und fürchten sich die bähnler heute vor dem, was kommt, wenn der rote boss geht.

am berner abend der buchpräsentation vor über 100 bähnlern, kundinnen und interessierten outet sich weibel auch ein wenig. den nimbus des erfolgreichen, der weibel seit jahren umgibt, stammt aus den zeiten der einführung des halbtaxabonnements. das kostete zu beginn der 80er jahre noch 350 CHF, – viel zu viel, wie man heute weiss. doch dann kam das waldsterben und mit ihm die gesellschaftliche kritik am einseitig geförderten individualverkehr. umdenken in der bürgerschaft war die herausforderung, die weibel instinktsicher aufnahm und in der sbb-generaldirektion durchsetzte. statt alter politik sei neue gefordert, verkündete er. statt preiserhöhungen zu lasten der konsumentInnen verlangte er preissenkungen zugunsten eines grösseren verkehrsvolumens.

diese forderung wurde in den 80er jahren zum programm mit namen: benedikt weibel, damals marketing-chef der sbb, erfand den „borromini“, das 100-franken-abo, für das mit dem tessiner architekten francesco borromini, der weiland noch die 100er note zierte, warb. zum eigentlichen wendemoment in der bahngeschichte wurde es, fasst weibel zusammen: in den besten jahren hatten die sbb und anverwandte unternehmen 2 mio. kunden mit einem sbb-borromini im sack. und auch heute noch ist das halbtax, „trotz geringfügigen preisaufschlägen wegen den zugewandten orten“ (weibel zur preisstaffel 150, 250, 350 CHF) ein renner, der beppos aufstieg zum „mister sbb“ politisch wie unternehmerisch sicherte.

und da kann auch ich mich outen: in meinen politischeren jahren war schon mal ebenso tatkräftig dabei, der idee des halbtax zum durchbruch auf politischem parkett zu verhelfen. dafür dankt der bahnchef schon mal herzlich.

der stadtwanderer von heute nimmt das schon mal gelassener, als der polikämpe von damals. er fragt nach den folgen des engagements, denn er ist seit vielen jahren ein bahnkunde. fast jeden tag nutzt er die angebote. der sbb, und fast immer ist er zufrieden, – besonders seit man im zug gar nicht mehr rauchen darf. immer wenn er aus dem ausland zurückkomme, weiss er zudem die überwiegende ordentlichkeit, die vorherrschende pünktlichkeit und weitestgehende sicherheit der sbb besonders zu schätzen. schliesslich ist er als berner ein grosser fan der welle über den geleisen, symbolträchtig zu weibels perfektestem werk, dem fahrplanwechsel vom 12. dezember 2004, erbaut.

seinen persönlichen entschluss, 1984 aufs autofahren zu verzichten, hat er nur deshalb in die tat umsetzen können, weil die sbb unter ihrem chef benedikt weibel eine erfolgreiche vorwärtsstrategie eingeleitet haben. dafür dankt er dem vorbild im nach hinein ebenso herzlich.

„mister sbb“ ist benedikt weibel in der öffentlichkeit schon lange. „mister euro08“ will er nach dem übertritt von der sbb- zur fussball-fangemeinde noch werden. sollte dem tausendsassa auch das gelingen, ist dem junggebliebenen der titel des „mister schweiz“ wohl auf lebzeiten sicher. meine nominationsstimme hat er jedenfalls jetzt schon …

stadtwanderer

Christian Dorer, Patrick Müller: Der rote Boss. Die Benedikt-Weibel-Story, Orell Füssli Verlag, Zürich 2006, 34.80 CHF