spektakulärer fund aus der bronzezeit

im volksmund sind sie als pfahlbauern bekannt, unsere ältesten sesshaften bewohner und bewohnerinnen, aber noch ohne zivilisation. dieses bild wird man korrigieren müssen. doch die menschen in der bronzezeit hatten weitreichendende astronomsche kenntnisse und entwickelte fähigkeiten, diese auch mit metall zu symbolisieren. zeit, unsere lieb gewonnen vorstellungen von den einfachen bauern an den see- und flussrändern zu revidieren!


die himmelsscheibe von nebra: prachtsfund in der bronzezeit (ca. 1600 vor chr.)

die unsachgemässe entdeckung der metallplatte

das ganze beginnt mit einem krimi. denn die himmelsscheibe wurde 1999 nicht von archäologen, sondern von hobbysammlern entdeckt. auf der suche nach verteckter militaria stiessen zwei männer auf dem mittelberg bei nebra, südöstlich von berlin, mit einem metalldetektor auf zwei schwerter aus der bronzezeit. dabei buddelten sie auch die himmelscheibe aus, erkannten aber den wert des “deckels” nicht gleich. erst später brachten sie die rarität auf den schwarzmarkt, von wo die himmelsscheibe mehrfach deutschen museen angeboten wurde. schliesslich liess man sich 2002 für 1 mio euro auf einen deal ein. der sollte in basel im “hilton” erfolgen, wo man sich traf, das fundstück zeigte, es begutachtete – und die anbieter in polizeihaft nahm. museumsdirektoren, vermeintliche käufer und hotelportiers waren bestandteil ein spektakulären aktion des basler staatsanwaltes, der geraubte kulturgut sicherstellen wollte. das museum in halle, dem die himmelsscheibe von nebra heute gehört, dankt basel für diese tat. als vorest einzige stadt ausserhalb sachsen-anhalts kann basel das berühmt gewordene fundstück der staunenden öffentlich zeigen.


unser bild von kulturlosen pfahlbauern in der bronzezeit ist revisionsbedürftig: die geschichte der astrologie muss neu geschrieben werden

die vorläufige ionterpretation der metallplatte

die himmelsscheibe von nebra dürfte 3600 jahre alt sein. damit ist die metallplatte die weltweit älteste konkrete himmelsdarstellung. erforscht und ausführlich beschrieben wurde sie vom archäologen harald meller, dem astronomen, religionsspezialistInnen archäochemiker zur seite standen. meller interpretiert die 39 goldplättchen auf der scheibe als sterne. erkennbar sei der sternhaufen der plejaden, die zum sternbild des stiers gehören, und schon vor der antike zur bestimmung von jahreszeiten verwendung fanden. die anderen plättchen können nicht identifiziert werden und werden als abstraktion des sternenhimmels verstanden. zusätzlich ist der mond, einmal als voll-, einmal als sichelmond erkennbar.

ralf hansen, ein astronom vom planetarium hamburg, geht mit seiner interpretation noch weiter: die scheibe zeige mond und sonne und habe dazu gedient, sonnen- und mondjahr zu harmonisieren. sie symbolisiere damit das älteste wissen, das heute im schaltjahr verdichtet und verfeinert vorliegt. die diesbezüglichen astronomischen kenntnisse wären mehr als 1000 älter, als man bisher annahm.

die scheibe selber ist in mehreren phasen entstanden. nach den sternen, mond und sonne wurden horizontbögen mit einem winkel von 82 grad beigefügt, die dem abstand von sonnenauf- und untergang ziwschen winter- und sommerwende am fundort nebra entsprechen. schliesslich erhielt die scheibe einen goldbogen, der als sonnenbarke mit kleinen rudern gedeutet wird, und den transport der sonne über den himmel darstellt.


leistung, die sich sehen lässt: museumsausstellung in basel zur himmelsscheibe, die für jung und alt spannend gemacht ist

der bestechende eindruck der metallplatte

all das spricht für eine kräftige revision des gesellschaftsbildes in der bronzezeit, die ganz offensichtlich zu erheblichen zivilisatorischen leistungen fähig war, und es in der astronomie durchaus mit der kultur der aegypter im mittelreich aufnehmen konnte. diese leistungen dürften einer eigentlichen religion entsprungen sein, die mit der scheibe in einfacher und transportierbarer form sichtbar gemacht wurde. die himmelsscheibe von nebra wäre damit so etwas wie die bibel der bronzezeit.

genau beurteilen kann ich das nicht. wie die hobbysammler, die die entdeckung machten, bin ich in der frühgeschichte nur ein hobbyhistoriker, der sich beeindrucken lässt. und das kann ich von der himmelsscheibe von nebra sehr wohl sagen: egal, welche interpretation stimmt, die metallplatte ist von einer bestechenden schönheit, zeugt von entwickelten handwerktlichen fähigkeiten und präsentiert eine verdichtete menge von geheimnisvollem wissen. doch das mystische an ihr kontrastiert mit dem geradezu rationalen zweck, den man in der scheibe erkennt: aus dem verlauf der gestirne die zeit zu bestimmen, um sich in der veränderungen der jahreszeiten zurecht zufinden, war schon früh ein bedürfnis. mit dem sesshaftwerden der bevölkerung, insbesondere mit dem gezielten ackerbau, wurde dies sogar lebensnotwendig. so förderte der überlebenskampf die geistige suche nach orientierung in raum und zeit.

was dabei herauskam, kann sich sehen lassen: in der menschheitsgeschichte und im historischen museum basel. ich kann da nur sagen: gottseidank, hat es am sonntag geregnet! sonst hätte ich mein schiefes geschichtsbild der bronzezeit wohl nie revidiert.

stadtwanderer