en vogue!

es darf gelästert werden. der teufel per se sei sie. eine eiskalte besucherin der fashionshows zudem. und eine machtfrau über ihrer redaktion obendrein. nichts weibliches bleibt da hängen! und deshalb ist sie zum abschuss frei. doch der stadtwanderer hält dagegen: eine laudatio für den stil, die eigenart und die chefin, die nicht nur en vogue, sondern jeder modeströmung auch eins voraus ist!


reportages en vogue:vorbilder für jede bildredaktion in massenmedien (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

das machwerk

auslöser der gegenwärtigen medienhype war das machwerk, das lauren weisberger geschrieben hat: “the devil weares prada!”. wer es nicht gelesen hat, kann sich seit gestern abend im kino aufdatieren, denn david frankel hat die filmische übersetzung des buches geliefert.

mode, macht und modells sind in beiden medien das grosse thema. geschildert werden sie aus der sicht von unten. aber nicht als sozialreportage, sondern als voyeurismus. weisberger war kurzfristig praktikantin bei „vogue“. sie hat mal für die angeschwärzte wintour gearbeitet. und hat hat sie sie schreibend verbraten!

sie hat keine karriere machen wollen, wie die erfolgreiche vogue-chefin. sie ist davon gelaufen. und sie hat auf das ganz schnelle geld gesetzt: einen gesellschaftsroman hat sie verfasst, eine erfundene geschichte, wie sie im nach hinein sagt. doch der verkauft sich nur, weil er auf den erfahrungen der weisberg als angestellte bei vogue basiere, kündigte sie ihr buch seinerzeit schon mal an.

als journalistin wusste sie es: je kräftiger sie vom leder ziehen würde, desto grösser würde die auflage werden. denn der applaus der klatschpresse war ihr nur so sicher. der einzug in die meinungsbildenden medien konnte die kleine schreiberin nur so schaffen. und das alles war voraussetzung, wenn man einen weltweiten bestseller schreiben will. en vogue wollte sie sein, wenn auch auf eine andere art.

die institution

genau das macht wintours vogue tausendmal besser. denn wintours vogue folgt nicht den wellen, sie löst sie aus. vogue hat sich in der weltweiten modewelt den platz erobert, den alle wellenreiterInnen gerne hätten. man macht nicht nur trends. man ist trend! nur was wintour auf dem laufsteg vorgeführt und persönlich für gut befunden wird, kommt ins heft. und das hat durchaus stil. amerikanisch-konventionell für die usa. europäisch-frech für frankreich, und historisch-traditionell für deutschland.

man sehe sich eine nummer ruhig an. “vogue” im oktober 06 ist eine ethnografische reportage über das leben im ländlichen sizilien. sind ritterspiele mit anspielungen auf jeanne d’arc, krimhilde und brunehault. sind portraits von kronprinzen in der modebranche. und ist eine wunderbare fotoreportage zum thema “was wir lieben!” von alle dem weiss man, dass es tausendfach nachgeahmt werden wird, denn es hat stil, und es wirkt stilbildend. deshalb ist vogue schlicht die modeinstitution!

da mag nicht einmal die spezialisierte modewerbung im magazin mithalten: vom machismo bis zum softie findet sich alles. extravaganz steht neben natürlichem. und konservativer geschmäcker wechseln sich mit futuristischen. denn jeder weiss, am schlimmsten ist es, mit seiner werbung, mit seinem namen nicht en vogue zu sein.


seit gestern, 12. oktober 2006 im berner kino “bubenberg”

die wellenreiter

genau diesem meachanismus sind auch die medien aufgesessen. beatrice schlag hat in der schweiz alles ausgelöst. schlag-artig hat sie uns den teufel aus new york so hinreissend verbissen nahe gebracht, dass alle folgen mussten. die galas, solos und wie sie heissen, liessen bilder vom kommenden kassenschlager folgen, mit meryl streep als anne wintour, mit teuren accessoirs, die so die runde machten, und mit geschichten aus der new yorker szene, die so noch geläufiger wurden. da konnte sogar die lokalpresse nicht nachstehen: die bz war als erste dran, und der von ihr abhängige kleine bruder, den serbelnde bund, durfte am tag der filmpremiere dann auch noch nachziehen.

was mich ärgert, ist, dass eigentlich alle massenmedien selber wellenreiter waren. sie folgten dem trend, der heisst: da ist eine mächtige in die falle geraten. und jetzt darf man über die zappelnde schimpfen!

die gegenrede

bei so viel mainstream, halte ich dagegen und frage die sogenannten trendsetter:

erstens, wer nur hat die frage gestellt, wie glaubwürdig eine praktikantin ist, die nach wenigen monaten einen jahrelang florierenden betrieb verlässt? wohl nieman! denn es hat wohl auch keine(r), der/die hier negativjournalismus betrieben hat, das buch gelesen, die fakten geprüft, new york besucht, und die weltpremiere zu sehen. alle haben die pr-mässig vorfabrizierten texte genommen, und daraus die lolawelle der massenmedien fabriziert.

zweitens, wer hat ein gute reportage über das modebusiness gemacht. den aufstieg der trendsetzenden eliten, und der niedergang der branache angesichts rasch wechselnder stile in de populärkultur? wohl niemand, denn das hätte ökonomischen und kulturellen spürsinn vorausgesetzt. echtes interesse an trends, an ereignissen, die sie setzen, an strukturen die sie verstärken. und das ist weniger einfach als das heute so beliebte content-management.

drittens, wer schliesslich hat mir den zusammenhang zwischen grossstadt, objektiver kultur und subjektivem bewusstsein ausgeleuchtet. gezeigt wie anonymität des stadtlebens die regeln der aufmerksamkeitsgewinnung bestimmen. den menschen aus der tradition schälen, und die wunsch nach differenz in der massen fördern? doch auch hier: wohl niemand! denn das würde kenntnisse der stadtsoziologie voraussetzen, das studium von georg simmel bedingen. es würde aber verständlicher machen, warum es zeitschriften wie vogue gibt, als das banale buch weisbergers.


mitten in den grossen namen der weltgeschichte: selbst mein namensvetter weiss, dass man auf die weltweite stilbildung durch werbung von vogue nicht verzichten kann (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

das vorbild

ich kann da nur sagen: medienschaffende, nehmt euch die wintour als vorbild! löst sie einmal keinen wirklichen trend aus, sondern erfasst die welle sie selber, reagiert sie cool darauf. wenn der titel des filmes heisst “the devil wears prada”, und das haarscharf auf sie gemünzt ist, dann geht sie selbstverständlich an die première. trägt sie ohne zu zögern prada. und spricht sie vielsagend kein wort. weisberger kam da schon mal ganz flach heraus …

genial kommuniziert, sage ich da, anne wintour! stil haben sie! deshalb sie nicht nur en vogue, sondern ihrem magazin und seinen nachahmern stets eins voraus! das wirkt sogar auf mich, – positiv natürlich …

stadtwanderer

ps:
den zusammenhang von mode und politik, den ich ebenso in allen bernern ankündigungartikeln zum film, der in bern im bubenberg läuft, vermisst habe, liefere ich als nächstes nach. ich sag da nur: jeanne de la sarraz, die frau von adrian von bubenberg, war die anne wintour der 1470er jahre, und verdrehte sie schon mal tout berne und der obrigkeit mit frauenmode den kopf, bis man sie in die wüste schickte …