der älteste fait divers aus berner landen

heute hat es eine sichere brücke, wenn man die aare von wohlen nach bern überquert. früher hatte es bloss einen kleinen steg, und davor gab es gar nur einen fährbetrieb. dieser hatte im jahre 1311 eines grossen unfalls wegen eine traurige berühmtheit erlangt, die zum ältesten, überlieferten “fait divers” aus der region führte.


fährunglück von 1311 bei detligen: verheerende folgen für 72 menschen, die dabei grad von meinen haus verstorben seien

1414 wurde bern ein vollwärtiger königlicher stand. man war jetzt wer. nur ein jahr später eroberte man im auftrag von könig sigismund den habsburgischen aargau. man beschloss, erstmals seine geschichte umfassend aufzuzeichnen. conrad justinger, der stadtschreiber, verfasste um 1420 die älteste chronik über das werden der stadt bern.

im 15. und und frühen 16. jahrhunderts entwickelte sich in bern auf dieser basis eine chronistik mit eigenem stil, – textlich und bildlich. höhepunkt dieser auch europäisch vorbildlichen entwicklung war die chronik von diebold schilling, “spiezer chronik” genannt. sie bestreicht nicht nur die jahre der gründung der stadt bis hin zu den burgunderkriegen; sie bringt auch zahlreiche plastische bilder zum leben in bern, wie man es um die jahrhundertwende kannte und wie man es sich für die vergangenheit vorstellte. sie sind, wenn man so will, die frühe “berner illustrierte”.

die meisten ereignisse, die berichtet werden, würden heute in einem magazin in der rubkrik politik erscheinen. gelegentlich gibt es aber auch eigentliche “fait divers”, aus dem leben der region gegriffenes in schillings chronik.

das älteste “fait divers” in schillings chronik ist ein grosses fährunglück. datiert wird es ins jahr 1311. betroffen waren 72 menschen, die ums leben kamen. im gebiet der heutigen eymatt bei bern bestand ein fährbetrieb. von hier aus konnte man auch ein boot besteigen, das reiselustige in die stadt brachte. für marktfahrerInnen war das eine beliebte transportmöglichkeit; denn die nydegg war der umschlagplatz für alle güter, die in die stadt hinaus zu markte gebracht wurden.

am 29. juni 1311, am tag von sankt peter und paul, kam es aber zum grossen fährunglück. die marktfahrerInnen hatten einen kahn genommen, der auf der höhe von detligen kenterte. die abbildung zum unglück in schillings chronik zeigt, wie das schwer beladene schiff umgekippte und wie ruderwerkzeuge, schiffsteile und verzweifelte menschen die aare hinter richtung heutigem wohlensee gespült wurden.

der älteste chronist, der darüber berichtete, hält fest: “Niemand wolle die Heiligen und ihre zwölf Boten ehren. Aber wenn man diese nicht anbete und gleichzeitig lüge und betrüge, so müsse man eben solche Unglücksfälle hinnehmen.” diebold schilling, alles andere als ein heiliger, fasste das schon nüchterner als sein moralisiernder vorbild. er schrieb: “am 29. juni 1311 hatte eine grosse menge von leuten aus dem gebiet des frienisberg, die an diesem dienstag in bern den markt besuchen wollten, das fährboot von dettligen bei wohlen bestiegen, als das schiff auf dem fluss auseinanderbrach. 72 menschen sollen bei diesem unglück ums leben
gekommen sein.”

damit hatten man die erst spalte “unfälle und verbrechen” in der “berner illustrierten”. das lebt bis heute in verwandelter form im lokaljournalismus weiter.

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