kommt in scharen und belebt das thuner schloss!

der junge thuner mittelalter!verein hat auf das schloss geladen: am nachmittag gab es tänze aus vergangener zeit, am abend war dann der rittersaal voll von leuten, die zum bankett strömten. ein glatter erfolg!


fotos: stadtwanderer, anclickbar

der solothurner andreas rutschmann gilt allgemein als grosser verführer und spezialist mittelalterlicher tänze. und er zog auch die thuner und thunerinnen in seinen bann: 60 gäste hatten sich gemeldet, um sich in tänze wie rimpferei, à la entrada, gimpelgampel, manfredina&rotta oder rolda einführen zu lassen. gefreut haben sie sich, durch einen so gekonnten meister seiner kunst eingeführt zu werden. nicht wenige von ihnen wurden nach dem vierstündigen kurs erschöpft im schloss gesichtet, um sich an der frühlingshaften abendsonne zu erholen!

derweil kämpfte der ganze vorstand des thuner mittelalter!vereins unter der mustergültigen führung des ritters christian folini mit den tücken der logistik. geschirr, besteck und essen für die 130 angemeldeten interessentInnen ihrer ersten mittelalter!veranstaltung des jahres mussten die unendlich vielen schlosstreppen hochgetragen werden. nur eine stunde hatte man zeit, die kulisse von der tanzbühne zum bankett umzugestalten. mit bravour bestanden, kann man da nur sagen! selbst unvorhergesehenes wie die fehlenden 130 teller wurden mit improvisationsgabe und unterstützung aus den thuner freienhof im nu bewältigt!


fotos: königin berta, anclickbar

das fünf-gang-menue war reichhaltig. es reichte von einer gemüsesuppe mit kastanien über fisch im eingedickten grünen traubensaft. höhepunkt war ein gefülltes poulet mit zwetschgen und pilzen, gefolgt von gefaltetem frischkäse, und abgerundet wurde der schmaus durch einen pudding mit waldfrüchten und ingwer. natürlich tönt das in mittelalterlichem französisch noch viel besser als auf deutsch! aber es war auch so schmackhaft und zeigte einem sinnlich, dass nicht alles ganz anders war zu dem, was man heute kennt.

der service war wunderbar: der mundschenk goss reichlich wein nach, schenkte perfekt weissbier ein, und verköstigte einen auch mit wasser und apfelsaft. und das schlossgesinde, mit kopftuch und blauem rock oder im schwarzen gothInnen-look, bediente die grosse gesellschaft, wie wenn man das immer schon gemacht hätte.

die bunt zusammengewürfelte gästeschar aus thun und anderswo war hoch zufrieden. das schloss war bevölkert und belebt. frau schlossmuseumsdirektorin, lilian raselli, und schlossstiftungsratspräsident, hans kelterborn, waren am ehrentisch begeisterte teilnehmerInnen; – ein gutes omen für das vorgesehene grossen mittelalterfest auf dem schlossberg von 7. juni 2008.


fotos: königin berta, anclickbar

als vorgeschmack dazu gabs an diesem abend schon mal zahlriche darbietungen: tänze, die am nachmittag eingeübt worden waren, wurden aufgeführt bis der schlossboden bebte; mittelalterliche musik, die einen mitriss, ertönte im ganzen rittersaal, und eine prachtvoll vorgetragene parzival-lesung sorgten für ein südliches ambiente wie zu zeiten der troubadoure.

da konnten natürlich ein paar worte des thuner schultheissen alias berner stadtwanderer nicht fehlen. für alle, die den gelungenen, angeregten abend verpasst haben, hier seine ode an seine königin berta in exenso!

stadtwanderer

Königin Berta, die erste Frau aus der Schweiz, die eine grosse historische Tat vollbracht hat

mit euren favoriten unterwegs (märz 2007)

das sprengt den bisherigen rahmen! nach eine kleinen zwischenflaute ist der stadtwanderer gefragt wie nie zuvor. er sprengt jeden rahmen: 30 prozent wachstum nur schon im letzten monat.


den rahmen sprengen! (foto: stadtwanderer, anclickbar)

auch wenn es mich freut, langsam aber sicher wird mir das ganze unheimlich, denn wo nehmt ihr nur die zeit her, das alles zu lesen? ich komm ja fast nicht nach mit schreiben …

den rahmen gesprengt haben im märz 2007 die nachstehenden rubriken und beiträge!

top-rubriken

1. geschichte 4548 direktviews
geschichte allgemein, geschichten

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bern stadt leben geschichte politik alltag

3. politik 1782 direktviews
politik, politisches leben, politische themen, politische personen, politische kultur

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albert einstein, leben, wirken, berner zeit

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alltag, leben heute

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bücher, neuerscheinungen

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was letztes jahr am meisten gefiel

8. eigene wanderungen 542 direktviews
organisierte stadt/land wanderungen von mir

9. burgund/bourgogne/burgundia 500 direktviews
burgund, bourgogne, burgundia, burgund in der schweiz

10. europa 464 direktviews
europa, geschichte, politik, kultur

top-beiträge

1. mit meinen neuen favoriten unterwegs (oktober 2006) 1158 direktviews
blogosphäre, aktualität, kommunikation

2. der berühmteste berner, der heute geburtstag h… 190 direktviews
bern, persönlichkeit, ferdinand hodler

3. schnelle kommunikationswelt 171 direktviews
blogosphäre, kommunikation, aktualität

4. graffiti-city 162 direktviews
bern, graffiti, streeart, mein heimweg

5. friedrich barbarossa – der wirklich deutsche kaiser 152 direktviews
heiliges römisches reich, kaiser, friedrich barbarossa, glosse

6. deiss und die pitbulls aller art aus der stadtwandereroptik 149 direktviews
bern, politik, alltag, pitbull, bull shit, stadtwandern unter erschwerten umständen

7. herzklopfen! 128 direktviews
mein leben, stadtwanderer im tages anzeiger, swiss press blog, blogoshäre

8. ich bin begonnen! 108 direktviews
in eigener sache, stadtwanderer blog wird jährig

9. schräge vögel 99 direktviews
mein eigener geburtstag nicht ganz hundert

10. auf zum nächsten geschichtstag 97 direktviews
geschichte geschichtsvermittlung bern universität

natürlich ist die nutzung in diesem monat stark beeinflusst worden durch die berichterstattung im tagi, die der stadtwanderer erfahren hat. dahinter stecken die eigentlichen sprengmeister!

stadtwanderer

nie mehr grau

jürg ist tot. ein freund ist von uns gegangen. nicht freiwillig, aber für immer. ohne grosse worte, aber nicht ohne botschaft!


veränderungen im zürcher stadtbild, die ihren anfang bei jürg grau haben (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

der stadtmensch

jürg grau habe ich erst vor einigen jahren persönlich kennen gelernt. wir waren eingeladen, bei seiner zweiten ehefrau, charlotte, von der eher einige jahre getrennt gelebt hatte. sie arbeitete in bern, und sie stellte uns ihren jürg, der zu ihr zurückgekehrt war, bei einem fulminanten persischen essen vor.

jürg war ein ebenso fulminanter erzähler. über vieles, was das leben bewegte, konnte er reden. vor allem über städte. da kannte er sich auch besonders gut aus, – egal, ob er sie erfand, zeichnerisch plante, im computer simulierte oder selber besuchte.

als jürg 60 und charlotte 50 wurden, lud ich beide in meine städte ein. der stadtwanderer wollte ihnen die romandie zeigen und das burgund vermitteln. zwei tage waren wir ohne unterbruch unterwegs. wir überblicktem das seeland vom untergegangenen oppidum auf dem mont vully aus. wir spürten römischem erbe in avenches nach. wir erkundeten die enge der kleinststadt romainmôtier. wir stand mitten in payernes kloster. wir staunten hoch über cudrefin. wir vermassen murten mit schritten, und wir waren in grandson geschichte wandern.

wir haben gemeinssam gesehen, wie sich kultur entwickelte, wie migration alles veränderte, wie das erbe überdauerte, wie es zu neuem leben erweckt wurde, und wie welsche stadtkultur eine basis des eidgenössischen bewusstseins wurde. charlotte und jürg haben mir diese reise vielmals gedankt. ein herrliches buch über burgund in der schweiz ist aus ihren händen entstanden, das fotos und texte zum persönlich erlebten sprechen lässt.

anders als ich, der nur der vergangenheit etwas voraus hat, war jürg stets seiner gegenwart voraus. die heutigen städte faszinierten und nervten ihn. ändern wollte sie der zürcher stadtplaner. der öffentliche raum sollte wieder mit leben erfüllt werden. aber nicht mehr so wie im mittelalter, sondern so, wie in der postmoderne.

zuerst bremste jürg den autoverkehr mit schwellen, und dann verschönerte er plätze mit pyramiden oder lichtspielen. das alles weiss man, wenn man zürich kennt, und wenn man jürg kannte. doch wenn er an einem sonntag sagte, ich zeige euch jetzt zürich, wenn er von seinem zürich sprach, war er unübertrefflich: denn jenen winkel dieser stadt kannte er, jede strasse war ihm vertaut, und zu jedem platz wusste er eine geschichte. unterirdisch und in luftiger höhe.

auf dem „uezgi“, dem ütliberg, erzählte jürg gerne von stallikon, der ersten zürcher siedlung für verdichtetes bauen, die man vom turm aus sehen konnte. als architekt hatte er da mitgewirkt, und selber hatte er mit seiner familie eines der pionierhäuser bewohnt. ausgerechnet in hinterkappelen, wo ich heute wohne, hatte er die neue bauweise in der praxis studiert. sofort war ihm klar, dass das eine zukunftsform sein würde, um sinnvoll mit räumen, land und menschen umzugehen. „check it out“, könnte damals auf seinem t-shirt gestanden haben, und vor unserem haus hat er sicher schon damals gesagt: „das wird de plausch!“ so war er!

der lebenskünstler

doch jürg war kein sprücheklopfer. er war ein künstler, ein vielseitiger lebenskünstler. erst sehr spät begriff ich, wo ich ihm schon überall begegnet war, bevor ich ihn kennen gelernt hatte: in der reprise von kurt frühs fernsehfilm „oberstadtgass“, wo der 12jährige jürg mit „mäni“ eine hauptrolle spielte. oder in jazzkonzerten, die ich mit irene schweizer, pierre favre und alexander von schlippenbach, organisiert hatte, mit denen der jazzer grau gerne experimentierte.

jürg war leidenschaftlicher trompeter. selber gelernt, und zur meisteschaft gebracht, könnte man sein musikalisches treiben zusammenfassen. und: je kleiner sein instrument war, um so quirrliger verzauberte er dich damit. frank zappa war sein vorbild, vor und nachdem er ihn in den usa getroffen hatte. ganze generationen von zürcher musikerInnen hat er mit dieser faszination inspiriert. „Vaterfigur der Jazzszene“ umschreibt der zürcher tages-anzeiger das in seinem nachruf.

je später der abend war, umso ausgelassener wurde jürgs spiel meist. und es konnte spät, sehr spät werden. nicht jedes mal konnte ich ihm bis ans ende folgen. einmal, es war spät geworden und wir hatten ein wenig getrunken, musste ich andern tags früh auf, um arbeiten zu gehen. er war noch früher auf, und er bediente mich, seine katzen schon um sich, mit herrlichem morgentee. ich konnte erst stammeln, etwas vom haus der maschinenindustrie murmeln, wohin ich hin musste. doch jürg war schon wieder voll unglaublicher energie, erzählte, wie er, als man das haus baute, sein praktikum als student auf dem kran dieser baustelle absolvierte. das inspirierte mich für mein referat zur baustelle europa, über die ich aus schweizer sicht eben in diesem haus meine ausführungen machen sollte.

der verstorbene

jetzt ist jürgs lebensenergie an ihr ende gekommen. so viel hat er allen davon verschenkt, möchte man sagen, dass sie ihm plötzlich fehlte „es ist unfair“, hat seine frau chrlotte ihm im abschiedsbrief geschrieben und damit ausgedrückt, was alle empfinden. als ihm sein job nicht mehr gefiel, liess er sich vorzeitig pensionieren, um neue plätze für die musik zu schaffen, die er noch im bauch hatte. nur wenige tage nach dem wechsel in den neue lebensabschnitt erfuhr er, wie schwer krank er schon war. und nur ein halbes jahr danach hat ihn diese krankheit besiegt.

als wir ahnend, aber unvermittelt davon erfuhren, sind wir ohne lange worte ins schweizerische burgund gefahren, dorthin, wo wir einst jürgs und charlottes geburtstage fröhlich gefeiert haben. doch jetzt waren wir wir tief bewegt und elendiglich traurig. in hauterive haben wir angehalten, in der kirche eine öllampe angezündet, und sind wir ganz still geworden.

viele leute, sehr viele sind gekommen, um sich auf dem zürcher sihlfeld persönlich von jürg grau zu verabschieden, einen brief zu lesen, ein klagelied zu singen oder ihm ein letztes mal zu danken. elmar ledergerber, der stadtpräsident, der freund, verabschiedete jürg würdig von der gemeinde.

nie mehr grau, ist die bleibende botschaft des farbenreichen menschen, der mit uns lebte und von uns gehen musste.

stadtwanderer

das stadtbild des täxelers

da könnte übermorgen schon mal die post abgehen: die unabhängigen berner täxeler wollen streiken!


rollentausch in bern: das taxigewerbe will streiken, weil die (ehemalige) gewerkschafterin und grüne politikerin die privilegie gewisser verkehrtsteilnehmerInnen verteidige …

ich habe das plakat am sonntag entdeckt und fotografiert. und ich bin beim nächstbesten taxifahrer gleich eingestiegen.

ob ich mich für das plakat interessiere, wolle der herr am steuer wissen. ja, gab ich zur antwort, wegen dem warnstreik, … ich würde aber nicht verstehen warum!

da gings gleich los: einige täxeler, die unerkannt bleiben wollten, hätten zum warnstreik aufgerufen. man habe die nase voll, von der gewerbepolizei. seit der bahnhofplatz umgebaut werden, gäbe es fast keine standplätze mehr. und wenn der umbau einmal fertig sei, werde es für sie noch schlimmer.

ich stutze, kanns fast nicht glauben. auf dem plakat steht doch, dass der kunde wählen dürfe. der vorderste in der reihe sei nicht mehr der erste, den man nehmen müsse. das sei doch gut, belebe das geschäft. einmal würde die konkurrenz die preise kontrollieren, und wenn jemand ein taxi von hinten privilegiert, wird er sicher auch trinkgeld geben.

jajaja, das kenne man, die regelung gelte schon seit 1994, werde aber kaum beachtet. darüber würde man sich nicht aufregen. was am donnerstag geschehe sei unklar. die grossen gesellschaften seien still, halt mit der stadt verbandelt. aber im kleinholz brodle es; alles nur wegen der rytz. die grüne habe nur eines vor augen: den privatverkehr zu blockieren!

ich stutze erneut, stelle fest, dass es zu viele leute in der stadt gäbe. der pendlerstrom sei so gross wie nirgends für den platz, der zur verfügung stehe. am morgen, wenn man bei der welle sei, könne man kaum mehr gegen den strom schwimmen, so dicht sei die menschentraube.

neineinein, hält mein chauffeur dagegen. das kleemuseum sei ausserhalb der stadt und locke die leute weg. die einkaufszentren würde überall augebautstehen, drückten aber die geschäfte im zentrum. und wenn brünnen einmal fertig sei, werde es gar niemanden mehr in der stadt haben, ausser den paar japanischen touristen!

fast schon will ich wieder stutzen … doch habe ich keine chance, denn ich werde weiter eingedeckt mit dem stadtbild aus taxisicht!

an allem sei der tschäppat schuld, weiss mein gegenüber. sein vater habe noch etwas bewegt. jetzt aber würde alles still stehen! den “weltwoche”-artikel habe er gelesen. die stadt sei pleite und mache gute miene zum schlechten spiel. vielleicht sei er schon scharf geschrieben gewesen. gesessen sei aber die botschaft. das hätten auch die leserbriefe gezeigt. 95 prozent gleicher meinung …

wir kommen an. ich möchte zahlen! den preis finde ich happig, trinkgelder wird keine geben. doch das ist gar nicht das thema. denn ich werde weiter bombardiert: nur fussgänger, velofahrer und öv würden in bern zählen, deshalb wolle man die am donnerstag stören.

pahh, da bin ich mal gespannt. fehlt nur noch, dass auch die stadtwanderer auf den index der erbosten taxisfahrer gesetzt und gestört werden. à suivre.

stadtwanderer

die erleuchtete stadt der vergangenen nacht

einmal im jahr ist berner museumsnacht. alles, was vergangenes ausstellt, öffnet sich für einen langen abend. egal, ob es ein wirkliches museum ist, eine bibliothek oder ein ausstellungsraum: nie sind die berner denk-mäler so im schwang wie in dieser ge-denk-nacht.


berner museumsnacht 2007: wo vergangenheit und gegenwart einander beleuchten, erscheint die stadt in ungewohntem licht (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

1730 erlacherhof

ich bin ja bärnfän geworden. 32 von ihnen waren in der museumsnacht im erlacherhof zum apéro geladen. „toll“, dass man den botschafterInnen der stadt so aktiv dankt, sagte ich! doch der angekündigte stadtpräsident liess auf sich warten; eine andere rede zur eröffnung des events auf dem bundesplatz („zeltmission“) hatte ihn aufgehalten. die chips im erlacherhof sind nicht schlecht, der weisswein auch nicht. und dann, endlich, kommt er alex tschäppät, doch noch, – immer noch etwas gezeichnet von den grossflächigen medialen angriffen auf seine stadt (und seine person), die er im „bund“ ebenso grossflächig pariert hat. er begrüsst uns alle, und unterhält sich mit den meisten. den stadtwanderer ehrt er besonders: „wohnsch du do?“, fragt er, und am liebsten möchte der befragte antworten: „typisch diese frage“, denn die antwort lautet: „nein, ich arbeite hier!“ doch der stapi geht gleich zur überraschenden tat über: er zieht aus der linken zaubertasche eine plakette zur „euro2008“ hervor, die er dem stadtwanderer überreicht. geehrt als ritter der fussballeuropas. sicherheitshalber will alex noch wissen: „hesch gärn tschutte?“, die antwort würde lauten …

1830 kornhauskeller

das forum im kornahauskeller überlebt, hat man diese woche gelesen; finanziell gestutzt, aber nicht abgeschafft wurde es. und es feiert mit viel grün an der fassade und wenig kunst in den ausstellungsräumen. eine performance zum lavabo läuft: lavabeau, lavabelle, laverboy, lavergirl … der stadtwanderer wird sofort erkannt. ein entspannter achille casanova, begleitet von seiner frau, der frühere regierungssprecher der schweizerischen eidgenossenschaft, ruht sich in den tiefliegenden stühlen im hochtrabenden raum aus. ein kleiner schwatz entsteht, denn ich gratuliere ihm zum neuen job als ombudsmann, – an der berner gerechtigkeitsgasse! am besten gefällt mir seinen firmenschild: man muss förmlich wissen, wo es ist, dass man es sieht; denn sonst würde man den winzling glatt übersehen. der ombudsmann selber hat viel arbeit, auch wegen dem stadtwanderer. jüngst musste er gar stellung nehmen, ob die srg schleichwerbung für seine firma mache. “nein”, war seine antwort! danke sage ich, und die begründung war die beste werbung für mich …

1930 militärbibliothek

die buslinie „grün“ finden wir nicht, trotz mustergültiger organisation des städtischen busse. Es hat einfach zu viele passantInnen in dieser nacht. also fahren wir privat an den guisanplatz, die eidgenössische militärbibliothek besuchen. die macht heuer einen auf junge (offiziers)familien: alibaba und die letzten 40 trompeter, orientexpress mit modelleisenbahn für den vater, sowie bellidancing für die mutter. Klar herr der lage ist dr. jürg stüssi-lauterburg, ein begnadeter redner. wenn er von schlachten erzählt, überlebt selten ein zuhörer sein stakato. wir sind also gewarnt: es geht um den berner staatsschatz, und wie ihn napoléon in ägypten ausgegeben habe. nicht klar wird, ob der vortragende schneller bilder auf dem hellraumprojektor („militärpädagogik 68“) oder wörter in seinem mund (“armeereform XXI”) ersetzt. ich fasse ebenso schnell den vortrag zusammen: napoléon – bild – raub – bild – aegypten – bild – eingekesselt – bild – flucht auf dem land – bild – st. joseph d’acon – bild – erste niederlage des generals – bild – absetzung napoléons von den truppen – bild – sturz des direktoriums in paris – bild – das schicksal nimmt seinen lauf – applaus! nationalrat bernhard hess, von den schwizer demokraten, grad neben dem stadtwanderer sitzend, applaudiert, wie alle andern auch. doch erst in den fussnoten vernimmt man, dass der berner staatsschatz nicht nach paris abgeschleppt, sondern teilweise in le locle eingeschmolzen, und zum anderen teil zur bezahlung der franzosentruppen in bern verwendet wurde. wirtschaftsförderung also! und was übrig blieb, diente schliess gar als erster staatsschatz des jungen kantons bern. “nix aegypten”, title ich; und: da ist man ein kamel, wenn man alles glaubt, was einem immer wieder erzählt wird. übrigens stüss-lauterburg hatte an diesem abend zwei kamele eingekauft, die aber nicht gekommen waren. die wiedergeburt der kamellerie der schweizer armee muss also erneut verschoben werden! Ich nehme dafür das militärkochbuch 74, das in rauen mengen aufliegt, als gültige erinnerung mit …

2030 restaurant kirchenfeld

kochbuch war das stichwort, das uns nun beschäftigte: ein nachtessen war angesagt. Wir fahren zurück in die stadt, und wollen im restaurant kirchenfeld zuschlagen. plätze hat es fast keine mehr, denn tout berne sitzt schon da. ich begrüsse urs hadorn, den früheren vize des bundesamtes für flüchtlinge, am tisch nebenan freundlich. selber werden wir spätestens um 2130 unfreundlich, und fragen, wo das essen bleibt. „es chunnt“, sagt der lehrling. wenig später bringt er mal nicht bestelltes zitronenglace – als „zwischengang“ – um die herr- und frauschaften zu beruhigen. das kirchenfeldkotelett, das dann doch noch folgt, ist wunderbar geräuchert und hervorragend angerichtet. schade, es wäre sich auch zur zeit lecker gewesen! aber eben, es war tout berne da, und das sind seit dem fall des ancien régimes auch immer mehr …

2230 historisches museum

herrlich, wie das historische museum in den nachfarben leuchtet. tiefschwarz ist es zwischenzeitlich am himmel, schneeweiss bedeckt ist der garten, und gelb-rot-grün beleuchtet ist der prachtsbau aus der vorletzten jahrhundertwende. drinnen hats unmengen staunende. um sich die organisation aus früheren jahren zu verbessern, hats nun herolde, die alles ankündigen, was wo ausgeführt wird. sie tragen mittelalterliche kleider und mittelalterliche hüte, die sie vom jungen mittelalterdoktor christian folini, unserem ständigen begleiter an diesem abend, ausgeleiht bekommen haben. dafür bekam der gratiseintrittskarten, mit denen die stadtwandererei gleich überall unterwegs war: wunderbar, wie diese mittelalterliche naturalwirtschaft funktioniert! angesagt wird grad „law&order“. die justitia im original ist zu sehen. hans gieng hat sie im 16. jahrhundert geschaffen. um sie vor zerstörungen zu schützen, ist die sichtbare an der gerechtigkeitsgasse ja nur eine kopie. das orginal wird vom museumsführer minutiös beschrieben: die binde, die waage und das schwert, werden einzeln seziert. speziell sind die vier köpfe zu ihren füssen: die herrscher der zeiten, in denen die justitia geschaffen wurde: kaiser karl V. vom römischen reich, papst pius II. vom himmlischen reich, und sultan süleiman der prächtige vom osamanischen reich. nur bei der vierten person vertut sich unser sprecher, wie es für berner üblich ist. Statt den deutschen könig ferdinand I. einzuführen, macht er aus dem mann mit dem szepter in der hand schon mal hans-franz nägeli, den berner schultheissen von damals. die geschichtsforschung hat dies als irreführung des konservativen historiker max howald aus dem 19. jahrhundert aufgedeckt. Aber es fällt den konservatoren der vergangenheit schwer, das zu glauben …

2330 helvetiaplatz

phuuh, wir sind geschafft: so viele menschen, wie selten in bern, so viele museen, bibliotheken, denkmäler und promis, wie kaum einmal an einem abend, und eine so wunderbar erleuchtete stadt, die sich öffnete, wie nie zuvor, wird uns in den reichen eindrücken zur originellen museumsnacht 2007 in erinnerung bleiben, wo auch immer wir noch hingehen …

stadtwanderer

auf zum nächsten geschichtstag!

historikertage kennt die schweiz schon lange. geschichtstage dagegen sind neu. sie wollen, wie der erste davon in bern, die etwas antiquierte zunft öffnen, um wissenschaft und publikum einandern näher zu bringen. die erste austragung wurde durch das historische institut der universität bern betreut.


geschichtstage: für das publikum ein wenig licht in die vielfalt der geschichtswissenschaft bringen (foto: stadtwanderer, anclickbar)

die geschichtswissenschafter heraus fordern

die grosse diskussion über geschichte macht gerade heute sinn. hermann lübbe, der altjunge provokateur unter den hiesigen professoren, nahm die historikerInnen auf dem podium beim kragen: geschichte boomt. es gehen mehr menschen einmal jährlich in eine museum als in ein fussballstadium! es sind mehr als 12 prozent der gebäude in den städten dem denkmalschutz unterstellt. und die bestsellerlisten der magazine sind mehr voll mit historischen sachbüchern. geschichte ist im schwang, weil die gegenwart sich so schnell ändert, diagnostiziert der emeritierte professor. je schneller sie das tut, um so schneller wird man selbst seiner eigenen gegenwart fremd. und je geschwinder dies geschehe, um so mehr brauche es geschichte, die kompensiere.

da platzte dem einen oder andern der rund 500 anwesenden historikerInnen an den geschichtstagen schon mal der kragen. psychotherapeutInnen einer neurotischen gegenwart mag man nicht sein. mindestens an einer kritischen diagnose der gegenwart arbeite man. besser noch ist man auf dem weg, eine theorie des geschehen und der geschichte zu entwickeln, so die antworten der 68er professoren und ihre älteren schützlingen. valentin gröbner, dem jungen österreicher mediävisten an der universität luzern, kam selbst das suspekt vor: historikerInnen müssten erzählen, aber nicht, um abstammungen aufzuzeigen, auch nicht um identitäten zu bilden, sondern um sich dem fremden per se zuzuwenden, das in der vergangenheit stecke. den geschichtsboom zu inspirieren, ist seiner meinung nach keine aufgabe der profession. ein mission habe man nicht; vielmehr soll sie fragen, was von dem, was ausserhalb der wissenschaft entstehe, wirklich stimme. historiker seien eher qualitätsprüfer, folgerte er, – und damit meist auch zuständig für die schlechte laune.

die neue diskussionskultur in der wissenschaft

klar besser gelaunt war ein abwesender. statt wie angekündigt, über die möglichkeiten der nationalgeschichtsschreibung in bern zu referieren, hielt der basler historiker mit europäischem esprit in berlin einen vortrag mit einem anderen titel. dennoch war er via basler anwesend, die seinen ungehaltenen vortrag gleichentags in einer sonderbeilage und in der vergangenheitsform nachlieferte. schade, muss man beifügen, die direkte debatte wäre fruchtbarer gewesen. das interesse am besagten workshop war nämlich ausgesprochen gross. ein mittelgrosser hörsaal, der weit über den letzten platz hinaus gefüllt, debattierte mit thomas maissen, dem kommenden star unter den schweizer historikern über die (un)möglichkeit, schweizer geschichte zu schreiben.

der stadtwanderer fragte sich, ob es während seines studiums in den 70er jahren in so einem atelier ausser einem einsamen freisinnigen historiker aus den burschenschaften überhaupt jemanden gehabt hätte. sicher ist er, dass kein linker historiker dagewesen wäre, – anders als heute, wo sie nicht mehr mit meistererzählungen von marc bloch oder eric hobsbawm brillieren können, sondern wieder lernen müssen. denn gefragt sind nicht mehr struktur und geschichte, sondern alltagsgeschichte, nicht mehr wirtschaft und gesellschaft, sondern kultur als erklärungsgrösse, und nicht mehr avantgardistischer klassenkampf via geschichte, sondern gebrauchsgeschichte.

das macht geschichtswissenschaft wieder interessanter. am ersten schweizer histo-tag mischten sich mehr frauen unter die männer, als dies an vergleichbaren veranstaltungen eine generation zuvor der fall gewesen wäre. und es sprachen sichtbar mehr schweizerInnen, die im ausland professorInnen sind, als es noch vor 10 jahren überhaupt denkbar gewesen wäre. selbst über nationalgeschichte der schweiz reden heute mehr deutsche und franzosen kompetent mit, als man meinen könnte. sie sind aber nicht mehr daran interessiert, wie es (scheinbar) war. vielmehr fragen sie, wieso es zu dieser oder jener art der nationalgeschichte kam. sie fordern fallstudien, die sich der selbstbeweihräucherung entziehen. denn sie wollen vergleichen, um die vielzahl der sonderfälle gerade in den nationalgeschichten systematisch hinterfragen zu können, um das besondere und das typische daran erkennen zu können.

gesteigerte geschichtsproduktion heute

es ist ausser frage: die historische forschung ist besser geworden. die profession produziert heute regelmässig eine vielzahl neuer werke, die nach geklärten datengrundlagen und methodischen verfahren entstehen. die reichhaltigen büchertische am berner geschichtstag bezeugen das: neue weltgeschichten und frische biographien stehen einem zu hauf zur verfügung. doktorarbeiten und wissenschaftlichen journale gibt es mehr denn je!

doch bleibt die fast schon bange frage: entwickelt sich die kunst der geschichtsvermittlung ebenso schnell wie die wissenschaft der geschichtsproduktion?

da zweifelt der stadtwanderer: habilitationsschriften von neuerdings 1000 seiten und mehr dürften wohl keine unfreiwillige leserInnen finden. workshops, die mit neuen methoden zu alten einsichten kommen, locken nicht mehr als ein paar insider an. und doktorandenkolloquien mit einem celebren sprecher aus paris, der für sich, aber nicht zum thema redet, begeistern an einem geschichtstag nicht. es ist augesprochen schade, dass dafür die geschichtsdidaktik immer noch fast ausschliesslich der „abteilung gymnasiallehrer/innen“ zugewiesen wird. dabei könnte alle von der erfahrung, wie man gute schulbücher produziert, fesselnde vorträge hält und virutelle foren des geschichtsinteresses bedient, am einem geschichtstag profitieren.


hauptgebäude der universität bern: austragungsort der ersten schweizerischen geschichtstage (foto: stadtwanderer, anclickbar)

vernachlässigte geschichtsvermittlung für morgen

auch wenn er auf dem podium unnötig rücksichtslos war, hermann lübbe hatte absolut recht: die geschichte darf nicht nur vom gschichtsboom reden, um mehr mittel beim schweizerischen nationalfonds zu verlangen. sie muss sich ihm direkt stellen. auch und gerade weil die nachfrage nach geschichte ausserhalb von akademien rasanter wächst als innerhalb. denn die frage nach der geschichte entsteht immer dann und immer dort, wo sich kulturen berühren und menschen, mit verschiedenen selbstverständnissen einander begegnen. denn sie müssen einander erzählen, wieso sie so geworden sind.

das wusste schon herodot, der vater der abendländischen geschichtsschreibung, der mit seinen erkundungen begann, als er aegypten und persien bereist hatte und sich danach in griechenland niederliess um zu fragen, weshalb sich seine kultur von der der andern unterschiede.

ich bin auch mit valentin gröbner einverstanden, auch wenn er sich auf demselben podium wie lübbe unnötig vorsichtig gab: der geschichtsboom entsteht, weil wir soviel reisen, virtuell und reell. er wächst eigengesetzlich, weil sich so viele menschen so zahlreiche neue welten erschliessen. über sie wollen wir mehr erfahren, um die differenz zu sich selber zu begreifen. zu wissen, was zu uns führt, ist die erste aufgabe der geschichte. zu merken, was uns fehlt, das andere haben, die zweite.

ich würde es schätzen, wenn sich die zweiten schweizerischen geschichtstage der schweizerischen gesellschaft für geschichte ganz der geschichtsvermittlung für den tourismus widmen würde. Workshops sollte er anbieten, bei denen ausländerInnen etwas über die schweiz im vergleich erfahren. ausländische historikerInnen sollten wiederum reiseberichte von schweizerinnen auf der ganzen welt diskutieren. und virtuelle ausflüge in die vergangenheit sollte er den teilnehmenden als erlebniswelt anbieten, um klar zu machen, was sich wann, wo und warum seither verändert hat.

eine beredete stadtwanderung am geschichtstag zu albrecht von haller ist dabei ein kleiner anfang. von jedem teilnehmer, von jeder teilnehmerin des nächsten geschichtstages sollte man ein solches angebot für die kollegInnen erwarten, – vorbei an lokalen museen, denkmalgeschützten häusern und kiosken prall voll mit populärmagazine zum geschichtsboom. nicht besserwisserisch kritisiert, sondern mit erhellenden kommentaren inspiriert werden sollte dieser welle!

stadtwanderer

ps:
heute ist museumsnacht in bern: berner museumsnacht

schräge vögel

meine lieben!

12 besondere tage liegen hinter uns, an denen gleich mehrfach mein 50. geburtstag gefeiert wurde. berufliche umstände – wie könnte es anders sein: eine volksabstimmung – haben es verhindert, alles, was ich wollte an einem wochenende zu feiern.


abschlussgeschenk vom schrägen vogel für den schrägen vogel (foto: stadtwanderer, anclickbar)

deshalb habe mit interessierten die vox-tagung realisiert und mit meinen mitarbeitenden und kunden am 6. märz im berner bellevue ein kräftiges apéro eingenommen, bin ich mit meiner liebsten am 14. märz in salins-les-bains wandern und baden gegangen, und habe ich heute mit familie und freunden im löwen in illiswil getafelt. meinen kollegen auf den blogs habe ich das eine oder andere über meinen geburtstag in die berichte und kommentare einfliessen lassen, und in der tat haben es zahlreiche auch gemerkt und mir auf neuzeitliche art und weise gratuliert.

allen, die mich in diesen tagen beglückt und beschert haben, sei hier nochmals von ganzem herzen gedankt:

. den referentInnen an der vox-fachtagung, speziell annemarie huber-hotz, der (scheidenden) bundeskanzlerin, aus deren hand ich schon mal das bundeshaus (in fotografischer form) überreicht erhalten habe,
. iwan rickenbacher, der am apéro die formidable laudatio auf mein (bisheriges) wirken als politikwissenschafter und stadtwanderer hielt,
. meinen mitarbeiterInnen, die mich nach aachen in die weiterbildung schicken und, um mich nicht zu vergessen, auf wikipedia verewigt haben,
. meiner familie und meinen freunden, die meine grossen lücken in der fotografischen biografie der letzten 50 jahre kräftig gefüllt haben, ganz speziell natürlich meinen eltern claire und pierre longchamp für die kreation des stadtwanderer-weins!

ihr habt mich alle mit wissen und witz beschrieben und mit schalk und zuneigung charakterisiert. es war wunderbar!

doch keine(r) hat mich so originell gewürdigt, wie baro, meine ornithologin, die mich mit ihrem langzeitprojekt genau und streng beobachtet und und fast überall hin begleitet. bei ihrem bestimmungsversuch ist sie auf ihr vorläufig endgültiges ergebnis gekommen, wer ich bin: ein schräger vogel!

da kann ich nur sagen: voll getroffen! und ich verspreche euch und allen: ich fliege nicht so schnell davon, wie sich das einige wünschen. ich bleibe, ich schufte, ich wandere und ich lebe gerne mich euch!

stadtwanderer

330 gramm salz je liter

salins-les-bains hiess im bis vor kurzem noch salins-du-jura. nicht zum baden ging man in die burgundische kleinstadt. man zog dorthin, um salz des lebens, das man der erde abgewonnen hatte, zu kaufen.


kathedrale der industrialisierung: impressionen aus dem stillgelegten salzbergwerk von salins-les-bains (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

das salz des lebens

heute lohnt sich der salzabbau in salins ökonomisch nicht mehr. man verwendet das reichhaltige salz im wasser für die strassendusche. richtig! in salins-les-bains salzt man im winter nicht, um sie vor dem frost zu schützen. man dutscht sie mit dem salzwasser aus den salinen. 330 gramm pro liter sind drin.

im mittelalter war salins-du-jura d e r salzort. 523 wird es in den fränkischen quellen erstmals erwähnt. im hochmittelalter kamen verschiedene burgundische grössen aus salins-du-jura. bis 6000 einwohnerInnen zählte die stadt, hinter besançon und dôle die dritte stadt in der freigrafschaft. 800 davon waren direkt in den salinen beschäftigt. wenige unter tags, die meisten in den hütten, wo man das salz vom wasser trennte. 17 kirchliche orden zählte die stadt in ihren besten zeiten, und alle waren sie nutzniesser der salzproduktion.

die salzstadt selber war eine stadt in der stadt des salzes. mit eigenem eingangstor, das nur von der stadt erreichbar war. und mit eigenen wehrtürmen und mauern, welche das kostbare gut sichern sollten. damit das begehrte salz nicht gestohlen wurde, formte man es vor dem verkauf in barren zu 20 kilo.

salz war immer auch ein zahlungsmittel. die angestellten sind auf französisch bis heute die salaries. denn wo das münzgeld knapp war, entlöhnte man seine mitarbeiter mit salz, dem weissen gold.

für das leben war es zu allen zeiten unersetzlich: es liefert nötige mineralstoffe für den alltag. er verbessert die speisen, und es wurde als heilmittel gebraucht. das alles gilt bis heute. und es galt, sei man salz kannte.

das salz der erde

der salzhandel war häufig alles bestimmend. das machte die jura-westseite immer interessant. das meer reichte vor 2 millionen jahren hierhin. ss lagerte bei seinen gezeiten salz am fusse des gebirges ab. 40 meter dick ist die schicht in salins. aber 246 meter unter mehr. Das machte die produktion schon früh zu einem unternehmen.

wer in die salinen hinabsteigt, bekommt die kathedralen der industrialisierung zu sehen. die kammer unter tags gleiches einer riesigen romanischen kirche. grober stein, langes schiff, apsis und gewölbe alles findet sich heute noch. nur hat hat es eine dicke schicht schuttablagerung, denn seite 45 jahren wird die anlage kaum mehr gebraucht. 10 meter über dem boden kann man aber aber den mehr als 200 meter lange, gelb erleuchteten gang begehen.

übertags wurde das salz in vier riesigen pfannen gewonnen. eine davon ist heute noch zu sehen. in drei jahren soll sie ganz renoviert sein. das arbeiten hier muss nicht einfach gewesen sein. untertags 12 grad im maximum, übertags 50 grad im minimum. das brauchte enorm viel holz, das man nicht hatte. deshalb baute man einen 21 kilometer langen holzkanal nach arc-et-senens hinter, wo die wälder zahlreicher war, und liess das salzwasser dort verarbeiten.

das salz des verkehrs

salins-du-jura lag im mittelalter an der zentralen strassse von den lombardischen in die flandrischen städte. die zentrale verkehrsachse seit dem hochmittelalter ging über den grossen st. bernhard, den joungepasse, über pontarlier, salins-du-jura, dijon hinaus bis nach brügge. st. maurice d’agaune, unser st. maurice im wallis war an dieser strasse bestimmend. so ist eine der zentralen kirchen bis heute nach dem heiligen aus dem wallis benannt. und sie ist im gleichen stil gebaut.

dass die strasse nicht händler, sondern und plünderer anzog, ist bekannt. deshalb war salins stets schwer bewacht. zwei burgen über den beiden hügeln, welche das offene tal der furieuse auf das plateau zum jura hin bilden, überragen heute noch die szenerie.

eine veritable stadt ist salins-les-bains heute nicht mehr. 3000 menschen mögen hier noch leben. bandstadt nennt man die siedlung heute auf französisch; auf deutsch würde man fast strassendorf risikieren. das salz aber ist seinem namen gerecht geblieben. es ist das salz des alltags, das hier allgegenwärtig geblieben ist. wer hier spazieren geht, erlebt eine wunderbar entspannte atmosphäre. es ist so, wie wenn die leute täglich aus ihrem salzbad entsteigen würden und gelöst ihren beschäftigungen nachgehen.

der richtige ort, um seinen runden geburtstag zu feiern!

stadtwanderer

ps:
st. maurice der gegenwart holte mich bei der lektüre der einzigen zeitung während meiner kurzferien ein. zu lesen war unter im blog-verrückten frankreich, dass unser kommunikations- und verkehrsminister maurice leuenberger sich der grossen gemeinde der individuellen kommentatoren des öffentlichen lebens in der blogsphäre angeschlossen hat! chapeau, moritz!

der berühmteste berner, der heute geburtstag h..

..ätte, ist natürlich ferdinand hodler, der schweizer “nationalmaler”!


selbstbildnis von ferdinand hodler (1853-1918)

die europäische karriere

hodler war schon über 30, als er begann eigene bilder zu malen. nach ersten einzelausstellungen in genf und bern, kam mit 35 der durchbruch: frisch mit bertha stucki verheiratet, malte er “die nacht”, – ein bild, das als sittenwidrig gebrandmarkt wurde und für einen handfesten skandal schon vor der ausstellung sorgte. doch der ebnete hodler den weg nach paris. 1900 wurden drei seiner werke auf der weltausstellung mit der goldmedaille ausgezeichnet. der aufstieg, vor allem in deutschland, war nun unaufhaltsam. grossflächige bilder für universitäten, rathäuser und andere repräsentativbauten entstanden und machten den schweizer zu einem der gefragtesten maler in ganz europa. doch das ende hodlers in deutschland kam jäh: nach dem kriegsausbruch 1914 unterschrieb er einen prostestbrief gegen die bombardierung der kathedrale von reims, worauf er in deutschland selbst in künstlerkreisen als franzosenfreund gemieden wurde.

der schweizer aus bern

ferdinand hodler, der in bern in ärmlichen verhältnissen aufgewachsen und in der matte zur schule gegangen war, wurde schon mit 14 vollwaise. mit 12 hatte er die werkstatt seines alkoholkranken stiefvaters übernommen. der war dekorationsmaler, und als ältestes kind hat ferdinand für seine geschwister zu sorgen. bern verliess er mit 18 richtung genf, um mit der auftragsmalerei, die er vorerst betrieb, geld zu verdienen.

die anerkennung als künstler in der schweiz, kam erst spät: mit 61 wurde hodler ehrendoktor der universität basel, und mit 63 nahm er eine professur an der genfer ecole des beaux-arts an. mit 65jährig verstarb er daselbst, kurz nachdem ihm die ehrenbürgerschaft der stadt genf erteilt worden war. die letzten jahre seines schaffens waren durch den nahenden tod seiner geliebten valentine godé-darel bestimmt. damti schloss hodler den bogen ab, den er als maler behandelt hat: mensch und natur, liebe und tod.

der maler seiner selbst und seiner zeit

immer wieder beschäftigte sich hodler in seinen werken auch mit sich selber. selbst in seinem landesweit bekannten “wilhlem tell” sehen kunstkritiker bis heute ein stilisiertes selbstbildnis mit einem starken bekenntnis zu seiner heimat.


ferdinand hodlers wilhelm tell von 1897

bilder wie dieses haben ihm denn auch den ruf des nationalmaleres des jungen bundesstaates eingetragen. erstanden ist es für einen wettbewerb des landesmuseums in zürich. frei von jedem unnötigen beiwerk kommt hodlers tell als machtvolle personifikation des schweizerischen selbstbehauptungswillens direkt aus den bergen, erhebt die hand, um allem unschweizerischem halt zu gebieten, und präsentiert er die armbrust, das markenzeichen der schweiz, als sichtbare androhung von massnahmen. sicher traf hodler damit das selbstverständnis der schweiz auf dem weg zur nationenbildung, die mit dem burgfrieden zwischen reformierten und katholiken in den 1890er jahren ihren höhepunkt erreichte, und den kampfbeginn der bürgerlichen gegen die arbeiterschaft markierte.


ferdinand hodlers “holzfäller” von 1911

heute stösst man am häufigsten auf hodlers holzfäller. christoph blocher lässt sich gerne vor dem bild ablichten. manchmal weiss man nicht, wie die fotografen das wikrlich gemeint haben: als verbindung zur tradition des monumentalen und nationalen, die in hodlers und blochers schaffen vorkommt, oder aber als anspielung darauf, dass man blocher mit dem beil umlegen sollte? wie auch immer: für die politische werbung generell ist hodlers holzfäller schon fast unverzichtbar geworden. man kann ihn einsetzen, wenn es darum geht, die probleme an der wurzel anpacken, aber auch den kahlschlag der anderen zu verhindern. 1911 war das bild auf den noten der jungen nationalbank, und als deren goldreserven 2006 via kosa-volksinitiative von links weg von den kantonen in die ahv gelenkt werden sollten, war es das hauptsujet der nein-kampagne. selbst auf meinen fotoblog hat es das bild gebracht: “mit voller wucht” als titel!

der geburtstag am 14. märz …

was hodler dazu alles gesagt hätte? ich weiss es nicht, denn er wäre heute 154 geworden, 104 mehr als ich werde!

stadtwanderer

herzklopfen!

das war der tag des stadtwanderers: zuerst kommt die frohe botschaft von “swissblogpress”, und dann doppelte auch der “tages-anzeiger” mit einem artikel zu meinem blog nach! mein herz klopft vor aufregung …


quelle: flickr/carovald

herzklopfen zum ersten …

ich wollte ja schon lange mitglied werden von swissblogpress. das wird ja so zu einem gütesiegel für die blogs hierzulande. bei meinem ersten bewerbungsschreiben haben die mich glatt weg als zu jung taxiert. nun hat es aber geklappt:

“Der Vorstand hat in den letzten Tagen die rund 30 Blogs anhand der in den Vereinsstatuten festgehaltenen Kriterien geprüft und den bestehenden Mitgliedern von spb einen Vorschlag über die Aufnahme neuer Blogs unterbreitet. Alle Mitglieder sind einverstanden mit Deinem Beitritt zum sbp.”

super, merci! nur, in welche kategorie ich passen würde, weiss ich nicht:

politik? nein!
kultur? nein!
gesellschaft? nein
und geschichte gibt es gar nicht.

also werde ich an der nächsten gv von schweizbloggpresse beantragen, eine neue kategorie zu eröffnen: historisierenden politkultur – berichterstattung! in das segment will ich nämlich …

herzklopfen zum zweiten …

doch damit nicht genug heute! verena vonarburg, eine historikerin, die es zum “tagi” verschlagen hat und die in diesem medium regelmässig zur gegenwart schreiben muss, ist eine der begleiterinnen auf meinen virutellen spaziergängen geworden. und hat nun darüber in der grossen presse geschrieben. eine halbe seite im “tagi”, nicht schlecht, für einen einjährigen! und endlich hat ein journalist oder eine journalistin sich selber ein bild gemacht von mir, und nicht im archiv von anderen (oder noch schlimmer: von sich selber) abgeschrieben!

schön schnell und schön flüssig ist der artikel geworden, und schöne werbung für den “stadtwanderer” ist er auch! fast ein wenig so, würde ich sagen, wie wenn frau vonarburg selber lieber bloggen als redigieren würde. ich sag da nur: versuchen sie es, es ist mega hart, macht aber mega spass!

gerne würde ich den artikel auch allen zum lesen zur verfügung stellen. nur: wie macht man ein pdf, das als email kommt, allen frei verfügbar. hilfe, ich kann das nicht!

… und herzklopfen zum dritten!

bin halt doch noch jung im metier, drum klopft mein herz immer noch, wenn einen artikel aufschalte …

stadtwanderer
(auf dem weg in die ferien!)

geschichtsmarketing auf dem rütli

ich habe einen netten brief von alt- nationalrätin und bundesratskandidatin judith stamm erhalten. da schreibt sie unter anderem: “Der Brief gibt mir gerade Gelegenheit, auf Ihr Gespräch in “Sternstunde Philosophie” mit Roger de Weck zu sprechen zu kommen. Dieses Gespräch fand ich sensationell gut. Ich hätte noch stundenlang zuschauen und zuhören wollen. Eine solche analytische Durchdringung unserer Geschichte habe ich noch gar nie miterlebt”.


judith stamm, die präsidentin der rütli kommission (bild: marco zanoni)

natürlich verneige ich mich ob sowohl lob bei der grand old lady der cvp und früheren präsidentin der eidgenössischen frauenkommission. und ich beantworte ihr anliegen, das sie nachschiebt, gerne. “Als Pendenz habe immer noch die Königin (?) Adelheid, die wollte ich schon lange im google nachsehen. Vielleicht hat sie einen gut gelegenen Geburtstag, den ich gerne zum Aerger aller Post- und Nichtmehr- und Nochniegewesenenfeministinnen gross feiern würde! – Spass bei Seite: Schreiben Sie ein entsprechendes Buch?”

* * *

wow, das ist eine gute idee! vorerst schreibe ich ja “nur” blogbeiträge; das aber in stattlicher zahl … obwohl ich schon ein angebot von einem v… doch dazu später einmal was präziseres!

* * *

leider ist der geburtstag von adelheid nicht überliefert. das interessierte damals noch niemanden, – nicht einmal bei königskinder! sie muss aber vor 931 geboren sein, denn 947 wurde sie mit lothar, mitkönig von italien, vermählt, was erst mit vollendung des 16 altersjahr möglich war.


die rütliwiese, seit jeher diiie plattform für geschichtsinszenierungen

immerhin ist ihr todestag bekannt: der 16. dezember 999, also kurz vor dem millenium! da adelheid 1095 heilig gesprochen wurde, feiern alle adelheid(i)s heute noch an diesem tag ihren namenstag, und zwar ganz unabhängig davon, ob sie nach dem katholischen, reformierten oder orthodoxen kalender gehen. eine eher seltene sache!

judith stamm habe ich aber eine andere art von geburtstagsfeier für die heilige kaiserin adelheid aus “bümpliz” empfohlen: an der nächsten 1. august-feier auf dem rütli, an der nach vorstellung vieler prominenter frauen frauen für sich eine friedliche feier abhalten sollen, könnte frau ja adelheid gedenken.

immerhin war sie nach dem untergang des weströmischen reiches im 5. jahrhundert die erste frau, die kaiserin wurde. karl der grosse und seine söhne, neffen und geisteskranken nachfahren hätten sowas nie und nimmer zugelassen! adelheid war auch eine der ersten “schweizerinnen”, die heilig gesprochen wurde. und sie gilt bis heute als eine der bemerkenswertesten frauen im 10. jahrhundert resp. im mittelalter überhaupt! mutter der königreiche hat ihre biographin getrud bräuer sie in bewusster abgrenzung zu karl dem gross, dem vater europas genannt!

nur in der schweiz ist adelheid in vergessenheit geraten. es wäre ganz toll, wenn die scheidende präsidentin der rütli-kommission judith stamm mit so einer speziellen aktion kaiserin adelheid als ihr abgang in unser kollektives gedächtnis zurückholen würde.

das wäre dann gleichzeitig gelungenes und notwendiges geschichtsmarketing pur, wenn die schweiz nicht nur als heidi-, sondern auch als adelheidsland bekannt würde!

stadtwanderer

alle meine blogbeiträge zu adelheid:

kaum zu fassen
das leben der kaiserin adelheid
adelheids land
kein einfacher spaziergang, der weg nach rom
die konsorten des reiches

die zukunft der direkten demokratie der schweiz – ein fortsetzungsblog

eintrag 11 uhr 45

freitag abend, in bern. im haus, wo “adrianos” bar ist, zwängen sich zahlreiche gäste die treppen zum volksrechte apéro hoch. geladen hat das iri europe, das volksrechte-institut in marburg, das vom schweizerisch-schwedischen politikwissenschafter bruno kaufmann präsidiert wird. geladen sind unter anderem die bundeskanzlerin der schweizerischen eidgenossenschaft, annemarie huber-hotz, vertreter des eidg. departementes für auswärtige angelegenheiten, die direktion für entwicklungshilfe und zusammenarbeit und der auslandschweizerdienst. aber es kommen auch interessierte, ganz normale bürgerInnen, so wie der stadtwanderer.


volksrechte-apéro in bern: iri-präsident bruno kaufmann (rechts) stellt den gästen, unter ihnen die schweizerische bundeskanzlerin annemarie huber-hotz, das projekt für einen weltkonferenz vor (foto: stadtwanderer, anclickbar)

die botschaft der veranstalter ist klar: direktdemokratische institutionen haben sich in der nachkriegszeit in die überwiegende mehrzahl der staaten durchgesetzt. was es jetzt braucht, ist die demokratisierung der demokratie! die schweiz weiss zwar immer noch die hälfte aller volksabstimmung weltweit in ihrem land; der trend verläuft aber zugunsten des auslandes.

im mai 2008 wird hierzu der erste weltkongress für direkte demokratie stattfinden. es soll keine gelehrtenversammlung werden für philosophen und politologen. vielmehr sollen sich praktikerInnen austauschen. vertreterInnen von regierungen und verwaltungen werden erwartet. parlamente und parteien sollen vertreten sein. gerichte und juristen sollen teilnehmende melden. denkfabriken und dienstleisterInnen sind willkommen. und delegierte von ngos und aus der zivilgesellschaft sollen angesprochen werden. last bur not least sollen auch forschende und medienschaffende den weg nach luzern finden.

der kongress wird drei tage dauern. der erste tag wird den persönlichkeiten gehören, die weltweit direkte demokratie kennen und schätzen gelernt haben. am zweiten tag soll in zahlreichen workshops gearbeitet werden, während am dritten tag ein plenum stattfinden wird, das ergebnisse und empfehlungen formulieren soll.

für die schweizerische demokratie bedeutet das wohl das einzige exportprodukt aus ihrer politischen praxis. die ausführung von bruno kaufmann wurden denn auch am apéro von den einheimischen freundlich aufgenommen; die vertreterinnen der schweizerischen eidgenossenschaft sicherten ihre unterstützung für den weltkongress zu. der wird auch den anwesenden luzerner stadtpräsidenten urs w. studer mit freude erfüllen.

eintrag 21 uhr 00

auch ich bin gespannt, ob wir auf diesem weg der abstimmungsdemokratie der schweiz eine ungeahnte zukunft eröffnen können. bisher dominierte in unseren nachbarstaaten der gegensatz zwischen monarchie und republik. in der schweiz konnte man aufgrund der entwicklung damit nur wenig anfangen. man zog es vor, zwischen indirekten (parlamentarischen) und direkten demokratien mit volksrechten zu unterscheiden. das hat ohne zweifel zur demokratisierung der politik geführt. und genau daran will der luzerner weltkongress arbeiten. den demokratische bewegungen finden sich heute überall. sie allen verlangen mehr bürgerInnen-partizipation.


noch ein bisschen schief in der landschaft, doch bis im mai 2008 soll die schweiz das zentrum der weltweiten bewegung für direkte demokratie werden (foto: stadtwanderer, anclickbar)

ob das so kommt, wie in der schweiz, kann man bezweifeln. der das direktdemorkatische system unseres landes wurde allen bestrebungen der staatsrechtler zum trotz nicht auf dem reisbrett erfunden. es entstand als antwort auf die frage nach einflussmöglichkeiten von minderheiten, als integrationsmechanismus beim übergang von einer konkurrenz- zu einer konkordanzdemokratie, und als antwort auf die wachsenden bedürfnisse der bevölkerung, informations- und entscheidungsmässig rechtzeitig in immer unübersichtlichere, aber immer massgeblichere politische programme integriert zu sein. das ist auch durch andere formen denkbar, als die schweizerischen der direkten demokratie.

es ist ohne den willen, mehr partiziaption in allen politischen fragen überall zu erkämpfen und zu ermöglichen, nicht möglich. dazu nachzudenken, lädt der weltkonferenz für direkte demokratie nächstes jahr nach luzern ein.

stadtwanderer

weltkonferenz direkte demokratie 2008

die vergangenheit der direkten demokratie in der schweiz – ein fortsetzungsblog

eintrag 11 uhr 15

die ereignisse, wie es in der schweiz zur abstimmungsdemokratie kam, sind nicht ganz unbekannt: am 20. märz 1831 wird die erste demokratisch legitimierte zürcher kantonsverfassung in einer volksabstimmung gutgeheissen. der ja-anteil ist überwältigend: 40503 ja gegen 1721 nein! die verfassung selber wurde 10 tage zuvor, am 10. märz, definitiv verabschiedet und bekannt gemacht. am 10. april legten die kantonsbürger, in ihren kirchen den eid auf die neue verfassung ab: «Wir Bürger des Kantons Zürich schwören Treue der Schweizerischen Eidgenossenschaft und unserm Kanton; wir schwören, die Unabhängigkeit, Rechte und Freiheiten unsers teuren Vaterlandes zu schützen und zu schirmen, mit Gut und Blut, wo es die Not erfordert», lautete die formel hierzu.

der eid war nötig, denn der bruch mit der vergangenheit war 1831 radikal. er hatte sich 1830 angekündigt. die februar- und junirevolutionen in paris hatten ihre wirkung in der schweiz wie anderswo auch. am stärksten war der umbruch im tessin, wo ein finanzskandal das politische gefüge erschüttert hatte, und die liberale bewegung dagegen besonders stark ausfiel. doch auch in zürich gärte es 1830. hier eskalierte der generationenkonflikt. namentlich die gebildete jugend mochte die altmodische staatsführung ihr väter nicht mehr. in uster kam es zu einer grossen volksversammlung. die landleuteleute begehrten nach gleichen rechten wie die stadtherren. das winterthurer bürgertum übernahm die führung in der bauernbewegung; sie kündigte der stadt zürich, im 1803 geschaffenen kanton die hauptstadt, seit 1814 mit vielen traditionellen vorrechten ausgestaltet, ihre gefolgschaft. ende des jahres kapitulierte die alete zürcher regierung; das parlament löste sich auf. in wenigen wochen entstand die neue verfassung. stark inspiriert war sie von ludwig snell, dem deutschen flüchtling, der in küsnacht asyl erhalten hatte, und die volksbewegungen in sachen demokratie lehrte. am 10. märz 1831 war man soweit: das verfassungwerk wurde besiegelt!

eintrag 20 uhr 30

die regeneration der politischen lebens in zahlreichen kantonen während den 1830er war die voraussetzung für den machtwechsel im restaurierten staatenbund, den der wiener kongress 1815 geschaffen hatte. er führte zwischen 1845 und 1848 zu einer polarisierten situation, zugespitzt in einem bürgerkrieg. die siegerkoalition begründete danach den heutigen bundesstaat.

als die neuen kräfte die macht im bundesstaat erobert hatten, wollte sie aber vorerst nichts wissen von volksentscheidungen. ihre herrschaft war zwar total, basierte aber noch auf schwachen institutionen. zudem war der nationale raum zu schwach durch überkantonale massenmedien erschlossen. das liess einen elitären freisinn, gerade in zürich, erstarken.

gegen die macht des zürcher freisinn aus der staatsgründung formierte sich eine zweite, für die schweiz typische form der politischen einflussnahme: die demokratische bewegung der späten 1860er jahre. sie erkämpfte die erste verfassungsrevision per volksabstimmung, mit der auch volksrechte auf bundesstaatlicher ebene als möglichkeit der parzialrevisionen der verfassung eingeführt wurden.

1891 erweiterte man das referendum, vor allem um die katholisch-konseravtiven aus ihrer opposition gegen den bundesstaat zu locken, mit verschiedenen massnahmen. ihre beteiligung an der landesregierung war ein, die einführung der volksinitiative war eine andere. genutzt wurde sie in der folge aber vor allem von der linken, die darin eine möglichkeit sah, sich im bürgerlichen staat gehör zu verschaffen.

die direkte demokratie der schweiz verhinderte nach dem ersten weltkrieg nicht, dass es zu einer massiven erschütterung der institutionen kam. soziale not, weltwirtschaftskrise, politische polarisierung zeigten sich hierzulande ähnlich wie im ausland. und während des krieges herrschte ein vollmachtenregime, das die direkte demokratie mit notrecht ausser kraft gesetzt hatte.

die rückkehr zur direkten demokratie nach dem zweiten weltkrieg erfolgte nur zögerlich; es brauchte eine, alles legitimierenden volksabstimmung 1947. zudem kam es, auf der basis einer generation von sozialpartnern und parteipolitikern, die der not des krieges gehorchend, den konsens betonte, zur etablierung der zauberformel für die landesregierung, aber auch zahlreichen anderen politischen gremien, deren sitze nach dem proporzdenken besetzt wurden. das hat die politische polarisierung in der schweiz lange vermindert. es hat den willen zur zusammenarbeit über parteigrenzen hinweg verstärkt.

das alles ist heute in der dritten oder vierten nachkriegsgeneration wieder in auflösung begriffen. die dabei stabilisierten institutionen sind aber geblieben, und sie erfreuen sich einer weiterhin ungebrochenen beliebtheit. einmal eingeführt, sind volksrechte nicht nur ein entscheidungsverfahren, sondern auch einen systembildender faktor.

in der schweiz hat die direkte demokratie zu einer vergleichsweise hohen stabilität der exekutiven machtverteilung geführt, beschränkt und zyklisch aber eine variable zusammensetzung der legislativen belassen, und verfassungen geprägt, die relativ leicht modifiziert werden können. zudem unterliegt die parlamentarische gesetzgebung einer nachkontrolle in form von volksabstimmungen. die eigentliche volksgesetzgebung ist aber auch in der schweiz auf nationaler ebene unterwickelt geblieben.

stadtwanderer

die gegenwart der direkten demokratie in der schweiz – ein fortsetzungsblog

eintrag 12 uhr 00

die letzten abstimmungsurnen sind zu; es ist entschieden. in einer halben stunde wird man den trend kennen, in spätestens zwei stunden auch die hochrechnung haben. aber es ist klar: die initiative scheitert.

yves seydoux, den informationsbeauftragten der grossen krankenkasse mutuel, fragte am freitag den stadtwanderer bei seinem spaziergang, was am sonntag raus komme: 2:1 zugusten der nein-seite ist sicher, 3:1 ist möglich, antwortete dieser. man spekulierte nur noch, ob und wo es allenfalls ja-mehrheiten geben könne. die angst vor dem unmut über die krankenkassen sei nach wie vor da, wenn auch nicht mehr flächendeckend, sondern nur noch regional, orakelten die beiden.

eintrag von 13 uhr 10

der trend ist gesetzt. er geht, wie erwartet, ins nein, in richtung eines klaren nein. die differenz zwischen den sprachregionen ist gross, sehr gross. die schlusskampagne scheint die unterschiede zwischen den sprachregionen noch polarisiert zu haben. in der deutsch- und italienschsprachigen schweiz dürften sich sich die trends im abstimmungskampf weg vom ja fortgesetzt haben, in der romandie hielt sich diese wohl.

eintrag von 13 uhr 35

die erste hochrechnung liegt vor; sie gibt der nein-seite 72 prozent, der ja-seite 28. zwei prozent mehr oder weniger sind jetzt noch möglich, sagt die erfahrung. nach sprachregionen sind die unterschiede beträchtlich; es werden wohl aber alle mehrheitlich ablehnen. im kanton jura zeichnet sich ein ja ab, vielleicht als einzigem stand. möglich ist auch neuenburg.


hochgerechnetes endergebnis zur volksabstimmung für eine soziale krankenkasse (anclickbar)

eintrag von 14 uhr 15

ja, die resultate sind da: gemäss zweiter hochrechnung werden 2 kantone zustimmen, und 21 werdendie volksinitiative ablehnen. das ist ein harter schlag für die initiantInnen, denn das ständemehr ist damit noch klarer als das volksmehr. die stimmbeteiligung liegt, wiederum gemäss hochrechnung, bei rund 45 prozent, – einem für schweizerische verhältnisse mittleren wert bei volksabstimmungen.


ergebnisse der volksabstimmung über die einheitskrankenkasse nach kantonen (anclickbar)

eintrag von 14 uhr 45

welche “schweizen” – teile der schweiz auch jenseits der kantone und sprachregionen – stehen sich bei dieser entscheidung gegenüber?

der offensichtlichste zusammenhang betrifft die situation bei den prämien für die krankenkassen. jene kantone, die eine überdurchschnittliche prämienlast für die grundversicherung kennen, sagen klarer ja; jene, deren prämienhöhe unter dem mittel sind, stimmen deutlicher nein. das erklärt schon mal den recht deutlichen unterschied zwischen den sprachregionen. der zusammenhang ist nicht perfekt. gerade in der romandie reicht diese vereinfachte analyse nicht. da kommen auch lokale effekte hinzu, wie die politische landschaft. das gilt es zu berücksichtigen bei der erklärung der ja-anteile in den linken kantonen neuenburg, aber auch jura, während im kanton wallis, mit einer starken mitte/rechts-position, ein geringerer ja-anteil resultiert, als es einzig die sprachverteilung erwarten liesse.

man kann das auch so fassen: auf der eine seite – der mehrheit – finden wir die rechte schweiz, aber auch die teilschweiz, die politisch in der mitte ist. es ist jene schweiz, die unterdurchscnittliche belastungen durch sozialausgaben hat und dabei auch bleiben will. und es ist die teilschweiz, welche mehr wettbewerb will resp. auch förderalistsiche präferenzen kennt. auf der anderen seite – der minderheit – finden wir die linken teile der schweiz. es sind jene landesgegenden, die eine sozialbelastung über dem mittel kennen. und es ist die schweiz, die etatistischer eingestellt und für zentralisierungen offener ist.


zusammenhang zwischen prämienbelastung einerseits, zustimmung zur volksinitiative anderseits (anclickbar)

eintrag 15 uhr 30

die bürgerInnen haben bei der volksinitiative für eine soziale einheitskrankenkasse nach ihrer eigenen hemd, das ihnen am nächsten ist, gestimmt. bei vergleichsweiser hoher prämienbelastung und linker präferenz erwartet man mehr solidarität von allen. man möchte, das man einem hilft. bei vergleichsweise tiefer belastung und rechte präferenz, erwartet man mehr eigenverantwortung. man möchte, dass die anderen selber für verringerte gesundheitskosten sorgen. dass der entscheid so deutlich gegen die initiative ausfällt, hat mit einem wesentlichen befund der ersten analysen zu tun: die mitte hat sich eindeutig für die rechte antwort auf die von links gestellte frage gestellt.

eintrag 16 uhr 45

die vorläufigen endergebnisse liegen vor. der nein-anteil zur volksinitiative für eine soziale einheitskrankenkasse beträgt 71,2 prozent, – bei 28,8 prozent ja stimmen. die stimmbeteiligung liebt bei 46 prozent. gegenüber den vorumfragen fällt damit die beteiligung geringer aus als erwartet. macht man den bezug zu den kampagnen, überrascht dies aber kaum. die ja-seite gab ihren kampf zwei bis drei wochen vor der entscheidung gesamtschweizerisch verloren und konzentrierte ihren einsatz darauf, wenigstens in einigen kantonen mehrheitlich zu werden oder zu bleiben. in der deutschsprachigen schweiz war denn auch die demobilisierung am ende am stärksten, – und fällt auch der ja-anteil geringer aus als in der umfrage zwei wochen vor dem abstimmungssonntag. auch in der italienischsprachigen schweiz dürfte sich das ja auch noch etwas verringert haben, während in der romandie die zustimmung zeitlich gesehen am stabilsten blieb.

eintrag 17 uhr 45

was wissen wir mehr zur direkten demokratie in der gegenwart? – zunächst, dass sie funktioniert und entscheidungen produziert. alle skeptikerInnen, die behaupten, die normalen menschen seien zu vernünftigen politischen entscheidungen nicht fähig, muss man widersprechen. sie wird sowohl von den organisierten gruppen vielfältig genutzt. als auch die interessierten bürgerInnen partizipieren in ihr, um mitzuentscheiden. in fragen wie der gesundheitspolitik stimmen sie in erster linie nach eigeninteressen. sie fragen, was bezahle ich beim status quo, und was bezahle ich mit der vorgeschlagenen veränderung. sie handeln demnach durchaus vernünftig. sie beantworten die gestellten fragen aber nicht nur als homo oeconomicus, sondern auch als homo politicus. sie wollen mitentscheiden, was für politische überzeugungen inskünftig gültigkeit haben sollen. sie setzen willentliche zeichen, die man richtig lesen lernen muss. das ist direkten demokratie eine spannende form der massenkommunikation. anders bei den massenmedien besteht aber nicht nur eine top-down kommunikation, sondern kommt es auch zu einer bottom up-kommunikation. das ist wohl das wertvollste an direktdemokratisch gefällten einzelentscheidungen.

eintragung 19 uhr 45

volksrechte bedeuten nicht, dass die aktiven teile der bevölkerung irgendwie bestimmen. sie haben zwar mehr möglichkeiten, ihren anliegen einen institutionalisierten raum zu verschaffen. ob etwas gilt oder nicht, entscheiden aber gerade nicht die themensetzer, als die fordernden minderheiten, sondern die mehrheit der mitentscheidenden. auch wenn der einzelne mehr oder weniger unvollständig informiert ist, entsteht aus dem kollektiven meinungsbildungsprozess vor der entscheidung aus stimmberechtigten ein politisches volk, das sich manifestiert, und marken in der politischen entwicklung eines landes setzt. diese haben den vorteil, klar akzeptierter zu sein als parlamentarische entscheidungen. heute hätte niemand die gültigkeit des votums, das kund gemacht worden ist, auch nur im geringesten angezweifelt.

stadtwanderer

direkte demokratie in vergangenheit, gegenwärtig und zukunft – ein fortsetzungsblog

eintrag 10 uhr 30

heute interessieren mich drei dinge: die gegenwart von volksabstimmungen, ihre vergangenheit und ihre zukunft! ich werde versuchen, soweit nur möglich, allen drei themen beachtung zu schenken:

. der gegenwart anhand der eidgenössischen volksabstimmung, die heute zur linken volksinitiative für eine soziale einheitskrankenkasse stattfindet;
. der vergangenheit von volksabstimmungen aufgrund der ersten demokratisch legtimierten kantonsverfassung der schweiz, jener des kantons zürich, die gestern ihren 176. geburtstag hatte, und
. der zukunft von volksabstimmungen via den ersten weltkongress für direkte demokratie, der 2008 in luzern stattfinden wird und der vorgestern in bern der weltöffentlichkeit vorgestellt worden ist.

das erste thema handle ich für die medien der srg ab; man kann die ausführungen auf allen fernseh- und radionkanälen verfolgen. über das zweite und dritte äussere ich mich exklusiv via den “stadtwanderer”.

stadtwanderer

ich bin begonnen!

mein gott, fast hätte ich es vergessen! am morgen habe ich noch daran gedacht. dann aber kamen dicke wolken am arbeitshimmel auf, und ich habe alles schön vorbereitete beiseite geschoben. um mich zu entspannen, war ich dann am nachmittag kurz in der stadt, ein wenig fötelen. schliesslich ging ich direkt nach hause kochen, nicht mehr vor wut, wie am morgen, aber das abendessen, damit der tag wenigstens einen feinen ausklang bekommt …

und da ist es mir wieder in den sinn gekommen: es ist der 10. märz! kein tag wie jeder andere, sondern ein historischer moment, – wann auch immer.


giovanni trappatoni: “ich habe fertig!” (originalzitat, vom 10. märz 1998)

was weltbewegendes alles geschehen ist und irgendwie mit mir zu tun hat, liste ich fein säuberlich und mit aufsteigender spannung hier auf:

vor 977 jahren: graf welf II., der begründer der schwäbischen welfen, verstirbt.

vor 214 jahren: das revolutionstribunal wird danton gegründet, dessen urteile nicht mehr angefochten werden können; die moderne judikative entsteht.

vor 204 jahren: die zentralistische helvetischen republik wird von philipp albert stapfer liquidiert; es folgt die föderalistische phase der mediation. seit dem gleichen tag darf man in frankreich als medizinier nur noch praktizieren, wenn man dr. med. ist.

vor 176 jahren: der kanton zürich bekommt in der ersten volksabstimmung eine verfassung, mit der die regenerationszeit eingeleitet wird.

vor 131 jahren: erstes telefon durch bell/watson ist erfolgreich.

vor 108 jahren: frankreich führt prüfungen für das autofahren ein.

vor 97 jahren: karl lueger, wiener bürgermeister, verstirbt.

vor 94 jahren: adam schaff, polnischer philosoph und historiker, wird geboren.

vor 74 jahren: in dachau wird das erste konzentrationslager der nazis eröffnet.

vor 71 jahren: sepp blatter, heute präsident der fifa, wird geboren.

vor 62 jahren: die us-air force bombardiert tokyos flächendeckend.

vor 59 jahren: jan masaryk, tschischer spitzenpolitiker, verstirbt nach einem fenstersturz aus dem aussenministerium.

vor 50 jahren: osama bin laden, saudiarabischer revolutionär, kommt auf die welt.

vor 43 jahren: der erste ford mustang verlässt die produktionsstätten.

vor 34 jahren: eva herzigova, tschechisches supermodell, erblickt das licht der kameras.

vor 33 jahren: el cid, spanischer matador, wird erblickt das licht der arena.

vor 22 jahren: der europäische rat tritt erstmals zusammen.

vor 22 jahren: katharina witt wird weltmeisterin im eiskunstlaufen.

vor 20 jahren: der vatikan verurteilt die leihmutterschaft.

vor 19 jahren: andy gibb, sänger der bee gees, verstirbt.

vor 9 jahren: giovanni trapattoni beendet seinen kommentar zur leistung seines fc bayern müchen mit dem satz: „Ich habe fertig“.

vor 1 jahr: der stadtwanderer erwidert trapattoni: “ich bin begonnen!” er schreibt den ersten blogbeitrag über “einsteins bern” auf dem “stadtwanderer”. der kleine kerl ist heute als ein-jährig und hat doch schon genau 250 beiträge zu seiner eigenen politischen kulturgeschichte produziert!

ich habe begeistert!

stadtwanderer

mon cher stapfer!

ich war im aargau – berufshalber – unterwegs, in sachen gemeindereform. da kommt man um ihn nicht herum: philipp albert stapfer, – der philosoph und der kantonsgründer! noch heute gedenkt man seiner auf der ehrwürdigen “lenzburg” mit dem “stapferhaus”, und in fast jeder gemeinde gibt es eine “stapferstrasse”. zurecht, sagt der stadtwanderer, der seinen übrigen geblieben spuren bis in die gegenwart nachgegangen ist.


philipp albert stapfer, der intellektuelle der helvetischen republik

berner sohn und bürger von brugg

die stapfers sind von brugg. im 18. jahrhundert waren sie eine der angesehensten theologenfamilien der berner republik. vater daniel war zweiter pfarrer im berner münster und hatte sophie burnand von moudon geehelicht. der kleine philipp kam den auch in bern zur welt, und er besuchte daselbst die akademie, welche die berner theologen ausbildete. rasch viel er da wegen seines philosophischen talents auf, sodass ihm sein lehrer johann ith eine fortsetzung seiner studien in göttingen ermöglichte.

zurück in bern wurde er 1792 am neu gegründeten politischen institut der berner akademie erster professor für philosophie, betraut mit der aufgabe, den berner zöglingen politisches denken in veränderte zeit zu lehren. er bestand diese aufgabe mit bravour, – aber nicht so, wie es schultheiss von steiger von ihm erwartet hatte. immanuel kant, einen anhänger der ideen, die mit der französischen revolution den durchbruch gefunden hatten, stellte er in den mittelpunkt seiner berner vorlesungen. rasch ging im gar der ruf nach, ein jakobiner zu sein!

der minister der künste und wissenchaften

1798 war professor stapfer aber gerade wegen seinen kenntnissen der französischen revolution gefragt. als die fremden truppen in bern einmarschierten, bestimmte man den lehrer der akademie zum unterhändler mit dem besatzer. stapfer ging nach paris, um mit napoléon die heiklen fragen zu verhandeln, die sich vor allem mit der abschleppung des berner staatsschatzes ergeben hatten. rapinat, der sekretär für die schweiz von napoléons gnaden, liess den helvetier leer laufen. dennoch bestimmt ihn die neue helvetische regierung unmittelbar nach ihrer konstituierung zum minister für künste und wissenschaft. damit war er zuständig für die schulen, die kirchen, die medien – und die brücken!

brücken schlug er als erstes zu den gemeinden, die unter dem ancien régime vernachlässigt gewesen waren: das leben in den dörfern wollte stapfer kennen lernen. den zustand der schule und der kirchen liess er ergünden, um die von ihm angestrebte nationalkultur entwickeln zu können. illustre namen wie heinrich pestalozzi, heinrich zschokke und franz-xaver bronner standen ihm in seinem bureau de l’esprit public zur seite.

der prionierhafte geellschaftsforscher

das ergebnis der ersten enquête war vernichtend. nichts funktioniere in den kommunen, wurde berichtet. kaum ein schüler ging regelmässig in den unterricht, konnte man auf den fragebögen lesen. die lehrer seien miserabel bezahlt, zählte zu den ergebnissen, die ganz auf die pädagogik des taktstockes vertrauen würden.

stapfer merkte rasch, dass man damit keine republik auf die dauern würde halten können. deshalb legte er als erstes sein helvetisches schulgesetz vor, das bis heute als revolutionärer wurf in der schweizerischen bildungslandschaft gilt.

die mühlen der politik setzten dem minister indessen zu. der helvetische grosse rat dabattierte lange und verwässerte viel, und der senat, die nachfolge der tagsetzung, versenkte das gesetz mit allerhand föderalistischen argumenten gar ganz.

emigration nach paris

der überzeugte unitarier, wie sich die zentralisten in der jungen helvetischen republik nannten, liess sich im sommer 1800 zur erholung beurlauben. geradewegs ging er nach paris, wo er seine frau marie vincent kennen lernte. zurückkehren mochte er jetzt nicht mehr; vom direktorium liess er sich deshalb zum gesandten der helvetischen republik beim ersten konsul, napoléon bonaparte, delegieren. das blieb er denn auch bis 1803.

als napoléon nach allen inneren schwierigkeiten, die das werden der helvetischen republik erschütterten, remedur schaffen musste, war stapfer einer der delegierten in der consulta, welche am 19. februar 1803 die mediationsakte in empfang nahm. stapfer hatte sich noch für die gründung eines selbständigen kantons aargau stark gemacht, lehnte es aber ab, in dieser insel der neuen republik, die er zu schaffen hoffte, selber ein amt als politiker oder pädagoge anzutreten. vielmehr blieb er in paris, später in versaille als schriftsteller, mit zunehmend theologischem interesse zurück, bis er, 1840, im kreise seiner familie, gesellschaftlich aber verlassen verstarb.

die helvetischen intellektuellen, einst und heute …

noch heute ist philipp albert stapfer einer der faszinierendsten intellektuellen der kurzlebigen helvetischen republik.

das erstaunt auf den ersten blick: das politische projekt der franzosen in der schweiz scheiterte kläglich. stapfers projekte versandeten samt und sonders. und trotz zahlloser schriften ist bis heute kein philosophisch geschlossenes werk bekannt geblieben.

aber das charisma der ministers, des diplomaten und des weltverbesseres ist geblieben. er glaubte an das gute im menschen, – und löste damit eine optimistische grundwelle unter den aufgeklärten bürgern des 19. jahrhundert aus. wissen sollte dank stapfer macht werden.

ohne stapfer wäre die “helvetik”, wie man die unterschätzte episode häufig zusammenfasst, gar nicht denkbar, hätte es wohl keine selbständige republik an der grenze frankreichs gegeben, und wäre der aargau nicht unabhängig von bern geworden.

in seinen älteren jahren verabschiedete er sich aber, mit blick auf die verhältnisse schweiz, vom reinen unitarischen denken. wie napoléon auch, suchte er nach einer verbindung von zentralistischen und föderalistischen prinzipen der republik, um stabile institutionen von innen her wachsen zu lassen.

im aargau ist daraus ein staat geworden, der von seinem revolutionären geist, indem er entstanden ist, schon länger soviel eingebüsst hat, dass der regierungsrat seit neuestem die revolutionierung von oben wieder aufgenommen hat. aus dem kanton der regionen sollte, gemäss landamman kurt wernli, bald ein kanton mit ausstrahlung und zwei grössere urbanen stadtgemeinden werden!

back to some roots

selbstverständlich, füge ich heute bei, gäbe es ohne philipp albert stapfer auch keine pionierhaften gemeindeuntersuchungen in der schweiz. jeder, der sich mit historischer gesellschaftsforschung der schweiz beschäftigt, kommt an dieser ikone der profession nicht herum. das wissen heute nur noch spezialisten, – und verehrer von stapfer.

dazu zählt übrigens auch die erste bildungsministerin der schweizerischen eidgenossenschaft, ruth dreifuss. wenn sie ihrem sozialdemokratischen bildungsexperten in der fraktion, dem aargauer hans zbinden, schrieb, soll sie ihn jeweils als “mon cher stapfer!” angesprochen haben. der wiederum, ist einer der führernder politiker und pädagoge der gegenwart, der nicht zuletzt 2006 dem bildungsartikel in der bundesverfassung, der zentralisierung bringen wird, zum durchbruch verhalf.

und er liesst viel. auch regelmässig den “stadtwanderer”. mehr noch: er hat mich eingeladen, in seine zähringerstadt rheinfelden zu kommen, um in der alten freien reichsstadt, die mit napoléon zur schweiz kam, um die zukunft der schweiz nachzudenken.

so hat mich der aargau wieder eingeholt: beruflich und darüber hinaus, … nicht zuletzt wegen “mon cher stapfer”.

stadtwanderer

war es der 4. oder 5. märz 1798? das ist die frage!

es regnet. und ist kühl. kein wetter, um zu wandern. und sich zu erinnern. doch das erinnern ist gerade heute wichtig. wahrscheinlich wäre es gestern sogar richtiger gewesen.


da, wo einst die revolutionären truppen frankreichs, unmittelbar vor dem berner rathaus, den freiheitsbaum aufpflanzten (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

kapitulieren oder kämpfen?

gestern vor 209 jahren marschierten frankreichs truppen vor bern auf. es war samstag, der 4. märz 1798. von norden her kamen sie über solothurn, fraubrunnen zum grauholz. Dort, wo heute das shopyycenter schönbühl steht. von süden her griffen sie über murten, laupen und neuenegg an.

der berner grosse rat, die vertretung der senatoren alter schule, tagte unablässig. und schwankte. sollte man so wie freiburg drei tage zuvor ohne kampf kapitulieren? sich mit der neuen herrschaft arrangieren? Und versuchen, das beste daraus zu machen? oder sollte man der französischen revolution, die da importiert werden sollte, gegenübertreten, wie seinerzeit die schweizer gardisten, die als letzte die französische monarchie verteidigten?

es ging nicht nur um vaterlandsliebe! es ging auch um traditionelle und moderne weltanschauungen! und um interessen!

die mehrheit des grossen rates

der ältestenrat der berner partizier war entsprechend gespalten. die bürgerschaft fragte man, wie immer, nicht direkt. man verhandelte im rat. unter sich. den selbstrekrutierten auserwählten.

die anpasser unter den senatoren waren für aufgeben. verhandeln. vernüftig bleiben. sie sahen die übermacht schon kommen, gegen die jede wehr sinnlos sein würde. und sie spekulierten darauf, bei einem füglichen verhalten sogar bedient zu werden. zum bespiel mit dem fricktal, das man 1415 nicht erobern konnte und habsburgisch blieb. jetzt hatte es napoléon dem besiegten kaiser in wien abgerungen. Und noch viel besser als zum emporkömmling in paris hätte das fricktal zum berner aargau gepasst. Den patrizieren, die ein wenig mit der zeit gegangen waren, aber ihrer herkunft verbunden geblieben sind, sollte es gehören. zum teil dachte man in bern so, wie im aufgeklärten absolutismus österreichs. frisching, der deutschsäckelmeister, war ihr anführer im grossen rat.

die mehrheit der alten republik

gar nichts von solchen gedankenspielen hielt er, der schultheiss von bern. wie immer hätte er während den verhandlungen auf dem stuhl vor den senatoren sitzen und zuhören müssen. denn das herrschaftszeichen sagte schon vieles, – selbst für einem herzog im kaiserreich wäre es würdevoll genug gewesen. doch jetzt er mochte nicht mehr ruhen. Die schwankende diskussion im rat nervte ihn. ihn, den repräsentant der seit dem henzi-mord in halb europa ausgelachten berner aristokratie. ihn, den inhaber der staatsgewalt, der sich seiner aufgabe, die 505 jahre alte verfassung von könig adolf von nassau, die bern so gross werden liess, zu verteidigen.

niklaus friedich von steiger, in früheren zeiten distinguiert nicolas fréderic de steiger genannt, war für kampf. freiheit und gleichheit stand auf seinem schultheissenstuhl. doch er interpretierte er nicht so, wie es die revolutionäre von 1789 taten. die nation kannte er nicht. und menschenrechte würden ihm nicht weiterhelfen. Die revolution habe nur ein terrorregime begünstig! den krieg in halb europa angezettelt. an ende habe die revolution ihrer eigenen kinder guillotiniert, sodass nur noch der fatale ausweg des feldherrn und diktators napoléon geblieben sei. das wollte man in bern nicht. genauso wenig wie seinerzeit der republikaner cicero für gaius julius als caesar gewesen sei!

die folgenreiche spaltung

angesichts der polarisierten situation blieb der rat am samstag, 4 märz 1798, gespalten. frisching war in der mehrheit. ihm fehlte aber die zustimmung des schultheissen. denn dieser verliess, angewidert vom unsäglichen treiben im grossen rat wortlos den saal der wankelmütigen. wie es seine pflicht verlangte, ging er aufs feld. aufs schlachtfeld. lieber den heldentod sterben, als sich frankreich unterwerfen.

die verbliebene mehrheit des grossen rates kapitulierte. sie unterschrieb die bedingungen der französischen generälle schon an diesem samstag, 4. märz 1798. und sandte boten damit los. in den französischen archiven wird das schriftstück mit unterschrift und datum bis heute gezeigt.

den bernsichen soldaten, die in neuenegg, grauholz und und fraubrunnen stellung bezogen hatten, sagte man nichts davon. denn sie sollten kämpfen. die alte republik gegen die neue verteidigen. würde man siegen, würde man den kapitulanten gehörig den garaus machen. würde man indessen verlieren, hätte man wenigstens die ehre verteidigt.

in neuenegg gewannen die berner truppen gegen die vorrückenden franzosen. es gelang ihnen, sie aufzuhalten. nicht so aber in grauholz, wo das desaster gewaltig war. aufgelöst hatten sich die berner truppen und ihre gehilfen, die frauen und das gesinde. geflüchtet waren sie, in alle richtungen, als die franzosen mit voller wucht vorrückten. tote gab es dennoch!

schultheiss von steiger fand nicht, wie erhofft, den heldentod auf dem feldherrenhügel im grauholz. Schliesslich flüchtete auch er, – ins aaretal, über den thunersee, über den brünig, ins halbsichere luzern. später sollte er noch weiter fliehen, nach ulm, um sich österreichischen truppen anzuschliessen und weiter gegen die franzosen zu kämpfen. bis auch er starb.

am 5. märz 1798 waren die franzosen schlachtensieger. der widerstand von neuenegg war wertlos, denn von der anderen seite stürmten die franzosen über die aare und untertorbrücke in die hautpstadt der untergehendend. es war sonntag, als der kampf vorbei war, und die republik bernensis am ende war.

die dokumente der sieger und der verlierer

in den bernsichen geschichtsbüchern steht, die berner seien am 5. märz 1798 militärisch besiegt worden. in den französischen liesst man, die bernische regierung habe am 4. märz kapituliert, und die stadt den französischen truppen übergeben! das steht bis heute auf dem schlachtendenkmal im grauholz!

doch heute, wo es regnet und kalt ist, scheint weder das eine noch das anderen jemanden zu interessieren, und schon gar nicht kleine, aber umso wichtigere differenz! schade, denn sie verrät soviel über perspektiven in der geschichte …

stadtwanderer

kein einfacher spaziergang – der weg nach rom!

die geschichte der neugründung burgunds wäre unvollständig erzählt, würde man nicht auch auf die rolle der bosoniden eingehen. denn sie gerieten zwischen alle fronten im geteilten frankrenreich, stiegen aber als diener verschiedener herren bis an die spitze burgunds und italiens auf, und griffen in der person des umstrittenen könig hugo gar nach der kaiserkrone. eine bilanz der vorläufigen höhe- und tiefpunktes burgundischer geschichte.

die bosoniden in burgund

boso stammte aus nijmegen. als gefolgsmann von kaiser lothar I. ging er ins lombardische vercelli, wo er wiederum graf wurde, und mit seinen vielfältigen beziehungen den verkehr im langen, schwer beherrschbaren fränkischen mittelreich sichern half.

sein sohn hugbert war vorübergehend herzog im burgundischen transjuranien gewesen, dort aber umgekommen. theudoald, sein sohn wechselte danach die seite, heiratete berta, die unehliche tochter des verstorbenen lothringischen königs lothar II. und herzogin von tuscien (toskana), und diente sich nach im rhonetal hoch, wo er unter boso, dem neuen könig der provence, zum grafen von vienne avancierte. theudoalds sohn wiederum war hugo, der bosos nachfolger auf dem provencialischen königsthron, ludwig, diente.

ludwigs italienpolitik war nur kurze zeit glücklich. er wurde im jahre 900 zwar zusätzlich italienischer könig, und ein jahr darauf avancierte er sogar zum kaiser. doch er kämpfte mit wenig erfolg gegen berengar I., den markgrafen von ivrea, der ebenfalls anspruch auf die lombardische krone angemeldet hatte. kaiser ludwig wurde von seinem gegenspieler 902 gefangen gesetzt, geblendet, und 905 in die provence zurückgeschickt. berengar selber wurde danach neuer kaiser, eingesetzt von papst sergius III.

die burgunder in der lombardei

912 heiratete graf hugo ein erstes mal. ausersehen war willa, die schwester des seines blinden königs, welche in erster ehe mit könig rudolf I. von hochburgund verbunden war. damit legte hugo schon mal eine hand auf hochburgund, denn er war durch diese heirat “stiefvater” von rudolf II. geworden, dem neuen hochburgundischen könig, der älter war als er. sollte dieser sterben, würde hugo nach arles, vienne auch st. maurice und damit ganz burgund als voraussetzung für sein kaisertum beherrschen.

als rudolf II. 922 in die von berengar und seinen ungarischen gehilfen geschwächte lombardei gerufen wurde, um die lombardische königskrone zu tragen, sagte er zu, – auch wenn sein ambitionierter “stiefvater” argwöhnte. 923 besiegte rudolf kaiser berengar I., der innert jahresfrist starb, doch verlor er spätere schlachten um seine königsherrschaft.

nun mobilisierte graf hugo die lombardische opposition gegen könig rudolf. bereits 926 ging er mithilfe der sarazennen nach italien, um rudolf abzusetzen. von pavia aus regierte hugo nun über norditalien als lombardischer könig. 928 erbte er auch die provenzialische königschaft vom verstorbenen könig ludwig.

auf dieser konsolidierten basis knüpfte hugo nun seine bande nach rom, – die kaiserkrone schon vor augen.


hugo, könig von italien, greift 932 mit der heirat der senatrix und patricia marozia nach der kaiserkrone, schitert aber am wiederstand von herzog alberich II. von spoleto, marozias sohn aus erster ehe, der seinerseits eine theokratische herrschaft über rom und das papsttum erreicht

der griff hugos nach der kaiserkrone

zu dieser zeit regierten die grafen von tuscien über rom. herzog theophylakt und herzogin theodora I. gaben seit den zeiten von papst sergius III. den ton in der stadt am tiber an. in der kirchengeschichte erinnert man sich bis heute an ihn, weil er den lateranpalast erbauen liess. doch bleibt an ihm haften, dass er ein verhältnis mit marozia, der tochter von theophylakt und theodora hatte, dem auch ein sohn, der spätere papst johannes XI., entsprungen sei. marozia, eigentlich „die kleine marie“, war eine lebensfrohe frau, die sich mit ihrem zweiten mann, herzog wido von tuscien, zur den höchsten römerInnen erhob. da nach lombardischen recht, das auch in der toskana galt, die frau des königs erbbrechtigt war, nahm sie die titel senatrix und patricia an. die wahl von 5 päpsten soll sie selber bestimmt haben, um den weg für ihren illegitimen sohn auf den stuhle petri zu öffnen.

eine solche frau weckte auch das interesse von könig hugo in pavia. würde er sie erobern können, wäre der schritt zum kaisertitel nicht mehr weit. wer päpste bestimmen konnte, würde auch kaiser auserwählen können. könig hugo schreckte dabei vor nichts zurück: als erstes beseitigte er die toskanischen verwandten von marozia, und besetzt sich mit eigenen sippenmitgliedern. dann annulierte er seine ehe mit königin alda, um marioza ehelichen zu können. in der tat fand die hochzeit 932 im römer lateranpalast statt.

doch da meldete sich alberich II., herzog von spoleto, der sohn mariozas aus erster ehe, zur stelle. er sprengte die hochzeitsfeier, verurteilte die sich anbahnende heirat als burgundische verschwörung in rom, verjagte könig hugo, und liess marioza, seine mutter gefangen nehmen. Aus der erhoffte kaiserkrönung wurde nichts! Denn von marioza erfährt man danach nichts mehr. wahrscheinlich lebte sie in gefangenschaft. denn hugo belagerte 936 rom, um seine ehe mit marioza doch noch vollziehen zu können. er blieb allerdings auch diesmal erfolglos.

der griff ottos und adelheids nach der kaiserkrone

hugo wusste wohl schon damals, dass er nicht kaiser werden würde. 933 regelte er nämlich mit seinem „stiefsohn“ rudolf II, zwischenzeitlich mit der rätierin und schwäbischen prinzessin berta verheiratet, die italienfrage. Immer noch haftete ihm der verdacht an, gegen rudolf intrigiert, bertas vater, herzog burchard II. von schwaben umgebracht und rudolf gestürzt zu haben.

rudolf verzichtete nun definitiv auf die lombardische königskrone, erhielt aber dafür aber die grafenrechte von vienne und arles, die hugo immer noch innen hatte, ohne kaiserambitionen aber wenig verlockend mehr erschienen. damit gelang es rudolf II, nicht nur könig von hochburgund, sondern jetzt von (fast) ganz burgund zu werden. mit ausnahme des herzogtums von autun, das beim westfränkischen königreich verblieben war, besass rudolf nämlich die grafenrechte im ganzen rhonetal. die welfenfamilie in burgund stand nun auf dem höhepunkt ihres bisherigen austiegs im nachfränkischen, europäischen adel.

diesen triumpf konnte rudolf II. indessen nur noch kurze zeit kosten. 937 verstarb er, von seinem „stiefvater“ hugo überlebt. der könig der lombarden kannte in dieser situation wieder nichts. hugo setzte die witwe berta, angesichts der minderjährigkeit ihrer kinder konrad und adelheid die burgundische regentin, massiv unter druck, bis sie ihn ende des jahres heiratete; hugo verlobte dabei auch seinen dreissig jährigen sohn lothar, den designierten nachfolger als könig der lombardei, mit bertas tochter, der sechsjährigen adelheid. damit hatte er mit seiner vierten heirat nicht nur die mutter rudolfs geehlicht, sondern auch nach seinem tod seine frau geheiratet, und die tochter, die er später selber entjungfern sollte, seinem sohn vermacht! Bleibt nur noch zu erwähnen, dass er mindestens fünf weitere konkubinen hatte, mit denen er kinder gezeugt hatte, um den tiefpunkt der burgundischen renaissance nicht zu vergessen

947 verliess hugo, von berengar II., dem sohn des kaisers, den rudolf besiegt hatte, bedroht, die lombardei und kehrte nach arles zurück, wo er auch verstarb. sein soh lothar wurde mit der inzwischen volljährigen adelheid getraut, sodass sie das neue königspaar der lombardei wurden, wenn auch mit berengar II. als palatin im herrscherhaus. Lothar regierte nur drei jahre, bevor er vermutlich von berengar II. vergiftet wurde. zu gerne hätte dieser danach königin adelheid zur frau gehabt, denn so wäre er selber lomardischer könig geworden. Die 19jährige witwe weigerte sich aber und rief aus der gefangenschaft, in die sie deswegen gesetzt wurde, könig otto von sachsen und franken nach pavia, wo beide heirateten und so die basis für die wiedervereinigung des (ost)fränkischen und lombardischen königskrone legten.

alberich II., herzog von spoleto, der bei der die heirat von hugo und marioza die „burgunderverschwörung“ in rom inszenierte hatte, danach aber senator und patricius von rom geworden war, verweigerte dem neuen powercouple von pavia den einzug nach rom vorerst. Erst 962, im zweiten anlauf, musste „sein“ papst, johannes XII., nachgeben und otto zum kaiser, adelheid zur kaiserin krönen. mit ihm sollte 963 der letzte günstling der theophylakten auf dem stuhle petri verschwinden und ser einfluss der herzöge aus der toskana und aus spoleto ein ende nehmen. denn es regierten jetzt die ostfranken, lombarden und burgunder rom, die kirche petri und das neue römische reich.

stadtwanderer
(auf dem rückweg von rom, über arles, vienne, st.maurice nach bümpliz und hinterkappelen)

ps:
nein, ich stütze mich hier nicht auf eine antikatholische schrift von mönch martin luther, der auf seinem pilgerweg von wittemberg nach rom so manches über das wirkliche leben in der papststadt erfahren hatte, das ihn schockierte, dass er nur noch kritisch über die kurie in rom berichtete. ich stütze mich auch nicht auf die schriften von kardinal baronius, der im rahmen der konservativen gegenreformation die einflussnahme von frauen der toskanischen theophylakten auf das papstum von sergius III. bis johannes XII. schlicht als hurenherrschaft (lateinisch: ponrokratie) verurteilt hatte.
vielmehr habe ich beim chronisten liutprand nachgelesen, dem bischof von cremona, der so viel über das leben des entstehenden adels in italien wusste, weil er allen mächtigen seiner zeit, berengar wie otto gediente, und dies der nachwelt auch zugänglich machte. es mag sein, dass in seiner „gala“ für das 10. jahrhundert das eine oder andere der phantasie eines bischofs entsprungen war. interessant ist sein bericht als panoptikum des lebens im hochmittelalter allemal! umso verwunderlicher bleibt es, dass die „bümplizerin“ adelheid sich bei alle den schwierigkeiten durchgesetzen konnte und sowohl kaiserin des römischen reiches wie auch heilige der katholischen kirche werden konnte.

chapeau, ma chère!

du beschäftigst mich immer noch mehr als der untergang des alten bern in den ersten märztagen des jahres 1798, über den ich heute eigentlich berichten sollte …

warum gibt es soviele burgunds? – eine frage, die man nur historisch beantworten kann

warum gibt es so viele regionen, die den namen „burgund“ tragen? – die antwort darauf kann man nur mit einem historischen argument geben: weil die alte burgundia, das rhone-, soane-, doubs- und aaretal der burgunden aus der völkerwanderungszeit, die zum fränkischen reich kam, nach dessen teilung 843 von verschiedenen adelsgruppen beansprucht wurde.

zwei sippen muss man besonders erwähnen: die buvinen und die welfen. sie beide waren verwandt mit dem kaiserhaus, doch handelten sie nach ihren eigenen interessen. sie konnten sich selbständig machen, weil sowohl die kaiser karl II. als auch karl III., kurz vor ihrem jeweiligen tod, die erblichkeit der adelstitel und der damit zusammenhängenden ländereien dekreditiert hatten. damit haben sie den europäischen adel begründet, dessen anfänge auch das schicksal der verschiedenen burgunds bestimmte.


die situation burgunds am ende des adeligen teilungsprozesses 888

die herrschaft der buvinen

die buvinen waren ein grafengeschlecht aus dem lothringischen metz. sie rückten schlagartig ins licht der königlichen aufmerksamkeit, als der mittelfränkische könig lothar II. starb, und sein reich im vertrag von meersen zwischen ost und west aufgeteilt wurde.

der westfränkische könig karl II. (“der kahle”)ehelichte gleichzeitig seine bisherige maitresse, richildis aus dem geschlecht eben dieser buvinen. damit versuchte er seinen einfluss in lothringen zu stärken, denn sein halbbruder, ludwig II. (“der germane”, irrigerweise auch “der Deutsche”), könig von ostfranken, hatte sich im besagten vertrag den grösseren teil des aufgelösten lothringischen reiches sichern können.

zwei brüder von königin richildis machten in der folge karriere am hof des westfränkischen königs: richard und boso. beide wurden nach burgund geschickt, um die unsicheren und unklaren besitzverhältnisse zugunsten des westfranken zu beeinflussen. richard nahm in autun platz, und boso liess sich in vienne nieder.

die herrschaft der welfen

ob boso mit seiner mission überall erfolgreich war, ist zweifelhaft. an der unteren rhone konnte er sich sicher festsetzen und gebhard, der vormaligen grafen der stadt, der noch ganz in den verhältnissen des fränkischen mittelreiches dachte, verdrängen. im oberen rhonetal, in transjuranien stiess er aber auf konrad den jüngeren aus dem hause der welfen, der ebenso treu zum lothringischen könig gehalten hatte.

formell wurde boso auch laienabt von st. maurice, und die spur von konrad verliert sich in dieser zeit. doch taucht nur zwei jahre später konrads sohn, rudolf, als neuer abt von st. maurice. er führt auch den titel des markgrafen, den der kaiser seinem vater verliehen hatte, was dafür spricht, dass boso nur unten, im breiten rhonetal, nicht aber in den alpen regierte.

der aufstieg von boso von vienne zum könig der provence

unter dem westfränkischen könig karl II. stieg boso zum eigentlichen machthaber in niederburgund auf. beim tod seines königs anerkannte er die herrschaft dessen sohnes, ludwig, nicht und erklärte sich selber zum könig der provence, die niederburgund miteinschloss. sein bruder, richard, wurde nun herzog von burgund genannt, löste sich aber anders als boso nicht aus dem westfränkischen herrschaftsverband. die trennung der beiden burgund, nur noch durch brüder zusammengehalten, sollte anhaltend sein.

dass die buvinen nach dem tod des kaisers so rasch reagiert und die macht an sich rissen oder verteidigten, hatte einen gewichtigen grund: im gleichen jahr sollten sich maurische seefahrer aus dem emirat von cordaba an der küste von fraxinetum niederlassen und eine mohammendanische kolonie gründen, die auf handel im rhonetal ausgerichtet war. sie sollte sich rund 100 jahre als sarazennen halten konnten.


der grosse zeitvergleich: was aus dem frankenreich des 9. jahrhunderts bis heute geworden ist.
hier behandelt habe ich, wie burgund entsteht (und verschwindet).

männerbilanz der teilungen

für eine vollständige herrschaft der buvinen über die alte burgundia fehlte könig boso und seinem bruder herzog richard die herrschaft über das burgundische hauskloster in st. maurice d’augaune. doch hier hatten sich die welfen festgesetzt und eine eigene herrschaft im alten transjuranischen dukat entwickelt.

nach dem tod von kaiser karl II. nannte sich rudolf graf von transjuranien, und 885 wurde er, von kaiser karl III., seinem nachbaren aus alemannien, zum herzog ebendieser provinz ernannt. 888, beim tod von kaiser karl III., erhob er sich mit einigen getreuen aus der region zum könig von hochburgund und verfolgte rasch ein ziel: das 870 im vertrag von meersen untergegangene königreich von lothringen, wo er als laienabt von st. maurice weiterhin begütert war, aus dem ostfränksichen verband herauszulösen und wieder aufleben zu lassen. damit sollte er nicht erfolgreich werden, mit der begründung des hochburgundischen königsreichs indessen schon.

aus der alten burgundia war damit in nachkarolingischer zeit nicht eine neues mittelreich quer durch europa entstanden, doch das burgundische gebiet war in seinen alten grenzen, aber drei verschiedenen teilen, neu entstanden:

die buvinen, das adelsgeschlecht aus dem alten austrien, waren die eigentlichen sieger im cisjuranischen teil burgunds, die welfen, das alemannengeschlecht, im transjuransichen.

man kann sich das wie ein “Y” vorstellen: unten, von der provence aus, der neue könig aus dem geschlecht der buvinen, der im unteren aaretal herrschte, oben rechts, der welfische könig, der im gebirgigen hochburgund regierte, und oben links, der herzog von burgund, wiederum von den buvinen abstammend.

die hochburgundischen könige orientierten sich in der folge am ostfränkischen könig, später am römischen kaiser, während der herzog von burgund im westfrankischen königsverband blieb.

das herzogtum blieb bis ende des 15. jahrhunderts selbständig, kam dann definitiv zu frankreich. das rhonetal folgte, nach einer wechelvollen geschichte mit verschiedenen zugehörigkeiten, zwischen dem 17. und 19. jahrhundert. hochburgund kam im 11. jahrhundert zum kaiserreich, löste sich bis ende des 14. jahrhunderts auf; die freigrafschaft auf der ostseite des juras weschselte ihre zugehörigkeit ebenfalls mehrfacht, gehört heute zu frankreich, während der westliche teil am fusses des juras bernisch, eidgenössisch wurde.

frauenbilanz der verbindungen


bleib noch die frage, wie das alles zusammengehalten wurde, im 9. und 10. jahrhundert? vorerst muss man sich viele leute wegdenken, zahlreiche städte streichen, die schnellstrassen in die provence eliminieren und die vielfältigen kommunikationsmöglichkeiten ganz streichen.

verbunden blieb der burgundische raum aus der völkerwanderugnszeit durch die rhone, – und durch heiraten der neuen adeligen: könig rudolf ehelichte nach seiner erhebung willa, die schwester von könig boso, während seine schwester adelheid, erste aebtissin von roaminmotier wurde, zur frau von herzog richard von burgund aus dem hause der buvinen avancierte. der obere teil des “y” war damit allen entstehenden herrschaftsgrenzen zum trotz miteinander verhängt.

nur könig boso hielt sich nicht an diese ehelichen verknüpfungen. er hatte schon vor seiner krönung ermengard, die tochter von kaiser ludwig II. von italien geheiratet, und damit vor allem in der lombardei seine italienpolitik begründet, wie seinerzeit auch gundobad, der sich 400 jahre zuvor mit einer allianz mit den ostgoten in italien gegen von den franken im norden und westen abzugrenzen versuchte. er sollte damit die italienpolitik burgund begründen, die ich später erzählen werde.

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