kein einfacher spaziergang – der weg nach rom!

die geschichte der neugründung burgunds wäre unvollständig erzählt, würde man nicht auch auf die rolle der bosoniden eingehen. denn sie gerieten zwischen alle fronten im geteilten frankrenreich, stiegen aber als diener verschiedener herren bis an die spitze burgunds und italiens auf, und griffen in der person des umstrittenen könig hugo gar nach der kaiserkrone. eine bilanz der vorläufigen höhe- und tiefpunktes burgundischer geschichte.

die bosoniden in burgund

boso stammte aus nijmegen. als gefolgsmann von kaiser lothar I. ging er ins lombardische vercelli, wo er wiederum graf wurde, und mit seinen vielfältigen beziehungen den verkehr im langen, schwer beherrschbaren fränkischen mittelreich sichern half.

sein sohn hugbert war vorübergehend herzog im burgundischen transjuranien gewesen, dort aber umgekommen. theudoald, sein sohn wechselte danach die seite, heiratete berta, die unehliche tochter des verstorbenen lothringischen königs lothar II. und herzogin von tuscien (toskana), und diente sich nach im rhonetal hoch, wo er unter boso, dem neuen könig der provence, zum grafen von vienne avancierte. theudoalds sohn wiederum war hugo, der bosos nachfolger auf dem provencialischen königsthron, ludwig, diente.

ludwigs italienpolitik war nur kurze zeit glücklich. er wurde im jahre 900 zwar zusätzlich italienischer könig, und ein jahr darauf avancierte er sogar zum kaiser. doch er kämpfte mit wenig erfolg gegen berengar I., den markgrafen von ivrea, der ebenfalls anspruch auf die lombardische krone angemeldet hatte. kaiser ludwig wurde von seinem gegenspieler 902 gefangen gesetzt, geblendet, und 905 in die provence zurückgeschickt. berengar selber wurde danach neuer kaiser, eingesetzt von papst sergius III.

die burgunder in der lombardei

912 heiratete graf hugo ein erstes mal. ausersehen war willa, die schwester des seines blinden königs, welche in erster ehe mit könig rudolf I. von hochburgund verbunden war. damit legte hugo schon mal eine hand auf hochburgund, denn er war durch diese heirat “stiefvater” von rudolf II. geworden, dem neuen hochburgundischen könig, der älter war als er. sollte dieser sterben, würde hugo nach arles, vienne auch st. maurice und damit ganz burgund als voraussetzung für sein kaisertum beherrschen.

als rudolf II. 922 in die von berengar und seinen ungarischen gehilfen geschwächte lombardei gerufen wurde, um die lombardische königskrone zu tragen, sagte er zu, – auch wenn sein ambitionierter “stiefvater” argwöhnte. 923 besiegte rudolf kaiser berengar I., der innert jahresfrist starb, doch verlor er spätere schlachten um seine königsherrschaft.

nun mobilisierte graf hugo die lombardische opposition gegen könig rudolf. bereits 926 ging er mithilfe der sarazennen nach italien, um rudolf abzusetzen. von pavia aus regierte hugo nun über norditalien als lombardischer könig. 928 erbte er auch die provenzialische königschaft vom verstorbenen könig ludwig.

auf dieser konsolidierten basis knüpfte hugo nun seine bande nach rom, – die kaiserkrone schon vor augen.


hugo, könig von italien, greift 932 mit der heirat der senatrix und patricia marozia nach der kaiserkrone, schitert aber am wiederstand von herzog alberich II. von spoleto, marozias sohn aus erster ehe, der seinerseits eine theokratische herrschaft über rom und das papsttum erreicht

der griff hugos nach der kaiserkrone

zu dieser zeit regierten die grafen von tuscien über rom. herzog theophylakt und herzogin theodora I. gaben seit den zeiten von papst sergius III. den ton in der stadt am tiber an. in der kirchengeschichte erinnert man sich bis heute an ihn, weil er den lateranpalast erbauen liess. doch bleibt an ihm haften, dass er ein verhältnis mit marozia, der tochter von theophylakt und theodora hatte, dem auch ein sohn, der spätere papst johannes XI., entsprungen sei. marozia, eigentlich „die kleine marie“, war eine lebensfrohe frau, die sich mit ihrem zweiten mann, herzog wido von tuscien, zur den höchsten römerInnen erhob. da nach lombardischen recht, das auch in der toskana galt, die frau des königs erbbrechtigt war, nahm sie die titel senatrix und patricia an. die wahl von 5 päpsten soll sie selber bestimmt haben, um den weg für ihren illegitimen sohn auf den stuhle petri zu öffnen.

eine solche frau weckte auch das interesse von könig hugo in pavia. würde er sie erobern können, wäre der schritt zum kaisertitel nicht mehr weit. wer päpste bestimmen konnte, würde auch kaiser auserwählen können. könig hugo schreckte dabei vor nichts zurück: als erstes beseitigte er die toskanischen verwandten von marozia, und besetzt sich mit eigenen sippenmitgliedern. dann annulierte er seine ehe mit königin alda, um marioza ehelichen zu können. in der tat fand die hochzeit 932 im römer lateranpalast statt.

doch da meldete sich alberich II., herzog von spoleto, der sohn mariozas aus erster ehe, zur stelle. er sprengte die hochzeitsfeier, verurteilte die sich anbahnende heirat als burgundische verschwörung in rom, verjagte könig hugo, und liess marioza, seine mutter gefangen nehmen. Aus der erhoffte kaiserkrönung wurde nichts! Denn von marioza erfährt man danach nichts mehr. wahrscheinlich lebte sie in gefangenschaft. denn hugo belagerte 936 rom, um seine ehe mit marioza doch noch vollziehen zu können. er blieb allerdings auch diesmal erfolglos.

der griff ottos und adelheids nach der kaiserkrone

hugo wusste wohl schon damals, dass er nicht kaiser werden würde. 933 regelte er nämlich mit seinem „stiefsohn“ rudolf II, zwischenzeitlich mit der rätierin und schwäbischen prinzessin berta verheiratet, die italienfrage. Immer noch haftete ihm der verdacht an, gegen rudolf intrigiert, bertas vater, herzog burchard II. von schwaben umgebracht und rudolf gestürzt zu haben.

rudolf verzichtete nun definitiv auf die lombardische königskrone, erhielt aber dafür aber die grafenrechte von vienne und arles, die hugo immer noch innen hatte, ohne kaiserambitionen aber wenig verlockend mehr erschienen. damit gelang es rudolf II, nicht nur könig von hochburgund, sondern jetzt von (fast) ganz burgund zu werden. mit ausnahme des herzogtums von autun, das beim westfränkischen königreich verblieben war, besass rudolf nämlich die grafenrechte im ganzen rhonetal. die welfenfamilie in burgund stand nun auf dem höhepunkt ihres bisherigen austiegs im nachfränkischen, europäischen adel.

diesen triumpf konnte rudolf II. indessen nur noch kurze zeit kosten. 937 verstarb er, von seinem „stiefvater“ hugo überlebt. der könig der lombarden kannte in dieser situation wieder nichts. hugo setzte die witwe berta, angesichts der minderjährigkeit ihrer kinder konrad und adelheid die burgundische regentin, massiv unter druck, bis sie ihn ende des jahres heiratete; hugo verlobte dabei auch seinen dreissig jährigen sohn lothar, den designierten nachfolger als könig der lombardei, mit bertas tochter, der sechsjährigen adelheid. damit hatte er mit seiner vierten heirat nicht nur die mutter rudolfs geehlicht, sondern auch nach seinem tod seine frau geheiratet, und die tochter, die er später selber entjungfern sollte, seinem sohn vermacht! Bleibt nur noch zu erwähnen, dass er mindestens fünf weitere konkubinen hatte, mit denen er kinder gezeugt hatte, um den tiefpunkt der burgundischen renaissance nicht zu vergessen

947 verliess hugo, von berengar II., dem sohn des kaisers, den rudolf besiegt hatte, bedroht, die lombardei und kehrte nach arles zurück, wo er auch verstarb. sein soh lothar wurde mit der inzwischen volljährigen adelheid getraut, sodass sie das neue königspaar der lombardei wurden, wenn auch mit berengar II. als palatin im herrscherhaus. Lothar regierte nur drei jahre, bevor er vermutlich von berengar II. vergiftet wurde. zu gerne hätte dieser danach königin adelheid zur frau gehabt, denn so wäre er selber lomardischer könig geworden. Die 19jährige witwe weigerte sich aber und rief aus der gefangenschaft, in die sie deswegen gesetzt wurde, könig otto von sachsen und franken nach pavia, wo beide heirateten und so die basis für die wiedervereinigung des (ost)fränkischen und lombardischen königskrone legten.

alberich II., herzog von spoleto, der bei der die heirat von hugo und marioza die „burgunderverschwörung“ in rom inszenierte hatte, danach aber senator und patricius von rom geworden war, verweigerte dem neuen powercouple von pavia den einzug nach rom vorerst. Erst 962, im zweiten anlauf, musste „sein“ papst, johannes XII., nachgeben und otto zum kaiser, adelheid zur kaiserin krönen. mit ihm sollte 963 der letzte günstling der theophylakten auf dem stuhle petri verschwinden und ser einfluss der herzöge aus der toskana und aus spoleto ein ende nehmen. denn es regierten jetzt die ostfranken, lombarden und burgunder rom, die kirche petri und das neue römische reich.

stadtwanderer
(auf dem rückweg von rom, über arles, vienne, st.maurice nach bümpliz und hinterkappelen)

ps:
nein, ich stütze mich hier nicht auf eine antikatholische schrift von mönch martin luther, der auf seinem pilgerweg von wittemberg nach rom so manches über das wirkliche leben in der papststadt erfahren hatte, das ihn schockierte, dass er nur noch kritisch über die kurie in rom berichtete. ich stütze mich auch nicht auf die schriften von kardinal baronius, der im rahmen der konservativen gegenreformation die einflussnahme von frauen der toskanischen theophylakten auf das papstum von sergius III. bis johannes XII. schlicht als hurenherrschaft (lateinisch: ponrokratie) verurteilt hatte.
vielmehr habe ich beim chronisten liutprand nachgelesen, dem bischof von cremona, der so viel über das leben des entstehenden adels in italien wusste, weil er allen mächtigen seiner zeit, berengar wie otto gediente, und dies der nachwelt auch zugänglich machte. es mag sein, dass in seiner „gala“ für das 10. jahrhundert das eine oder andere der phantasie eines bischofs entsprungen war. interessant ist sein bericht als panoptikum des lebens im hochmittelalter allemal! umso verwunderlicher bleibt es, dass die „bümplizerin“ adelheid sich bei alle den schwierigkeiten durchgesetzen konnte und sowohl kaiserin des römischen reiches wie auch heilige der katholischen kirche werden konnte.

chapeau, ma chère!

du beschäftigst mich immer noch mehr als der untergang des alten bern in den ersten märztagen des jahres 1798, über den ich heute eigentlich berichten sollte …

warum gibt es soviele burgunds? – eine frage, die man nur historisch beantworten kann

warum gibt es so viele regionen, die den namen „burgund“ tragen? – die antwort darauf kann man nur mit einem historischen argument geben: weil die alte burgundia, das rhone-, soane-, doubs- und aaretal der burgunden aus der völkerwanderungszeit, die zum fränkischen reich kam, nach dessen teilung 843 von verschiedenen adelsgruppen beansprucht wurde.

zwei sippen muss man besonders erwähnen: die buvinen und die welfen. sie beide waren verwandt mit dem kaiserhaus, doch handelten sie nach ihren eigenen interessen. sie konnten sich selbständig machen, weil sowohl die kaiser karl II. als auch karl III., kurz vor ihrem jeweiligen tod, die erblichkeit der adelstitel und der damit zusammenhängenden ländereien dekreditiert hatten. damit haben sie den europäischen adel begründet, dessen anfänge auch das schicksal der verschiedenen burgunds bestimmte.


die situation burgunds am ende des adeligen teilungsprozesses 888

die herrschaft der buvinen

die buvinen waren ein grafengeschlecht aus dem lothringischen metz. sie rückten schlagartig ins licht der königlichen aufmerksamkeit, als der mittelfränkische könig lothar II. starb, und sein reich im vertrag von meersen zwischen ost und west aufgeteilt wurde.

der westfränkische könig karl II. (“der kahle”)ehelichte gleichzeitig seine bisherige maitresse, richildis aus dem geschlecht eben dieser buvinen. damit versuchte er seinen einfluss in lothringen zu stärken, denn sein halbbruder, ludwig II. (“der germane”, irrigerweise auch “der Deutsche”), könig von ostfranken, hatte sich im besagten vertrag den grösseren teil des aufgelösten lothringischen reiches sichern können.

zwei brüder von königin richildis machten in der folge karriere am hof des westfränkischen königs: richard und boso. beide wurden nach burgund geschickt, um die unsicheren und unklaren besitzverhältnisse zugunsten des westfranken zu beeinflussen. richard nahm in autun platz, und boso liess sich in vienne nieder.

die herrschaft der welfen

ob boso mit seiner mission überall erfolgreich war, ist zweifelhaft. an der unteren rhone konnte er sich sicher festsetzen und gebhard, der vormaligen grafen der stadt, der noch ganz in den verhältnissen des fränkischen mittelreiches dachte, verdrängen. im oberen rhonetal, in transjuranien stiess er aber auf konrad den jüngeren aus dem hause der welfen, der ebenso treu zum lothringischen könig gehalten hatte.

formell wurde boso auch laienabt von st. maurice, und die spur von konrad verliert sich in dieser zeit. doch taucht nur zwei jahre später konrads sohn, rudolf, als neuer abt von st. maurice. er führt auch den titel des markgrafen, den der kaiser seinem vater verliehen hatte, was dafür spricht, dass boso nur unten, im breiten rhonetal, nicht aber in den alpen regierte.

der aufstieg von boso von vienne zum könig der provence

unter dem westfränkischen könig karl II. stieg boso zum eigentlichen machthaber in niederburgund auf. beim tod seines königs anerkannte er die herrschaft dessen sohnes, ludwig, nicht und erklärte sich selber zum könig der provence, die niederburgund miteinschloss. sein bruder, richard, wurde nun herzog von burgund genannt, löste sich aber anders als boso nicht aus dem westfränkischen herrschaftsverband. die trennung der beiden burgund, nur noch durch brüder zusammengehalten, sollte anhaltend sein.

dass die buvinen nach dem tod des kaisers so rasch reagiert und die macht an sich rissen oder verteidigten, hatte einen gewichtigen grund: im gleichen jahr sollten sich maurische seefahrer aus dem emirat von cordaba an der küste von fraxinetum niederlassen und eine mohammendanische kolonie gründen, die auf handel im rhonetal ausgerichtet war. sie sollte sich rund 100 jahre als sarazennen halten konnten.


der grosse zeitvergleich: was aus dem frankenreich des 9. jahrhunderts bis heute geworden ist.
hier behandelt habe ich, wie burgund entsteht (und verschwindet).

männerbilanz der teilungen

für eine vollständige herrschaft der buvinen über die alte burgundia fehlte könig boso und seinem bruder herzog richard die herrschaft über das burgundische hauskloster in st. maurice d’augaune. doch hier hatten sich die welfen festgesetzt und eine eigene herrschaft im alten transjuranischen dukat entwickelt.

nach dem tod von kaiser karl II. nannte sich rudolf graf von transjuranien, und 885 wurde er, von kaiser karl III., seinem nachbaren aus alemannien, zum herzog ebendieser provinz ernannt. 888, beim tod von kaiser karl III., erhob er sich mit einigen getreuen aus der region zum könig von hochburgund und verfolgte rasch ein ziel: das 870 im vertrag von meersen untergegangene königreich von lothringen, wo er als laienabt von st. maurice weiterhin begütert war, aus dem ostfränksichen verband herauszulösen und wieder aufleben zu lassen. damit sollte er nicht erfolgreich werden, mit der begründung des hochburgundischen königsreichs indessen schon.

aus der alten burgundia war damit in nachkarolingischer zeit nicht eine neues mittelreich quer durch europa entstanden, doch das burgundische gebiet war in seinen alten grenzen, aber drei verschiedenen teilen, neu entstanden:

die buvinen, das adelsgeschlecht aus dem alten austrien, waren die eigentlichen sieger im cisjuranischen teil burgunds, die welfen, das alemannengeschlecht, im transjuransichen.

man kann sich das wie ein “Y” vorstellen: unten, von der provence aus, der neue könig aus dem geschlecht der buvinen, der im unteren aaretal herrschte, oben rechts, der welfische könig, der im gebirgigen hochburgund regierte, und oben links, der herzog von burgund, wiederum von den buvinen abstammend.

die hochburgundischen könige orientierten sich in der folge am ostfränkischen könig, später am römischen kaiser, während der herzog von burgund im westfrankischen königsverband blieb.

das herzogtum blieb bis ende des 15. jahrhunderts selbständig, kam dann definitiv zu frankreich. das rhonetal folgte, nach einer wechelvollen geschichte mit verschiedenen zugehörigkeiten, zwischen dem 17. und 19. jahrhundert. hochburgund kam im 11. jahrhundert zum kaiserreich, löste sich bis ende des 14. jahrhunderts auf; die freigrafschaft auf der ostseite des juras weschselte ihre zugehörigkeit ebenfalls mehrfacht, gehört heute zu frankreich, während der westliche teil am fusses des juras bernisch, eidgenössisch wurde.

frauenbilanz der verbindungen


bleib noch die frage, wie das alles zusammengehalten wurde, im 9. und 10. jahrhundert? vorerst muss man sich viele leute wegdenken, zahlreiche städte streichen, die schnellstrassen in die provence eliminieren und die vielfältigen kommunikationsmöglichkeiten ganz streichen.

verbunden blieb der burgundische raum aus der völkerwanderugnszeit durch die rhone, – und durch heiraten der neuen adeligen: könig rudolf ehelichte nach seiner erhebung willa, die schwester von könig boso, während seine schwester adelheid, erste aebtissin von roaminmotier wurde, zur frau von herzog richard von burgund aus dem hause der buvinen avancierte. der obere teil des “y” war damit allen entstehenden herrschaftsgrenzen zum trotz miteinander verhängt.

nur könig boso hielt sich nicht an diese ehelichen verknüpfungen. er hatte schon vor seiner krönung ermengard, die tochter von kaiser ludwig II. von italien geheiratet, und damit vor allem in der lombardei seine italienpolitik begründet, wie seinerzeit auch gundobad, der sich 400 jahre zuvor mit einer allianz mit den ostgoten in italien gegen von den franken im norden und westen abzugrenzen versuchte. er sollte damit die italienpolitik burgund begründen, die ich später erzählen werde.

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