herrschaft noch einmal … wie war das schon wieder?

die stadt bern gibt es seit 1191. das heisst jedoch nicht, dass es vorher hier nichts gab. seit keltischer zeit sind siedlungen im aaretal belegt, und auf der engehalbinsel ist das oppodium brenodor bis heute sictbar. der raum der heutigen stadt bern dürfte demnach rund 2000 jahre herrschaftlich erschlossen gewesen sein. doch wer alles gebot in der vergangenheit über diesen raum? – eine kleine einführung in die herrschaftsgeschichte für stadtwanderer mit vorstellungsvermögen!

die eroberung galliens durch die römer

58 vor christus wird das land, das die keltischen helvetier bewirtschaftet hatten, nach ihrem gescheiterten auswanderungsversuch nach südwestfrankreich durch den sieg von gaius iulius caesar in bibractae römisch; es kommt zum römischen reich, das von augustus in den gebieten ausserhalb italiens begründet wird. es zählt zunächst zur belgica (hauptstadt reims), dann zur germania superior (hauptstadt mainz).

in dieser zeit blüht brenodor, die eine abhängige stadt der metropole aventicum ist, dem heutigen avenches. beide städte sind aus stein gebaut, und sie sind der kern der römischen zivilisation. im westlichen mittelland. verbunden ist dieses in der süd-nordrichtung. man kommt über den grossen st. bernhard, damals noch der mons jovis (der jupiterberg), unverlässt das gebiet bei basel richtung rhein, oder bei zurzach richtung donau.


herrschaftsverhältnisse zwischen 200 und 500 nach christus (300 mit 400 identisch), karten anclickbar

260 zerstören germanische eindringlinge weite teile der germania superior; obergermaniens, wie man den rhein von mainz aus aufwärts nennt. das klassische römische reich zerfällt. es gelingt kaiser diokletian ein zweites römisches reich zu begründen, das spätantike, das monarchisch ausgerichtet ist, und er zieht eine umfassende gebietsreform mit einer kleinmaschigeren verwaltung durch.

das aaretal gehört nun zur (maxima) sequania (hauptstadt: besançon).brenodor ist verlassen, aventicum noch besiedelt. im raum bern gibt es nur noch römische bauernhöfe, so im heutigen bümpliz.

443 werden die militrisch besiegten burgunden in den waldgegenden der sequania (sapaudia genannt) angesiedelt. sie sollen aventicum und genava, das heutige genf, vor möglich angriffen der alamannen schützen. deren auszug aus dem schwarzwald wird erwartet, weil rom die tributzahlungen an die hunnen einstellt. die angesiedelten burgunden werden sesshaft und passen sich der römischen lebensweise an; sie bilden wesentliche teile der römischen armee in der sequania.

die römische herrschaft nördlich der alpen zerfällt nach der schlacht gegen die hunnen auf den katalaunischen feldern im jahre 451 schnell. 455 wird rom von den germanischen vandalen eingenommen. einen wirklichen kaiser gibt es im westen nicht mehr. die burgunder erobern ihrerseits rom unter dem burgunder gundobad, der höchster römischer general wird. er setzt den vorletzten (schatten)kaiser ein, effektiv regiert das militär.

das erste burgundische königreich

477 wird das erste burgundische königreich in der nachfolge des weströmischen kaiserreiches gegründet. die burgunden erheben genf zu ihrer ersten königstadt, lyon zu ihrer zweiten. general gundbad geht nach lyon, wo er burgundischer könig wird. er erschliesst seinem volk das ganze rhonetal bis hinaus zur aare herrschaftlich.

der grenzverlauf zu den alamannen, die sich ebenfalls nach westen und süden ausdehnen, ist umstritten; die alamannen werden 496 von den franken besiegt und verlieren ihre selbständigkeit, während die burgunder 502 ihre herrschaftgebiet mit einer eigenen germanisch-römischen gesetzgebung und verwaltungsstruktur im rhonetal sichern.

bümpliz ist nun burgundisch; es wird vom unterkönig in genf aus regiert.

515 beginnt die christianisierung der burgundischen herrschaft vom neu gegründeten kloster st. maurice im heutigen wallis aus. damit legten die burgunder herrschaftlich auch die hand auf den grossen st. bernhard, dem wichtigsten pass auf dem weg nach konstantinopel (heute istanbul), der damaligen kaiserstadt. burgund könnte zur gefährlichen konkurrenz für die franken werden. die selbständigkeit burgunds im rhonetal hört jedoch nach der militärischen niederlage gegen die franken im jahre 534 auf.


herrschaftsverhältnisse zwischen 600 und 800 nach christus, karten anclickbar

das königreich burgund wird teil des fränkischen königreiches, genau so wie das herzogtum alemannien. die aare bildet ab 561 die innerfränkische grenze zwischen den beiden völkern. links davon ist das neue bistum lausanne; rechts davon ist das frisch gegründete bistum konstanz. die direkte unterstellung unter mainz resp. besançon wie noch zu römerzeiten veschwindet damit. herrschaftlich ist diese grenzziehung jedoch unsicher; sie wird 595 vom fränkischen könig childebert II. nach westen verlegt; das ganze elsass und mitteland werden damit herrschaftlich wieder burgundisch.

die nicht romanisierten alemannen widersetzen sich der ausdehnung burgunds; 610 kommt es zu einem krieg zwischen alemannen und burgundern, den die alemannen gewinnen. das kloster moutier-grandval wird um 630 von schülern columbans begründet und christianisiert die vordringenden alemannen im aaretal.

bümpliz hat nun anstelle des römischen gutshofes eine christliche kirche, die zuerst zur burgundischen kirche, ab 751 wie alle fränkischen gotteshäuser zur römischen kirche gehört.

das fränkische königreich wird 800 zum nachfolger des weströmischen kaiserreiches erhohen. der raum bern interessiert aber nicht, die wichtigen alpenübergänge im westen sind der grosse st. bernhard, und osten sind es die bündnerpässe, die eine förderung erfahren.

843 wird es unter den enkeln karls des grossen geteilt. wie 561 bildet wieder die aare die grenze, nun zwischen dem ostfränkischen königreich und dem mittelfränkischen kaiserreich. 855 zerfällt das mittelfränkische kaiserreich; das kaisertum beschränkt sich auf italien, und im norden entsteht das königreich lothringen, dazwischen das königreich burgund. dieses kann sich angesichts heftiger adelsrivalitäten im rhonetal und um den übergang über den grossen st. bernhard nicht halten. es setzt sich der militärisch geschulte laienabt von st. maurice, der welfe rudolf, durch, der 888 das königreich hochburgund gründet.

bümpliz wird einer der burgundischer königshof, auf denen sich der könig phasenweise aufhält.

das zweite burgundische königreich

der grenzverlauf zwischen dem neuen königreich burgund und dem herzogtum schwaben, das sich 911 von chur aus konstituiert, ist unsicher; so kommt es zum krieg, der sich bis nach winterthur erstreckt. 922 wird die reuss als neue grenze bestimmt; burgund und schwaben beginnen mit ihrer gemeinsamen italienpolitik. die lombardei wird vorübergehend burgundisch.

933 werden die hunnen, welche seit 926 regelmässige vorstösse ins mittelland vornahmen und st. gallen wie basel plünderten, militärisch besiegt. 934 werden die königreiche hoch- und niederburgund wieder vereinigt.

der wald wird gerodet, und die zentralen orten werden befestigt und es entstehen christliche volkskirchen, so auch im aaretal oberen aaretal.


herrschaftsverhältnisse zwischen 900 und 1100 nach christus, karten anclickbar

937 stirbt der burgundische könig, und burgund kommt zum königreich der lombardei. sarazenische händler breiten sich in burgund und schwaben aus.

962 wird das römische reich neu begründet; burgund bleibt jedoch ausserhalb. die christanisierung der burgundischen bevölkerung wird ab 962 vom kloster payerne aus betrieben, jene der schwäbischen bevölkerung zusätzlich zu st. gallen vom kloster einsiedeln aus. kaiser und kaiserin verwenden sich persönlich für die förderung beider klöster. im hochburgundischen gebiet entstehen zahlreiche lokale klöster als ableger des kloster cluny. sie verbreiten den stil der romanischen kirchen nach westen.

die einverleibung des königreiches burgund in das römisch-deutsche kaiserreich

die selbständigkeit des burgundischen königreiches endet 1032. in einem krieg zwischen kaiser konrad II. und graf eudes de champange wird das seeland stark zerstört; die burgundischen kastelle neuenburg, murten und avenches werden weitgehend zerstört. könig heinrich III., später kaiser, verkündet den gottesfrieden; er regiert mit den grafen von olitgen, die zu bischöfen in basel und lausanne werden.

die grafen von rheinfelden sichern sich den einfluss im ostburgundischen gebiet und damit den zugang zum grossen. st. bernhard. könig heinrich iv. will auf diese macht nicht verzichten, gerät aber mit papst gregor vii. in konflikt. dieser reklamiert die herrschaft über die bischöfe für sich.

der papst baut die grafen von savoyen als burgundische herrscher und die grafen rheinfelder zu gegenkönigen in deutschland auf; er scheitert aber mit letzterem. 1122 wird in worms der kampf zwischen papst und könig/kaiser, durch den die einheit des römischen reiches nördlich und südlich der alpen zerfallen ist, beigelegt.

bümpliz gehört nun zum einflussgebiet der rheinfelder. die grafen von zähringen erben die besitzung der ausgestorbenen rheinfelder 1093 und erheben anspruch auf das herzogtum schwaben. nachdem sie 1098 der konkurrenz, den herzögen von schwaben, unterliegen, verlagern sie ihre herrschaft auf die seite links des rheines. zürich, samt der innerschweiz, kommt zu zähringen; deren herzöge werden 1127 zu rektoren (vizekönigen) von burgund erhoben.

der graf von genf macht den zähringern den gouverneursposten streitig; das gefecht zwischen beiden wird durch den zisterzienserorden geschlichtet, der das kloster hauterive zwischen den einflussgebieten der kontrahenten gründet. die zisterzienser dehnen sich auch auf den frienisberg aus. in köniz entsteht ein chorherrenstift der augustiner, die ihr zentrum auf dem grossen st. bernhard hatten.

die gründung der stadt bern

die zähringer werden 1156 wegen der heirat zwischen kaiser friedrich I., barbarossa genannt, und beatrix von burgund abgesetzt und mit der königlichen vogtei über die bistümer lausanne, sitten und genf entschädigt. sie beginnen mit den städtegründungen zwischen freiburg und rheinfelden, und den zugang von freiburg im breisgau, ihrer hauptstadt zu sichern. die strassenverkehr wird zur sicherung der herrschaftsverhältnisse ausgebaut; die zähringerstädte sind immer eine tagesreise auseinander. sie erinnern ein wenig an ausgebaute raststätten.

die burgundischen seignieurs erheben sich gegen kolonisierung durch die zähringer. sie werden jedoch in payerne und grindelwald militärisch besiegt. nach genf und sitten gelangen die zähringer indessen nie; die vogtei über das bistum lausanne bleibt unsicher, denn moudon bleibt der äusserste brückenkopf der zähringischen eroberungen.

auf der aarehalbinsel entsteht die stadt bern als abschluss der zähringischen städtegründungen. kirchlich gehört man zu den chorherren von köniz.


herrschaftsverhältnisse zwischen 1200 und 1400 nach christus, karten anclickbar

1218 sterben die herzöge von zähringer im mannesstamm aus. bern wird reichsstadt und untersteht direkt könig friedrich II., der nach seiner kaiserkrönung die stadt bern durch seinen sohn, könig heinrich, und den deutschorden, der seinen sitz in köniz hat, verwalten lässt.

die grafen von savoyen dehnen sich über den genfersee aus und machen moudon zu ihrem verwaltungszentrum; sie gründen im pays de vaud ihrerseits städte zur herrschaftssichererung. beim tod des letzten staufers als deutscher könig 1254 nehmen die savoyer die stadt bern ein, erweitern und befestigen sie. sie drängen über die aare hinaus nach osten, geraten aber 1264 in einem krieg mit den grafen von habsburg, den indirekten nachfahren der zähringer und der erben der kyburger. der krieg endet durch den tod von comte pierre de savoye 1268 ohne savoyischen erfolg. 1273 wird sein gegenspieler, graf rudolf von habsburg, neuer deutscher könig.

könig rudolf versucht das fürchterlich zerfallene kaiserreich von 1254 im osten und westen neu zu ordnen, verlegt dafür den hauptsitz der habsburger dafür nach wien, wo herzog albrecht statt dem besiegten böhmen über österreich, kärnten und die krain herrscht. könig rudolf selber ist bestrebt, für seinen zweiten sohn, rudolf, das zerfallene herzogtum schwaben wieder herzustellen und es gegen westen auszudehnen. er kauft die stadt freiburg im üchtland, gerät aber mit dem burgundischen adel in payerne in einen konflikt. 1289 erobert habsburg jedoch die städte besançon und bern. 1291 stirbt der könig, ohne sein werk vollendet und seine nachfolge geregelt zu haben. bern bleibt reichsstadt, muss aber habsburg entschädigen.

der beginn der bernischen territorialpolitik

rudolfs nachfolger, könig rudolf von nassau, begründet die herrschaft des deutschen königs über die stadt bern, welche die königlichen rechte im aaretal sichern soll, neu. bern vertreibt die grafen von savoyer, die bis 1298 formell stadtherren waren. der grosse rat übernimmt als städtischer senat die geschicke der aristokratisch geprägten stadt selber; er bestimmt inskünftig den schultheissen der stadt.

die stadt bern beginnt sich auf kosten freiburgs im oberen aaretal auszudehnen. sie kauft pfandbriefe und macht eroberungen im näheren umfeld. sie dringt auch gegen laupen vor, wo es zum krieg aller gegen bern kommt. dank der eigenen schlagkraft und der unterstützung der innerschweizer gewinnt bern das gefecht um laupen und wird 1340 von habsburg auf gleicher augenhöhe als machtfaktor an der aare anerkannt.

nach der pest von 1348, welche den aufstieg berns vorübergehend stoppte, werden die junker (ebenfalls vorübergehend) abgesetzt. ein bürgerliches zunftregime in bern, das wie in zürich regiert, schliesst friede mit savoyen und orientiert sich an der innerschweizer eidgenossenschaft.

1365 versucht kaiser karl iv. die tradierten herrschaftsverhältnisse im alten königreich burgund, das dem reich noch verblieben war, wieder herzustellen. er installiert die herrschaft der vertrieben junker erneut, und er macht bern zu einer deutschen kaufmannsstadt, die er nun über das habsburgische freiburg erhöht. mit seinem tod verschwindet das ehemalige königreich burgund, das sich schrittweise aufgelöst hatte, ganz von der landkarte. bern nutzt die gelegenheit, um sich im aaretal bis nach bipp auszudehnen. karls sohn, könig sigismund, vertieft die allianz des deutschen königs mit bern, das 1415 in seinem namen die habsburgischen besitzungen bis an die reuss erobert. luzern und zürich machen notgedrungener das gleiche rechts der reuss.

die alte grenzlinie zwischen burgund und schwaben ist damit fast deckungsgleich wieder hergestellt.

die entstehung der 13 örtigen eidgenossenschaft

die innerschweizer eidgenossenschaft und ihre verbündeten städte luzern, zürich und bern wachsen nun schrittweise zusammen. ihr versuch, wie seinerzeit burgund und schwaben über die alpen hinaus gemeinsame italienpolitik zu betreiben, scheitert jedoch vorerst.

dafür geraten bern und zürich 1439 beim tod des habsburgtreuen toggenburger grafen im ersten eidgenössischen bürgerkrieg aneinander. zürich hält zu habsburg und eröffnet dem vorderösterreichischen herzog so die möglichkeit, die stammlande im aargau zurückzuerobern. schwyz will das toggenburg, und bern verteidigt seinen aargau. in bern kommt es wegen des erstmaligen engagements der stadt westlich der reuss zu aufständen der oberländer bauernschaft. die eigenossenschaft muss erstmals in bern einen stadt-land-konflikt schlichten.

1450 konstituiert sich der oberrheinische bund, wie die eidgenossenschaft genannt wird, neu. bündnisse der einzelnen mitgliedern mit dem hause habsburg werden ausgeschlossen, während man sich nach der verlorenen schlacht bei st. jakob an der birs von basel aus gegenüber frankreich öffnen muss.

in bern gibt es zwei parteien: die junkerliche, die zu burgund hält, und die bürgerliche die zu frankreich tendiert. diese schliesst mit frankreich und habsburg neutralitätsabkommen, um savoyen anzugreifen, das von burgund unterstützt wird. in grandson und murten kommt es zu zwei schlachten zwischen den eidgenossen und karl dem kühnen, dem herzog von burgund, der unterliegt und kein jahr später in nancy stirbt. sein erbe treten treten jedoch nicht die siegreichen eidgenossen an, die sich für ihren militärischen einsatz ausbezahlen lassen. vielmehr erbt das kaiserreich durch heirat von erzherzog maximilian I. mit marie de bourgogne, der alleinerbin von karl dem kühnen, die burgundischen besitzungen, und einigt sich 1493 mit frankreich über das umstrittene herzogtum burgund. dies bleibt bei frankreich, während maximilian die niederlande und die freigrafschaft behalten kann.

bern kann sich nur in grandson, orbe und echallens verstärken, – orte, die man gemeinsam mit freiburg verwaltet. ihre verbündeten städte freiburg und solothurn werden eidgenössisch.


herrschaftsverhältnisse zwischen 1500 und 1700 nach christus karten anclickbar

die autonomie der schweiz im reich

1499 befreite könig maximilian I. nach der niederlage im schwabenkrieg gegen die eidgenossen, die schweiz, wie sie jetzt genannt wird, von der 1495 eingeleiteten reichsreform. damit beginn der faktisch autonome status der eidgenossenschaft im kaisereich. es stossen die städte basel und schaffhausen zur schweiz und vollenden mit appenzell die 13örtige eidgenosschaft von 1513. diese spaltet sich in oberitalien in zwei lager: bern, solothurn, freiburg und wallis ziehen sich aufgrund französischer zahlungen aus italien zurück; die verbleibenden zentral- und ostschweizer unterliegen in der schlacht von marginano. ausgehend von zürich breitet sich ab 1523 die reformation aus, welches ursprünglich das soldwesen bekämpfte.

1536 besetzen die seit 1528 reformierten berner auf französischen veranlassung gemeinsam die waadt. sie exportieren die reformation nach genf, die sich von da aus in halb frankreich ausbreitet. 1559 muss bern das chablis südlich des genfersees auf französischen druck hin an das katholische herzogtum savoyen zurückgegeben werden. dennoch: mit 236 quadratkilometer ist bern der grösste flächenstaat der schweiz; er macht alleine dirttel des gesamt gebietes aus.

die ausnahme der schweiz vom reich

am ende des 30jährigen krieges vieler gegen den habsburger kaiser wird die schweiz auf initiative der könige von frankreich und von schweden im westfälischen frieden vom kaiserreich ausgenommen. die zeit als selber staatenbund beginnt.

bern und luzern schlagen die aufständischen bauern im schweizerischen kernland nieder; bern schliesslich sich gegen neuzuzüger heermetisch ab und bezeichnet sich nun als patrizische republik; ihr gebiet ist das grösste nicht monarchische nördlich der alpen; am ehesten der repulik venedig vergleichbar.

im 18. jahrhundert gehen im jura teile der eidgenössischen verbündeten verloren. aufstände der waadtländer gegen die bernische herren werden indessen niedergeschlagen; erst die französische revolution wird den untertanenverhältnissen auch in der schweiz ein ende bereiten.


herrschaftsverhältnisse zwischen 1800 und 2000 nach christus, karten anclickbar

die besetzung der schweiz durch frankreich

die staatliche einheit der schweiz ist 1798 umstritten. frankreich dehnt sich bis nach biel aus. die verbliebene gebiete nach der französischen besetzung bilden aber die zentralistische helvetische republik, – ein französischer vasallenstaat. die bernsiche republik wird als grösster teilstaat geteilt. nur das oberland kommt 1803 an bern zurück, während die waadt und der aargau dauerhaft verlustig gehen. im gleichen jahr werden die revolutionären institutionen jedoch stückweise zurückgenommen, und die schweizerischer eidgenossenschaft konstituiert sich als föderalistischer staat mit gleichberechtigten gliedstaaten.

die völkerrechtlich anerkannte schweiz wird ein souveräner bundesstaat

1815 wird die schweiz unter führung oesterreichs und russland wieder unabhängig von frankreich, auf dem wieder kongress aussenpolitsich neutralisiert und durch die die kanton genf, neuenburg und wallis erweitert. die grenzen werden erstmals garantiert. man ist jetzt völkerrechtlich ein anerkannter staat.

das ehemalige fürstbistum basel und die stadt biel kommen nach vorübergehender zugehörigkeit zu frankreich zur schweizerischen eidgenossenschaft, genau zum kanton bern. 1978 löst sich der nördliche jura und konstituiert sich als 23. kanton der schweiz.

1848 wird der staatenbund, der aus dem wiener kongress hervor gegangen war, zum bundesstaat umgestaltet. die schweizerische eidgenossenschaft wird nun demokratisch regiert; bern wîrd bundesstadt.

durch die deutsche resp. italienische einigungsbewegungen von 1871 entstehen nördlich und südlich der schweiz starke nationalstaaten, die in ihrer grösse frankreich vergleich sind, nicht mehr aber der schweiz, die zum kleinstaat wird. das gilt auch nach dem zweiten weltkrieg, als österreich aus dem deutschen reich hervorgeht.

rund um die schweiz herum hat es nun nur noch republiken, derweil die schweiz und bern diesen namen nicht mehr gebrauchen!

bern ist nun hauptstadt des kantons bern; bümpliz, das burgundische zentrum, ist ein eingemeindetes aussenquartier der stadt und köniz, das alte kirchliche zentrum ist eine selbständige stadt ausserhalb berns!

stadtwanderer

this is the last call …

die gute nachricht zuerst: die offene stadtwanderung vom 9. juni 2007 findet statt.

die noch bessere nachricht danach: es hat noch freie plätze, melden sie sich noch an, denn: this ist the last call …

hier schon mal das programm: es startet pünktlich um 9 uhr 15 unter im bogen des zytgloggenturmes, und es endet voraussichtlich um 17 uhr auf dem bundesplatz!

das vorgehen ist einfach: wir wandern durch die stadt bern, machen 30 mal halt, sehen und einen platz, ein gebäude oder ein denkmal an und hören eine kleine geschichte zu einer/einigen persönlichkeit(en), die immer für eine ganze epoche oder einen bestimmten zeitraum steht:

et voilà …

raumzeit und zeitraum.
die geschichte des berner raumes der letzten 2000 jahre – offene stadtwanderung vom 9. juni 2007

1. ort: zytgloggenturm
thema: legende und geschichte
persönlichkeiten: homer und herodot

2. ort: casino
thema: behalten und vergessen – unser geschichtsbewusstsein
persönlichkeiten: 3 grosse berner

3. ort: historisches museum
thema: gallische bauern – römische herrscher
zeitraum: 58 v.chr.-260 nach chr.
persönlichkeit: kaiser vespasianus

4. ort: treppe bei kunsthalle
thema: barbareneinfälle und römisch reichsreorganisation
zeitraum: 260-407
persönlichkeiten: kaiser diokletian

5. ort: erste bank an aare
thema: das wilde burgundisches königreich aus der völkerwanderung
zeitraum: 407-534
persönlichkeit: könig gundobad

6. ort: zweite bank an aare
theam: der streit der fränkischen königinnen und der sieg der alemannen an der aare
zeitraum: 534-614
persönlichkeiten: königin brunhilde und königin fredegunde

7. ort: brunnen an aare
thema: die tragödie des fränkischen kaiserreiches
zeitraum: 614-888
persönlichkeiten: kaiser lothar, der fromme, und kaiserin judith, die schöne

8. ort: aufstieg bärengraben
thema: das zweite, christliche burgundisches königreich
zeitraum: 888-1032
persönlichkeiten: könig rudolf, königin berta und kaiserin adelheid

kaffeepause: altes tramdepot

9. ort: klösterli
thema: der epochale streit zwischen papst und kaiser – und die folgen für burgund
zeitraum: 1032-1156
persönlichkeiten: könig heinrich IV. und papst gregor VII.

10. ort: nydeggkirche
thema: die erste stadtgründungen durch die zähringer
zeitraum: 1156-1218
persönlichkeiten: kaiser friedrich I., genannt barbarossa, und herzog berchtold v. von zähringen

11. ort: aarehafen
thema: reichsstadt und stadtmauer: die zweite stadtgründung berns durch die savoyer
zeitraum: 1218-1268
persönlichkeiten: kaiser friedrich II. und comte pierre de savoye

12. ort: schwelle
die eroberung berns durch die habsburger
zeitraum: 1268-1293
persönlichkeiten: könig rudolf von habsburg und sein sohn herzog rudolf von habsburg

13. ort: plattform
thema: der blick aufs land – die anfänge der berner territorialpolitik
zeitraum: 1293-1340
persönlichkeit: könig adolf von nassau

14. ort: erlacherhof
thema: die grosse pest und beginn der eidgenössischen politik
zeitraum: 1340-1353
persönlichkeit: anna seiler, krankenpflegerin

15. ort: kaufleuten
thema: der besuch von kaier karl IV., dem letzten könig von burgund
zeitraum: 1353-1378
persönlichkeit: kaiser karl IV.

mittagessen: restaurant krone (dort, wo auch kaiser karl iv. einst ass …)

16. ort: rathaus
thema: das rathaus, der nachrichter, das bordell und die aargauischen untertanen
zeitraum: 1378-1418
persönlichkeit: könig sigismund

17. ort: beim münster
thema: neuer papst – neues münster
zeitraum: 1418-1450
persönlichkeit: papst martin v.

18. ort: diesbachhaus
thema: die gekauften kaufleute und der beginn der neutralität der eidgenossenschaft
zeitraum: 1450-1475
persönlichkeit: niklaus von diesbach, nobilisierter kaufmann

19. ort: münsterplatz
thema: der mirakulöse sieg im burgunderkrieg
zeitraum: 1475-1481
adrian von bubenberg, ritter von spiez, schultheiss von bern

20. ort: mayhaus
thema: monarchen und republikaner
zeitraum: 1480-1506
könig maximilian I., der erbe burgunds und bartolomaeus may, der reiche lombarde in bern

21. ort: bim zytgloggeturm
thema: der italienkrieg, die syphilis und der bärengraben
zeitraum: 1506-1515
persönlichkeiten: könig françois I. und niklaus manuel deutsch

kaffeepause: bellevueterrasse

22. ort: inselgasse
thema: nichts mehr zu lachen – säkularisierung der kirche und staatliche institutionen während der reformation
zeitraum: 1515-1618
persönlichkeit: hans-franz nägeli, der eroberer der waadt

23. ort: käfigturm/holländertrum
thema: unabhängigkeit vom reich – abhängigkeit vom tabak (der 30jährige krieg und die eidgenossenschaft)
zeitraum: 1518-1648
persönlichkeiten: die familie von graffenried

24. ort: herrengasse
thema: reale und vermeintliche französische dienste
zeitraum: 1643-1750
persönlichkeit: catherine de wattwyl und ihr vorbild, könig louis xiv.

25. ort: hotel du theatre
thema: aufklärer in bern? kopf ab!
zeitraum: 1750-1798
persönlichkeiten: samuel henzi und julie bondeli

26. ort: hotel falken
thema: revolution und restauration
zeitraum: 1798-1830
persönlichkeiten: napoléon bonaparte, philipp a. stapfer, sein freund, und carl l. von haller, sein feind

27. ort: restaurant zimmermania
liberale und radikale berner
zeitraum: 1830-1848
gebr. schnell & gebr. snell

28. ort: restaurant zum äusseren stand
thema: die schweizerische eidgenossenschaft – ein freisinnige bundesstaat
zeitraum: 1848-1891
persönlichkeit: bundesrat jakob stämpfli (und ein wenig nationalrat alfred escher)

29. ort: hotel bern
thema: klassenkampf und konkordanz: streit und vermittlung in der politischen kultur der schweiz
zeitraum: 1891-1959
persönlichkeit: robert grimm, streikführer und bernischer regierungsrat

30. ort: bundesplatz
thema: geschichte und gegenwart betrachtungen zur lage der schweiz
zeitraum: 1959-2007
persönlichkeit: baron von tscherlitz

apéro (mit kleinem repetitorium …) auf dem bärenplatz

weitere organisatorische hinweise finden sich hier.

stadtwanderer

die grösste bernerin

wenn ich die wahl hätte, würde ich anna seiler zur herausragendsten bernerin aller zeiten machen. denn sie hat fast unscheinbar bleibendes in der stadt bern geschaffen: das seilerin hospital, aus dem die “insel”, das berner universitätsspital, hervorgegangen ist.

auf stadtwanderschaft …

ich mache mich auf den weg zu anna seiler haus im spitalareal. zu fuss geht es stadtauswärts, richtung güterbahnhof. ich ziehe vorbei an strassenabzweigungen und eisenbahnschienen. ich sehe plakatwände und bürgerhäuser, die der umgebung schon fast den charakter eines aussenquartiers geben. eigentlich ist es ein kurzer weg, für eine lange geschichte.

vorschau auf anna seiler

im 14. jahrhundert ist bern eine austrebende stadt. nach der gründung 1191 durch die zähringer zur erschliessung des üchtlandes zwischen aare und saane, war man eine reichsstadt geworden, vorübergehend savoyisch und schliesslich auch habsburgisch bestimmt. 1293 legt der deutsche könig die aufgabe der stadt neu fest: sie solle im territorium rund herum die rechte des reichs wahrnehmen. die savoyer wurden schon 5 später definitiv vertrieben; und den habsburgern botet man 1339 in der schlacht von laupen die stirn. ein jahr später schlosst man frieden mit dem vorderösterreichischen adel, und 1350 machte man gleiches mit dem hause savoyen und seinen vasallen in der vaud

der aufstieg der stadt war begünstigt durch eine epochale wirtschaftskrise. seit 1315 wurde es spürbar kälter, und es regnete mehr; die kleine europäische eiszeit, die bis in 17. jahrhundert dauern sollte, brach an. die entlegenen gebiete wurde nicht mehr besiedelt; umgekehrt wuchs städte wie bern schnell an. mehrfach musste die gründungsstadt bis mitte des 14. jahrhunderts erweitert werden.

doch dann traf auch die stadt bern der schlag, den die pest in ganz europa ausgelöst hatte: von asien herkommend, breitete sie sich ab 1347 über das schwarze und das mittelmeer aus. sie drang die rhohne hinauf nach genf, und verbreitete sich von da weg auf dem ganzen mittelland. ein viertel der stadtbevölkerung berns starb.

für alle, die der einfachen bevölkerung schutz versprochen hatten, entwickelten die pestjahre mitte des 14. jahrhunderts zur grossen krise: die familie des schultheissen, johannes von bubenberg, wurde (vorübergehend) vertrieben; die kirchen in stadt und land zerfielen, ob den eskapaden der pfarrherren. der weltliche und himmlische adel verkam, sodass die bürgerlichen schichten (ebenfalls vorübergehend) die herrschaft in der stadt übernahmem.

nun orientierte man sich eidgenössisch. mit der innerschweiz stand man seit deren sieg in morgarten über habsburg in einem soldverhältnis; dieses hatte sich in laupen bezahlt gemacht. 1353 ging man einen ewigen bund ein, genauso wie luzern und zürich das gemacht hatten. das bündnissystem der 8örtigen eidgenossenschaft entstand auf den trümmern der gesellschaft, welche die pest hervorgebracht hatte.

… weiter auf wanderschaft …

ich biege links ab, und ich trete ins areal des inselspital ein. überall schon ist das anna seiler haus gut sichtbar angeschrieben. gott sei dank, denn es ist ganz am anderen ende des weitläufigen spitalareals auf der ehemaligen kreuzmatt. der symbolträchtigste wegweiser verweist unten nach links zu anna seiler, im oberen schilderrahmen, der nach rechts gibt, gähnt nur noch leere. sie hat bleibendes geschaffen; die vielen herren der medizin nach ihr sind gekommen und gegangen.

einblick in leben und wirken anna seilers

von anna seiler weiss man eigentlich fast nicht. das historische lexikon der schweiz nennt als geburtsjahr 1348; das ist sicher falsch, denn so wäre die tatkräftige frau 12jährig verstorben.

man weiss, dass anna zum stadtadel gehörte und dass sie witwe war; ihr mann war möglicherweise in der pestwelle umgekommen. kinder entsprangen der ehe keine. anna arbeitete im spital zu den predigern, dem krankenpflegestation des dominikanerklosters. 1354, im jahre nach berns bündnis mit den eidgenossen, verfasste sie ihr testament, das der schultheiss bezeugte; in feierlichen wort hält sie darin ewige gründung des seilerinspitals fest:

“In Anbetracht, dass nichts gewisser ist als der Tod, aber nichts ungewisser als die Stunde des Todes, habe ich, von niemandes Arglist bewogen, sondern wissend, gesund und wohlbedacht und nach reiflicher Überlegung, sowie mit dem Rat und der Erlaubnis des Schultheissen, des Rates und der Zweihundert, lediglich um Gottes Willen und zum Heil und Trost und stetem ewigem Glück meiner Seele und der Seelen meiner Vorfahren und aller Gläubigen, zum Trost der Stadt und Burgerschaft Berns, und damit die sechs Werke der Barmherzigkeit um so besser erfüllt werden, ein ewiges Spital gestiftet. In diesem Spital sollen ständig dreizehn bettlägerige und dürftige Personen aufgenommen sein, sowie drei weitere ehrbare Personen, die den Dienst als Pfleger der armen Bettlägerigen versehen sollen“.

die geschichte des spitals, dass mit anna seilers geld und testament entsteht, ist wechselvoll. die berner, die nach der schlacht von murten zu einem neuerlichen anstieg als kaufleute und söldnerführer ansetzten, vergessen anna seiler vermächtnis schnell. sie funktionierten das spital in ein altersheim für neureiche um. erst reformation setzt den bunten treiben dieser alten 1531 ein jähes ende. in den enteigenten räumlichkeiten des dominikanerklosters wurde das seilerin spital als städtisches hospital neu eröffnet.

man nennt es jetzt inselspital, und es steht dort, wo heute die inselgasse ist. der name kommt aus der gründungszeit der stadt, als die aare noch inseln hatte, die von frauenklöstern besiedelt waren. 1288, als könig rudolf von habsburg die unbotmässig stadt belagerte, flüchteten die klosterfrauen hinter die stadtmauern und fanden im predigerkloster bei den dominikanern aufnahme.

34 betten hat die neu eröffnete insel im reformierten staate bern nun. die ersten doctores und apotheken, die sich in der stadt niederliessen, übernahmen den medizinischen dienst. sie machen die ersten fachvisiten, und sie bestimmen, wer entlassen wurde resp. wer wie weiter gepflegt werden sollte. 1713 brennt jedoch das ganze spital nieder; niemand weiss warum. neu errichtet wurd es, und 1724 bezog man ein fast schon königliches hospital mit 82 betten; niemand weiss, ob es anna seiler gefallen hätte.

1798 geht dieses der stadt verlustig für alle zeiten verlust. zuerst wird es zum französischen militärspital umfunktioniert; danach kommt es 1809 an den neuen canton bern. 1841 stellt dieser den autonomen status der stadt in der stadt, den man bis ans ende des 18. jahrhunderts gewesen war, wieder her. dafür übernimmt die insel die medinische ausbildung der studenten an der kantonalen hochschule.

1885 zügelt man ein letztes mal, hinaus auf die kreuzmatte, wo das inselspital heute noch steht. die gebäulichkeiten von damals sind allerdings weitgehend verschwunden. in den 60er und 70er jahren des 20. jahrhunderts werden sie vollständig ersetzt, und es entsteht eines der modernen europäischen spitälermit vielen hundert betten, wie man es heute noch kennt. dieses umfasst e heute mehr als 40 kliniken und institute, organisiert in 9 departementen, welche nach unternehmerischen grundsätzen geführt werden.

und es gibt immer noch das “anna seiler haus”!

… fast am ziel meiner stadtwanderschaft!

das anna seiler haus bildet den abschluss des spitalareals bei lory-platz. der bau wirkt eher unscheinbar, etwas veraltet. der eingang hat den charme der 50er jahre. das entree ist unpersönlich: eine kleine handbibliothek zur linken mit der aufschrift “selbstausleihe” und ein restaurant gerade aus sind schon fast alles. links und rechts geht es in das 6stöckige haus, wo die neuropsychologie und die urologie der insel unterbracht sind.

rückschau auf anna seiler

die stadt erholte sich nur langsam von der pest, die anna seilers leben geprägt hatte. erst im 16. jahrhundert hatte man wieder so viele einwohnerInnen wie davor; und erst anfangs des 19. jahrhunderts baute man das mittelalterlich gebliebene areal der gründungsstädte erheblich aus. man sah viele phasen nach anna seilers tod: die frühe eidgenössische mit den eroberungskriegen; die spätmittelalterliche blüte mit dem ganzen reichtum aus den europäischen schlachtfeldern;die reformation, nach der man nichts mehr zu lachen hatte; das orthodox-protestantische regime, das die bernische republik beherrschte; der absolutismus der patrizier, der von den franzosen gestützt werden musste; die konservative reaktion, den liberalen umschwung und den beitritt zur schweizerischen eidgenossenschaft, deren hauptstadt man schliesslich wurde.

an der inselgasse, dort, wo einst das seilerinspital in den leer stehenden räumen des dominikanerklosters wiedereröffnet wurde, redet man heute noch über das gesundheitswesen. allerdings weniger praktisch, mehr administrativ. heute ist das eidgenössische departement des innern dort zu hausse, dessen vorsteher bis heute gesundheitsminister der schweiz ist; einmal regierte sogar eine gesundheitsministerin an der insel gasse, und suchte den geist anna seilers in der pflege bedürftiger menschen wach zu halten!

am ende der welt

der garten hinter dem seilerhaus ist klein, aber lauschig. ein paar kräftige bäume spenden schatten über einer kleinen sitzecke. eine frauenskulptur steht im garten, fast etwas verschämt. dahinter ist noch ein kleiner weg, der zum letzten teich im areal führt: entenhausen könnte man meinen, doch sind die vögel ausgezogen. nur eine wild gestikulierende männerplastik bestimmt die szenerie am ende der berner spitalwelt!

stadtwanderer

ps:
natürlich hat anna seiler auch einen brunnen in bern, – der beim käfigturm. bis ins 19. jahrhundert hiess er aber gar nicht so, sondern bym kefiturm, beim gefängnisturm. erst max howald, der berner lokalhistoriker des 19. jahrhudnerts, glaubte in der schönen brunnenfigur, die wahrscheinlich vom freiburger bildhauser hans gieng mitte des 16. jahrhunderts geschaffen worden war, die krankenschwester anna seiler zu erkennen.

sie lebt wirklich während jahrhunderten unscheinbar allgegenwärtig in ern, – die frau, die die pest besiegen half!

die stadt des wandels

es ist 5 uhr, – morgens. draussen ist es schon hell – und recht laut. ich erwache, stehe auf, sehe aus dem fenster: „guten morgen, berlin!“

ja, ich bin in berlin, nicht in bern. bären hat’s ja auch hier im wappen, und hauptstadt ist man ja auch. also bin ich hier schon fast zu hause …


“checkpoint c”, wie der checkpoint charlie effektiv hiess im der heutigen, originalgetreuen nachbau des ursprünglichen wachthäuschens, das im nebenstehenden museum zu sehen ist (fotos: stadtwanderer)

checkpoint geschichte

„checkpoint charlie“ ist mein stadtwandererziel heute. zu fuss sind vielleicht 15 minuten des weges ins zentrum, historisch aber einige jahre zurück: 1989 fiel die berliner mauer, und damit verschwand die bedeutung des berühmten treffpunktes, wo man spione und gefangene getauscht hatte, wo geschäfte aller art quer über die mauer abgeschlossen wurden, und wo 1989 dissidente vor den aufgebrachten massen musik spielten und den fall der mauer einläuteten.

damals, ende 1989, hielt ich erstmals einen vortrag in berlin. drei tage vergingen, und die mauer wurde gestürmt. 2005 war ich zum zweiten mal an der spree, um zu referieren. da folgte mir die geschichte noch schneller auf den fuss, denn nur zwei tage später kündigte gerd schröder seinen rücktritt als deutscher bundeskanzler an. und heute, heute halte ich meinen dritten berliner vortrag, – und es bleibt die bange frage: was nur geschieht morgen?

der checkpoint wirkt heute nicht nur verlassen; er ist fast schon ein wenig kitschig. nur wenige blumen auf sandsäcken hinter dem wachthaus erinnern an die grausamkeiten mitten in einer grossstadt, die der mauerbau auslöste. das kabäuschen selber davor wirkt unscheinbar, anachron. hoch darüber hängt eine russischen general im grossbildformat. er wirkt fast schon wie die gängige, überdimensionierte werbung von heute, – aber im outfit von gestern. doch er verblasst ob der tatsächlichen werbung: „check in, charlie!“ wirbt eine wohnungsvermittlungsagentur aus berlin, just, nebenan.

man wirbt auch für das check point charlie museum. man erinnert an der strasse an das kriegsende. die vier flaggen der usa, grossbritanniens, frankreichs und der sowjetunion hängen träge im lauen morgenwind. irgendwo dazwischen wird noch das emblem der “ddr” sichtbar. besuchen kann ich das museum aber nicht, – zu früh, viel zu früh bin ich dafür unterwegs.

dafür bin ich goldrichtig für den japanischen jogger, der den check point heute problemlos und spasseshalber überquert: „do you take a picture?“, fragt er mich und hält mir seine kamera hin. klar mitte ich ihn ein, – in die fahnen, die werbung und die erinnerung; vielleicht sehe ich das bild einmal in einer flickr galerie und mache dann einen kommentar dazu. mein gegenüer fragt noch höflich, ob er von mir auch eins machen soll? – ich winke ab, und der unbkannte japaner dreht ab, um seine runde um die welt fortzusetzen.


vergangene gegenwart an historischer stelle: viermächteabkommen über berlin und flagge der ddr am chepckpoint c (fotos: stadtwanderer)

checkpoint gegenwart

in der „berliner morgenpost“ setzt man sich ganz für die fortsetzung der geschichte ein: “die stadt des wandels”, das ist der neue slogan der deutschen hauptstadt. klaus wowereit, der populäre, und seine administration, die unpopuläre, waren auf retraite, wollten wissen, wie man berlin neu lancieren können. die gewollte fusion mit dem land brandenburg ist vorbei; und jetzt soll es auch vorbei sein mit dem berlinimage: „pleite, aber sexy“.

man bemüht sich sichtlich um einen neuen auftritt. die stadt hat eben in einem rating bestnoten erhalten für wissenschaft, für verkehr und anderes. und die pressesprecher verkünden selbt etwas morgenröte in den finanznöten. das pleitebild muss weg, den 62 milliarden euro zum trotz!

“die stadt des wandels” ist sicher gut; berlin steht für den wandel des wiedervereinigten deutschlands wie keine andere stadt. der potsdamer platz ist gebaut und strahlt neue urbanität aus. der neue bundestag tagt im luftigen glas und verbreitete einen hauch von transparenz über die deutsche politik. und die bundeskanzlerin, ein ossie, residiert in modernistischer architektur, die sich so klar von jener des deutschen reichstages abgrenzt.


1989: fall der berliner mauer: ende des realen checkpoints c und geburt der symbolisierung des checkpoints c (fotos: stadtwanderer)

checkpoint eigene erfahrung

„sachte, sachte“, denke ich mir beim frühstücken. gestern beim nachessen habe ich anfänglich nicht viel vom grossen wandel gespürt. „15 minuten-garantie“ stand da plakativ auf der visitenkarte des rastaurants, und „service bis 22 uhr 30“. also ging ich hinein, denn es war erst 22 uhr 10. die servierfrau kneifte indessen dreimal beide augen zu, als sie an mir vorbei ging; ganz nach dem motto: „vorsicht kunde, der will was!“ erst das vierte mal, es war präzise 22 uhr 30 und eine sekunde, erhörte sie mein ungeduldiges wfrage: „ich hätte gerne etwas richtiges gegessen“, sagte ich. sie jedoch äugte zur theke und fügte schnoddrig hinzu: „da muss ich sie leider enttäuschen, die küche ist schon zu“.

rund herum, wo alle gäste das offensichtlich miese spiel mitbekommen hatten, brach schallendes gelächter aus. und ich war hungrig, also direkt! husch, husch bekam ich karte, bier und schnitzel nachgereicht.

beim saubermachen des restaurants kam dann noch eine junge frau auf mich zu und fragte in gemütlichem berlinerdeutsch: „hat’s jeschmeckt?“. Ich bejahte! und sie hackte nach: „sind sie satt? oder soll ich noch was nachreichen?“. ich war nicht mehr hungrig, blieb aber direkt: „das ist wirklich aufmerksam und ausgesprochen nett!“, beendete ich das versöhnlich gewordene gespräch.

berlin braucht sich gar nicht zu wandeln, denn unter eine dünnen decke von geschichte und depression hat die stadt ihren charme bewahrt.

ich ging schlafen, „gute nacht, berlin!“, sagte ich mir noch, denn ich wusste um meinen vortrag andernstag, – und die wirkungen auf die geschichte, die solchen auftritten bisher folgten.

stadtwanderer

general der botanik

den einen kennt man in bern gut, den anderen nicht. beide haben die botanik massgeblich vorangetrieben und den gedanken ausgeheckt, dass die entwicklung der pflanzenwelt selber eine geschichte ist.

carl von linné

carl von linné wurde heute vor 300 jahren geboren; bei albrecht von haller wird man nächstes jahr gleiches feiern. ich verweise schon mal auf den bahnbrechenden breifwechsel zwischen beiden protagnisten der naturwissenschaften, kollegen und konkurrenten in der frühgeschichte der botanik.


carl von linné (1707-1778), schwedens berühmtester naturforscher, der heute 300jährig geworden wäre

carl nilsson linaeus, wie carl von linné mit bürgerlichem namen hiess, wurde am 23. mai 1707 in rashult im südschwedischen smaland geboren. sein vater war theologe, und er ermöglichte dem sohn ein studium der medizin, das er in uppsala abschloss. um zu doktorieren ging carl nach holland, wo er sich für das austrebende fach der botanik interessierte und in den königlichen gärten arbeitete.

1735 legt der ers 28jährige forscher sein “systema naturae”, zu deutsch das natürliche system, vor, die schule machen sollte. 549 pflanzen hatte er hierfür minutiös erfasst. auf 10 seiten hatte er sie kurz und knapp beschrieben, und er hatte das ganze in eine systematik gebracht. es sollte der erste botanische ordnungsversuch sein, der in der version von 1758 als binominales system mit art und gattung von dauer bleiben würde! bis 1766 datierte carl, zwischenzeitlich als carl von linné nobilisiert, sein werk mehrfach auf. die letzte ausgabe umfasste bereits 7000 verschiedene pflanzen, und das werk war auf 2300 seiten angewachsen.

anfänglich ordnete carl die pflanzen, die erkannte, wie die stände, die es damals gab. die moose entsprachen den armen; die grässer waren wie die bauersleute; die kräuter verglich er mit dem adel und die bäume waren die fürsten. alles hatte seinen platz, der seinen ursprung im paradies hatte. dieses stellte sich carl ein gebirgige insel vor, auf der es alle klimata gab, die zur vielfalt der pflanzenarten führten. ab inition, von anbeginn an, gab es also die gesamte pflanzenwelt.

der entscheidende brief an albrecht von haller

sechs jahre später schrieb carl, zwischenzeitlich arzt in stockholm, seinem kollegen albrecht von haller nach bern. für einmal hatte er nicht neue pflanzen entdeckt, die sich in die bisherige systematik einreihen liessen. nein, diesmal gab es eine wirkliche sensation: carl hatte eine abart des leinkrautes gefunden, dessen blütenkrone ganz unüblich fünf sporne trug und ebenso ungewöhnlich radiäre blüten trug.

nach der aufgeregt verhandelten entdeckung wechselte carl von linné seine wortwahl. im paradies, schrieb er 1751, seien die damaligen pflanzen wohl nur in principo, ganz allgemein gesprochen, schon vorgekommen. das aber war ein bruch mit der denktradition: sollten pflanzen nicht mehr etwas gottgegebens sein, sondern kinder einer zeit? 1766, in der letzten ausgabe seines systema naturae, ging von linné noch weiter: seine vermutung 15 jahre zuvor bezeichnete er nun als tatsache: die pflanzenwelt verändere sich, wenn auch meist nur unmerklich; sie hat als ganzes eine geschichte!


albrecht von haller (1708-1777), berner universalgelehrter während seiner zeit als professor in göttingen, den von linné zum obersten der botanik erhob

die begründung der systematischen botanik

von linnés bleibende leistung als wissenschafter ist, naturphänomene wie die pfanzen geordnet zu haben. er gab ihnen einen eigenen namen, und machte sie dadurch unterscheidbar. das wiederum unterscheidet ihn nicht von anderen botanikern seiner zeit. er war es aber, der alles miteinander in verbindung brachte und dadurch das system der pflanzen, das im wesentlichen bis heute noch gilt, etablieren konnte.

diese systematik erlaubte es carl von linné auch, als ersten den wandel zu sehen der pflanzen zu sehen und den gedanken der entwicklung der natur zu formulieren. der brief an von haller von 1741 markiert die wende hierzu. – sicher die evolutionslehre des 19. jahrhunderts entstand dadurch noch nicht; doch der weg wurde auf bezogen auf pflanzen geebnet.

revolutionäre der gesellschaft waren weder von linné noch von haller. revolutionäre der naturwissenschaft indessen waren sie schon. wie klar sie noch zwischen menschen und pflanzen unterschieden sieht man von linnés ordnung der botaniker: streng militärisch ordnete er die meriten der kollegen nach seiner manier. seine kritiker brachten es maximal zum feldweibel. von haller wurde immerhin zum obersten der botanikerarmee befördert.

sich selber sah von linné, der ewige gegenspiel von hallers, selbstredend als general.

stadtwanderer

unverdaute reformationen

2007 ist täuferjahr. – doch was weiss man als nicht-täufer über „die täufer“? dass sie eine sekte seine, dass sie verfolgt wurden, dass viele ausgewandert sind, dass andere im emmental leben, dass sie freikirchen bilden, oder dass sie politisch der evp resp. der edu nahe stehen würden?


veranstaltung zum täuferjahre auf dem berner münsterplatz: reformierte landeskirche und freikirche der täufer driften weiterhin auseinander (fotos: stadtwanderer)

dass man den münsterplatz für ein treffen der reformierten landeskirche und der täuferfreikirche gewählt hatte, zog meine aufmerksamkeit auf. das muss ich sehen. ich wollte wissen, wie es ist, wenn moses mit seinen gesetzestafeln aus dem alten testament auf diskussionen über die auslegung des neuen testamentes schaut. ich wollte sehen, was passiert, wenn christen verschiedenster richtungen vor der heutigen volkswirtschaftsdirektion zusammenkommen, wo einst der sitz des deutschordens war, der den kaiserlichen geförderten katholizismus nach bern brachte. und ich war gespannt, wie man angesichts des berner münsters zwischen ehemals radikalen und gemässten reformierten debattieren würde.

in der tat: filme, wie der einfühlsame von peter von gunten über die ausgewanderten täufer wurden gezeigt; ein podium mit vertreterInnen der verschiedenen kirchen wurden geboten, informationsmöglichkeiten, verkaufstische und missionsstände hatte es, und selbst zu essen und zu trinken gabs für gross und klein. wer ganz zur täufergemeinde gehört, war auch für den vespergottesdienst im berner münster geladen!

die entstehung des täufertums

die entstehung des täufertums ist eng mit der reformation verbunden. in den 1520er jahren zerfiel die katholischen kirche an vielen orten und in viele richtungen. wittenberg und luther sind nur eine, wenn auch die erfolgreichste erscheinung der reformation. zwinglis zürich gehört ebenso dazu wie auch das täufertum.

anfänglich studierte man gemeinsam die bibel, und man diskutierte miteinander das richtige christentum. die gründung einer neuen kirche stand nicht im vordergrund; die refom der katholischen indessen schon.

doch schon bald kam die trennung. die reformatoren, an die wir uns heute erinnern, wollten einen neuen staat bauen und wiesen ihm und der kirche neue aufgaben zu. die täufer hingegen suchten die erneuerung der kirchgemeinden. sie waren volksfrömmig, nicht staatsfrömmig. sie lehnten kirchen mit pfarrern, hierarchien mit priestern ab. jedes mitglied der gemeinde sollte das christentum verkünden und aus der bibel vorlesen dürfen. voraussetzung war jedoch das individuelle bekenntnis zu jesus christus. aus dem folgerte man die erwachsenentaufe. einzeln oder in gruppen ging man hinaus in die natur, und liess man sich durch unter- und auftauchen in flüssen oder see in die gemeinschaft der christen aufnehmen.

die verfolgung des täufertums

leute wie zwingli begannen 1525 die täufer, die einer radikalen reformation anhingen, zu verfolgen; schon wurden die erste täufer als ketzer verurteilt und gerichtet. in der limmat ertränkte man führende täufer, andere wurden auf dem richtplatz geköpft.

1527 organisierten sich die verschiedenen täufer gemeinsam. in schleitheim bei schaffhausen erliessen sie ihre sieben artikel, welche die grundsätze des täufertums festlegten. die formierung zur eigenen kirche, mit eigene grundsätzen war angelegt, bevor sich die reformation in der eidgenossenschaft über zürich hinaus hatte ausbreiten können.

1534 eroberten militante deutsch täufer die stadt müster und hielten sie monatelang besetzt. hart griff die katholische kirche hier durch, schlug den aufstand nieder und brachte die rebellierenden allesamt um. Am kirchturm wurden die leichen der besiegten gezeigt! innerhalb der täuferbewegung führte das zur sammlung hinter dem niederländer prediger menno simons, der die täufer auf die gewaltlosigkeit verpflichtete.

dass die täufer keinen eid ablegen wollten, dass sie den kriegsdienst verweigerten und dass sie weltliche gerichte nicht anerkannten, machten sie für den bernischen obrigkeitsstaat, der im 16. jahrhundert entstand, zu eigentlichen staatsfeinden. kaum hatte die reformation in bern gesiegt, erliess man mandate gegen die einstigen mitstreiter. zwischen 1529 und 1571 wurden in bern zahlreiche todesurteile gegen täufer ausgesprochen und vollstreckt.

der aufschwung der täufer nach dem schweizerischen bauernkrieg liess die repression durch den obrigkeitsstaat wieder zunehmen. 1659 wurde die bernischen täuferkammer begründet, welche jagd auf täufer und ihre sympathisanten machte. geheime spitzel heuerte man an, die bis 1743 gegen kopfgeld die verdächtigen gemeinden aushorchten. Das zwang die täufer zu inneren emigration, bald auch zur äusseren! in mehreren schüben verliessen seit 1669 täufer bern, um in die pfalz, in die niederlande und in die neue welt zu gehen. dauerhaft blieben die täufer nur im emmental, und im jura, das noch zum fürstbistum basel zählte.

die absonderung des täufertums

unter dem einfluss des pietismus bewegten reformierte pfarrherren am ende des 17. jahrhundert die täufer zu einer annäherung an den reformierten glauben. das führt zu einer spaltung der täufergemeinden. die traditionalisten spalten sich unter dem ältesten jakob ammann von den mennoniten ab; sie werden die gemeinschaft der amische begründen.

die verfolgung, die auswanderung, die spaltung haben das täufertum nachhaltig geprägt. die rückkehr in die gesellschaft misslang auch nach dem sturz der patrizier mit ihrem orthodoxen protestantismus. selbst zur ähnlich gesinnten erweckungsbewegung der 1820er jahre, die in der französischsprachigen schweiz ihren ursprung hatte und in den bernisch gewordenen jura ausstrahlte, fand man den anschluss nicht. die liberale verfassung des kantons von 1831 nützen die täufer, um sich ziemlich unverändert als freikirche zu etablieren. Was 300 jahren zuvor geschehen war, wirkte unvermittelt nach!

das podiums auf dem münsterplatz

für das täuferjahr 2007, das kein jubiläum für nichts ist, hat man seitens der kirchen versöhnung angesagt. die reformierten pfarrerinnen auf dem münsterplatz geben sich offen für neue gläubige. doch die drei vertreter der täufer reagieren zurückhalten. die erwachsenentaufe bleibt das kernstück des glaubensbekenntnis in der täufergemeinden; und sie passt bis heute nicht ins weltbild der landeskirche. Seitens der täufer kritisiert man an ihr die hierarchie, die verstaatliche kirche, das delegierte bekenntnis. gelobt werden die täufer heute für ihren gewaltverzicht. die reformierten theologinnen anerkennen, das hier eine wichtige forderung für die friedensarbeit der landeskrichen gerade in freikirchen lange besser aufgehoben gewesen sei, – selbst wenn sich heute eine minderheit der täufer mit staat und armee längst arrangiert hat.

alles in allen ist man an diesem abend brav. die entscheidende frage stellte man nicht: sollen die täufer, die über lange zeit enteignet worden sind, entschädigt werden? wann wird dieser teil der geschichte aufgearbeitet, und wann wir man wissen, welche reformierte kirche im kanton bern mit geld der vertriebenen täufer gebaut worden ist? darauf hätte man eigentlich antworten erwartet, an diesem abend und vor dem münster!

mein und gottes wort zum samstag!

pepita habe ich schon lange nicht mehr getrunken. doch der verpflgungsstand der täufer auf dem münsterplatz bot das an, und ich habe zugegriffen. geschmeckt hat es nicht schlecht; es erinnerte mich aber an themen der jugendzeit seit meiner maturalektüre, die lessings “nathan er weise” umfasste, liegen mir diese ziemlich fern. Auch wenn versöhnung angesagt war, die religiösen standpunkte blieben aus vergangenen gründen ziemlich unversöhnlich. wer sich so verhält, wird all die reformationen der kirche nie verdauen!

dass das am samstag nicht bis bis in alle nächte debattiert, hatte einen einfachen grund: das zu lang geratene podium wurde pünktlich um acht durch das glockengeläut aus dem münsterturm unüberhörbar unterbrochen! etwas schmunzeln musste ich schon …

stadtwanderer

finale! – finale? – finale!

letzte station meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte in der schweiz

station 9: “vom freisinn zur parteien- und direktdemokratie”
station 8: “die referendumsdemokratie”
station 7: “typisch schweizerisch”
station 6: “schnelle und snelle im werdenden bundesstaat”
station 5: “der liberale umschwung”
station 4: “politisierte philosophen”
station 3: “der gar nicht so harmlose stecklikrieg”
station 2: “der untergang des alten bern”
station 1: “politische kulturen und politische herrschaften”

die konsensdemokratie

finale! – die konsensdemokratie der schweiz ist aus dem geist des zweiten weltkrieges entstanden. der parlamentarismus war durch das vollmachtenregime weitgehend ausser kraft gesetzt worden. 1939 fanden angesichts des ausbrechenden weltkrieges gar keine parlamentswahlen statt; das alte parlament delegierte einem ausschuss die voll macht, in seinem namen zu entscheiden. auch die direkte demokratie war während des krieges ausser kraft gesetzt worden. es gab keine volksabstimmungen, – auch in der schweiz nicht! schliesslich wurde der klassenkampf zwischen fabrikehrren und arbeitern durch die sozialpartnerschaft moderiert. die arbeitnehmer, wie die arbeiter hiessen, verzichteten auf den streik; die arbeitgeben, wie man die fabrikherren nannte, auf aussperrung. vielmehr sprachen man, dem vorbild in der lebenswichtigen maschinenindustrie von 1937 folgend, regelmässig miteinander und verhandelte die verschiedenartigen interessen unter sich. 1943 wurde die bürgerliche regierung umgestaltet; der erste sozialdemokrat, der berner professor max weber, wurde in den bundesrat aufgenommen.

nach dem zweiten weltkrieg wäre die landesregierung gerne zu einem erweiterten system von vor 1848 zurückgegangen. eine volksinitiative, welche die wiedereinführung der direkten demokratie verlangte, empfahl man zur ablehnung. ein repräsentatives system, gestärkt durch den verfassungsmässigen verbandseinfluss, wurde angestrebt. der zivilgesellschaftliche diskurs sollte bleiben, aber nicht durch volksrechte im willensbildungsprozess institutionalisiert sein.

regierung und parlament wurden eines bessern belehrt. 1947 entschied sich das stimmvolk, zur direkten demokratie zurückzukehren. es hat damit dem beweis erbracht, dass volksrechte, einmal eingeführt, nicht ohne besondere not zurückgenommen werden können! nun stellte sich also die frage nicht, ob ein parlamentarisches system der repräsentativen demokratie durch institutionalisierte volksmitsprache ergänzt werden solle oder nicht. es stellte sich die frage nach dem mix von volksrechten und konsensdemokratie. die antwort war – und ist! – nicht eindeutig, aber mehrheitlich! ich will mich erklären!

die zauberformel

1953 trat der einzige sozialdemokrat im bundesrat nach einer verlorenen volksabstimmung zurück. er sah keinen handlungsspielraum mehr zwischen bürgerlicher mehrheit in der landesregierung, welche seine finanzpolitik bestimmte, und dem wiederstand unter den stimmenden, die sich darum nicht kümmerten. der bundesrat bestand wieder aus drei fdp, drei kk und 1 bgb vertreter. bis 1959 kombinierte man also die direkte demokratie mit einem regierungs- und oppositionssystem. die sp war keine regierungspartei. Von 1959 bis 2003 änderte man das: die ausgebauten volksrechte wurden nun mit einem allparteienregierung kombiniert, welche die vier parteien, die unter den bedingungen des proporzwahlrechtes entstanden waren, entsprechend ihren wähler-anteilen in der bevölkerung im bundesrat und anderen wichtigen politischen gremien repräsentierte, sie aber auch zu einem gemeinsamen vorgehen verpflichtete. der bundesrat bestand nun aus je zwei vertretern der fdp, der kk, später cvp genannt, und der sp, sowie einem repräsentant der bgb, später svp genannt. 2003 wich man davon einen schritt ab, als man zwar die erstarkte svp zu lasten der geschrumpften cvp im bundesrat stärkte, die proporzionalität im bundesrat aber rein numerisch definierte, nicht mehr inhaltlich. jeder bundesrat, neuerdings auch jede bundesrätin soll die anliegen ihrer partei im bundesrat durchsetzen!

das system der propozionalität der landesregierung wurden 1959 von der damaligen katholisch-konservativen partei. martin rosenberg, der damalige generalsekretär der kk, ging noch jeden morgen höchst persönlich die post abholen. im raum mit den schliessfächern begegnete er am morgen früh gelegentlich dem generalsekretär der sozialdemokraten. das bot gelegenheit, ausserhalb von parlamentarischer und medienöffentlichkeit die informellen postfachgespräche zu eröffnen. dabei wurde 1959 der plan entwickelt, die sp wieder in die landesregierung aufzunehmen, und zwar gestärkt. man vereinbarte nach den parlamentswahlen von 1959, dass die kk zunächst auf einen ihrer bundesratssitze zugunsten der sp verzichten würde; diese sollte dann mit der kk zusammen auch einen fdp vertreter abwählen.

cordergründig waren fdp und kk die verlierer der wahl. hintergründig hatte aber nur die fdp verloren. bis 1959 hatte sie, alleine, oder mit der bgb, die aus ihr hervorgegangen war, immer eine mehrheitlich in der landesregierung gehabt. 111 jahre regierungsverantwortung gingen aber mit der historischen wahl von 1959 verloren. die zauberformel wurde geboren; kk hatte nun zwei handlungsmöglichkeiten: mit den bürgerlichen parteien zusammen konnte sie wirtschafts- und finanpolitik betreiben; zusammen mit der sp, mit der sie auch eine mehrheit hatte, war es aber möglich, sozial- und infrastrukturpolitik zu betreiben. zudem war das system der direkten demokratie nun mit einer ausgesprochenen proporzional arrangierten regierung kombiniert worden.

die erfolge sind beträchtlich: wirtschaftlich war es eine blütezeit; arbeitskräfte wurden mangelware. die soziale sicherheit, vor allem die alters- und invalidenversicherung konnten ausgebaut werden. die staatlichen dienstleistungen wurden modernisiert und fand reichlich nachfrage. Autobahnen erschlossen das land von neuem, und föderten so eine bis anhin unbekannte mobilität auf kleinem raum.

die sozialpartnerschaft regelte wirtschaftlichen interessengegensätze; und die zauberformel vereinigte rund 80 prozent der wählenden im bundesrat. da konnte man sogar das wahlrecht ausbauen: das frauenstimmrecht wurde 1971 eingeführt; das stimmrechtsalter wurden 1991 auf 18 jahre gesenkt. opposition gab es dazu lange nur wenig: der landesring der unabhängigen, in den 30er jahren als partei der konsumenten, finanziert von einem grossverteiler, entstanden, kam als stärkste partei, die nicht im bundesrat vertreten war, nie über 10 Prozent wählerInnen landesweit. die neue linke, die im gefolge der 68er bewegung entstanden war, änderte zwar das wertesystem nachhaltig; parteipolitisch blieb sie aber bedeutungslos. und die xenophobe rechte, die sich an der wirtschaftlich bedingten einwanderung störte, blieb kam dank einer volksinitiative einmal auf fast 50 Prozent; im parlament blieb sie aber non-valeur.

in den 80er jahren entschied der bundesrat die schweiz, die noch im geist des kalten krieges verharrt hatte, zu öffnen. der uno wollte man 1986 beitreten, und für den europäischen wirtschaftsraum als vorstufe zur eu-mitgliedschaft machte man sich 1992 stark. in beiden fällen scheiterten regierung und parlament in der referendumsabstimmung. 2001 gelang es, ein moderateres eu-programm mit den bilateralen verträgen durch parlament und volksabstimmung zu bringen; und 2002 gelang auch der beitritt der schweiz zur uno dank einer volksinitiative, welche auch die regierung befürwortet hatte.

die formel(n) ohne zauber

dennoch ist das parteiensystem der schweiz seit den 80er jahren erschüttert und erneuert worden: die frauen sind als politisch kraft hinzugekommen. zuerst verhielten sie sich eher konservativ, seit mitte der 80er jahren indessen eher progressiver und ökologischer als die männern. sie haben einen wesentlichen Anteil daran gehabt, dass die umweltbewegung, durch die waldsterbedebatte lanciert, mit den grünen partei einen politischen sprecher erhalten hat, der auch auf andere parteien abgefärbt hat. die ökologisierung der politik forderte den widerspruch der autofahrer heraus; 1987 entstand als schweizer unikum die autopartei, die sich später in freiheitspartei umbenannten, aber nicht auch damit ihren niedergang nicht verhindern konnte. seit 1991 setzte die svp, die ehemalige bgb, zu einem für schweizerische verhältnisse einmaligen aufstieg als rechtspolustische partei mit nationalkonservativem wertemuster an. noch ist nicht sicher, ob dieser aufschwung 2003 mit dem einzug des vormaligen oppositionsführer christoph blochers in den bundesrat gestoppt werden konnte.

unsicher ist auch, wie das verhältnis von direkten demokratie, verbandsdemokratie, parteiendemokratie, mediendemokratie und konkordanz inskünftig ausgestaltet sein wird. die meisten politikwissenschafter neigen dazu, einen recht engen zusammenhang zwischen ausgebauten volksrechten, konkordanzregierungen und politischer stabilität zu sehen. nur wenige befürworten ein regierungs- und oppositionssystem, bei gleichzeitig ausgebauten volksrechten. doch gehen die meinungen auseinander, wo konkordanz anfängt und wo sie aufhört. unklar ist, ob es ein gemeinsames regierungsprogramm braucht. offen ist, in welchem masse einzelne mitglieder gesamtentscheidungen mittragen müssen oder auch davon abweichen dürfen. diskutiert wird selbst, elemente des ministerialsysteme in der landesregierung zu etablieren, verbunden mit einem gestärkten präsidium oder einer erweiterten bundeskanzlei. schliesslich wird auch erwogen, die regierung durch das volk wählen zu lassen, um ihr eine vom parlament unabhängige legitimation wie in einem präsidialsystem zu geben. die diskussion ist lanciert, aber noch nicht entschieden. ob das finale schon erreicht ist, wird bezweifelt.

lob der konkordanzdemokratie als basis der direkten demokratie

die frage, was politisch gerecht ist, wird politisch nie abschliessend beantwortet werden können. die frage aber, was ein gutes politisches system ist, kann man sehr wohl beantworten: die schweiz hat sich stark entfernt vom ancien régime, das zwischen der reformation und dem einmarsch der franzosen 1798 galt. 1848 ist mit der demokratisch ausgestalteten republik eine zukunftstaugliche formel entstanden; in der das republikanische eine wertebasis abgibt, das demokratische die institutionen prägt. die schweizerische gesellschaft konnte konnte durch säkularisierung massiv befriedet werden, selbst wenn der weg teilweise kriegerisch war; heute sind politik und staat nicht ganz getrennt, haben aber verschiedene sphären der einflussnahme: der staat ist laizistisch, die Kultur ist ökumenisch. die Individualiserung ist stark vorangeschritten. nationalparteien, die beanspruchen, das volk alleine vertreten zu können, war für die etablierung des bundesstaates wichtig; sie machen heute keinen sinn mehr. selbst der freisinn ist fast ganz verschwunden, hat dem pluralistischen modell der korporativen interessenartikulation und einen auf 5 parteien angewachsenen parteiensystem Platz gemacht. selbst das milizsystem, das die bürger verpflichtete, nebenberuflich ehrenamtliche Aufgaben zu übernehmen, hat seine limiten erreicht: bürgerpflichten wie militär, steuern werden relativiert; die politik ist schon fast ganz zum bürgerInnenrecht geworden. es entscheidet heute jeder und jede einzeln, ob er oder sie, sich politische engagieren will, und es will eine jede, ein jeder seine meinung frei, aber auf sein art äussern können. sei dies in leserbriefen oder dem eigenen blog, sei dies an der urne, per brief oder bald auch durch e-voting.

direkte demokratie ist in besondere weise geeignet, dieser säkularisierten politik und dieser individualisierten gesellschaft entgegen zu kommen. drekte demokratie schafft eine form der gemeinschaft, die politisch eindeutiger ist als der fussball, die misswahlen und der medientenor. direkte demokratie äussert den volkswillen nicht nur diffus, sondern spezifisch. sie ist nicht nur stimmungsdemokratie. Sie ist knallharte demokratie in der sache. direkte demokratie schafft aber nicht von alleine politische stabilität. die rufer nach volksrechten waren revolutionäre, politisch oppositionelle, ausgeschlossene minderheiten. sie ins politische system zu integrieren geschieht nicht von alleine. es braucht den willen beider seite. es bedingt den willen zur mässigung; die schweiz ist nicht um sonst ein hort des pragamtismus. und es braucht ein sinnvolles institutionendesign.

punktuelle direkte demokratie als erweiterung der repräsentativen demokratie hat sich wenig bewährt. sie neigt zum plebiszit, mit unsicherem ausgang wie die europäischen verfassungsabstimmungen zeigten. denn die seltene möglichkeit, abstimmen zu können, macht aus abstimmungen wahlen zweiter klasse: solche, bei denen man gegen die regierung stimmen kann, ohne dass es direkte konsequenzen hat.

die abstimmungsgeschichte der schweiz lehrt. volksabstimmung sind ein volksrecht, das, einmal gewährt, nicht zurückgenommen werden kann. je mehr volksabstimmung man hat, umso einfacher wird es auch. der mittlere grad an zustimmung zur behördenposition hat in der schweiz mit der intensivierung der direkten demokratie nicht etwas ab-, sondern zugenommen!

deshalb braucht ein system der direkten demokratie artikulationskanäle für die opposition; sie braucht sie auch für die regierung. sie braucht vor allem aber eine gesicherte institutionelle basis: die konsensdemokratie des zweiten weltkrieges ist nicht nötig; die konkorzdanzdemokratie, die kulturelle konflikte, gesellschaftliche interessen und politische einflussnahme regelt, ist aber unverzichtbar. sie regelt den sinnvollen zugang vieler und verhindert die einflussnahme vieler, in möglichst vielen fragen, die direktdemokratisch entschieden werden sollen!

finale!

stadtwanderer

vom freisinn zur parteien- und direktdemokratie


station 9 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte in der schweiz

station 8: “die referendumsdemokratie”
station 7: “typisch schweizerisch”
station 6: “schnelle und snelle im werdenden bundesstaat”
station 5: “der liberale umschwung”
station 4: “politisierte philosophen”
station 3: “der gar nicht so harmlose stecklikrieg”
station 2: “der untergang des alten bern”
station 1: “politische kulturen und politische herrschaften”

bern wurde der legende nach 1191 von gegründet. bis 1831 wurde es, mit nur kurzen unterbrüchen, vom stadtadel regiert. uuerst waren sie ministeriale der zähringer, dann junker oder ritter des königs. schliesslich waren sie patrizier in der bernischen republik, die vor allem aus den kaufleuten, geldverleiher und bankiers hervorgegangen waren und sich den staatsgeschäften widmeten. anders als in zürich, das bereits im 14. jahrhundert eine bürgerlichen revolution hatte, welche die zünfte an die macht gebracht hatte, waren in bern, genauso wie in freiburg, solothurn, luzern und basel adelige und bürgerliche schichten während jahrhunderten unterschiedliche stände mit unterschiedlichen rechten gewesen.

1831 dankten die patrizier nicht freiwillig, aber selbständig ab. sie verzichteten nun auf die ausübung der privilegierten politischen ämter. sie machten den bürgerlichen schichten vor allem ausserhalb der stadt im neu gegründeten kanton platz. ihre politische macht in der stadt schwankte erst in den 1870er jahren; dann wurde auch sie vom bürgertum gebrochen. jetzt, wo man sich politisch auf augenhöhe gegenüberstand, konnten burger, wie sich die partizier nannten, und die bürger, die durch die politische mündigkeit entstanden waren, miteinandern feiern. 1891 bot das 700jährige jubiläum der stadtgründung die möglichkeit, alte gräben zu überbrücken erstmals ein gemeinsames fest zu begehen.

geschichtsfeiern mit politischer absicht

die vorbereitungen zur grossen .feier in der bundesstadt nutzte der bundesrat, um eine weitere, schweizerische spaltung zu überwinden. der gegensatz zwischen dem regierenden freisinn, entstanden in den protestantisch-industrialisierten kantonen, und den katholisch-konservativen in den wirtschaftlich traditionell verbliebenen orten, sollte ebenfalls überbrückt werden. die nationalisierung des bundes war seit der verfassung von 1874 fortgeschritten, und der ausgeprägte föderalismus mit kantonen, die den bund formierten, und solchen, die ihm ablehnend gegenüber standen, erwies sich als hemmender faktor beim aufbau nationaler projekte. 1891 erfand man, in anlehnung an der bürgerlich-burgerliche treiben in der stadt, den 600. geburtstag der schweiz. das eidgenössische justiz- und polizeidepartement verlegte gründung des bundes, seit dem 16. jahrhundert auf das jahr 1307 datiert, per dekret auf das jahr 1291, – präzise auf den 1. august. so konnte man eine doppelfeier feiern! vorbei sein sollten die unterschiede zwischen stadt und land, beendet werden sollte die konfessionelle spaltung, und zwischen den modernen und traditionellen ökonomien sollte mit einem nationalen fest ein werden.

1891 wurde der rein freisinnige bundesrat erstmals umgestaltet. die katholisch-konservativen wurde in ihn aufgenommen. einen der sieben räte sollte sie fortan immer stellen. mehr noch: die referendumsdemokratie, von den verschiedenen oppositionen gegen den freisinnigen machtanspruch erkämpft, sollte nun zu direkten demokratie ausgebaut werden. das volk sollte nicht nur nein zu entscheidungen des parlaments sagen können; es sollte auch ja zu volksinitiativen sagen können, die an das parlament herangetragen wurden; die parlamentarische entscheidung sollte so umgangen werden können.

über die einführung dieses zweiten, wesentlichen volksrechtes wurde nie abgestimmt. Es wurde uns geschenkt. Es gehörte zu den versöhnungsgesten, des freisinns an die bisherige opposition. Alles dank dem bundesfeiertag von 1891!

die arbeiterschaft als neue opposition

die opposition bestand 1891 nicht mehr nur aus den aus der französischsprachigen landesteilen und den katholisch-konservativen wie bei der ersten verfassungabstimmung 1871. massgeblich geworden war nun der widerspruch der arbeiterschaft in den industrialisierten orten.

in der zweiten hälfte des 19. jahrhunderts war die arbeiterbewegung entstanden, welche mit dem fabrikgesetz von 1877 einen ersten schritt zur sozialgesetzgebung erkämpft hatte. man war jetzt gewerkschaftlich organisiert, und man hatte die sozialdemokratische partei als politischen arm. Und man hatte seit 1889 weltweit den 1. mai als tag des sozialistischen internationalismus.

zentrales kampfmittel der arbeiterbewegung war der streik, zum beipsiel hier, vor dem käfigturm, zu deutsch eigentlich gefängnisturm. 1893 kam es hier zu gewaltsamen auseinandersetzungen. die arbeiter verlangten höhere löhne und streikten dafür. Die streikposten wurden ververhaften und ins gefängnis gesteckt. Und die belegschaften wurden durch italienische arbeiter ersetzt, die bereit waren, zu tieferen löhnen zu arbeiten. der protest der arbeiter in der stadt wurde mit militärischen mitteln bekämpft. schweizer militär stand schweizer arbeitern gegenüber; es verteidigte schweizer fabrikherren, die ausländische arbeiter beschäftigten. die nationale stimmung von 1891 war dem klassenkampf gewichen!

für die arbeiterbewegung war das eine schwierige situation. die gewerkschaften waren auf soziale errungenschaften aus; die sp auf politische erfolge. Die gewerkschaften scheuten die zuammenarbeit mit dem bürgerlichen staat; die sp nicht, wenn es um den politischen fortschritt ging.

die linke und die direkte demokratie

da die linke in den parlamenten wegen des wahlsystems schwach vertreten, boten die volksrechte gelegenheit, ausserparlamentarisch, aber institutionalisiert korrigierend einzugreifen. die volksinitiative wurde nun zur politischen waffe der sp: man forderte das sozialrecht auf arbeit. man forderte eine volksbank statt einer nationalbank, und man forderte die einführung des proporzwahlrechtes anstatt des geltenden majorzwahlsystems.

bis heute ist die faszination dieses volksrechtes auf die linke geblieben; sie ist die wichtigste trägerin der volksinitiative geworden. dabei darf man nicht übersehen, dass die erfolge eher bescheiden geblieben sind. nur 9 volksinitiative wurden in der volksabstimmung direkt angenommen; die grossen mehrheit ist gescheitert. ein teil davon blieb ohne wirkung, ein teil hat die parlamentarischen beratungen und entscheidungen beeinflusst.

durch die möglichkeiten der direkten demokratie ist die arbeiterschaft politisch reformorientiert geworden; revolutionäre strömungen hatten in der schweizerischen arbeiterschaft nie grosse unterstützung; man war nicht auf den endsieg aus, sondern auf sichtbare erfolge. Die gewerkschaften blieben immer skeptischer gegenüber der bürgerlichen demokratie: auf den streik als kampfmittel wollte vor allem die gewerkschaftliche linke nicht verzichten.

das proporzwahlrecht und das vierparteiensystem

1918 kam es zum grössten streik in der schweizer geschichte: dem generalstreik am ende des ersten weltkrieges. sieben forderungen wurden nun erhoben: unter anderem die einführung einer kollektiven altersversicherung, der übergang vom männer- zum erwachsenenwahlrecht, und die durchsetzung des proporzes, der mit den mitteln der volksinitiative gescheitert war.

nun sollte die linke politische erfolg haben: 1919 wurde die wahl des nationalrates erstmals aufgrund des proporzwahlverfahrens durchgeführt. für die sozialdemokraten war das ein sieg. sie waren jetzt im nationalrat nicht nur eine viel belächelte aussenseiterkapelle. sie waren jetzt die drittstärkste partei.

doch sie waren nicht die einzige neuerung ihrer zeit. wegen dem proporzwahlrecht zerfiel der freisinn aus der staatgründungszeit letztlich in drei richtungen: in die fdp, nun eine rechte, grossbürgerliche partei, in die sp, eine linke partei, die die arbeiterschaft politisch führte, und bgb, die bauern- gewerbe- und bürgerpartei, welche das kleinbürgertum repräsentierte. Sie verstand sich als neue mitte: gegen den kapitalismus der unternehmer, der bankiers und der fdp, aber auch gegen den sozialismus der arbeiter, der gewerkschafter und der sp. noch heute heisst diese partei auf französisch: union démocratique du centre, kurz udc. wir wissen es: auf deutsch ist sie seit 1971 zur svp, zur schweizerischen volkspartei, geworden, welche in den 90er jahren die fdp rechts überholte und heute eine ausgesprochen nationalkonservative politik betreibt. entstanden ist die bgb im wesentlichen in kanton bern. innert 8 jahren stieg sie zur ersten partei des kantons auf, überholte die fdp um längen. fortan sollte sie den berner bundesrat stellen, und bis heute ist die erfolgreiche abspaltung der svp von der fdp im kanton bern nicht überwunden!

vorläufige bilanz: instabilität nach dem ende der freisinnigen vorherrschaft

die umgestaltung des freisinnigen staates von 1848 war in en 20er jahren des 20. jahrhunderts perfekt. Doch war daraus kein stabiles politisches system entstanden: die demokratie geriet auch in der schweiz in eine tiefe krise.

erstens, man hatte ursprünglich nach amerikanischem vorbild eine parlamentarische demokratie geschaffen, mit regierung und opposition, die auf zwei parteien verteilt war. das das demokratische kriterium, der wechsel der mehrheiten, kam nie zusande. majorzsystem sicherte dem freisinn effizient die vorherrschaft, – bis er zerfiel.

zweitens, der zerfall schrittweise mit dem umbau zur direkten demokratie einher. der alte gegensatz zwischen katholisch-konservativen traditionalisten und protestantisch-liberalen modernisten wurde überwunden, um die aufstrebende arbeiterschaft unter kontrolle zu halten. diese hatte sich wirtschaftlich und politisch etablieren können, die soziale frage aufgeworfen und die staatliche macht angegriffen.

drittens, die linke hat als eine ihrer ersten erfolge das proporzsystem für den nationalrat und die kantonalen parlamente realisiert. damit hat sie zur entstehung eines vierparteiensysts beigetragen. nun hatte man seit den 20er jahren des 20. jahrhunderts drei parteien der rechten und der mitte, die man bürgerlich nannte, die der wichtigsten partei der linken gegenüber standen. die linke war die jetzt die opposition, und die bürgerlichen bildeten zusammen die regierung.

viertens, die schweizerische linke war nicht nur auf nationale wahlen angewiesen. sie hatte, der internationalistischen ausrichtung folgend, die streikmöglichkeit, und sie konnte, typisch schweizerisch, mit den erkämpften und schliesslich geschenkten volksrechten drohen. das ist eine effektive form der opposition, welche das funktionieren der demokratie gar in frage stellte. ein stabiles politisches system war daraus nach dem ersten weltkrieg nicht entstanden, – selbst man bis heute den goldenen zwanzigern nachtrauert!

stadtwanderer

die referendumsdemokratie; eine kurze vorlesung vor dem parlamentsgebäude


station 8 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte in der schweiz

station 7: “typisch schweizerisch”
station 6: “schnelle und snelle im werdenden bundesstaat”
station 5: “der liberale umschwung”
station 4: “politisierte philosophen”
station 3: “der gar nicht so harmlose stecklikrieg”
station 2: “der untergang des alten bern”
station 1: “politische kulturen und politische herrschaften”

da stehen wir nun, auf dem bundesplatz. er wurde 2004 eingeweiht. er symbolisiert die nation schweiz und seine staaten, die kantone. sie sind es, aus denen die 26 fontänen hervorgehen. doch sie sind nur eine quelle; den rahmen setzt der stein des platzes, der aus den alpen stammt. war für ein politisches system aber ist in diesem laufenden erneuerungsprozess aus dem bundesstaat von 1848 geworden? das fragt sich der stadtwanderer auf seiner 8 station der demokratiegeschichte!

der bundesplatz und der freisinn

der bundesplatz steht auf unserer stadtwanderung auch für den freisinn, der 1848 die geschicke des jungen bundesstaates in seine hände genommen hatte. eine partei war er noch nicht; eher eine breite bewegung war der damalige freisinn. 80 der 111 ersten nationalräte gehörten ihm an, und 32 der 44 ständeräte stellte er. da überrascht es nicht, dass alle 7 regierungsmitglieder auf bundesebene aus seinen reihen kamen.

doch das war auch die hypothek. unterschiedlichste strömungen umfasste der freisinn. von den beiden wichtigsten, die an diese Platz auch repräsentiert sind, soll hier die rede sein: dem staatsfreisinn und dem wirtschaftsfreisinn. nicht sprechen werde ich vom bundeshaus. es entstand erst 1902, als letztes gebäude an diesem platz.

der staatsfreisinn

für den Staatsfreisinn von damals steht der erner politiker jakob stämpfli. er war ein radikaler, heute würde man sagen ein linksfreisinniger. er war mit den flüchtlingen ludwig und wilhelm snell gross geworden. letzterer war sogar sein schwiegervater geworden. studiert hatte stämpfli an der berner hochschule. wie die snells war auch er ein politisierender jurist geworden. und er schrieb für die “Berner Zeitung”, dem blatt der damaligen radikalen. er beteiligte sich an den freischarenzügen gegen die sonderbundskantone, und er war initiant des verfassungsrates, der das berner grundgesetzt von 1846 ausarbeiten sollte. im gleichen jahr wurde jakob stämpfli berner regierungsrat, und 1854 wurde er der zweite berner im bundesrat. 11 Jahre lange sollte er der landesregierung angehören und eine einflussreiche politik betreiben. doch auch nach seinem rücktritt aus dem bundesrat blieb er nicht untätig: 1865 wurde er der erste präsident der eidgenössischen bank, dem vorläufer der schweizerischen nationalbank.

jakob stämpfli war ein staatsfreisinniger, der viel aufbaute: zuerst den kanton bern von damals, dann den jungen bundesstaat. und er baute das erste bundesratshaus, das 1858 bezogen werden konnte. heute heisst es bundeshaus west; es beherbergt immer noch das bundesratszimmer und die die büros der bundesrätInnen micheline calmy-reys aus genf und christoph blochers aus zürich. die eine ist eine sozialdemokratin, der andere ist ein vertreter der schweizerischen volkspartei. fdp-vertreter, die nachfolger der freisinnigen staatsgründer hat es kaum mehr im bundeshaus west.

der bau des bundesratshaus in den 1850er jahren war in bern nicht unbestritten. in der bundesstadt hatte es immer noch mehrheitlich anhänger der konservativen burger, wie man die ehemaligen patrizier jetzt nannte. diese hatten sich rechtzeitig von den liberalen und radikalen projekten im im kanton distanziert. 1850 schied man das vermögen der ortsgemeinde bern und der ortsburgergemeinde bern. der verbliebene reichtum der ehemaligen patrizier wurde so der bundesstadt entzogen. doch musste sie die infrastruktur für regierung und parlament des bundesstaates zur verfügung stellen. steuern hat man dafür eingeführt: zunächst einmalig, um das bundesratshaus zu bauen; dann, als es nicht reichte wollte, zweimalig, und, als das erneut nicht reichte, jährlich wiederkehrend, – bis heute!

jakob stämpfli, der staatsfreisinnige im bundesrat, hätte gerne auch die eisenbahnen durch die schweiz gebaut. doch er unterlag, damals noch freisinniger nationalrat aus dem kanton bern, 1853 in der parlametarischen beratung des eisenbahngesetzes. es setzte sich der antrag von alfred escher, dem freisinnigen nationalrat aus dem kanton zürich durch. dieser verlangte, dass der staat nicht selber eisenbahnen bauen, sondern nur konzessionen für den bau vergeben solle. die eisenbahnen sollten private gesellschaften realisieren.

der wirtschaftsfreisinn

das war das staatsverständnis des wirtschaftsfreisinns, der sein zentrum in zürich hatte. alfred escher, ihr markantester vertreter, stammte aus einer politisierenden ingenieurfamilie in zürich. sein grossvater war bankrott gegangen und ausgewandert. sein vater hatte den ruf der familie in zürich wieder herstellen können. alfred konnte studieren; er brachte es bis zum privatdozenten an der universität zürich, und er war mitglied der weitreichenden studentenverbindung “zofingia”.

1848 setzte mit alfred eschers aufstieg die bilderbuchkarriere in jungen bundesstaat ein: züricher Regierungsrat wurde er. zürich nationalrat wurde er; und er präsidierte diesen rat mehrfach. dann wurde er verwaltungsrat der von ihm begünstigten privatbahngesellschaften. er beteiligte sich an der gründung der schweizerischen kreditanstalt, die das geld für den eisenbahnbau beschaffen sollte. und er gründete auch das zürcher polytechnikum, die heutige eth, welche die ingenieure für den eisenbahnbau ausbilden sollte. schliesslich setzte er in den 1860er jahren zu seinem lebenswerk an: dem bau der gotthardbahn. das werk blieb für ihn unvollendet. am ende stürtze der mächtige kapitalist. 1878 musste er als präsident der gotthardbahngesellschaft zurücktreten. viel teurer als angegeben wurde der bau, und alfred Escher konnte, von einem reichhaltigen leben ermattet, an der eröffnungsfeier dieses nationalen bauwerkes nicht mehr teilnehmen.

nicht zufällig, könnte man sagen, steht die credit suisse, wie die schweizerische kreditanstalt heute heisst, in bern vis-à-vis vom bundesratshaus: genau am anderen ende des bundesplatzes ist die filiale der zürcher bank. die distanz markiert auch die flügel des freisinns. die einflussreichen und wirkungsvollen figuren wie stämpfli und escher sind pioniere des schweizer staates und der schweizer wirtschaft. sie haben die erfolgsgeschichte der schweiz von 1848 vorgezeichnet. und genau deswegen waren sie auch umstritten.

die demokratische bewegung

in den 1860er jahren sammelte sich die opposition nicht nur aus dem katholisch-konservativen lager, das im sonderbundskrieg besiegt und im neuen bundesstaat weitgehend übergangen worden war. ausgehend von baselland, übergreifend auf bern, aargau, luzern und die ganze ostschweiz machte sich eine breite volksbewegung gegen den mächtigen freisinn bemerkbar. die baselbieter wollte die fusion mit der stadt verhindern. die berner waren unzufrieden mit der linienführung der eisenbahnen, die aargauer wehrten sich gegen die gleichstellung der juden mit den christen.

und die züricher wehrten sich gegen das system escher, wie der staatlich-industrielle-wissenschaftliche komplex, den er geschaffen hatte, kritisch benannt wurde. gebrochen werden sollte seine macht von einer demokratischen bewegung, wie eschers mittelsmänner die opposition nannten. diese stellte politische forderung. sie artikulierte wirtschaftliche ansprüche, und sie wollte eine andere gesellschaft. es waren die schichten, welche die industrialisierung hervorgebracht hatte, die jetzt ihren politischen anspruch anmeldeten: karl bürkli, der zürcher sozialist, wurde ihr wichtigster sprecher und zentraler gegenspieler von alfred escher.

mittels petitionen, die man an die parlamente in den kantonen und auf bundesebene richtete, versuchte die demokratische bewegung politik zu betreiben. doch das nützte wenig. petitionen waren zwar ein beliebtes, auch auch stumpfes instrument der oppositionsbewegungen. das parlament konnte damit machen, was es wollte. und genau das sollte durch die demokratischen volksrechte geändert werden!

totalrevisionen der verfassungen – möglicher totalschaden der politik

1871 versuchte man, auf Druck der demokratischen bewegung die bestehende bundesverfassung zu ändern. ähnlich wie 1848 sollte der ausgearbeitete entwurf in einer volksabstimmung bestätigt werden, um so demokratisch legitimiert zu sein. doch der versuch der reform von oben misslang! der schwung von 1848, der aus dem sonderbundskrieg entstanden war und den freisinn begründet hatte, war eine generation später dahin. demokratisierung erfolgt nicht als herrschaftstechnik von oben, sondern wird von unten her erkämpft und muss sich institutionell durchsetzen.

in der volksabstimmung von 1871 votierten katholisch-konservativen kantone gegen den verfassungsentwurf; sie wollten gar keinen bund! und die französische sprachminderheit wandte sich gegen den verfassungsentwurf; man sah die souveränität der kantone eingeschränkt. kumuliert haben sich diese oppositionen, sodass keine mehrheit zustande kam.

nun setzte ein entscheidender lernprozess ein. die umstrittene freisinnige elite, die in der volksabstimmung desavouiert worden war, wurde zwar nicht gestürzt, aber sie musste die forderungen der oppsition berücksichtigen. das ist der kern der direkten demokratie. sie will nicht den sturz der bisherigen machthaber. sie will aber, dass die bisherigen machthaber sich neuen forderungen gegenüber offen halten!

die verbesserte neuauflage der bundesverfassung wurde 1874 von volk und ständen angenommen!

teilrevisionen der verfassung – mögliche teilchancen der politik

am 19. april 1874 trat die zweite bundesverfassung der schweizerischen eidgenossenschaft in kraft. sie sollte bis ans ende des 20. jahrhundert gültig bleiben. sie sollte auch eine wesentliche demokratische neuerung einführen: mit ihr wurde das erste volksrecht verfassugnsmässig anerkannt. um die verfassungrevision zu erleichtern, liess man nun auch partialrevision der bundesverfassung zu. diese sollten aber, wie die totalrevisionen, in volksabstimmungen bestätigt werden. obligatorisches verfassungsreferendum nennt man das heute noch. weitere referendumsmöglichkeiten – gegen gesetz und gegen staatsverträge, sind in der referendumsdemokratie, die 1874 geschaffen wurde, hinzu gekommen.

eine zweite wesentlich veränderung des freisinnigen bundesstaates von 1874 beschloss man 1874. die interessengruppen – nicht die parteien – sollten an der vorparlamentarischen willensbildung beteiligt werden. nun war es nicht mehr nur der rreisinn alle, der massgebliche politik betrieb. auch die wirtschaftsverbände wurden in den gesetzgebungs prozess miteinbezogen. entscheiden sollten sie nicht direkt; das blieb parlamentarische kompetenz.

national- ständerat wurden so schrittweise aus der vorbereitung von gesetzen verdrängt. und sie wurden durch das mögliche veto in der refendumsabstimmung nachhaltig kontrolliert.

nun hatte man drei verschiedene konzepte von öffentlichkeit realisiert:

. die parlamentarisch öffentlichkeit, die sich aus den ratsverahndlungen ergab, die medialisiert waren;
. die pluralistisch konzipierte öffentlichkeit, die aus der artikulation organisierter interessen im politischen willensbildungsprozess entstand; und
. das diskursive konzept der öffentlichkeit, das aus der insitutionalisierung der zivilgesellschaftlichen akteure als bestandteile des entscheidungsprozesses.

nationalstaat vs. föderalistische direktdemokratie

als die schweiz eine referendumsdemokratie wurde, wurden das benachbarte deutschland im norden, und das benachbarte italien im süden, nationalstaaten. “verspätete nationen”, nennen es die historikerInnen heute, weil der prozess der nationenbildung viel länger als in england oder in frankreich gedauert hatte. in der schweiz entstand der nationalstaat eigebtlich nicht. 1874 zentralisierte man die armee, indem das alte kontingentsystem der kantone abgelöst, und das militär zu einer bundesarmee zusammengeführt wurde. doch damit hatte es sich mit der vereinheitlichung. eine nation entstand so nicht.

bis heute stehen sich die vorstellung von nationaler souveränität in diesem systemen gegenüber. im nationalstaat, der heute meist repräsentativdemokratisch organisiert ist, sind es die gewählten politikerInnen, die stellvertretend für das volk souveräne entscheidungen treffen. in der referendumsdemokratie ist es das volk, dass entscheidungen von politikerInnen souverän korrigieren kann.

das bleibt vom freisinnigen bundesstaat von 1848, – oft auch gegen den willen der staatsgründerin!

stadtwanderer

typisch schweizerisch


restaurant zum äusseren stand, tagungsort des ständerates von 1848, station 7 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte in der schweiz

station 6: “schnelle und snelle im werdenden bundesstaat”
station 5: “der liberale umschwung”
station 4: “politisierte philosophen”
station 3: “der gar nicht so harmlose stecklikrieg”
station 2: “der untergang des alten bern”
station 1: “politische kulturen und politische herrschaften”

der grieche platon hatte im 4. jahrhundert vor christus königreiche, republiken und demokratien unterschieden. die griechischen stadtstatten zählten zu letzterem. rom war eine adelsrepublik, und die makedonischen könige, die platon auf ihre aufgaben vorbereitete, waren monarchen. im mittelalter kannte man eigentlich nur noch monarchien. doch mit beginn der neuzeit stellte man ihnen immer klarer wieder die republik gegenüber. nach niccolo machiavelli, dem ersten polittheoretiker der neuzeit, war sie kommende staatsform. erst mit der französischen revolution kam der gedanke der volksherrschaft wieder auf. in europa wurde er durch die gründung des schweizerischen bundesstaates von 1848 so richtig belebt.

der kompromiss zwischen republik und demokratie

die schweiz von 1848 verstand sich als republik. rund herum war sie von monarchisch geprägte staaten umgeben: allen voran österreich, der reinen monarchie; am wenigsten frankreich, das seit 1792 hin und her schwankte. republik hiess seit der aufklärung gewaltenteilung: wer gesetze erlässt, vollzieht sie nicht, und sie vollzieht richtet nicht. Zudem sollte eine verfassung die aufgaben von parlament, regierung und gerichten regeln. Und sie sollte die bürgerrechte im und gegenüber dem staat festschreiben. Gesetze mussten sich darauf beziehen, und so den einzelnen vor willkür schützen. Geboren war damit der gedanke des rechtstaates.

in der institutionellen ausgestaltung wählte man eine mischung. Die vereinigten staaten von amerika waren das vorbild: bund und kantone sollten sich in die staatlichen aufgaben teilen; bei der wahl der behörden mischten sich direkte und indirekt bestimmungen: der national- und ständerat ging aus volkswahlen nach dem allgemeinen männerwahlrecht und per majorzverfahren hervor, derweil bundesrat und bundesgericht vom der vereinigten bundesversammlung, national- und ständerat, gewählt wurden.

die wahlen sollten alle vier jahre stattfinden; die zahl der nationalräte wurde im verhältnis zur bevölkerungszahl der schweiz resp. der einzelnen kantone festgelegt; sollte diese wachsen, würde sich auch der nationalrat vergrössern. Demgegenüber wurde der ständerat auf zwei vertreter der 22 kantone limitiert; er umfasste 44 mitglieder. der bundesrat wiederum sollte sieben personen umfassen, und von einem bundespräsidenten, gleichzeitig der vertreter der schweiz nach aussen, geführt werden. die regierung sollte als kollektiv funktionieren,und jedes mitglied der landesregierung sollte direkt einem der sieben departemente vorstehen. genauso wie die direkte volkswahl wurde auch die schaffung eines ministergremiums mit einem präsidenten verworfen. sieben präsidenten, die sich abwechseln sollten, bekam die schweiz jetzt!

der kompromiss zwischen liberalen und radikalen

der erste bundesrat tagte im erlacherhof, dort, wo einst die französische generalität während der besatzung ihren sitz hatte, aber auch dort, wo sich der “siebner” der stadt bern, das oberste sicherheitorgan der stadt, aufhielt. der erste nationalrat wiederum war in der berner hochschule untergebracht, wo einst franzosenfreunde, schliesslich aber liberale und radikale das sagen hatten. der ständerat schliesslich versammelte sich im äusseren stand, einem respektablen gasthaus, das einst als versammlungslokal der jungen partiziersöhne berns beliebt gewesen war. so hatte jede institution seine örtlich und zeitlich bestimmte symbolik!

die führungsschicht des neuen bundesstaates war aus der siegerpartei des sonderbundes hervorgegangen. freisinnig war man jetzt, wenn man dazu gehören wollte. der freisinn sammelte die verschiedenen liberalen und radikalen strömungen, welche die konservativen föderalisten abgesetzt hatten. eine partei im engeren sinne war man noch nicht; von der freisinnigen grossfamilie sollte die parteienforscher später sprechen.

die wahlen mit dem majorzverfahren begünstigten die freisinnigen. sie beherrschten sowohl den national- wie auch den ständerat; die konservaten aller schattierungen sahen sich 1848 in die minderheit versetzt; selbst in einigen sonderbundeskantonen waren sie, auf wahlen unvorbereitet, überrumpelt worden. entsprechend setzte sich der erste bundesrat zusammen: sieben freisinnige präsidierten das land. drei davon kamen aus den sog. vororten: zürich, bern und die waadt sollten einen festen sitz im bundesrat bekommen, während die anderen 19 orte die übrigen 4 sitze unter sich aufteilen mussten. dabei achtete man auf einige regeln der repräsentation, die integrative wirkungen haben sollten: fünf sollten deutschschweizer sein; je einer sollte die französische resp. italienische zunge im land repräsentieren. 5 sollten auch reformiert sein, nur zwei sollten der katholischen kirche angehören dürfen. da man 1848 nur ein männerwahlrecht kannte, ergab es sich von selbst, dass die vertretung von frauen in der ersten landesregierung kein thema für solche quotenregelungen war.

der kompromiss zwischen bern und zürich

dass die zentralen bundesbehörden in bern angesiedelt wurden, ergab sich erst aus den verhandlungen in den hier provisorisch domizilierten räten. eigentlich beanspruchte zürich, die hauptstadt der schweiz zu sein. man rechnete damit, dass bundesrat, nationalrat und ständerat in zürich ihren sitz haben würde. am ende der bahnhofstrasse hatte man den see bereits zurückgedrängt, und gehofft, auf dem aufgeschütteten land die bundesinstitutionen beherbergen zu dürfen. nur die schweizerische nationalbank sollte später jedoch dorthin kommen! zürich erhielt 1848 nur den ersten bundespräsidenten.

entscheidend war, dass in der parlamentarischen beratung zürich nicht durchgesetzt hatte. verschiedene modelle standen zu wahl: die gründung einer gänzlichen neuen hauptstadt, war das erste; luzern als zentrum des landes, zürich als hort des aufstrebenden kapitals, und bern, als verbindungsstadt, zwischen den sprachkulturen gelegen, waren die anderen. Gegen neu-zofingen sprachen die erfahrungen mit der ersten hauptstadt der helvetischen republik; gegen luzern wurde vorgebracht, dort sei das eigentliche zentrum des sonderbundes gewesen. bern wiederum konnte nicht nur auf die zahlreichen eigenen stimmen zählen; es hatte auch in der französischsprachigen schweiz unterstützung. die ostschweiz schliesslich, die zürich hätte helfen müssen, versagte ihr den dienst. die st. galler abgeordneten stimmten für bern, womit zürichs ambitionen verflogen.

doch da griff man zu einem trick, der typisch schweizerisch werden sollte. damit der unerwartete sieger bern nicht zu stark werden würde, sollte es gar keine hauptstadt geben. das parlament beschloss, man die kantone seien souverän, und hätte sich nur zu einem bund zusammengeschlossen. der sitz dessen regierung und dessen parlament war zwar per gestz bern, doch sei das dadurch nur die “bundesstadt”.

der kompromiss zwischen grossmut und kleinmut

mit diesem entscheid hatte sich nochmals kleinmut durchgesetzt. Insgesamt siegte 1848 aber der grossmut. es war eine historische leistung, den bundesstaat von 1848 als souveräne republik zu gründen. Keine vorbilder hatte man rund herum! Auch der demokratische gedanke war bis mitte des 19. jahrhunderts unterentwickelt geblieben. Der gedanke der volksherrschaft wurden durch alt- und neureiche schichten aus dem verschwindenden feudalismus und dem aufstrebenden kapitalimus immer wieder besiegt.

1848 hatte die idee der volksherrschaft gesiegt. eine repräsentative demokratie war die schweiz jetzt. mindestens eine einigermassen geregelte volksabstimmung hatte die verfassung vom 12. september 1848 aus der taufe gehoben.

stadtwanderer

schnelle und snelle im werdenden bundesstaat


station 6 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte in der schweiz

station 5: “der liberale umschwung”
station 4: “politisierte philosophen”
station 3: “der gar nicht so harmlose stecklikrieg”
station 2: “der untergang des alten bern”
station 1: “politische kulturen und politische herrschaften”

in berns neuerer geschichte gibt es die gebrüder schnell und die gebrüder snell. doch darf man sie nicht verwechseln! die schnells waren einheimische, burgdorfer. die snells waren fremde, deutsche.

die schnells waren früher: samuel schnell wirkte ab 1805 als rechtsgelehrter an der akademie; er sollte der grosse gegenspieler von karl ludwig haller werden. er sollte in der restaurativen zeit die gemässigt-konservativen stimmen beraten, und er sollte, mit seinen vettern, 1830, beim sturz des patriziates eine entscheidende rolle bei der begründung der bernisch-liberalen bewegung spielen. doch dann kam die zeit der späteren snells, ludwig und wilhelm, hiessen sie. sie waren ebenfalls rechtsgelehrte, philosophen, – und politisierende flüchtlinge. sie waren die begründer der nationalpartei, deren ziel es war, die prinzipien der gleichheit mit jenes des nationalstaates zu verbinden. sie wirkten als radikale zwischen 1830 und 1848 massgeblich am aufbau der schweizerischen eidgenossenschaft, dem bundesstaat von heute, mit.

die deutschen flüchtlinge in der schweiz

ludwig und wilhelm snell stammten aus dem bildungsbürgertum von nassau. ludwig, der ältere, wurde 1785 geboren, wilhelm, der jüngere bruder, 1789. beider konnten sie studieren, die philosophie der ältere, und die rechte der jüngere. beide sollten sie dabei politisiert werden: gegen den rheinbund waren sie, diesem von napoléon geschaffenen, unwürdigen krüppel zwischen reich und nation. einen deutschen nationalstaat wollten die beiden schaffen! da das nicht ohne das starke preussen möglich war, galt man, als anhänger dieser bewegung, bald als preussenfreund, und ausserhalb preussens als staatsfeind.

wilhelm erschwischte es zuerst. er war zwar ein angesehener kriminalist, doch wurde er wegen der angehörigkeit zu deutschnationalen bewegung ausgewiesen. Der versuch, sich nach russland abzusetzen, misslang. und so flüchtete er nach chur, von dort nach basel, wo man dem talentierten juristen eine stelle als rechtsprofessor an der universität anbot. danach traf es auch ludwig. er musste seinen posten als gymnalsialdirektor in wetzlar wegen der sog. demagogenhetze, die ihn traf, verlassen. er emigrierte zuerst nach london, dann zu seinem bruder nach basel. dieser ermöglichte ihm eine anstellung an der hochschule, wo er sich in philosophie habilitierte. Doch war er seit den zeiten in london schwer erkrankt, sodass er auf eine feste anstellung als professor in basel verzichtete.

die anfänge einer nationalpartei

1830, als die juli-revolution in frankreich ausbrach, war man mit anderen national gesinnunten kommilitonen auf der rigi. Man debattierte die politische lage. die veränderungen in paris wurden sofort begrüsst. Die stunde der national gesinnten akademiker schien gekommen. die revolution sollte im kleinen beginnen, und zu einem flächenbrand ausufern.

wilhelm ging, angestachelt, von der rigi nach basel zurück, ludwig nach zürich. wilhelm schloss sich sofort der bewegung von liestal an, die eine abtrennung des landes von der stadt verlangte, da diese die gleichstellung aller bürger verweigerte. der erfolgreiche kampf gegen die stadt kostete wilhelm jedoch seine anstellung an der basler hochschule.

nun folgte wilhelm seinem bruder nach zürich. dieser hatte freisinnige vertreter von stadt und land um sich versammelt und sie überzeugt, sich für die gleichstellung aller regionen und bürger im kanton stark zu machen. die vorrechte der stadt sollten auch hier gestürzt werden, und waren schon 1831 erfolgreich. bruder wilhelm verschaffte ludwig 1833 eine anstellung als rechtsprofessor an hiesigen hochschule, und gemeinsam arbeitete man nun an einer freisinnig geprägte politik für den kanton zürich.

philosophisch stützten sich die snells auf rousseau und kant, mit denen man das naturrecht der menschen auf gleichheit begründete. politisch verfocht man die prinzipien der repräsentativen demokratie, und kommunikativ hatte man eigene schriften, wie den “republikaner”, mit dem man die öffentliche diskussion rasch vorantrieb.

die snells im kanton bern

1834 eröffnete der liberale kanton bern den snells die möglichkeit, sich in bern niederzulassen. wilhelm liess sich nicht lange bitte, und akzeptierte eine stelle als rechtsprofessor an der neu gegründeten berner hochschule. er stieg auch gleich zu ihrem ersten rektor auf. ludwig folgte ihm, und nahm einen posten eines professors für geschichte der philosophie an der gleichen hochschule an. Jetzt war sie ganz unter radikaler führung.

anders als die liberalen bewegungen, die sich gegen die vorherrschaft der jeweiligen städter wandten, verstanden sich die deutschen snells nicht als basler, nicht als zürcher, nicht als berner! um die schaffung einer nation ging es ihnen. die kleinstaaterei, die nicht nur in deutschland, sondern auch in der schweiz herrschte, sollte endgltig überwunden werden. man wollte eine grosse nation werden, so wie frankreich auch!

speerspitze der nationalpartei, die man anstrebte, sollten national gesinnte juristen werden. eine ganze generation von rechtsgelehrten prägten die snells. sie alle gingen zu ihnen in die vorlesungen. sie alle lernten, wie die snells politisch zu denken, und sie alle wirkten nach dem studium an gericht, bei den medien und in der politik. ulrich ochsenbein und jakob stämpfli waren das muster dieser neuen, radikal handelnden bewegung.

die ausweisungen der snells aus dem kanton bern

das treiben der “jungen rechtsschule”, wie das alles genannt wurde, fand indessen nicht überall zustimmung. die einheimischen liberalen polemisierten gegen die fremdbeeinflussten radikalen. und die deutsche diplomatie bezichtigte die flüchtlinge der agitation und der verherrlichung von gewalt. ludwig sah sich 1836 gezwungen, seinen professur niederzulegen, und die liberale regierung verbannte ihn gar vom kantonsgebiet.

in der folge lebte luwig in zürich, luzern und in küsnacht. hier hatte er sich auch einbürgern lassen. die zeit in der emigration der emigration nutzte er, um schriftstellerisch tätig zu werden. zwischen 1839 und 1845 entstand das handbuch des schweizerischen staatsrechts, das im radikalen geist verfasst war, und auf die schaffung eines nationalstaates mit zeitgemässen, einheitlichen rechtsprinzipien zielte.

1845 stand die schweiz in einem bürgerkriegsähnlichen zustand. die radikalen waren in der französischsprachigen schweiz erfolgreich, und es gelang ihnen, die liberalen in ihrem sinne umzupolen. doch das mobilisierte die ängste der förderalisten, namentlich in den katholisch-konervativen kantonen. zu einem sonderbund schloss man sich zusammen, und in luzern, dem führenden ort, setzte der papst die jesuiten als erfolgreich prediger wider als neue ein.

zu stürmen versuchten die radikalen nun luzern, die ultramontanen, die die papstgänger hiessen, und die jesuitenkirche. misslungen ist der spontane versuch, politik kantonsübergreifend mit waffen zu führen.

der kanton bern wollte jetzt nichts mehr zu tun haben, mit der unfreundlichem attacke gegen den nachbar. die regierung distanzierte sich vom freischarenzug, und bezeichnete den hauptschuldigen: professor wilhelm snell. Auch er wurde seiner professur enthoben. er begab sich nach liestal, wo er sofort landrat wurde und in liestal freie vorlesungen hielt.

der sieg der radikalen in bern

in bern stachelte die ausweisung wilhelm snells die radikalen nur noch an. die herrschaft der liberalen sollte nun gestürzt werden. eine neue verfassung wurde ausgearbeitet, und vor den wahlen von 1846 der öffentlichkeit präsentiert. gewonnen haben die radikalen diese wahlen. im grossen rat hatten sie nun eine mehrheit, die sie auf die regierung übertrugen. eine neue verfassung, eine radikale, wurde jetzt in bern eingeführt. und professor wilhelm snell durfte an seinen alten arbeitsort in bern zurückkehren.

seine schüler jakob stämpfli und ulrich ochsenbein waren die starken politiker in der radikalen regierung. bern war 1846 auch vorort der tagsatzung, und so kam es, dass ausgerechnet ein radikaler das förderalistisch ausgerichtete organ der schweiz, das der wiener kongress bestimmt hatte, in ihre hände fiel. den sonderbund der katholisch konservativen löste man umgehend auf, und als sich diese weigerten, setzte man den entscheid militärisch durch.

1847 war krieg.
bürgerkrieg.

er endete mit dem sieg der national gesinnten kräfte. sie sollten 1848 einen souveränen staat auf der taufe heben. kein kaiser, kein fürst erliess seine verfassung. vielmehr beschloss man, als neue quelle der politischen legitimation, das volk – die bauern, die handwerker, die bürger, und auch die altgesinnten – über die neue verfassung abzustimmen. das prinzip der demokratie hatte erstmals auf nationaler ebene gesiegt!

nachwort: wer hat alles platz im bundesstaat?

man hat viel darüber diskutiert, wo die radikalen ideen entstanden sind. küsnacht spielt sicher einer rolle. ludwig snell wirkte nach seiner vertreibung mit seinem handbuch des schweizerischen staatsrechtes von dort aus. wilhelm snell lebte seit 1834 mit dem kurzen unterbruch in bern.

sein bevorzugter treffpunkt war das wirtshaus. nicht irgendeines, sondern das zimmermania. hier debattierte mit studenten. hier debattierte man das, was später in der berner zeitung stand, und hier hat man wohl auch die radikalen ideen in eine verfassung gebracht, die zum bundesstaat führte.

der bot zentralisten und föderalisten platz. schnellen und snellen, einheimischen und flüchtlingen!

stadtwanderer

der liberale umschwung


erlacherhof an berns junkergasse (foto: stadtwanderer, anclickbar)

station 5 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte in der schweiz

station 4: “politisierte philosophen”
station 3: “der gar nicht so harmlose stecklikrieg”
station 2: “der untergang des alten bern”
station 1: “politische kulturen und politische herrschaften”

wir stehen vor dem erlacherhof. im 18. jahrhundert im französischen stil erbaut, ist es bis heute das schönste palais berns. aktuell ist es der sitz der stadtregierung. vormals war es tagungsort des bundesrates, der 1848 die geschicke der schweizerischen eidgenossenschaft in die hände nahm. 1798 residierte hier die französische generalität, die das berner land besetzt hielt.

welche merkwürdige und unrühmliche rolle der erlacherhof spielte, als das alte regime definitiv gestürzt wurde, soll uns auf dieser station der stadtwanderung interessieren.

der wiener kongress und die folgen

1815 wurde die helvetische republik endgültig beerdigt. 1803 hatte sie napoléon bonaparte selber gemässigt, und 1813, bei seinem sturz, verschwanden die ideen, projekte, werte und institutionen der französischen revolution fast überall in der schweiz.

der bundesvertrag von 1815, in wien erlassen, brachte zahlreiche veränderungen: das welsche element wurde gestärkt, indem wallis, genf und neuenburg neue kantone der schweiz wurden, und der jura zum kanton bern kam. frankreich sollte geschwächt werden. die neuen grenzen wurden erstmals völkerrechtlich garantiert. neue innere spannungen sollten vermieden werden, indem die schweiz aussenpolitisch neutralisiert wurde. die stellung der kantone wurde zudem erhöht. sie waren alle gleichberechtigt, weitgehend auch souverän. sie schlossen sich, nur dort, wo es gemeinsame interessen gab, zu konkordaten zusammen. innerhalb der kantone dominierte aber wieder das hergebrachte: die hauptstädte hatten ihre vorrechte zurückbekommen, und die alten eliten regierten sie erneut.

die restauration der alten verhältnisse mochte sich jedoch nicht dauerhaft halten. der bundesvertrag war das produkt des wiener kongresses gewesen, und er stützte sich auf die verlierer im gesellschaftlichen und politischen modernisierungsprozess. gewinner sollte das städtische bürgertum werden, vor allem in jenen städten, die wieder bevormundet wurden.

die zweite französische revolution und die folgen

die wende brachten die wahlen in england von 1829. die liberalen triumphierten über die konservativen. 1830 wurde auch der letzte bourbone als französischer könig, charles X., abgesetzt; die julirevolution erhob louis philipp zum bürgerkönig, und mit ihm übernahm das liberale grossbürgertum die politische macht. bald sprang der funke auf belgien, polen und italien über.

in der schweiz entzündete das revolutionäre feuer im tessin. die tessiner konservativen, von wien aus gestützt, waren in einen grossen bauskandal verwickelt. eine breite volksbewegung empörte sich, und sie setzte die herrschaften ab. die liberale bewegung war geboren. rasch griff sie auf andere kantone über, wie die waadt, freiburg, luzern, solothurn und den aargau.

anders als in frankreich war die liberale bewegung der schweiz nicht grossbürgerlich geprägt. sie verlangte auch nach keinem bürgerkönig. vielmehr war sie von kleinbürgerlichen charakter und wollte sie im alltag sichtbare veränderungen sehen. anwälte aus den städten, wirtsleuten aus den dörfern, handwerker und bauern von überall machten die schweizeirsche liberale bewegung von 1830 aus.

ihre zentren waren auf dem lande. uster im kanton zürich, burgdorf im kanton bern.

die liberale bewegung im kanton

man kämpfte vor allem gegen die pressezensur, welche nicht nur die bernischen zeitungen kontrollierte, sondern auch die auswärtigen, wie die neue zürcher zeitung verbot.

man verlangte freiheit.
meinungsäusserungsfreiheit.
gewerbefreiheit.
handelsfreiheit.

man wollte die bürgerlichen rechte, welche die aufklärung vorbereitet und die französische revolution zum programm erhoben hatte. jetzt sollte die restauration rückgängig gemacht werden. erneuert werden sollte die politik. regeneration als politischer begriff entsteht.

ende 1830 gab das alte regime auch in bern dem druck der bevölkerung nach. am 6. dezember erliess es einen aufruf, die forderungen der unterdrückten bürger und bauern in form von petitionen zu sammeln. bis ende jahr sollte man zeit haben, sich zu äussern. schon am 7. januar 1831 legte man einen entsprechenden bericht vor. und am 16. januar 1831 war es soweit. der schultheiss der stadt bern höchst persönlich stellte dem grossen rat den überraschenden antrag, das patriziat möge, da es vom volks nicht mehr akzeptiert sei, von der regierung zurücktreten.

eilends wurde ein verfassungsgebender rat einberufen, der auf liberaler basis die neuen rechtsgrundlage des kantons bern schaffen sollte. ein repräsentative demokratie, basierend auf den prinzipen der gewaltenteilung, wurde geschaffen. ende jahr war die friedliche revolution vorbei.

die leistung ist nicht zu unterschätzen: erstmals hatte sich das volk eine eigene verfassung gegeben. kein könig hatte sie erlassen, kein schultheiss hatte sie bestimmt. kein militär hatte sie durchgesezt. und keine diplomaten hatten sie vermittelt. vielmehr war das volks erwacht und hatte es sich selber verfasst. erstmals blieb das verbindlich!

das letzte zucken der patrizier in der stadt

der kanton bern wurde nun durch die liberalen kräfte neu aufgebaut. nur in der stadt bern stemmte man sich noch gegen die neuerung. auf die herrschaft über ihre stadt wollten die patrizier nicht so schnell verzichten. dem siebner, ein rat aus 4 burgern, wie sich die partrizier jetzt nannten, und 3 nicht-burgern, oblag die sicherheit in der stadt. da bahnte sich eine eigentlicher putsch an. im erlacherhof hatte der siebner waffen und munition versteckt, – zu ihrer eigenen sicherheit. als verschwörer gegen die neue herrschaft wurden sie jedoch entlarvt, welche den erlacherhof als ihr hauptquartier für die konterrevolution ausersehen hatten. verhaftet wurden sie, und den neuen gerichten des kantons als erster grosser fall zu aburteilung vorgeführt.

gemeinden und volksschulen – die errungenschaften der liberalen

die liberale bewegung hat viele bleibende veränderungen im bernischen staatswesen bewirkt. zwei seien besonders erwähnt: die bildung von gemeinden, und der aufbau von volkssschulen.

1831 war der kanton noch ganz in der tradition der landvogteien ausgerichtet. seit dem 14. jahrhundert hatten die patrizier abwechslungsweise ein amt versehen, es geordnet, es zum ackerbau mit korn und wein angeleitet, und es seiner jungen söhne für das soldwesen beraubt. damit sollte jetzt endgültig schluss sein! als wichtigeste massnahme gegen die macht der abgesetzten landvögte teilte man ihre ämter auf. aus jeder siedlung sollte eine gemeinde werden. jede gemeinde sollte wie der kanton funktionieren: ein freistaat sein, der sich selber organisieren würde!

das hat gewirkt. die macht der patrizier auf dem land ist nachhaltig gebrochen worden. neue eltien, wirtsleute, grossbauern, handwerker übernahmen nun die kleinstkommunen. und sie regierten sie auf ihre weise. bis heute! heute findet man allerdings, gerade auch in liberalen kreisen, man sei 1831 zu weit gegangen: 400 kleinrepubliken im staate bern seien u viel. vereinfachen müsse man das, kosten sparen wollen man so, und eine bessere koordination der kommunalen aufgabenerfüllung wolle man erreichen. hätte man damals, in der panischen angst vor der reaktionären politik, nur nicht so überragiert, kann man da nur beifügen.

bis heute unbestritten richtig war die zweite grosse tat der liberalen: die volksschulen, die zur wichtigsten gemeinde aufgabe wurden. sie sollten die zöglinge der wirte, der bäcker, der schmiede, der bauern erziehen, um auch aus ihnen bürger zu machen, befähigt, bei wahlen eigene entscheidungen zu treffen, und ermutigt, die eigenen gemeinde zu verwalten. was philipp albert stapfer eine generation zuvor erträumt hatte, realisierten nun die liberalen unter philipp emanuell von fellenberg, einem offen gesinnten erzieher aus traditionsreicher familie.

1834 wurde auch die bernische hochschule gegründet. sie löste die akademie, die seit der reformation bestanden hatte, ab. sie bildete nun nicht nur reformierte theologen aus, sondern auch mediziner, um die volksgesundheit zu verbessern. vor allem aber unterrichtete sie juristen, für die neue staatsverwaltung und für das kantonsgericht. gerade im bernischen staatsrecht machte sich der liberale geist schnell breit: regeneriert wurde das juristische denken, und es sollte in die gesellschaft ausstrahlen.

der kern der neuen bewegung für mehr demokratie

unter den juristen entstand in den 1830er auch eine politische richtung, die weiter ging, als die liberalen. sie nannte sich radikal. sie wollte die alten eliten nicht gegen neue ersetzen. sie wollte die volksherrschaft, welche die französische revolution verheissen hatten, endlich realisieren.

wo sich die radikalen in bern trafen, um ihre programme und taten zu entwickeln, erzähle ich das nächste mal.

stadtwanderer

politisierte philosophen


das berner haus der philosophen, an der junkerngasse 51 (foto: stadtwanderer, anclickbar)

station 4 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte in der schweiz

station 3 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte: “der gar nicht so harmlose stecklikrieg”
station 2 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte: “der untergang des alten bern”
station 1 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte: “politische kulturen und politische herrschaften”

“SI TACUISSES PHILOSOPHUS MANSISSES”, sagten die lateiner und meinten, einen philosophen erkenne man nicht daran, dass er sich zu allem äussere. geistesarbeit, verbunden mit vornehmer zurückhaltung, zeichne den philosophen aus, meinte der spätantike philosoph boethius, als er schreibend auf seinen tod wartete. da hielt karl marx schon mal kräftig dagegen. degegen den deutschen idealismus polemisierte er: “Die Philosophen haben die Welt nur verschiedenen interpretiert, es kömmt aber darauf an, sie zu verändern.” und er schritt zur tat!

das berner haus der philosophen

haus der philosophen sollte man das gebäude nennen, vor dem wir hier stehen. zwei grösses des europäischen wissenschaftslebens haben hier gewohnt. zunächst der universalgelehrt albrecht von haller, der arzt, der dichter, der botaniker und der politiker. in bern wird er nie professor, in göttingen schon. denn von haller besingt nicht nur als erster die alpen, sondern kritisiert auch das unaufgeklärte regime der patrizier in seiner vaterstadt. zum schweigen hat man ihn in bern gebracht, – mit einer administratorenstelle im gesundheitswesen hat man den heimkehrer aus göttingen abgespiesen.

nur 16 jahre nach von hallers tod im jahre 1777 zieht der junge georg friedrich hegel ins gleiche haus ein. er ist hauslehrer der familie steiger. eben erst hat er das studium abgeschlossen, und noch niemand ahnt, dass er an der humboldtschen universität zu berlin seine karriere krönen werde. nach bern kommt er, weil die steigers eine der besten privatbibliotheken mit historischen, politischen und philosophischen werken haben. nach drei jahren geht er, doktoriert er, und wird er professor für philosophie in jena. dort zwinmgen ihn die französischen truppen zur flucht; er äussert sich als journalist und publizist, bis er wieder in die akademia aufgenommen wird, und zum verkünder der ankunft des weltgeistes im preussischen staat wird.

philosophieprofessoren gab es in diesen gassen berns noch mehrere. zwei sollen uns beschäftigen. beide, die mich hier interessieren, waren professor am politischen institut der akademie, – einer gründung von schultheiss niklaus friedrich von steiger, um die söhne der berner patrizier zu erziehen. was für unterschiedlichste ziele sie dabei verfolgten!, will ich hier erzählen. ich lasse mich dabei von hegels geschichtsinterpretation leiten: zuerst die thesen, dann die antithese, und aus beidem die synthese!

die these

philipp albert stapfer ist pfarrerssohn. sein vater wirkt am münster, und er lässt philipp an der berner akademie theologie studieren. danach bildet sich stapfer in deutschland einige semester in philosophie weiter. nach bern zurückgekehrt, wird er professor am politischen institut. von immanuel kant, seiner kritik der reinen vernunft, ist er, der theologe, stark beeinfluss.

in bern versteht man das nicht. stapfer gilt als franzosenfreund. das kommt gelegen, als die französischen truppen einmarschieren. zum wichtigsten vermittler zwischen den besatzern und den besetzten macht man ihn jetzt. die helvetisch regierung ernennt ihn gar zum ersten kulturminister der schweiz. für kirchen, schulen, öffentliche gebäude und brücken ist er zuständig.

am meisten liegt ihm das schulwesen am herzen. denn er weiss: einen neuen staat wird man ohne ein gebildetes volk nicht schaffen. als erster führt philipp albert stapfer eine gesamtschweizerische befragung durch. alle helvetischen schulbehörden werden sondiert. sein büro für nationalkultur leistet die arbeit. keine geringeren als heinrich pestalozzi, heinrich zschokke und franz-xaver bronner sind seine mitarbeiter.

niederschmetternd ist ihr bericht. viele gemeinden haben keine schulen. wo es solche gibt, werden sie nur schlecht besucht. wo es sich lohnt, den besuch zu erwähnen, sind die lehrer miserabel bezahlt. und wo das gehalt ausreicht um zu überleben, hat man keine erbaulichen lehrmittel. diese diagnose ruft nach einem politischen reformprogramm. das erste schweizerische schulgesetz entsteht. der grosse rat berät es, der senat versenkt es.

enttäuscht ist der desavourierte professor, ob so viel wiederstand aus der praktischen politik. seinen posten quittiert er, und nach paris geht er. dort betraut ihn die helvetische regierung mit dem posten des ersten diplomaten beim ersten konsul, napoléon bonaparte, betraut. noch einmal kämpf er, diplomatisch genug, für seine patriotischen ziel, bis ihn napolöon zum liquidator der helvetik bestimmt.

frustiert is stapfer nun; von politik und philosophie wendet er sich ab. mit seiner frau, einer französin , bezieht er ein landgut ausserhalb der grossstadt paris, und widmete sich theologischen fragen. die franzosen versucht er noch vom protestantismus helvetischer prägung zu überzeugen, fast so sinnlos ist dieses unterfangen, wie der versuch, das erhwürdige berner zu revolutionieren.

1803 ist stapfer letztmals in bern. dafür kehren die alten eliten sukzessive hierher zurück. mit ihnen bezieht die ganze reaktion die alten posten neu. die säkularisierten klöster werden wieder hort des katholizismus, die abgesetzten zünfter regieren die reformierten städte der ostschweiz und die verbannten patrizier erobern die macht schritt für schritt für sich zurück.

die antithese

mit der reaktion kehrte auch karl ludwig von haller nach bern zurück, den zweiten politisierenden philosophen, der uns hier interessieren soll. auch er ist ein zeitgenosse der französischen revolution. dcoh anders als stapfer versucht er nicht, den geist der revolution in bern wirken zu lassen. nein! sein werk ist es, das wenige, was davon geglückt ist, wieder rückgängig zu machen. mit ihm zieht der geist der restauration in bern ein.

karl ludwig von haller ist ein enkel des bereits erwähnten albrecht von haller. er besucht die berner akademie und trit danach gleich in dienste des bernischen staates ein. 1797 lernt er auf diplomatischer mission general bonaparte in oberitalien kennen, und ihm folgt er nach rastatt, als der feldherr mit federstrich das militärisch besiegte heilige römische reiches deutsch nation reorganisert.

wiederstrebt hat es von haller, dass napoléons truppen bald danach auch in bern einfallen. sofort gründet er die helvetischen annalen, die sich zur führenden kampfschrift gegen das helvetische direktorium und seine revolutionären minister entwickelt. verboten wird seine zeitschrift, und das land muss von haller vorübergehend verlassen.

1805 wird der rückkehrer professor für philosophie an der neu gegründeten berner akademie. rasch steigt er bis in die obersten chargen der berner wissenschaft auf. sein prestige, das er so entwickelt, nutzt er für eine politsiche karriere. in die reaktionäre berner politik mischt er sich nun ein, avanciert über den grossen rat bis in den kleinen stadtrat. mitglied einer regierung is auch er.

10 jahre danach zieht ihn der wiener kongress in seinen bann. schluss machen muss man mit den ideen der revolution. die natur, die tradition, das gewachsene soll überallhin zurückkehren. rousseau, diesen teufel der aufklärung, erteilt von haller eine gründliche absage. denn dessen vorstellungen von gleichheit und freiheit sind ihm zu tiefst zu wider. herrschaft, legitime herrschaft, der dazu von gott berufenen, wird sein politphilosophisches programm.

nur ein jahr nach dem wiener kongress veröffentlicht von haller den ersten band seines dreiteiligen lebenswerkes: “die restauration der staatswissenschaft”. der epoche, die 1815 beginnt und 1848 enden wird, sollte es den bis heute gültigen namen geben. nicht mehr von revolution ist die rede. nur noch von restauration.

selbst bei der restauration seiner persönlichen verhältnisse kennt karl ludwig von haller keine grenze. 1820 tritt er, der späte nachfahre der berner reformators berchtold haller, zum katholizimus über. nicht einmal ein jahr danach wird der skandal publik. seiner ämter in politik und wissenschaft berns wird er umgehend enthoben.

von bern enttäuscht wendte sich nun auch karl ludwig von haller ab. und genau so wie philipp albert stapfer emigriert er nach paris. dort schliest er jedoch noch dem mouvement protestantes an. sondern ultrakonservativen kreisen. royalistisch geprägte schriften aller art erscheinen, und den zweiten und dritten band seiner restauration der staatswissenschaften lieferte er in paris nach. eine grosse ausstrahlung auf das europäische geistesleben entwickelt das werk in seiner zeit. bis heute ist es eine standardreferenz der entwicklung konservativen denken.

anders als stapfer würde von haller aber gerne nach bern zurück kehren. verboten hat man es ihm, sodass er schliesslich nach solothurn ausweicht. dort politisiert er wieder im grossen rat und wird zum vordenker der katholisch-konservativen bewegung. die niederlage seiner anhänger im sonderbundskrieg erlebt er noch. frustiert nimmt er, nur wenig vor seinem tod, die gründung des bundesstaates zur kenntnis, der seine vaterstadt gar zum zentrum des politischen lebens der liberalen schweiz erheben sollte.

die synthese

ob stapfer und von haller philosophen waren, kann man bezweifeln. an sokrates, platon und aristoteles reichen sie nicht herans. ihre ideen der philosophie haben sie aber aufgenommen. von haller wäre gerne ein philosophenkönig gewesen wie platon es gefordert hatte. und stapfer traute sich, wie aristoteles, den gedanken zu wagen, dass ein erzogenes volk in der lage ist, selber vernünftige entscheidung zu treffen.

der eine, von haller, wird so zum politischen theoretiker seiner zeit, der auch in berns und solothurns politik mitmischt. normative politiktheorie nennt man das in der politologie heute, selbst wenn man in der reine lehre ziemlich skeptisch ist, wenn einer, wie von haller, seine eigene politische praxis sucht.

der andere, stapfer, wird zum sozialforscher, der seine enqueten gebraucht, um die politik zu beeinflussen. empirische politikforschung nennt man das in der politikwissenschaft von heute, selbst wenn man in der angewandten wissenschaft deutlicher davor zurückschreckt, wie stapfer, eine eigene politische praxis zu entwickeln.

privilegiert sind die politischen wissenschaften heute. so privilegiert, wie stapfer und von haller nicht war, die vom den ereignissen ihrer zeit voll erfasst wurden, und als politische philosophen ganz unterschiedliche interpretationen lieferten. selbst verändern wollten beide die welt. anders als es georg friedrich hegel noch formulieren sollte. die philosophen sollen die welt nicht verändern, sondern interpretieren, wird er sagen. dass man dabei immer und überall schweigen muss, ist eine auffassung, die im wissenschaftbetrieb wieder beliebt ist, der stadtwanderer aber ganz und gar nicht teilt, – schon gar nicht vor dem schönen haus der philosophen, vor dem wir stehen!

stadtwanderer

grossbaustellen in bern

mein artikel über aristoteles und den berner baldachin feiert momentan höchstwerte in der nachfrage. mit doppelt gutem grund, sag ich da: denn gleich zwei grossbaustellen hats in bern.


reelle baustelle – die virtuelle ist der stadtwanderer selber (foto:stadtwanderer, anclickbar).

umbau bahnhofplatz: passantenprobleme bis ende jahr!

der berner bahnhofplatz ist jetzt schon ein ameisenhaufen. und der wird immer schlimmer, bald ist kein durchkommen mehr! am sonntag ist definitiv schluss mit dem jetzigen bahnhofplatz. noch einmal wird richtig gefestet werden, dann geht er bis anfangs dezember zu. der verkehr, den man bei der euro ’08 erwartet, sollte dann besser bewältigt werden können.

pünktlich zur neuen regierung im bundesrat wird der neue bahnhofplatz’08 im dezember dieses jahres eröffnet werden. bis dann wird der berner bahnhofplatz eine reelle riesenbaustelle sein. geduld sei gefragt, sagt stadtgrün und erinnert die passantInnen daran: “nome ned gsprängt”, ist die berner lebensweisheit.

umbau stadtwanderer: nutzerInnenprobleme bis ende woche!

auch der stadtwanderer ist neuerdings ein ameisenhaufen. und es wird immer schlimmer, bald geht gar nichts mehr! morgen schon ist schluss mit dem alten stadtwanderer. spam-attakten aus griechenland und serverprobleme im haus sollten dann besser bewältigt werden können.

pünktlich zur nächsten stadtwanderung vom kommenden freitag abend wird der neue stadtwanderer eröffnet werden. bis dann wird der stadtwanderer eine virtuelle riesenbaustelle sein. gelduld sei gefragt, sagt der stadtwanderer und verweist auf die berner lebensweisheit:

nome ned gsprängt!

stadtumbauwanderer

es könnte gut sein, dass morgen mittwoch von 6-12 die grosse umstellung auf dem stadtwanderer ist.

der gar nicht so harmlose stecklikrieg


station 3 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte der schweiz

station 2 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte: “der untergang des alten bern”
station 1 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte: “politische kulturen und politische herrschaften”

nachdem napoléon bonaparte auf den westeuropäischen schlachtfeldern gesiegt hatte, war grossbritannien sein grosser gegner. die entscheidung über seinen ewigen rivalen suchte er in ägypten. doch er verlor sie: zunächst in trafalgar, in der seeschlacht gegen admiral nelson, dann in akkon, der alten kreuzritterstadt, wo er sich auch auf land nicht durchsetzen konnte. danach verliess napoléon seine truppen, um direkt in paris zu intervenieren. das direktorium, das ihn gross werden liess, wurde in der kritischen situation abgesetzt. napoléon erhob sich zum ersten konsul für 10 jahre und prägte den berühmten satz: „La révolution est finie!“

der europäische krieg in der helvetischen republik

anfangs 1799 brach der zweite koalitionskrieg zwischen den monarchien österreich und russland einerseits, der republik frankreich anderseits aus. die defensiv- und offensivallianz, welche die helvetische mit der französischen republik abschliessen musste, zog das land mit in den krieg. österreichische truppen rückten von nordosten her ein, russische von süden. die franzosen stellten sich ihnen entgegen. das land war in ost- und west gespalten. die innerschweiz, 1798 militärisch zur teilnahme an der helvetischen republik gezwungen, war besonders gegen frankreich. dessen truppen eroberten jedoch die nördlichen zugänge zum gotthard zurück und leiteten so die gegenoffensive ein; die vereinigung der russischen mit den österreichischen truppen misslang.

anfangs 1800 war der europäische krieg auf helvetischem boden zu ende. doch er hatten den revolutionären schwung der helvetischen republik gebrochen. die macht der patrioten schwand. vier staatsstreiche besiegelten ihr schicksal. zuerst herrschten die gemässigten republikanern, dann begann der aufstieg der föderalisten. noch einmal versuchte man 1802 mit einer verfassungsrevision die opposition zu besänftigen.

in schwyz war man zu sturz des helvetischen regimes wild entschlossen. die änhänger der alten ordnung organisierten am 1. august 1802 landsgemeinden. sie konnten auf die unterstützung der enteigneten klöster setzten. zünfter und patrizier, die ihre privilegien verloren hatten standen ihnen ebenso zur seite. da zog napoléon bonaparte seine truppen auf druck englands, das den aufstand unterstützt hatte, aus der schweiz ab.

der helvetsiche krieg in der helvetischen republik

nun brach der bürgerkrieg, der „stecklikrieg“, aus. so genannte wurde er, weil die Landleute nur mit sägessen und heugabeln ausgerüstet waren. doch sie waren nicht allein. die alten machthaber hatten sich ihnen angeschlossen. der berner rudolf ludwig von erlach übernahm die militärische führung und trieb die volksarmee gegen seine vaterstadt. und er hatte nicht nur holzwaffen dabei. beschossen wurde die stadt bern; ein einschussloch an der vorgelagerten wache hat man als beweis bis heute stehen lassen. der “stecklikrieg” war gar nicht so harmlos, wie man mit seinem namen bis heute glauben machen möchte.

die helvetische regierung, von aarau nach luzern, von luzern nach bern transferiert, kapitulierte jedenfalls vor dem aufgebrachten und aufgehetzten landvolk. sie zog sich ins sichere lausanne zurück. bern ging an die altgesinnten über. der krieg kam erst zwischen murten und faoug stehen; der militärische frontverlauf entsprach der sprachgrenze.

napoléon: la natur a fait votre etat fédératif

nun intervenierte napoléon erneut. als sein general brune 1798 die schweiz in drei republiken aufteilen wollte, schallte es ihm entgegen: man sei eine unteilbare republik, und république indivisible. 1802 antwortete der erste konsul: ihr seid angesichts der inneren wirren eine unsichtbare republik, une république invisible. napoléon liess die französischen truppen wieder vorrücken, und bestellte eine consulta nach paris. 70 repräsentanten der verfeindeten kriegslager sollten seine lageanalyse erfahren. dabei fiel der berühmte satz: „La nature a fait votre Etat fédératif. Vouloir la vincre, ne peut pas être d’un homme sage.”

mediation nennt man das bis heute. die kantone wurden als souveräne gliedstaaten der helvetischen republik wieder hergestellt. doch jetzt waren sie alle gleichberechtigt. die vorrechte der alten orte, der privilegierten schichten und der deutschen sprache wurden aufgehoben. den föderalisten kam der erste konsul damit mächtig entgegen, ohne jedoch die vorrevolutionären abhängigkeitsverhältnisse wieder herzustellen. mit der mediationsakte, mit der napoléon nebst den 13 alten auch 6 neue kantone schuf, trat anfangs 1803 in kraft. sie änderte den charakter der schweiz erheblich. zu den landsgemeindeorten, den städten mit zunfttraditionen und den herrschaften der patrizier kamen die kantone hinzu, die vom geist der französischen revolution geprägt waren: die waadt zuerst, der aargau danach, aber auch tessin, graubünden, st. gallen und thurgau, welche die grenze gegenüber dem monarchistischen ausland sichern sollten.

die mediationsakte sollte bis 1813, als der kaiser der franzosen besiegt nach st. helena verbannt wurde, gültigkeit behalten. danach besetzten österreichische truppen die helvetische republik, auch bern, und bereiteten die restaurierung der alten verhältnisse, die der wiener kongress 1815 legitimierte, auch in der schweiz vor.

die neuerungen napoléons

mit dem gleichheitsgebot in der mediationsakte setzte napoléon auch das prinzip der mehrsprachigkeit der schweiz durch. das war neu, denn im 15. jahrhundert, als sich die alemannen auf romanischsprachige gebiete ausdehnten, führte man die deutsche sprache des spätmittelalters für eidgenössische belange zwangsweise ein. mit dem verschwinden der untertanenverhältnisse verschwand auch das deutsche als alleinige sprache der schweiz.

doch nicht nur die anerkennung der plurikultur der schweiz geht auf napoléon zurück. seine helvetische republik führte auch den schweizer franken ein, die einheitliche flagge, mit der grün-rot-gelben trikolore. diese farben, ergänzt durch weiss und schwarz bezeichnen bis heute auch die strassenschilder der vier quartiere berns und die matte.

1803 liess napoléons mediation auch neue institutionen entstehen: den Landammann ou le landamman, auf französisch nur mit einem „n“ geschrieben. louis d’affry, ein aristokrat, dessen familie in französischen diensten unter louis XVI. gross geworden war, wurde in freiburg neuer schultheiss und in der mediatisierten helvetik zum ersten landamman. mit rudolf von wattenwyl aus bern und hans von reinhard aus zürich hatte er wesentliche grundlagen der mediationsverfassung im innern geschaffen. doch er war nur für ein jahr „König der Schweiz“, wie man ihn im ausland bezeichnete. danach musste er sein amt an einen anderen landammann, nun mit zwei „n“ weiterreichen.

um die regierungsspitze zu unterstützen schaffte napoléon zudem die eidgenössische kanzlei. anders als der landamman(n) sollte der eidgenössische kanzler nicht wechseln; er blieb auf unbestimmte zeit gewählte, musste aber mit dem wechsel des landammanns in den jeweils neuen vorort ziehen. bis 1848 sollte man das so machen.

es ist unverkennbar: der bundespräsident, die bundespräsidentin von heute, der auch nur auf 1 jahr gewählt ist, entspricht dem landamman(n), auch wenn er heute als primus inter pares in den bundesrat integriert ist. und die bundeskanzlerin, der bundeskanzler stellen die fortsetzung des eidgenössischen kanzlers dar.

schiller, der leicht zu begeisternde literat des stecklikrieges

wenn napoléon damit eine reihe zukunftsträchtiger institionen der schweiz schuf und vorbereitete, dann hat friedrich schiller den stecklikrieg in der weltliteratur verewigt. er kämpfte jedoch nicht für die andere welt, sondern verfasste, vom der kampfkraft der bauern gegen die städte beeindruckt, seinen “wilhelm tell”.

selber war er nie in der schweiz gewesen. vielmehr stützte er sich auf johannes von müllers darstellung der eidgenossenschaft, noch vor napoléons intervention im geistes des ancien régimes geschrieben, das sich von müller nach dem stecklikrieg wieder herbeiwünschte.

schillers theaterstück feierte nicht nur in weimar erfolge, es prägte unser verständnis von der tapferen bauernschaft, die sich gegen jedwede herrschaft auflehne nachhaltig.und es prägte auch das bild der schweiz, als insel, auf der sich die uhren anders, bisweilen auch rückwärts drehen!

gar nicht so harmlos, die wirkung dieses vergessenen bürgerkrieges während der helvetischen republik.

stadtwanderer

wo nur ist kopflos?

er ist ein verlust. wo nur ist er hingewandert?, frag ich mich.


kopflos vormals und jetzt: fast spurlos verschwunden (foto: stadtwanderer, anclickbar)

kopflos war wunderbar. doch jetzt ist er nicht mehr. kopflos ist jetzt beinlos. und ohne beine geht nichts. beinlos ist kopflos wertlos!

kopflos war wunderbar blau. er schien durch die stadt zu schweben. den kinder war er ein vorbild, nie kopflos den fussgängerstreifen zu verlassen. aber auch die erwachsenen mahnte er, nie ohne auge für seine umgebung durch die stadt zu gehen.

beides gefiel mir. desahlb bestimmt ich kopflos ihn zu meinen vorbild. ich habe ihn fotografiert, von vorne, von links, von rechts, von hinten und von oben. das beste bild habe ich zu meinem icon im flickr fotoalbum gemacht. das gefiel auch anderen. kein bild, das ich ausgestellt habe, ist so häufig zum favoriten meiner fotogäste bestimmt worden wie jenes von kopflos.

jetzt ist kopflos weg. demontiert hat man ihn! – ja, ich entsinne mich schwach. vor gut einem jahr lass ich mal einen artikel in den berner zeitungen, für den umbau des bahnhofplatzes werde man die kunstwerke entfernen. die eingeteerten milchkannen sollten aber wieder zurückkommen. der eiserne christopherus sollte zum schöpfer zurückkehren. nur für die kopflos-plastik habe man keine bleibe. und vom tanzenden bär fehlt jede nachricht!

ich muss das verdrängt haben. doch jetzt wurde ich ich jäh daran erinnert. es lebe der umbau des bahnhofplatzes für die euro08. dass fussballer meist nur beine haben und kopflos sind, ist ein schwacher trost.

ohne alter ego fühle ich mich einsam, allein gelassen, fast schon entblösst. fast schon sprachlos, bin ich ohne kopflos …

stadtwanderer

der untergang des alten bern


station 2 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte

station 1 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte: “politische kulturen und politische herrschaften”

man schreibt das Jahr 1798. es ist sonntag, 5. märz. am abend marschieren französische truppen in die stadt bern ein. die bernischen truppen, leidlich unterstützt von den eidgenössischen, haben soeben den kampf um die hauptstadt der alten republik bern verloren. zwar hatte man die franzosen, die freiburg besetzt hatten, vor den toren der stadt in flamatt erfolgreich vom vorrücken abhalten können. doch das zweite heer der angreifer, das solothurn eingenommen hatte, rückte über fraubrunnen bis ins grauholz vor. dort fand es nur noch schlecht organisierte einheimische truppen, unterstützt von viel frauenvolk, die in einem kurzen gefecht überwältigt wurden.

bernische und eidgenössische uneinigkeit

im rathaus zubern hatten den schultheiss, der rat, der kriegsrat und der senat, die versammlung der alteingesessenen familien, wochenlang getagt. denn man war sich nicht einig:

die friedenspartei unter deutschsäckelmeister karl ludwig von frisching war für verhandeln, genauso wie es die freiburger patrizier in der vorwoche getan hatten. wenn man die französische herrschaft anerkennen würde, argumentierte man, könnte man sogar anspruch auf das fricktal erheben, das man 1415 und 1513 nicht erobern konnte; jetzt, wo napoléon dieses linksrheinische gebiet dem habsburger kaiser abgenommen hatte, könnte man die bernischen landen, die von coppet am lac léman bis brugg im aargauischen wasserschloss reichten, mit der französischen erwerbung abgrenzen.

von solchen überlegungen hielt niklaus friedrich von steiger gar nichts. der schultheiss der republik verkörperte die kriegspartei. nur der kampf von angesicht zu angesicht konnte nach seiner auffasung die ehre der bedrohten stadt retten. im siegesfall würde man die gleichzeitig die ideen der französischen revolution, die man ablehnte, von der bernischen republik fernhalten; im falle einer niederlage wäre man bereit, den heldentod auf dem schlachtfeld hinzunehmen. Unterwerfen wollte man sich auf keinen fall!

am samstag, den 4. märz, hatte die mehrheit des bernischen regimentes entschieden, zu kapitulieren. der schultheiss stand von seinem stuhl im saal des grossen rates auf, sah die greisen senatoren, die einst seine macht repräsentiert hatten, enttäuscht an und verliess wortlos den saal. denn er war unterlegen. und er verlor auch, was er noch verlieren konnte: den titel eines schultheissen von bern, der ihm in eine stellung, die einem herzog vorgleichbar war, gehoben hatte; er verlor auch seine ehre, denn den schlachtentod fand er im ungeordneten gewimmel auf dem grauholz nicht. er, friedrich nikolaus von steiger, flüchtete an diesem sonntagabend nach thun, setzte mit dem schiff über interlaken, dann bis brienz, ging zu fuss über den brünig nach luzern, und flüchtete von dort aus nach augsburg, wo er sich den österreichern anschloss. gut ein jahr danach verstarb er eines natürlichen todes.

die anfänge der helvetischen republik

mit dem einmarsch der französischen ging nicht nur die bernische republik unter; die truppen von general schauenburg eroberten innert monatsfrist die ganze alte eidgenossenschaft. am 12. april desselben jahres wurde die neue helvetische republik ausgrufen. bewacht von französischen bajonetten schworen man in stadt und land, in reformierten und katholischen orten, auf die neue verfassung. wirkliche unterstützung fand sie vor allem in der waadt und anderen, ehemaligen untertanengebieten, die durch die franzosen befreit wurden. ein einheitsstaat war man nun. nach französischen vorstellung räumte man auf mit der vielfalt der verbrieften rechte, den privilegien, die sich aus anciennitäten ergaben, und den unterschieden zwischen den orten. wie in paris wurde in aarau, das zur ersten hauptstadt erkoren wurden, ein direktorium eingesetzt. aus fünf mitgliedern bestand es, und es bildete die neue regierung. es konnte minister berufen, um spezielle aufgaben zu erledigen. und es stand präfekten vor, welche die schultheissen, bürgermeister und landammänner in den 13 untergegangen orten ersetzten. nach französischem vorbild wurde ein grosser rat bestimmt; er sollte wie die nationalversammlung als parlament wirken; die tagsatzung, das bisher einige eidgenössische organ, wurde durch einen senat abgelöst.

hier, wo ich jetzt stehe, stand in diesen revolutionären tagen der freiheitsbaum, – das symbol der französischen revolution! rund 770 weitere freiheitsbäume wurde in den helvetischen repubik aufgepflanzt. unterstützt wurde die helvetische revolution von den patrioten, wie sich die anhänger selber nannten. sie hatten sich schon im ancien régime zu clubs zusammengefunden, und die ideen der ideen der aufklärung und der revolution diskutiert. jetzt, wo die franzosen, die herrschaft ausübten, mobilisierten sie die bürgerlichen schichten, vor allem in den landstädten, welche das alte regime von der ausübung der herrschaft ferngehalten hatte. doch die basis, welche die helvetische republik trug, blieb schmal. vor allem die patrizier, aber auch zünfte und die landsgemeinde, die ihre einflussmöglichkeiten verloren hatten, stützten sich weiterhin auf die bauernschaft, und warteten nur auf ihre chancen.

man weiss es: der schwung, den die helvetische republik in die alte eidgenossenschaft gebracht hatte, war nicht von dauer. die französische besatzung lastete schwer und kostete viel. die wirtschaftliche entwicklung ging zurück, und die neue gesellschaftliche ordnung wollte sich nicht sofort einstellen. bald schon kam es zu staatsstreichen, die zu einer mässigung der anfänglich revolutionär geprägten politik führten. doch auch das half nichts. als die französischen truppen 1802 die helvetische republik verliessen, krachte das revolutionäre regime in sich zusammen. die meisten institutionen, die man 1798 geschaffen hatte, verschwanden.

in bern ist die erinnerung an diese zeit mit zwei momenten verbunden geblieben: dem abtransport des bernischen staatsschatzes und der abführung der bären nach paris. beides beruht auf vereinfachten vorstellungen: die bären haben in bern ihren bärengraben am bärenplatz gehabt, seit die eidgenossen 1513 in novarra den franzosen einen bären abgenommen hatten; sie haben ihn 1798 als quasi zurückgeholt. und auch der staatsschatz wurde nicht einfach in paris aufgegeben. die französischen generäle bedienten sich war, ein teil wurde in le locle eingeschmolzen und verkauft, der überwiegende teil wurde aber verwendet, um die besatzungskosten zu begleichen. er wurde als weitgehend in eigenen lande ausgegeben.

die bleibenden wirkungen

geblieben sind aber die ideen der französischen revolution: freiheit, gleichheit und brüderlichkeit! die freiheit sollte sich bald schon gegen die franzosen wenden, später aber auch gegen die österreicher, die nach dem wiener kongress den ton angaben. der freiheitswille sollte 1848 zur gründung der heute noch bestehenden schweizerischen eidgenossenschaft führen. besondere veränderungen sollte die neue vorstellung der gleichheit bringen: die vorrechte der orte, der stände, der konfessionen, der sprachen, wurden schnell abgeschafft, und 1971 durch die gleichstellung der geschlechter in allem politischen belangen abgerundet. die brüderlichkeit löste das regime der gnädigen herrschaften, die brosamen für ihre untertanen übrig liessen, ab, und entwickelte sich zum gebot des öffentlichen wohl, später zur wohlfahrt als einem der wichtigen staatsziele.

nachhaltig eingepflanzt hatte sich mit dem franzoseneinfall, wie man in der konservativen geschichtsschreibung berns die episode von 1798 noch heute gerne bezeichnet, die idee der menschenrechte. was man vorher gar nicht kannte, fand zunächst bei den untertanen, dann in den bürgerlichen schichten, und schliesslich auch bei den bauern seine unterstützung. heute ist es kaum mehr denkbar, dass sich jemand in der schweiz von den menschenrechten distanziert. mehr noch: die durchsetzung der menschenrechte wurde zu einem gebot des staates im in- und ausland, und ist auch heute noch das wichtigste, parteiübergreifende ziel der schweizerischen aussenpolitik. In der uno oder im europarat setzt sich die offizielle schweiz besonders für die weiterentwicklung und weiterverbreitung der menschenrechte ein.

ein gedanke, den die franzosen in die schweiz brachten, sollte im innern besonders einschlagen: die volksabstimmungen. 1793 hielt die revolutionäre verfassung frankreichs die möglichkeit fest, dass das volk über fragen, die es betreffen, entscheiden sollte. in der praxis hierzu sollte man in frankreich und der schweiz jedoch ganz andere wege gehen: der terror der jakobiner verschüttete die revolutionäre idee umgehend, das nachfolgende direktorium in paris interessiert sich nicht dafür, und napoléon bonaparte nutzte volksentscheidung, als er erster konsul der republik geworden war, im plebiszitären sinne: er entschied, wann und wozu das volk befragt wurde; zum beispiel, um sich selber zum lebenslangen konsul bestimmen zu lassen. Bis heute hat das in frankreich tradition, und beeinflusst auch das denken der eu. in der schweiz sollte sich jedoch ein ganz anderes verständnis von volksabstimmungen entwickeln: nicht das des plebiszites, sondern das der volksrechte! es sollte aber nochmals 30 jahre brauchen, bis die ersten kantone sie einführten, und es sollte noch fast 100 jahre brauchen, bis auch der bund sie in der heute bekannten form realisieren würde.

der vorübergehende niedergang

1802 sollte sich das rad der geschichte zunächst in die andere richtung wenden. die alten herrschaften, die patrizier mit ihren treuen bauern, sollten nämlich noch einmal zurückkehren, und die macht schrittweise, aber im alten sinne übernehmen.

wo der patriziereinfall in bern stattfand, zeige ich an meiner nächsten station.

stadtwanderer

langsam gesünder

das freut den stadtwanderer: wer durch die städte hetzt, der lebt ungesund. sagt eine international vergleichende studie. und hält fest, dass die bernerInnen die gesündesten stadtspaziererInnen europas sind.


unaufmerksam, ungesund, aber untypisch gerade für bern: hektik durch die stadt (fotos: stadtwanderer)

wie langsam gehen sie in der stadt?

stellen sie sich vor: sie müssten die distanz von 60 fuss bewältigen. das sind nach internationalen normen 18,28 meter. und sie müssten das in einer stadt machen, auf einer belebte, aber nicht übervollen strasse.

wie lange bräuchten sie dazu? – sollten sie es nicht wissen, machen sie einen test mit sich selber!

brauchen sie für die besagte strecke 31 sekunden, stammen sie aus blantyre in malawi. und sie sind gesund. wenn sie 18 sekunden brauchen, sind sie ein bewohner oder eine bewohnerin von manama in bahrain. und wenn sie es in 17,4 sekunden fertig bringen, sind sie ein normaler berner, eine normale bernerin. und damit die langsamsten, aber vernünftigsten europäerInnen!

die städterInnen werden immer schneller!

zu diesem schluss kommt jedenfalls hält eine studie von professor richard wiseman, meistzitiertester britischer psychologe, der an der hertfordshire university lehrt, fest. ihn interessierte, wer wie langsam durch die stadt geht. seine hypothese ist, dass die menschen immer schneller werden. eine vergleichsstudie aus dem jahre 1994 legt diesen schluss nahe. teilweise hetzen die menschen der gleichen städte heute in bis zu 30 prozent weniger zeit über die gleich strecke in der gleichen stadt. dass ist innerhalb einen halben generation eine sensationelle beschleunigung.

wiesemans hyothese ist: die temposteigerung hängt mit den lebensumständen in der modernen welt zusammen. e-mails, sms-botschaften und handyboxen machen die leute rund um die uhr erreichbar.

dieses massenphänomen beeinflusse heute mehr menschen als jemals zuvor, zieht der psychologe bilanz. am schlimmsten ist es heute in singapur. dort braucht man im schnitt nur noch 10,6 sekunden für die die erwähnte strecke. die singapuri wetzen demnach im mittel fast doppelt so schnell über die trottoirs wie die bernerInnen! hart betroffen vom menschstresse seine auch die leute in dänemark, in spanien und in china. in kopenhagen, madrid und guangzhou braucht man wie in singapur weniger als 11 sekunden für 18 meter.

menschenjagd?

wer so schnell ist, lebt gestresst, wird gejagt. und jagd andere. die krux ist, dass diese jagd einen selber trifft. kein tier wird dabei erledigt. wir selber jagen unsereins. und unsereins jagd uns.

die leute in den schnellsten städten glauben am meisten, pausenlos aktiv sein zu müssen, deutet der psychologe seine befunde. und er befürchtet: bald kommen wir an, bevor wir losgezogen sind!

das kann der stadtwanderer nur unterstreichen. seit er einmal beide beine gebrochen hatte, weiss er, wie ungesund es ist, schnell überall sein zu wollen. sein bedürfnis dazu hat er in den virtuellen raum verlegt. reell unterwegs sein ist zu schön, und es erhellt zu klar den den geist. als dass man immer und über hetzen sollte. das weiss er, seit er bewusst stadtwandert.

und: langsam wieder gesund bleiben, statt immer schneller kränker werden, bleibt ein ganz offensichtlich gutes berner motto!

stadtwanderer


quelle: spiegel.de

es ist zum verzweifeln

wie heissen wir eigentlich? und wer sind wir? – auf der suche nach einer verbindlichen antwort über uns selber bin ich gescheitert, dem ausgiebigen studium von strassenschildern, werbematerialien und informationstafeln zum trotz. eine auslegeordnung, vom verzweifelten stadtwanderer.


einmal mehr: der stadtwanderer auf der suche nach dem sein der confoederatio helvetica (foto: stadtwanderer, anclickbar)

das problem

in bern kann man schon mal einem bundesrat auf der strasse begegnen. oder eine bundesrätin. auf französisch einem conseiller fédéral oder einer conseillère fédérale. das ist auch zur amtlich gebräuchlich übersetzung zwischen den geschlechtern und den sprachen geworden. ausser beim bundeskanzler: der ist zwar heute eine bundeskanzlerin, aber keine chancelière fédérale, sondern une chancelière de la confédération. auf deutsch war es mal der eidgenössische kanzler, doch das weiss fast niemand mehr!

man sieht, es ist nicht einfach, immer zu jeder zeit und jeder aufgabe auf anhieb die richtigen bezeichnungen für dies und das in der schweiz zu finden. doch das hängt nicht nur von meinem mangelnden talent ab, mich gewandt und korrekt ausdrücken, wenns ums französische, italienische oder gar ums rätoromanische geht. es hat auch mit der begriffsvielfalt zu tun, mit der wir uns selber bezeichnen. sechs lösungsansätze habe ich gefunden, aber keine befriedigt wirklich!

lösung 1: wir sind ein land

zum beispiel haben wir landessprachen, landeskirchen, ein landesmuseum und eine landesverteidigung. wer uns im ausland verpfeift, wird schnell zum landesverräter und muss mit landesverweisung rechnen. gerade im 20. jahrhundert war “land” ein vielfältiger politischer begriff: wir hatten einen landesstreik, als gegenmassnahme einen landesverband freier schweizer arbeitnehmer und gar einen landesring der unabhängigen. und weil sich der mit konsumentInnenpolitik beschäftigte, haben wir auch einen landesindex der konsumentenpreise bekommen.

doch heute ist der landi-geist verkommen. wir können schon mal in schwierigkeit geraten, wenn wir die landeshymne singen wollen. denn das machen wir meist dann, wenn wir hoffen, dass unsere tschütteler das spiel gewinnen. doch das ist nicht unsere landesmannschaft, sondern unsere nationalmannschaft …

lösung 2: wir sind eine nation!

was für ein begriff! “nation”, das ist entweder klar französisch oder klar deutsch. – aber nicht schweizerisch.

“fête nationale” sagen die romands problemlos, wenn sie den 1. august meinen. würde man das in unser deutsch übersetzt “nationalfeiertag” nennen, würde man sich verdächtig machen. denn das heisst viel landläufiger bundesfeiertag.

den französischen begriff der nation haben wir nur auf die volksvertretung übertragen. unser nationalrat tagt bis heute in bern. immerhin kann er nationalstrassen beschliessen, die nationale buchhaltung kontrollieren und den nationalpark beschützen.

ansonsten sind wird zurückhaltend mit der verwendung des begriffs, vor allem wenn er als national ausgeschrieben wird. nationalliteratur tönt in der schweiz gestochen, schemenhaft. nationale aktion wiederum ist verrufen, und die nationale front ist ganz verpönt. mit nationalsozialismus wollen wir nichts zu tun haben!

immerhin: wir haben eine nationalbank, genau genommen sogar eine schweizerische nationalbank. und einen schweizerischen nationalfonds. das ist selbstredend kein schweizerischer landesfonds, denn das wäre zu nahe bei landeslotterie. und der nationalfonds, äxgüsi, der schweizerischen nationalfonds (aber nf!!!) ist eine forschungsförderungsanstalt mit klar umschriebenen prinzipien.

lösung 3: wir sind ein bund

nein, auch eine bundesrepublik sind wir nicht. das überlassen wir anderen. wir nennen uns bundesstaat. denn wir haben einen bundespräsidenten, der jährlich ändert, aber immer im bundeshaus beheimatet ist (das auf französisch allerdings palais fédéral genannt wird, zu deutsch also eigentlich bundespalast hiesse). der staatsanwalt der schweiz ist gegenwärtig ausser haus, ein neuer wird gesucht, und wenn wir einen finden sollten, wird er kein bundesstaatsanwalt, sondern einfach ein bundesanwalt sein.

selbst die grosse staatsverwaltung ist bloss eine normale bundesverwaltung, ordentlich in bundesämter für alles mögliche aufgeteilt. was da vorbereitet wird, beschliesst die (bikameral getrennt) bundesversammlung zu bundesbeschlüssen und zu bundesfinanzen (allerdings meist mit einem minuszeichen davor). aber das ist ja nicht nur hierzulande und wegen dem namen so!

lösung 4: wir sind die schweiz

wenn wir im ausland gefragt werden, wer wir sind, sagen wir meist schweizer, – neuerdings auch schweizerin. das ist in der schweiz sogar ein geschlechtsname. allerdings nur in der deutschsprachigen schweiz. un suisse, une suissesse gibt es zwar auch auf französisch. doch ein louis suisse ist mir noch nie begegnet.

“die schweiz” war mal sogar eine zeitschrift. “der schweizerbote” auch. heute haben wir eigentlich noch noch die “schweizer illustrierte”. klar, den “schweizer bauer” und die “schweizer familie” gibt es auch noch, – die aufmerksamkeit dafür aber schwindet im 21. jahrhundert rapide.

dessen ungeachtet sind organisationen, die staatstragend sein wollen, unverändert prägnanter: schweizer. so der schweizer alpen-club. die schweizer berghilfe. den schweizer heimatschutz und die schweizer bischofskonferenz. um nicht den schweizer franken zu nennen, – ausser dass der nur eine staatstützende institution im übertragenen sinne ist.

sprachlich korrekt sind dafür all unsere akademien. sie sind effektiv schweizerisch. sie heissen schweizerische akademie der medizinischen wissenschaften, der naturwissenschaften und der geistes- und sozialwissenschaften. politisch korrekt sind auch die schweizerische bankiervereinigung (und nicht “bankiersvereinigung”, wie der spiegel immer schreibt), die schweizerische offiziersgesellschaft, die schweizerische depeschenagentur, der schweizerischen arbeitgeberverband, der schweizerische gewerkschaftsbund, die schweizerische käseunion und die schweizerische gemeinnützige gesellschaft. selbst die schweizerische flüchtlingshilfe und die schweizerische volkspartei, die sonst keine übereinstimmung haben, sind in dieser hinsicht vergleichbar. denn eidgenossen sind sie alle.

lösung 5: wir sind eidgenössisch

trotz gemeinersamer wurzeln gibt es die verschiedensten sorten von eidgenossen. genau genommen gibt es nationale, internationale, und transnationale. streng national ist die eidgenössisch-demokratische union und der eidgenössische dank-, buss- und bettag. die gibt es nur bei uns. transnational sind das eidgenössische institut für schnee- und lawinenforschung und die eidgenössische sportschule in magglingen. für alles auf der welt interessieren sie sich, und von überall her haben sie ihre informationen. wirklich international ist da nur die eth, die eidgenössisch-technische hochschule, die weltweit führende schule für forschung und lehre.

es ist also immer weniger klar, was eidgenössisch heute meint. genauso wenig, wie man die heutigen zeitung in ort und zeit wirklich festmachen kann. früher gabs noch die “eidgenössische zeitung”, und man wusste bei ihr, was man in den händen hatte. da las man schon mal aus der “nationalzeitung” und dachte stets an basel. und selber der “der bund” hatte in der stadt bern noch etwas mehr als die paar versprengten abonnenten von heute!

lösung 6: wir sind hybrid

nahtlos sind wir damit bei den hybriden, den zeitgenossen, angelangt! die unübertrefflichste wortschöpfung ist die schweizerische eidgenossenschaft selber! genauso wie der hiesige bundesstaat seit 1848 heisst, und deshalb sinngemäss auf jedem automobil treffend mit “ch” abgekürzt wird. das wiederum heisst confoederatio helvetica. auf gut englisch: switzerland.

swiss wiederum ist etwas anderes. das war mal unser fluggesellschaft, die swissair, die dann eine fürchterliche bruchlandung gemacht hat und seither nur noch in der kurzform rumfliegt, und der deutschen lufthansa gehört. doch die schweizerischen bundesbahnen gehören immer noch uns. ausser dass man im französischen den schweizbezug seit jeher wegliess. denn ennet der saane sind die sbb nur die cff, ausgeschrieben heissen sie aber wieder chemins de fer fédéraux suisses.

wohin unzutreffende abkürzungen führen, sieht man bei der rega; wüsste man es nicht, man käme nicht auf schweizerische rettungsflugwacht. ganz ins schleudern komme ich bei der schweizerischer gesellschaft für mikroelektronik und uhrenindustrie. wo die ist? – in biel natürlich und unter der abkürzung “smh” bestens bekannt, auf bilingualem neubielierisch: swatch group.

ausgewogen und kompromissvoll ist da stellvertretend für alles die generaldirektion der srg. das war mal der kopf der schweizerischen rundspruchgesellschaft. heute ist daraus die schweizerische radio- und fernsehgesellschaft geworden, aber immer noch als srg vereinfacht. die ist zwischenzeitlich jedoch fast noch komplexer als die schweiz selbst: deshalb heisst sie jetzt srg ssr idée suisse.

zum verzweifeln …

ich sag da nur: übersetzen sie diesen text mal fehlerfrei ins italienische. das ist zum verzweifeln, obwohl landessprachlich!

stadtwanderer

die eröffnungsrede zur stadtwanderer-saison 2007

heute abend ist es so weit: die stadtwanderer-saison 2007 bricht an. ich bin nun wieder in offizieller mission in berns gassen!


annemarie huber-hotz, bis ende jahr bundeskanzlerin der schweiz (bis ende jahr vorsteherin der bundeskanzlei, der wichtigsten institution, welche seit helvetische republik existiert)

prominent ist der auftakt: die spitze der bundeskanzlei lässt sich von mir durch durch stadt- und demokratiegeschichte führen.

speziell wird auch meine eröffnungsrede sein: was man jetzt schon auf dem “stadtwanderer” lesen kann, werde ich abends, auf der gerechtigkeitsgasse, als startschuss zu meinen politkulturellen wanderungen vortragen.

“politische kulturen und politische herrschaften”


station 1 meiner stadtwanderung zur demokratiegeschichte der schweiz

“sehr geehrte frau bundeskanzlerin, meine lieben gäste!

ich begrüsse sie zur heutigen stadtwanderung.

im hauptberuf bin ich politikwissenschafter und beschäftige mich ausgiebig mit der direkten demokratie. im nebenberuf bin ich historiker und wandere am liebsten durch die gassen berns und einiger anderer städte. ich mache das aber nicht nur zu meiner erholung vom stress in meinem hauptberuf; ich betreibe das seit fast vier jahren auch zu meiner eigenen belehrung. seit geraumer zeit lade ich dazu auch gäste ein; so auch sie! und es ist mir eine besondere ehre, gerade mit ihnen, meine offizielle stadtwanderer-saison 2007 eröffnen zu dürfen!

für heute habe ich drei ziele:

• einmal will ich ihnen einen kurzen rundgang durch die stadt bern bieten.
• sodann sollen sie etwas über die neuere geschichte der stadt, des kantons und der schweiz erfahren.
• schliesslich will ich sie mit der politikwissenschaftlichen analyse der schweizerischen demokratieform vertraut machen.

sie sollen also unterhalten werden, etwas lernen, und beurteilen können, ob sie das, was hier gilt, anderswo auch brauchen könnten.


iustitia, ziert auch heute noch die homepage des bundesamtes für justiz (fotos: roland spring)

unser standort

ich habe bewusst diesen standort als start meiner tour gewählt. es ist der brunnen der iustitia; er befindet sich heute an gerechtigkeitsgasse. und er symbolisiert das grösste thema der politik überhaupt: die immer währende frage nach der gerechtigkeit.

unzweifelhaft hat das etwas mit gleichheit, mit ausgewogenheit, mit verteilung zu tun. die politologen von heute sagen: es gibt die verfahrensgerechtigkeit, wenn politische prozesse gesetzeskonform ablaufen. es gibt die tauschgerechtigkeit, wenn geben und nehmen in austauschprozessen im gleichklang sind. und es gibt die verteiligungsgerechtigkeit. für die einen ist das beispielsweise die gleichheit der chancen; für die andern ist es wiederum mehr die gleichheit der stellungen.

welche antworten man gibt, hängt von den weltschauungen ab, die man teilt. und diese sind durch die politischen kulturen wiederum geprägt. im zentrum der politischen kulturen stehen werte. sie drücken aus, was einem wichtig ist. politische werte sind interessant, weil sie nicht nur für individuen gelten. sie nehmen auch in anspruch für die kollektive von belang zu sein.


vergleich der politischen kulturen der welt, – auf den beiden achsen des allgemeinen wertewandels (quelle: ronald inglehart, world value survey)

die politischen kulturen der welt

die wichtigste untersuchung des wertewandels für die heutigen politischen kultur der welt benennt zwei grosse entwicklungslinien: den trend von traditionell-religiösen werten zu säkular-rationalen einerseits; und der trend von werten des kollektiven überlebens zu solchen der individuellen entfaltung anderseits.

die meisten afrikanischen kulturen kennen keinen der beiden trends. die lateinamerikanischen kulturen kennen den zweiten trend, den der selbstentfaltung, nicht aber den der säkularisierung der religion. in den asiatischen kulturen wiederum kommt das individuelle weniger zum ausdruck; dafür ist die bedeutung traditionell-religiöser werte namentlich in den kommunistischen gesellschaften der udssr und chinas zurückgegangen oder am zurückgehen.

auch in europäischen und amerikanischen kultur ist die christliche fundierung die politik nach wie vor sichtbar; die dedeutung des christentums für die politik ist angesichts der konfessionskrieg in der aufklärung des 18. jahrhunderts relativiert worden. und die individualisierung der gesellschaft ist hier weiter vorangeschritten als irgendwo auf der welt. schweden gilt gemäss dieser, in den usa erstellten übersicht als das land mit der säkularisiertesten und gleichzeitig individualisiertesten politischen kultur. die schweiz ist nicht weit davon entfernt, – ausgesprochen der primär reformierte teil, weniger deutlich der überwiegend katholische teil des landes.

die säkularisierung der herrschaft

die reformation hat im 16. jahrhundert die schweiz gründlich verändert. was martin luther für brandenburg war, war huldrich zwingli in der schweiz. beide reformierten auf ihre weise kirche und staat des spätmittelalters. in bern hiess der reformator berchtold haller. auch er wirkte gründlich. die reformierte religion wurde zur alleinigen staatsreligion. sie begründeten den berner staat als patrizischer obrigkeitsstaat erst richtig. raum für individuelle selbstentfaltung war da nicht! und das wort demokratie war damals auf berndeutsch noch unaussprechlich! selbst die aufklärung blieb in bern schwach; wer zu ihr stand, wurde an dieser strasse zum tode verurteilt und ausserhalb der stadt exekutiert.

sie sehen, was gerecht ist, hängt von der politischen kultur ab. die berner patrizier regierten im namen von freiheit und gleichheit. freiheit war die freiheit vom reich; gleichheit bedeutete die gleichheit unter gleichen, das heisst nur unter patriziern. es brauchte den einmarsch der truppen frankreichs, um die modernen verständnisse einzuführen. der unmittelbare erfolg der besatzer war nicht grösser als jener der us-amerikaner im irak. die so ausgelöste transformation der politischen kultur war aber unwiderruflich.

seit dem 16. jahrhundert verstand sich dieser bernische staat als republik, wenn auch bis zum einmarsch der franzosen mit aristokratischem charakter. das war in der ganzen westlichen schweiz so: in basel, in solothurn, in freiburg und in luzern herrschten die patrizier, die im söldnerwesen ihren reichtum begründete hatten, unabhängig von der jeweiligen konfession. im östlichen teil der schweiz war die herrschaft in städten wie zürich und schaffhausen reformiert, aber bürgerlich; die zünfte führten hier das regiment. auf dem land blieb man katholisch oder war man gemischtkonfessionell; die landsgemeinden bestimmten das geschehen in uri, schwyz, unterwalden, aber auch in zug, in glarus und appenzell war das so.

die wichtigste klammer über dem den unterschiedlichsten herrschaftsformen war die verwaltung der gemeinsamen untertanengebiete. diese wiederum hiessen die französische revolution willkommen: die idee der menschenrechte fand hier willkommenen zuspruch, und einheitliche rechte konnten nur fortschritte in die vielfältigen abhängigkeitsverhältnisse bringen. republik bekam hier ihre moderne bedeutung: als öffentliches geschehen, bestützt von verfassungen, geregelt durch gesetze, deren legitimation nicht von oben, sondern von unten kam. tessin, graubünden, thurgau, aargau und die waadt waren davon geprägt. 1815 kamen das wallis, genf, neuenburg und der jura hinzu; sie alle verstärkten die französischsprachige leseweisen der politischen kulturen.

die demokratisierung der säkularisierten gesellschaft

erst aus diesem prozess heraus ist die moderne schweizerische demokratie als antwort auf die säkularisierte gesellschaft entstanden, die angesichts der abwesenheit von kriegen im innern zyklisch individualisierter wurde: soziologisch gesehen kann man erst seit 1971 von einer wirklichen demokratie sprechen, denn vorher hatten nur die männer das wahl- und stimmrecht, – die frauen nicht. institutionell ist die schweiz seit 1874 eine direkte demokratie; seit 1848 war sie eine repräsentative nach amerikanischem vorbild. die staatsrechtlichen grundlagen wurden in den 1830er jahren an den neu gegründeten universitäten, vor allem an jener in bern, gelegt. sie inspirierten in verschiedenen wellen die verschiedenen bewegungen, wie die liberale, die radikale, die demokratische und die sozialen bewegungen.

sie sehen es: die schweizerische demokratie ist gar nicht so alt, wie man meint! sie ist ein kind des 19. und 20. jahrhunderts. nur die legendäre geschichtsschreibung behauptet, die schweiz von heute seit 1291 entstanden und von anbeginn weg eine demokratie gewesen. mit nichten! sie hat sich aber schneller und anders entwickelt als in den meisten europäischen staaten und auch jenen der welt. sie ist keine repräsentative demokratie mehr, oder indirekte, wie man in der schweiz sagt, sondern eine direkte, das heisst eine, die nicht nur auf volkswahlen, sondern auch auf volksabstimmungen beruht. und genau das macht sie für die säkularisierte, individualisierte gesellschaft so attraktiv.

stadtwandern als zeitgemässe form der geschichtserzählung

lassen sie mich den einstieg in unsere heutige stadtwanderung nicht nur mit der iustitia anfangen, sondern auch mit ihr abschliessen: sie, die gerechtigkeit, und nicht madonna, die mutter gottes, steht seit der reformation auf dem brunnen. allerdings ist sie nur noch eine kopie. 1988 wurde das original beschädigt; seither ist es einzig im beschützten historischen museum der stadt zu sehen. und auch der kopie hat man nach dem ausscheiden der schweiz in der fussball-weltmeisterschaft die rechte hand abgeschlagen; sie ungerecht war das, mindestens aus der sicht der fans!

egal ob original oder kopie, egal ob mit oder ohne hand: die iustitia steht mit ihren verbundenen augen über den gewalten, die man beim bau des brunnens durch den freiburger künstler hans gieng 1543 kannte:

• den papst nenne ich zuerst, mit seiner tiara, als der kirchliche herrscher über die christenheit; er stand damals noch für die theokratie; paulus III. war zu zeiten den brunnenbauers der papst, und er war gerade damit beschäftigt, die gegenreformation einzuleiten.
• den kaiser kommt danach, mit seiner krone, als herrscher über das sogenannten heilige römische reich deutscher nation; er symbolisierte die monarchie. karl quint (V.) hiess er 1543. mit den entdeckungen in der neuen welt regierte der habsburgische spanier ein reich, in dem die sonne nie auf und nie unter ging.
• schliesslich erwähne ich den sultan, mit dem schwungvollen säbel; er war der herrscher über das osmanische reich, und er repräsentierte traditionellerweise für die despotie. süleyman der prächtige war es in buda, ungarn und führte die erste türkische belagerung wiens.

wer die vierte person ist, ist in bern umstritten: die traditionelle volksgeschichtsschreibung berns sieht in ihm seit dem 19. jahrhundert den berner schultheissen, den vorsteher auf zeit der republik bernensis; hans-franz nägeli stünde demnach hier auf dem brunnen! die moderne geschichtswissenschaft kann dem nichts abgewinnen: was soll das szepter in der hand eines republikaners, fragt man sich seit jüngstem an der universität bern. deshalb sieht man in ihm den bruder von karl quint, könig ferdinand I., den österreichischen habsburger, der über österreich, böhmen, schlesien und kroatien herrschte, als süleyman vor wien lag, danach auch über ungarn, als die belagerung durch die türken erfolgreich abgewehrt war.

wer auch immer im 16. jahrhundert da oben abgebildet wurde; zwei sachen sage ich ihnen zur kommenden stadtwanderung:

erstens, die gerechtigkeit muss über der politischen macht stehen, wie auch immer sie ausgestaltet ist. und die demokratie muss, wie auch immer sie geformt ist, der durch die politischen gemeinschaften immer neu zu definierenden gerechtigkeit genügen!
zweitens, was auch immer sie in der schule über schweizer geschichtsmythen gelernt haben, – vergessen sie es! folgen sie dem stadtwanderer durch die neuere berner stadtgeschichte als lehrstück der demokratieentwicklung in der schweiz!”

stadtwanderer