eigene wanderungen

bald ist es soweit: die grosse herbstwanderung mit dem berner stadtwanderer geht über die bühne. am 22. september 2007 findet sie statt. der start ist um 09 15 beim zytgloggen turm; das ende wird voraussichtlich um 16 45 auf dem bundesplatz sein.

und ich entblättere an diesem tag meinen geheimplan für bern!

interessentInnen, die sich angemeldet haben, sollen die stadtwanderschuhe anschnallen, eine kopfbedeckung aufsetzen und je nach wind und wetter einen regenschutz mitnehmen. wir wandern über brücken, entlang der aare, durch gassen und auf plätzen einmal durch berns altstadt und einmal durch berns geschichte. das sind zwei tolle erlebnisse, die zusammen einen zeitraum und eine raumzeit ergeben, die man nicht so schnell vergessen wird.

hier die aktuellste wetterprognose:

“Morgen
Samstag, 22. September 2007
leicht bewölkt
Temperatur: vormittags 10°C, nachmittags 23°C.
schwacher Wind aus Nordnordosten.”

ich würde sagen, wärmender pullover ist am morgen angemessen!

so, und nur der relevante ausschnitt aus dem 17seitigen drehbuch:

wer lesehilfe braucht, wende sich nicht an die gpk und auch nicht an christoph mörgeli, sondern an mich! hier schon mal ein vorgeschmack:

programm:

1. station; zytgloggen-turm: „stadtlegende und stadtgeschichte“

2. station; casino: „vergessen und behalten: zwei formen unseres geschichtsbewusstseins”

3. station; historisches museum: „kelten, römer und germanen in brenodor: die erste zivilisation im aareraum“

4. station; aare 1: “gundobad: könig der burgunder” (443-534)

5. station; aare 2: “die schöne: der erste beauty-contest und die entstehung des herzogtums schwaben” (534-888)

6. station; aare 3: “rudolf, bertha und adelheid: der burgundische hochadel in bümpliz“ (888-1032)

kaffeepause im alten tramdepot

7. station; klösterli: „wenn sich der papst mit der kaiser streitet: die auswirkungen auf den strassenbau im aaretal“ (1032-1122)

8. station; ländtetor: „der aareübergang bei der nydegg: die schlüsselstelle auf dem weg ins burgund“ (1122-1191)

9. station; zähringer-denkmal: “berner stadtgründungen durch die schwäbischen zähringer und durch die burgundischen savoyer” (1191-1293)

10. station; erlacherhof: “familie von bubenberg: das führende rittergeschlecht in der stadt” (1293-1353)

mittagsessen im restaurant krone

11. station; postgasse: “der grosse stadtbrand und der neubau der häuser mit lauben und die eidgenössische annäherung” (1353-1414)

12. station; rathaus: “scharfrichter und bordelle: bern wird königlicher stand” (1414-1450)

13. station; von diesbach-haus: „landadel und geldadel: die kaufleute übernehmen die stadt und bauen das münster” (1450-1499)

14. station; novara-denkmal: „die eidgenossen im dienste des papstes – oder wie der bär nach bern kam” (1499-1513)

15. station; plattform: „fertig lustig: die strenge hand der reformation in bern“ (1513-1648)

münsterbesteigung oder kaffeepause (nach freier wahl)

16. station; franzosenkirche (ehemaliges dominikaner-kloster): „der lange schatten frankreichs: die hugenotten –oder die ersten flüchtlinge in der berner republik” (1648-1750)

17. station; du theatre: „was für ein theater; die misslungene aufklärung in bern – und der europäische spott über die berner patrizier” (1750-1798)

18. station; c&a (ehemaliges hotel falken): „die kutsche und der schultheiss: napoléon bonaparte und die helvetische republik” (1798-1815)

19. station, käfigturm: „liberale, radikale, demokratische und soziale bewegungen im zeitalter der ideologie” (1815-1848)

20. station; geheimplatz: „von der souveränität und von geheimplänen – die bundesstadt bern vor ihrem 160. geburtstag“ (12. september 1848 – 12. september 2007)

apéro im café fédérale

ich freue mich, sie durch bern führen zu dürfen, und sage nur: ich heisse wirklich nicht mörgeli und führe auch keinen wahlkampf. vielmehr mache ich mir gedanken!

so als baron franz von tscherlitz, und ich erläutere ihnen an diesem tag gerne meinen „geheimplan für bern!“

stadtwanderer

einen gerafften ueberblick über die berner raumgeschichte gibt mein artikel hier

hier schon mal eine daten zu berner geschichte

herrschaftliche zugehörigkeiten des aaretals unmittelbar bei bern in den letzten 2000 jahren

-58 – 260: imperium romanum/römisches reich, belgica/germania superior

260 – 284: gallisches sonderreich

284 – 443: imperium romanum/römisches reich, maxima sequania

443 – 543: königreich burgund, unterkönigreich genava (genf)

534 – 800: regnum francorum/fränkisches königreich (resp. unselbständiges königreich burgund unter fränkischer herrschaft, seit 561 entlang der aare geteilt zwischen ducatus transioranum/transjoranien und ducatus alemanorum/alemanien

800 – 888: imperium francorum/fränkisches kaiserreich (ab 843 grenze zwischen imperialem mittelreich und germanischem ostreich entlang der aare)

888 – 934: königreich hochburgund (ab 911 nachbar des herzogtum schwaben)

934 -1032: königreich burgund

1032 -1499: römisches reich (ab 1157 heiliges römisches reich), (unselbständiges) königreich burgund (bis 1378, ab 1323/53 bündnis mit eidgenossen)

1499 -1648: (oberrheinische) eidgenossenschaft (autonomer teil des heiligen reiches),

1648 -1798: schweizerische eidgenossenschaft, anerkannt durch den westfälischen frieden (frankreich, schweden, habsburg, faktisch aber unter französischem einfluss), republik bern

1798 -1815: helvetische republik (vorherrschaft der franzosen, ab 1803 mediation)

1815 -1848: schweizerische eidgenossenschaft, staatenbund (vorherrschaft des wiener kongresses, resp. österreich und russland), canton bern (ab 1831: kanton bern)

1848 – : schweizerische eidgenossenschaft, bundesstaat (souveräner staat), kanton bern

essen wie im alten bern

der anfang war hart; zum aperitif servierte man einen rötlich schimmernde siroup mit einer richtigen framboise drin. das ganze kam im cüpliglas und löste entsprechende assoziationen aus. doch dann war das ganze mit vinaigre aufgemischt.


der event im berner restaurant harmonie “essen wie im alten bern” war gut vorbereitet und kräftig besucht! (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

mir blieb der erste schluck im hals stecken. ich hielt die luft am. meine lunge bliessen zum gegenschlag. meine backen füllten sich, und meine augen schwollen an. ich konnte das auspusten des getränks gerade noch verhindern.

das wäre ein schönes spritzwerk geworden! mir gegenüber meine partnerin, rund herum die anderen gäste im restaurant “harmonie”. geladen hatten fritz gyger, der restaurateur, und walter aebischer, der chef de couisine. organisiert hatten sie ein historisches bankett zum thema “essen wie im alten bern”. dr. francois de capitani wurde als historien bernois angekündigt, und referierte wie immer gekonnt über die kultur des essen in der patrizierstadt des 18. jahrhunderts.

das stimmte mich schon wieder harmonischer. und der essig im cüpli regte, zum meiner eigenen überraschung, meinen hunger kräftig an. und das konnte man gut gebrauchen! denn nach der währschaften, aber noch zurückhaltenden gemüsesuppe gab es ein üppiges bankett mit 20 köstlichkeiten und eine dessertplatte mit 7 verschiedenen süssspeisen.

zwischendurch erklärte der altmeister der berner kulturgeschichte über die essgewohntheiten während hungersnöten, im all- und an festtagen. 1771 war ein krisenjahr, 1795 auch. beide mal propagierte man von der oberschicht aus suppen, mit gemüse aus dem garten, knochenresten aus der woche, und ein paar brotbrochen aus der ausgetrockneten vorratskammer.


armensuppe als vorspeise, das grosse buffet als hauptspeise und die crème aux épinards als nachspeise (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

war die lebensmittelproduktion wieder reichlicher schlug man gerne ausführlich zu. die patrizier assen gerne viermal am tag, nach dem frühstück, das frühe mittagessen, gefolgt vom späten, und dann das abendessen. bis in 17. jahrhundert dominierte das fleisch, gefolgt vom gemüse. süssspeisen kannte man noch nicht. dafür zogen sich männer und frauen nach dem essen separat zurück, um zu tratschen und dem wein zu fröhnen.

“der zucker hat das suchtverhalten in der berner republik geändert”, erklärte francois de capitani der staunenden essrunde. zucker gegen wein? – ist das wieder so ein trick wie essig im sirup? diesmal überzeugte die wende: im 18. jahrhundert begann man desserts zu machen und blieb deshalb auch nach der hauptspeise bei tisch. die saufgelage im chambre séparée gingen deshalb zurück.

tellergerichte waren bis ins 19. jahrhundert bei grösseren essen ganz unüblich. vielmehr tafelte man, das heisst man sass rund um reichhaltig aufgefüllte tafeln. wenn man von einer speise genug gegessen hat, begann man die konseversation mit nachbarn vis-à-vis, vor allem mit dem ziel, von der tafel von ihm etwas zu erhaschen.

meine hits an diesem abend waren: der zitronensalat, le dindon en gelée, der gänsebraten aus dem ofen, vor allem mit der sauce bachique. der zitronensalat war ganz fein geschnitten, im zucker einen tag lang aufbewahrt, und erwies sich als der frischestes, was man sich unter citrusfrüchten vorstellen kann. der truthahn wiederum war kalt und gschmackig zugleich. die sülze rund herum gaben im das spezielle etwas. der rôti au four, gut gewürzt und mit der herrlichen sause von bacchus aufgemischt, übertraf schliesslich alle spezereien des abends

alles zu beschreiben, was es an diesem abend zu essen gab oder gegeben hätte, bin ich schlicht ausser stande. ich kann nur mein dickes lob an die veranstalter auf dem “stadtwanderer” weitergeben. das team der harmonie wird es auf seine art und weise publik machen: im november dieses jahres soll ein neue buch des historikers de capitani erscheinen, mit allen rezepten und geschichten, die an diesem abend geboten wurden.


die gespannten organisatoren fritz gyger und walter aebischer, das fleissige servicepersonal und françois de capitani, der immer sympathisch-schräg in der historikerlandschaft stand (fotos: stadtwanderer, anclikcbar)

bis dann erinnere ich mich gerne an den desserttisch des freitagabends. an dem hatte es mit die crème aux épinards besonders angetan. im kleinen gefäss serviert, war es eine vanillecreme mit spinat.

wiederum überraschend, diesmal aber positiv, sodass sich meine backen wieder füllten, das eingeschlürfte jetzt aber problemlos runter rutschte.

stadtwanderer