bild- und wort-legenden zur wahlwoche

bundesrat blocher nannte in seiner medienkonferenz nach der abwahl sein büro als möglichen grund für die abwahl. er zitierte seinen weibel, wonach schon friedrich, kopp und metzler, die alle vom gleichen ort aus regierten, nicht lange im amt gewesen seien.

ist das nicht ein witz? –

ein spässchen, könnte man sagen, das sogar agenturen gerne kolportierten.


quelle: lupe

eine weitere wort-geschichte, wie es zur abwahl von bundesrat christoph blocher gekommen sei, präsentierte diese woche der blick. die crew im bundeshaus hatte recherchiert, und dabei zwei aktive geheim-zellen ausfindig gemacht: eine schwarze und eine rote. beiden zellen gemeinsam: sie kommen aus dem kanton freiburg – und wollten christoph blocher aus der regierung kippen. einen gemeinsamen weg beschritten sie aber erst in den letzten tagen, und hatten mit ihrem husarenritt, wie es der blick nennt, erfolg.

o-ton des boulevardblattes zum effektiven komplott:

“Zelle 1: Der Freiburger CVP-Fraktionschef Urs Schwaller, sekundiert vom Walliser Parteichef Christophe Darbellay. Ausgangslage: Nach den Wahlen vom 21. Oktober jubelte die SVP, der Rest der Schweizer Politik schien in Lethargie zu fallen. Ein Angriff auf Blocher sei definitiv erledigt, tönte es landauf landab. Noch in der gleichen Woche stemmte sich Schwaller gegen diesen Defätismus: “Ich kann niemanden wählen, der für Sippenhaft eintritt”, erklärte er im BLICK und im Westschweizer “l¹Hebdo”. So packte er seine CVPler bei ihrem christlichen Gewissen. Auch ein Bekenntnis zur Konkordanz und den EU-Verträgen forderte Schwaller ein. Bedingungen, die Blocher nicht erfüllen konnte.


quelle: unbekannt

Doch vorerst wurde es ruhig um den Schwaller-Plan. Interne Einzelgespräche begannen. Bis zum letzten Wochenende. Schwaller schloss öffentlich eine Kandidatur gegen Blocher nicht aus. Darbellay leistete in Interviews Sukkurs. Die beiden wussten bereits, dass mittlerweile die Mehrheit der Fraktion bei einer Abwahl Blochers mitmachen würde.

Zelle 2: Der designierte SP-Chef Christian Levrat und SP-Ständerat Alain Berset. Nachdem die SP im Wahlkampf verkündet hatte, Blocher nicht zu wählen, machten die Freiburger nun Nägel mit Köpfen. Seit Mitte November testen sie im Parlament verschiedene Namen. Nach und nach wurden weitere Verbündete eingebunden: Fraktionschefin Ursula Wyss, Noch-Präsident Hans-Jürg Fehr. Zuerst setzen sie auf Bruno Zuppiger, einen SVP-Mann auf Blocher-Linie. Dann wird über SVP-Chef Ueli Maurer diskutiert. Ergebnisse werden zwischen SP- und CVP-Zelle ausgetauscht.”


quelle: unbekannt

als verbindungsleute zwischen den beiden keimzellen figurierten, wiederum gemäss “blick”, zwei andere freiburger: sp-neo-nationalrat jean-françois teiert und die ehemalige nationalratspräsidentin, die cvp-frau thérèse meyer.

eveline widmer-schlumpf, die bündnerin, die schliesslich das rennen machte, sei erst gegen schluss ins spiel gebracht worden. als man sich geeinigt habe, habe der bünder andrea hämmerle die sondierungsgesprächge geführt und als resultat herausgeholt, die bündner regierungsrätin werde eine kandidatur nicht im vornherein ablehnen. in dieser phase seien nun auch die grünen involviert worden, mit dem ziel, einen rückzug ihrer bewerbung recordon zu erreichen. man sei sich da schnell einig gewesen.

bilanz “blick” zum putsch: “Noch in der Nacht auf Mittwoch wurde Überzeugungsarbeit geleistet. Am Schluss hatte die Freiburg-Connection 125 Stimmen zusammen, Blocher war abgewählt.”

nun wissen wir natürlich auch nicht, ob das stimmt oder nicht. sicher ist nichts, unsicher wohl auch nicht alles.

also noch ein witz? –


quelle: tagi

die zeit des umbruchs, die wir diese woche erlebten, war für viel ein witz: ein schlechter, ein lustiger, ein unerwarteter, ein noch absolut nie gehörter.

es überrascht denn auch nicht, dass es nicht nur tage der wort-, sondern auch der bild-legenden war. zahlreiche neue karikaturen, die vor drei tagen teilweise noch undenkbar gewesen wären, machten die runden. es ist die zeit des bitterbösen sarkasmus’, der realen satire, der feinen ironie.

eine kleine sammlung von eindrücken, die mich diese woche mehr oder weniger unaufgefordert in dieser hinsicht per e-mail erreicht haben, bebildern denn auch den bericht, der später einmal fast sicher teil der grossen legenden-bildung zum 12. 12. 2007 werden wird!

stadtwanderer

ps:
“operation hannibal”: wie christoph blocher bundesrat wurde.
meine demokratiegeschichte mit den ausführungen zur entstehung der zauberformel 1959 durch die cvp und die sp (punkt 11).

was eigentlich ist opposition im konkordanzsystem?

ohne zweifel, die schweiz mit ihrem politischen system der konkordanz, mit ihrer politischen kultur, die auf integration ausgerichtet ist, hat weder in der theorie noch in der praxis der opposition viel uebung.

natürlich, die schweiz weiss um ihre ausserparlamentarische oppositionen, die zyklisch zu politischen instabilitäten, revolutionären umstürzen und bürgerkriegsähnlichen auseinandersetzungen geführt haben. natürlich, sie weiss um ihre volksrechte, die initiative und das referendum, die als instrumente der sach- wie auch der systemopposition dienen können.

doch parlamentarische opposition war in den letzten 70 Jahren wirklich nicht mehr ihr ding!


das schweizerische parlament (hier der nationalrat) auf der suche nach seiner rolle als ordnungsmacht, kritikerin, mehrheitsbeschafferin und opposition gleichzeitig (foto: sf.tv.)

genau das merkt man der beginnenden diskussion über die opposition einer regierungspartei an: die svp verzichtet in ihrem gang in die opposition nicht als erstes auf das parlamentspräsidium. sie geht in opposition zum fernsehen. sie protestierte am mittwoch gegen die nichtwahl von christoph blocher mit der oppositionsdrohung, bewarb sich aber gleichzeitig für den posten der bundeskanzlerin. noch ist die partei nicht bereit auf aemter, die der opposition nicht zustehen, zu verzichten. dafür verlangt sie, dass sie, die alleinige opposition 50 prozent redezeit in sendungen bekommt, damit sie sich genauso wie die regierung äussern könne.

um es klar zu sagen: weder das verharren an der macht noch die erpressung des diskurses nach eigenen regeln ist opposition.

opposition und volksrechte

opposition ist zunächst das wesentliche gegenstück zur regierung. es ist der widerspruch der minderheit in sachfragen, indem sie auf übersehene schwächen vorgeschlagener oder realisierter lösungen von problemen aufmerksam macht. die kontrolle ist die sinnvollste form der opposition in der demokratie. auch in der schweizerischen.

opposition ist aber auch die freiheit, etwas kritisieren zu dürfen, weil man keine verantwortung in der regierung trägt. kritik schadet nicht, doch ist sie auch nicht grenzenlos. die opposition muss sich gerade deswegen auch gefallen lassen, von bereichen der einflussnahme auf die regierung ausgeschlossen zu sein oder zu werden.

opposition ist schliesslich die bändigung der politischen macht durch die möglichkeit, das die mächtigen selber durch die opposition abgelöst wird. sei es im oder ausserhalb des bestehnden verfassungsrahmens.

in der schweiz ist die parlamentarische mit der ausserparlamentarischen opposition verbunden. nicht in dem sinne, dass die apo eine ausserinstitutionelle form der politik wäre. aber so, dass die opposition im parlament die opposition im volk mobilisieren kann, um sich in sachfragen auch parlamentarischen minderheiten zum durchbruch zu verhelfen. das ist die klassische referendumstradition der schweiz. und es gibt die verbindung auch, um themenbereiche, die tabuisiert werden, wirksam aufs tapet bringen zu können. das ist die etwas jüngere initiativtradition in unserem lande.

deshalb brauchen thematische oppositionsgruppen auch nicht auf die nächsten wahlen zu warten, um dann vielleicht die mehrheit zu erringen und so an die macht zu kommen. sie können sich, vor allem über erfolgreiche referendumsabstimmungen selber ins machtzentrum einbringen.

das ist denn auch die unbestreitbare stärke der volksrechte in der schweizerischen demokratie. und genau deshalb gelten sie mitunter auch als instrumente der opposition: das referendum etwas mehr, weil es eine fehlentwicklung in einem politikbereich auf gesetzesebene wirksam stoppen kann; die initiative etwas weniger, weil sie eher geeignet ist, neue ideen aus einer gesellschaftsschicht längerfristig in den politischen diskurs, allenfalls auch in die politische entscheidung einzufügen.

doch kennt man die schwäche der volksrechte ebenso. ihr systematischer gebrauch kann zur blockade der politischen entscheidungsfähigkeit führen. es geht dann nicht mehr um die themenopposition, sondern darum, mit den volksrechten den stier bei den hörnern packen zu wollen. die gleichzeitige opposition im parlament, verbunden mit der, die sich der volksrechte bedient, kann deshalb das funktionieren der institutionen als basis geregelter willensbildung erschweren oder auch verhindern. das selber kann zu politischen oder gesellschaftlichen konflikten führen.

volksrechte und konkordanz

die politologie hat in den letzten 40 jahren den zusammenhang zwischen opposition und volksrechte aufgenommen. es geht nicht um die kontroll- und kritikfunktion. es geht um die blockierung der politischen willensbildung.

die opposition, die systematisch betrieben wird und schädlich sein kann, wird, so die lehre dadurch gemildert, vielleicht auch verhindert, dass die regierung auf einen teil der macht verzichtet. sie nimmt verweigerungsfähige, aber auch kooperationswillige minderheiten nicht erst dann auf, wenn sie eine mehrheit bei wahlen gewonnen haben. sie werden nicht nur dann berücksichtigt, wenn sie genau in ein koalitionsprogramm passen.

vielmehr haben solche minderheiten das recht, ihren anspruch zur beteiligung an der regierung anzumelden, wenn sie eine gewisse stärke bei wahlen erreicht haben, und vor allem, wenn sie effektiv mit dem referendum, vielleicht auch mit der initiative drohen können. lange galten zwei kriterien als entscheidend, um im bundesrat berücksichtigt zu werden: 10 prozent wähleranteil und bewiesen referendumsfähigkeit.

das ziel der beteiligung ist es, das obstruktionspotenial der oppositionen zu mässigen, indem ihr einfluss in der regierung gestärkt wird. verbunden wird diese form der partizipation von minderheiten aber auch mit der forderung, den gebrauch der volksrechte zu verringern.

es ist keine aufgabe der regierung, aber eine voraussetzung ihres funktionierens in einem konkordanten politischen system, dass sie selber dafür sorgt, dass nicht immer die gleiche verbindung von minderheiten die mehrheit bestimmen können. denn dann wird die konkordanz nur zum deckmantel einer versteckten mehrheitskoalition. konkordanz funktioniert dann am besten, wenn macht geteilt wird und sich mehrheiten aus verschiedenen minderheiten bilden können.

meine philosophie

die angenehme seite dieser berücksichtigung in der regierung ist die integration in die politische macht, auch wenn man nur eine minderheit ist. das ziel ist das aber nicht. das ziel ist es, respektable minderheiten zur beteiligung an einem verbund verschiedener politischer kräfte zu bewegen. das war seit jeher das verhalten der fdp, und es zeigte sich beschränkt auch 2003, als sie sich für die aufnahme der svp à la blocher in die regierung stark machte.

die vielleicht weniger angenehme seite der machtbeteiigung vor allem für oppositionelle aus fleisch und blut ist es, dass man die integration nur dann erreicht, wenn man sich auch einbinden will. sie ist dann sinnvoll, wenn man auf immer wiederkehrende machtfragen verzichtet. denn die beteiligung in der konkordanz ist die beteiligung an der sache. den griff nach der macht ist sie nicht. genau das war wiederum die schwäche der svp à la blocher. personell und institutionell verhielt sie sich nicht, wie man es von einer starken partei in der konkordanz erwartet.

die lehre aus dem politischen system der schweiz mit repräsentativen und direktdemokratischen elemente gleichzeitig ist: wer sich an der macht verhält wie in einem reinen regierungs/oppositionssystem, der scheitert an den wirksamen volksrechten. und wer sich in der regierung befindet, ohne seine oppositionshaltung zurückgedrängt zu haben, der scheitert in wahlen an parlamentarischen mehrheiten. das wiederum war die zielsetzung der allianz, die christoph blocher nun gestürzt hat.

stadtwanderer,

auf dem weg vom fernsehen (arena) vorbei am computer (bloggen) ins bett (gute nacht!)