mit euren favoriten unterwegs (märz 2008)

seit kurzer zeit habe ich einen zweiten blog, den “zoon politicon”. der ist mehr politologisch ausgerichtet, während der stadtwanderer mehr historisch orientiert ist.


meine neuer: “zoonpoliticon”, griechisch für der “politische mensch”

der vergleich der nutzungen erhellt die unterschiede: der stadtwanderer hatte im märz rund 80’000 aufgerufene seiten, der neue etwas mehr als 3000. den stadtwanderer besuchten zirka 18’000 blog-gwundrige, den zoon politicon etwas mehr als 1000. grob gesagt sind das 20:1.

entweder sind die beiden zählsysteme ganz anders; dann würde sich aber jede kontrolle erübrigen. oder ich schreibe hier besser als auf dem andern. oder es zählt das persönliche statt dem beruflichen.

was ganz genau sache ist, weiss ich nicht. doch habe ich eine andere vermutung: auch in der blogosphäre gilt, wer hat, dem wird gegeben! denn dauerhaft gut besuchten artikel sind alle bei google top-plaziert und sie bringen eindeutig verkehr auf den stadtwanderer. beim zoon politicon habe ich nach gut zwei monaten eigentlicher schreibarbeit noch keinen solche reisser!

auf dem stadtwanderer gibts auch mehr kommentare; sie befördern die lektüre von artikeln nachweisslich. meiner fleissigsten kommentatorin, die gerade eine krise hat, sei deshalb ganz herzlich gedankt. keine diskutiert so erfolgreich wie weissnicht!

was aufgrund von allem diesen monat auf dem stadtwanderer so gelesen wurde, das finden die interessierten gleich nachfolgend:

1. (newseller)
die kristallisationserlebnisse unserer politikerInnen
zirka 1350 direktviews
politik, schweiz, jugend

2. (longseller, vormals 5)
meinstein (1): albert einsteins berner jahre
zirka 580 direktviews
albert einstein, stadt bern, geschichte

3. (longseller, vormals 2)
die gegenwart der direkten demokratie in der schweiz – ein fortsetzungsblog
zirka 570 direktviews
direkte demokratie, eidg. abstimmung, hochrechnung

4. (longseller, unverändert)
körpersprache des bundesrates
zirka 510 direktviews
neujahrsfoto 2007, bundesrat, politik

5. (newseller)
tells grosser auftritt
zirka 360 direktviews
schweiz, geschichte, wilhelm tell

6. (longseller, vormals 7)
felix austria
zirka 280 direktviews
österreich, nationalfeiertag, indiskretionen

7. (newseller)
wörter werden
zirka 270 direktviews
bern, alltag, linguistik

8. (newseller)
falsche geburtstage der schweiz
zirka 260 direktviews
schweiz, geschichte, geschichte der geschichte

9. (newseller)
asoziale kommunikation
zirka 250 direktviews
alltag, kommunikation, handyphonieren

10. (newseller)
schweizerfilm
zirka 250 direktviews
alltag, schweiz, kultur

schönen 1. april wünsche ich noch!

stadtwanderer

die zwei wurzeln des demokratieverständnisses in der schweiz

das war neu. “stadtwandern” auf dem rütli. so geschehen am vergangenen samstag. und erst noch mit einer art gegenweltregierung.

mit greenpeace international auf dem rütli

einmal pro jahr treffen sich die regionenverantwortlichen von “greenpeace” aus der ganzen welt, um gemeinsam um den stand der umwelt, die entwicklung der politik und die leistungen der eigenen organisation nachzudenken. diesmal fand das treffen der rund 30 topaktivistInnen der globalen umweltorganisation auf einladung von greenpeace schweiz in unserem lande statt.


die legendäre geburtsstätte der schweiz: das rütli, wo ich mich mit greenpeace international traf (foto: bianca rousselot)

am samstag war ein ausflug mit dem stadtwanderer angesagt. die kulisse war gegeben: der vierwaldstättersee, dort wo die greenpeace präsidentin cécile bühlmann wohnt. die schiffahrt dient, um ein apérçu der schweiz zu geben: leben heute, gesellschaft, politik und gegenwart ist das thema meiner kollegin bianca rousselot. diskutiert wurden aber auch themen wir frauenstimmrecht, gentechnologie in nahrungsmitteln und folgen des tourismus für die umwelt.

auf dem rütli stiegen wir von bord. eine kleiner spaziergang hinauf auf die legendäre geburtsstätte der eidgenossenschaft führte uns vorbei, an einem bauernhof, kuhflade und weissen schafen. die sitzgruppe aus stein, unter freiem himmel, aber durch einige bäume von der umgebung abgeschirmt, war der ideale ort, über die ursprünge des schweizerischen demokratieverständnisses nachzudenken.

zuerst die wurzel in der tradition

ich spielte auf die zeit der einwanderungen germanischer völkerschaften an, die, um dem adel zu entfliehen, in immer abgelegenere gegenden siedelten. die nordtäler der alpen gehören ohne zweifel dazu. hier erhielten sich, wie beispielsweise auch in island, traditionelleste formen der der politik.


germanischer thing, überliefert durch die römer anhand der kaiser marc aurel säule in rom

der thing gehört dazu. in ihm versammelten sich, unter freiem himmel, die freien bauern, ohne ihre frauen, knechte und sklaven, um ihren häuptlich zu wählen, über krieg und frieden zu entscheiden, und recht zu sprechen. die jährliche versammlung dauerte in der regel drei tage. der erste davon, war der erörterung der allgemeinen lage gewidmet; in der regel fand er unter grossem einfluss von met, dem alkoholisierenden bier der germanischen völker statt. der zweite tag wurde nüchtern bestritten, hier ging es um entscheidungen in der sache, und am dritten tag wurden die würdenträger gewählt. diese archaische form der bäuerlichen selbstverwaltung wurde später vielerorts durch die fremde adelige umgestaltet und entpolitisiert. sie lebte nun in den peripherien, in den siedlergesellschaften, in der marchgenossenschaften weiter. die landsgemeinde in den voralpen- und alpengebieten, die bis in 20. jahrhundert in kleinen kantonen überlebte gehört dazu. ihre fortsetzung findet diese art und weise der selbstverwaltung heute namentlich noch in der gemeindeversammlung, welche die lokale politik regelt.

dann die wurzel in der revolution

die aufklärung brachte den gedanken der volkssouveränität in die europäische gesellschaft der aristokratien, der monarchien und der reiche zurück. das naturrecht bestimmte die herkunft der menschen als freie und gleiche. es fand seinen ausdruck in der unabhängigkeit der vereinigten staaten von grossbritannien und der revolution der französischen nation gegen den könig, den adel und die kirche.


eugène delacroix: la liberté (1830)

der gedanke sprang von da auf die schweizerische eidgenossenschaft übrig. sie wollte unabhänig und frei sein. sie wollte sich selber bestimmen und verwalten. die bürger entschiedend sich, die partizier zu entrechten und gemeinsam mit den bauern den liberalen bundesstaat zu begründen. dieser wurde schrittweise gebildet und demokratisiert: die liberalen, die radikalen, die demokratischen, die sozialen, die ökologischen und die nationalistischen bewegungen habe je ihren teil zu den demokratievorstellungen entwickelt, eingebracht und zur institutionalisierten demoraktie beigetragen. ausgeburt diese entwicklung ist nicht die räumlich beschränkte versammlungsdemokratie der hausvorsteher, sondern die wahl- und in der schweiz insbesondere die abstimmungsdemokratie. sie hat die individuellen möglichkeiten der einflussnahme gestärkt, indem sie, unter einfluss der medialen öffentlichkeit kollektive debatten und entscheidungen zulässt.

schliesslich das amalgam

im schweizerischen demokratieverständnis ist beides zusammengewachsen. nicht eigentlich als übergeordnetes politisches system. vielmehr als amalgam aus verschiedenen vorstellungen, die zu demokratischen institutionen geführt haben, welche eigen und gleichzeitig breit verankert sind.


in voller aktion: der stadtwanderer auf dem rütli, bei seinen ausführungen über die ursprünge der demokratie in der schweiz (foto: bianca rousselot)

das bild passte: greenpeace international, der gefürchtete politische akteur sass auf dem rütli und hörte eine demokratiestunden, an dem ort, der in, in der legende wenigstens, die geburt der schweizerischen demokratie symbolisiert.

meine zuhörerInnen aus der ganzen welt haben mir und dem veranstalter die ausführungen gedankt. sie haben herzlich gelacht, als die schafe von nebenan in passenden und unpassenden momenten blöckten, und sie haben kritische fragen gestellt, als flugzeuge über uns hinweg donnerten.

ich hoffe, sie wurden von den knorrigen wurzeln, die rund um ihre steinstühle aus dem boden drückten, etwas über die herkunft, aber auch über die transformation des schweizerischen demokratieverständnisses mit auf ihren weg nehmen.

stadtwanderer

wie bern zum bärengraben kam

reprise wegen spam-belastungen der alten version

jedes kind in bern lernt, dass die franzosen den bernern 1798 die bären abgenommen und nach paris verschleppt haben. es ist zeit, erwachsen zu werden, meine kinder! denn alles ist umgekehrt: die berner haben 1513 den franzosen den bären in novara abgenommen und nach bern verschleppt!


italien zu beginn der italienkriege der franzosen (1494)

der italienkrieg der franzosen

der französische krieg um italien folgte der aufteilung des burgundererbes zwischen kaiser und französischem könig. ausgelöst wurde er durch die doppelhochzeit der habsburger mit dem königshaus von aragon, der eine mächtigee erweiterung des kaiserreiches brachte. frankreich befand sich nun quasi im sandwich. nur eine erweiterung des einflussgebietes von nord nach süd, von paris bis neapel, verbunden mit einer herrschaft über den kirchenstaat, hätte frankreich wieder dauerhaft auftrieb geben können.

1494 begannen die kriegerischen handlungen, und sie sollten in schüben bis 1559 dauern. schliesslich würde sich frankreich in italien nicht festsetzen können. in den ersten 10 kriegsjahren waren die truppen des französischen königs zweimal bis nach neapel gekommen, doch konnten sie sich in diesem südlichen königreich nicht halten.

1506 eröffnete der bedrohte papst die gegenoffensive. er heuerte eidgenossen als seine eigene truppe an. 1508 formierte er die liga von cambrai, in die er alle kontrahenten miteinbezog, um venedig, das sich im windschatten der kämpfe um italien auf dem festland breit gemacht hatte, zu vertreiben. die aktion war erfolgreich, die stadt venedig akzeptiert die grenzziehung vor ihr toren. 1511 ging papst julius II. noch weiter. er bildete nun die heilige liga, gemeinsam mit spanien und neapel, und unterstützt von venedig, welche die franzosen ganz aus italien verdrängen sollte.


matthäus schiner, der walliser geistlicher, der die junge eidgenossenschaft zum kriegseintritt auf der seite der heiligen liga, veranlasste, wurde erster “schweizer” kardinal beim papst

der krieg der jungen eidgenossenschaft

da erklärte die junge eidgenossenschaft, angefeuert vom walliser matthäus schiner, am 26. november 1511 frankreich den krieg. papsttreu wollte man sein, und nicht nur die schweizer gardisten sollten von den kriegen in italien profitieren. die eigenossenschaft als ganzes schloss sich der liga an. in der innerschweiz und den alpengebieten sammelten sich gewaltige heere, ordentlich und solche mit freiwilligen. das bündnis mit frankreich, in den burgunderkriegen entstanden und für stände wie bern wirtschaftlich und politisch massgeblich, wurde gebrochen.

die eidgenossen waren 1512 in italien mächtig erfolgreich. ihr sturm auf pavia befreite man die lombardei von den franzosen. doch entstand nur ein jahr danach eine neue situation. venedig wechselte die seite, hielt nun zum franzosenkönig. ludwig XII. liess sich nicht lange bitten, er besetzte mailand. herzog massimiliano sforza flüchtete nach pavia, beschützt von 4’000 eidgenossen. doch die franzosen folgten ihnen. sie hatten nicht nur infanteristen, auch eine reiterei stand ihnen zur verfügung, und eine starke artillerie. mit der bombardierten sie novara, den geflohenen herzog und die helfenden eidgenossen.

die tagsatzung beschloss eilends, mehr truppen zu senden. 6’000 mann wurden ausgehoben, freiwillige zogen ausserhalb der kontingente mit ihnen über die alpen. das entsatzherr bewirkt eine neuaufstellung der franzosen 4 kilometer von novara entfernt.


schlacht von novara 1513, chronik des johannes stumpf (1548)

die schlacht von novara

die eidgenossen zögerten vor novara nicht lange. unter führung von herzog sforza gingen sie gleich zur tat über.

am 6. juni 1513 kam es zur schlacht. nach nur zwei stunden war der spuk vorbei. 10’000 soldaten standen nicht mehr auf, darunter 2’000 eidgenossen.

ludwig XII. hatte den kampf um die lombardei verloren; er zog sich zurück, und versuchte, mit diplomatie und geld die siegreichen eidgenossen zu schwächen. bisher hatte das immer noch gewirkt.

doch die helden der stunde waren die kämpfer von novara. schon im hochsommer waren sie wieder in der heimat. am 14. juli 1513 war der offizielle empfang in bern.


erinnerungsbild an den einzug der siegreichen berner truppen 1513 – mit dem bär, den man den franzosen abgenommen hatte (foto: stadtwanderer, anclickbar)

der bär als zeichen des triumpfes

die berner truppen hatten auf dem schlachtfeld von novara den franzosen einen jungen bären abgenommen. ihn führten sie jetzt triumphierend vor. man war jetzt wer! und zeigte es!

vor dem käfigturm baute man dem franzosenbären einen zwinger, später eine grube. der erste bärengraben in bern entstand! heute ist er nicht mehr dort, wo man ihm 1513 platz geschaffen hatte. doch heisst der ort immer noch bärenplatz.

ein bild, vis-à-vis vom zytgloggen, erinnert heute an die glorreichste zeit der eidgenössischen söldner. mit fahne, und dem jungen bär von bern abgebildet, zieht er in die mittelalterliche altstadt ein.

die junge eidgenossenschaft auf dem höhepunkt ihrer macht

die eidgenossenschaft, 1476 in den burgunderkriegen erfolgreich, 1499 sieger im schwabenkrieg, und 1512/13 zu militärischen machthabern in der lombardei aufgestiegen, war auf dem höhepunkt ihrer macht.

doch sollten die tage der eidgenössischen grossmachtpolitik bald schon gezählt sein. nur zwei jahre danach teilte der neue französische könig die eidgenossen mit geldmitteln und besiegte die verbliebenen in marignano.

der bär hat seit den heroischen tagen im sommer 1513 jedoch seinen bärengraben. er war französischen beutegut, das sich die franzosen 1798 stückweise zurückholten …

kids, so war es !

stadtwanderer

one nation, one car

natürlich kann man sich fragen, ob wir übrhaupt eine nation sind?
fakt ist, dass wir eine fussballnationalmannschaft haben.


one nation, one car. our soccer team. ist nicht amerikanisches, nichts deutsches, sondern etwas zur schweizer fussballnationalmannschaft (foto: stattwanderer)

natürlich kann man sich fragen, wer alles eine fussballnationalmannschaft sponsoren darf?
fakt ist, dass der deutsche automobilhersteller volkswagen ag die schweizer fussballnationalmannschaft finanziell unterstützt.

natürlich kann man sich fragen, ob eine nation zu ihrer identifikation überhaupt einen wagen braucht?
fakt ist, dass der volkswagen schon mit seinem namen und mit seiner geschichte nicht zur vertieften auseinandersetzung hierzu einlädt.

natürlich kann man sich fragen, was geschehen wäre, wenn das resultat beim fussball-länderspiel gestern umgekehrt gelautet hätte?
fakt wäre dann gewesen, dass die “nation und der wagen” dann halt anders herum zum sieger des spiels geworden wären.

ich weiss: für fussball interessiere ich mich wirklich nicht. für deplazierte werbung indessen schon. denn die ist mir heute am meisten aufgefallen:

one nation, one car. ihre schweizer fussballnationalmannschaft.

stadtwanderer

ps:
oder hätte ich meine beitrag dazu schreiben sollen: “ich mache dich unsterblich. aber ich nehme dir deine seele” …

Uhrsachen

so heisst ein uhrenladen in bern. doch um den geht es mir hier nur indirekt, denn ich will keine uhren verkaufen. ich will neue wörter kreiieren.

das buchstabenspiel, das im markennamen des berner geschäftes steckt, ist nämlich das programm für den blog “enzyglobe”, den ich hier auch schon vorgestellt habe.

zwischenzeitlich gehöre ich der munteren gilde der wörtererfinder (w-örtererfinder, w-örterfinder, wörterfinder) direkt an. hier eine kleine kostprobe meiner wanderungen im wortlosen niemandsland:

Neutraal

mittelgrosser, wendiger Schlangenfisch, der geschlechtslos und dennoch überdauert

1. Armin Müller: Sehr schlüpfrig und kaum zu fassen, jedenfalls kann er nirgendwo anecken. Neigt dazu viel Fett anzusetzen.

Ritteralter

Zeitspanne der menschlichen Entwicklung, als der Steigbügel bekannt wurde, und man die Kanone noch nicht kannte

1. Armin Müller: Heute auch bekannt unter: Rüstige Rentner
2. Stadtwanderer: Gottseidank, denn früher eher dem alterdumm zugerechnet!

Glasmost

Phase in der russisschen Gesellschaftsentwicklung, während der man reihenweise aufgetauten Apfelsaft in Gläser abfüllte, damit sich das Volk beglückwünschen und auf die Zukunft freuen konnte

1. Armin Müller: Daraus wurde dann mit der Zeit eher ein Graslost, jeden(aus)falls um Tschernobil.
2. Fred: Auch saure Äpfel fallen nicht weit vom Stamm.

Bionier

Vorreiter des Sanften

1. Armin Müller: Hoffentlich sind noch lange alle Nieren bio.

Weltwache

Helvetismus, ungefähr für Zensurbehörde, auf Schweizer Zeit & Raum beschränkt

1. Ugugu: Dieses souveräne Wort hab ich gleich in meiner grauen Hirnmasse abgespeichert, um es bei Gelegenheit zu verwenden 😉
2. Armin Müller: Globaler Weckruf jeden Mörgelis
3. Stadtwanderer: Nörgelis?

Leidgenossen

durch Schicksalsschläge zusammengeführte und -gehaltene Menschen

1. Armin Müller: Manche möchten ewig Weidgenossen bleiben (und ohne schwarze Schafe)
2. Stadtwanderer: unter sich sind sie in der regel jedoch systematische neidgenossen, keine gönnte dem andern nichts!

Narkozy

(bei)schlaftrunkener Staatspräsident

1. Armin Müller: Auch Narrcozy
2. Stadtwanderer: familienintern soll er schon mal den übernamen haben ”starkozy”.

Oekomonie

Wenn die wirtschaftliche Lehre des Haushalte zur alleinseligmachenden Lehre für alle Haushaltsmitglieder wird

1. Armin Müller: Auch Monetariat
2. frankR: Kann bei zu langer Dauer in Oekomonotonie ausarten.
3. sattwanderer: interessant ist, dass “ökomanie” als wortvariante und sofort auf eine andere Bedeutung des Wortstammes “Oeko-” verweist …

Banalyse

Analyse, ohne Tiefgang

1. Armin Müller: Von Tabak- oder Erdölindustrie bestellte Schönschreiberei. Wiesenschaflich fundierte Augenwischerei und simplizierte Kausaulereien.

Helvetiere (allenfalls auch Helvehtiere)

Vornehme Umschreibung für das, was man später Kuhschweizer nannte

1. Armin Müller: Müssten die nicht neustens Weissschafschweizer heissen? Oder schlicht: Weissenschaftler?
(Für nicht Schweizer-Politik-Kundige: Es gab da ein Wahlplakat einer Rechstpartei, wo weisse Schafe ein schwarzes über den Zaun kicken)
2. phrasardeur: Helvehtiere: Und ab und an Kuschschweizer nennt.

hier alle meine selbstwordversuche!

stadtwanderer

bernerhofgeschichte(n)

bern, das 1848 zur bundesstadt gewählt wurde, musste für die gebäude, in denen regierung und parlament tagten selber aufkommen. die provisorien – der äussere stand für den ständerat, die damalige universität, das heutige casino, für den nationalrat, und den erlacher hof für den bundesrat – konnten deshalb nur schrittweise aufgegeben werden. zuletzt entstand das heutige bundeshaus, sitz des parlamentes; als erstes baute man in den 1850er jahren das sog. bundesratshaus, heute bundeshaus west genannt.


der berner bernhof, 2003/4 umgebaut, davor ursache der stadtsteuern im jungen bundesstaat, und, weiterhin, ursache der landessteuern in der gelalterten eidgenossenschaft (foto: stadtwanderer)

wegen diesem prunkbau des neu erwachten republikanischen stelbstbewusstseins blutete bern schwer: die burgergemeinde, reich, trennte ihr vermögen von jenem der einwohnergemeinde, die hinfort arm sein sollte. um das bundesratshaus zu realisieren, sah man sich deshalb gezwungen, steuern zu erheben, – zuerst einmalig, dann zu wiederholten male und schliesslich jährlich. dabei blieb es denn auch, nicht nur in bern!

die arg gebeutelte stadt freute es sehr, dass 1856 jean kraft-rüfenacht, der berühmte kronen-wirt in der altstadt, das grundstück neben dem dem bundesratsgebäude erwarb, um das entstehende regierungsviertel vom bahnhof bis zum bundeshaus west mit einer nobelherberge abzurunden. dem ansinnen, den viehmarkt, der bisanhin dort stattfand, zu verlegen, gab man statt, – gegen gebühr selbstverständlich, die man ebenfalls in den bau des bundesratshauses investierte.

jean kraft nahm die paar groschen für die entfernung des viemarktes mehr gelassen. für die parzelle hatte er die damals stattliche summe von 37’000 schweizer franken bezahlt. viel teurer sollte die dampfheizung zu stehen kommen, die er ins 1858 neu eröffnete hotel einbauen lassen wollte. ganz 55’000 schweizer franken legt er dafür hin, dass die 68 zimmer für 185 gäste samt den vier badezimmer regelmässig auf 18 grad geheizt werden konnten.

das sollte progamm werden: noch heute heizt man in diesem gebäude gelegentlich ein. nicht den staatsgästen von damals, nicht den politikern der ersten stunden, auch nicht den ersten diplomaten, die sich in bern einfanden.

nein! den bürgerInnen der schweiz, denn aus dem bernerhof von jean kraft-rüfenacht ist 1923 heute das eidgenössische finanzdepartement des helvetischen kassenwartes geworden.

wahrlich, das berner haus, das steuergeschichte schrieb (und schreibt)!

stadtwanderer

der berner fenstersturz

es war vor genau 15 jahren. freitag abend, ich wollte nach zürich ins schauspielhaus. und war noch an der uni tätig. das gebäude, das neuerdings die berner sozialwissenschaften beherbergte, sollte nicht mehr meine werkstätte sein. ich hatte mich geraume zeit davor entschieden, mich selbständig zu machen. mein büro am bärenplatz stand bereits. an der uni hatte ich noch eine letzte projektsitzung. es sollte definitiv meine letzte sein.


15 jahre nach dem fenstersturz in bern als stadtwanderer wieder zufrieden (foto: stadtwandererin)

eingesperrt

um 18 uhr war die besprechung vorbei. ich machte noch ein telefon mit dem “tages-anzeiger”. der wollte eine geschichte über mich, welche die woz lanciert hatte, um meine selbstständigkeit zu torpedieren, abschreiben. ich versuchte am vorabend noch zu intervenieren. weil ich kein eigenes telefon mehr hatte, benutzt ich das öffentliche im gebäude, das damals im umbau stand. das gespräch dauerte nicht lange, denn es war wenig ersprieslich.

ich hatte es eilig, der zug nach zürich fuhr damals noch um 18 44, und es war schon beinahe halb sieben. ich wollte ins theater. ich machte mich, mit mantel und mappe in der hand, eilends auf den weg. doch der hauptausgang war geschlossen, und die neue alarmanlage funktionierte noch nicht. es gab kein entrinnen mehr. sollte mich die berner uni effektiv gefangen behalten?

nein, ich erinnerte mich an meine guten zeiten als sportler, – leichtathlet, mit einer ganzen serie von medaillen war ich schon mal gewesen. ein sprung aus dem parterre-fenster sollte mich befreien. hoch war es nicht, aber ausgerechnet unterhalb des fensters war eine baugrube.

ich entschied mich in der eile, auf die seite zu springen und auf den zubringerweg zu landen. ich sprang, mit der mappe in der hand. machte die geplante drehung nach links, um nicht in die baugrube zu fallen.

als ich landete, war mir schnell bewusst, dass mir der sprung nicht geglückt war. es krachte fürchterlich in meinem körper. ich kannte das geräusch von knochenbrüchen. ich konnte, unten angekommen, augenblicklich nicht mehr stehen, sank zu boden. ich hatte schmerzen in den beinen, und ich verlor, für den moment gottseidank, das bewusstsein.

beinbrüche

erwacht bin ich erst wieder im spital. man diagnostizierte einen schweren beinbruch. genaueres würde man erst anderntags wissen. der befund am samstag morgen war noch schlimmer. links hatte ich einen trümmerbruch des unterschenkels mit auswirkungen auf das sprunggelenk, und rechts hatte man eine spaltung der ferse bemerkt.

ich wurde nach sieben tagen des wartens unter starkem morphium endlich operiert. der orthopäde meinte, ich hätte glück gehabt. 10 jahre zuvor hätte man den linke fuss nach so einem unfall still gelegt. jetzt habe man neue methoden, und eine operation sei vertretbar gewesen. es werde aber ein einschnitt in meinem leben sein.

er sollte recht behalten. in der tat war ich 1993 für einige zeit im rollstuhl, dann an mehrere wochen an krücken, lernte nach monaten erst wieder laufen, zuerst nur mit dem rechten bein, dann wieder mit beiden. frei gehen konnte ich erst im september desselben jahres wieder.

das linke bein ist heute noch geschwollen, und schmerzt, wenn es wie heute kalt und nass zugleich ist. meine ärzte geben mir unterschiedliche hinweise: der hausarzt meint, ich solle mich mehr bewegen, um nicht mehr zuzunehmen. der gelenkspezialist wiederum ist zurückhaltender. je mehr ich den linken fuss belaste, umso eher sei das fussgelenk, das nie mehr ganz heilte, am ende.

stadtwandern

in diesem dilemma habe ich mich vor einigen jahren entschieden, regelmässig zu wandern. wenn ich nicht aus bern herauskomme, wandere ich in der stadt. das hat, mit den jahren, meinen blick für die verhältnisse und veränderungen in bern geschärft. und hat mein historisches interesse an dem, was an der kultur vergänglich und dauerhaft ist, geweckt. seit 2003 verbinde ich das nützliche mit dem angenehmen, und bin ich der stadtwanderer. wenn ich gut aufgelegt bin, erzähle ich geschichte, wie ich, im wahrsten sinne des wortes, von der uni geflogen bin!

stadtwanderer

die symbolik von schloss chillon

neueröffnung von schloss chillon: das lockt – auch mich!

300’000 gäste besuchen jährlich das herrschaftliche wahrzeichen am oberen genfersee. kein anderes historisches gebäude der schweiz kommt dauerhaft auf eine vergleichbare zahl an besucherInnen.

wem soll ich da noch etwas erzählen, dass er oder sie nicht schon gesehen hat? – ich weiss, ich versuchs dennoch.

zum beispiel die geschichte

“chillon” stammt aus dem lokalen dialekt und meint “insel”. damit angesprochen wird die kleine insel, auf der das schloss steht. seit der bronzezeit ist sie besiedelt.

im 11. jahrhundert kommt die insel an den bischof von sitten, der mit der befestigung beginnt. im 12. jahrhundert bemächtigen sich die grafen von savoyen der strategisch wichtigen insel. sie gelten als die eigentlichen burgerbauer. im 16. jahrhundert geht das schloss dann an die republik bern, die das schloss vorübergehend als vogteisitz nutzt. 1798 setzt die waadtländer revolution dem ein ende; seit 1803 gehört das schloss dem kanton waadt. seit 2002 wurde es durch eine stiftung geführt.

ein wenig zeitgeistig ist das schon, wenn schlösser und wahrzeichen nicht mehr vom staat, sondern von stiftungen geführt werden.

zum beispiel die farben und formen

rot sind die fahnen, die das erscheinungsbild schlosses von heute prägen. das ist gut so, denn damit können sich sowohl die savoyer von nebenan identifizieren als auch die schweizer. das schloss selber war mal ganz in weiss. heute dominiert der unverputzte, braune stein. es muss schön gewesen sein, im innern eines weissen schlosses.

noch heute sieht man, wie man auch mit den form die herrschaftliche repräsentation ausdrückte: die innenhöfe, drei an der zahl, haben ihre diesbezügliche funktion: jener für die gäste, jener für den kastlan und jener für den herzog. der dritte hof wiederum ist so konzipiert, dass alles auf die schlafgemächer des schlossherrn gibt. wenn dieser seinerseits nach aussen schaut, kann er den grossen wehrtum nicht übersehen. das steigerte das machtdenken fast ins unendliche.

auch da kann man nur sagen: farben und formen werden gepflegt wie bei einer inszenierung einer modeschau.

zum beispiel das licht

vieles im schloss ist bis heute dunkel. uns meschen aus dem neonzeitalter fällt das sofort auf. man denkt in chillon unweigerlich an das dunkle mittelalter. gegensätze zwischen hell und dunkel entspringen auch aus dem oben und unten ganz unten ist der keller, gleichzeitig das gefängnis. es ist ganz dunkel – und sehr feucht. der see muss den gefangenen heftig an die nieren gegangen sein. das alleine war schon eine folter. dafür ist die aussicht auf dem burgfried herrlich. alles ist hell und trocken. der wind weht indessen stark, wenn man den kopf aus den kleinen fenstern streckt, um die herrliche see- und berglandschaft rund herum zu erkunden.

so gross, dass er selber auf den früher treppenlosen turm hinaufsteigen könnte, ist heute nur der orgelmann am eingang des schlosses. er sorgt für ein wenig stimmung unter den herbeiströmenden zuschauern. die kleinen japanerinnen und der grosse gaukler geben nochmals ein spektakel, dass an das mittelalter erinnert: wer oben war, war gott nah und führte hier wie anderswo ein erträgliches leben. wer unten war konnte nur staunen, wie schön es oben sein mochte.

da bleibt mir nur noch eine assoziation: schaue ich nochmals hinauf, auf das erhabene schloss chillon, bevor wir uns auf die weiterreise machen!

stadtwanderer

in der schatzkammer von st. maurice

was habe ich alles schon über st. maurice geschrieben! doch war ich bis jetzt weder in der abtei, noch in der kirche. stets bin ich an diesem kulturelle wahrzeichen des unterwallis’ vorbei gefahren.

der rundgang

nun stand ich plötzlich mitten in der schatzkammer der ältesten abtei des abendlandes. unser führer, mons. progin, hatte es spannend gemacht: dem begehrten zentrum des heiligtums näherte er sich nur schneckenartig. zuerst erzählte er in der jetzigen kirche die geschichte der thebäischen legion unter mauritius, die vor den toren der römerstadt ihr martyirum erlitten hatte. dann zeigte er uns die kapelle, die dem stifter, könig sigismund von burgund, gewidmet ist und unterhielt sich mit uns ein wenig über burgundische geschichte. schliesslich machte er sich auf ins kellergewölbe, vorbei an der quelle, welche die keltischen nantuaten verehrten, und an den resten eines des römischen tempels, der an gleicher stelle stand, um uns die ausgrabungen der ersten kirchen von st. maurice zu zeigen, die 1611 nach einem felssturz ganz aufgegeben wurden, heute aber wieder mannigfaltig ausgegraben werder.

nun spürte man die spannung, einige treppen ging’s hinunter, vorbei am ältesten christlichen taufbecken aus dem 4. jahrhundert, um im kreuzgang der jetzigen abtei zu stehen. zwei grosse, schwere türen öffneten sich nacheinander, bis wir am ziel unserer rundgänge waren.

die schatzkammer

natürlich begannen die erklärungen mit der goldkanne, die kaiser karl der grosse der abteil geschenkt hatte. die tradition will es, dass sie ein weitergereichtes geschenk von kalif harum al-raschid sei. doch das glaubt heute niemand mehr. vielmehr ist die kanne selber am karolingischen hof in aachen angefertig worden, rund um eine email, das dem volk der awaren zugeschrieben, das karl besiegt und dessen fürstenschatz er abtransportiert hatte. der orientalische zug ist unverkennbar des kostbaren schatzes ist unverkennbar, und lässt einen einen kleinen moment staunen, dass er in einem christlichen kloster aufbewahrt und den staunenden gästen gezeigt wird.

jedes prunkstück, das hier zu sehen ist, kann man nicht beschreiben. erwähnen muss man aber den theuderich-schrein, extra für die gebeine des märtyrers mauritius geschaffen, der an diesem tag fehlt. er ist auf reise, nach 1400 jahren zum ersten mal. dafür sind die silberschreine für mauritius einerseits, die söhne des abteistifters, könig sigismund, anderseits da. sie stammen aus dem hochmittelalter, sind aus silber, das damals begehrter war als gold und wiegen schon mal 50 kilogramm. jeweils am 22. september. dem namenstag der schutzpatron, werden sie aus der schatzkammer genommen in einer prozession durch das städtchen geführt.

der ort

es ist eine merkwürdige kraft, die vom ort, der kirche, den grotten, dem felsen ausgeht. wasser fliesst seit jeher aus dem berg und zieht die menschen magisch an. verschiedene religionen hat es angezogen, die katholische, die sich auf das massaker von kaiser maximinian an den soldaten aus ägypten beruft, bis heute. das eigentliche wahrzeichen des klosters jedoch ist der stein, hart und kalt, der sich bisweilen kaum vom berg, der am engen durchgang heraufragt, untescheidet. und dieser stein steht für standhaftigkeit, die dem ältesten heute noch bestehenden kloster des christlichen abendlandes eigen ist. alle versuche, das religiöse zentrum auch herrschaftlich zur sicherung der grossen st. bernhard route zu nutzen, welche die franken, die karolinger, die burgunder, die savyoer und die walliser bischöfe unternahmen, blieben nicht von dauer.

der letzte, erzählt unserer führer, der sich der abtei bemächtigen wollte, sei napoléon bonaparte gewesen. zwar hätten seine truppen das unterwallis von der herrschaft durch das oberwallis befreit, sodass man heute gleichgestellt sei. die absicht, die schatzkammer von europäischen rang zu plündern, habe man jedoch durch eine vorübergehende verteilung der prunkstücke bei den braven katholiken in der region erfolgreich verhindert. bis auf zwei seien später alle zurückgekommen, – und warten seither darauf, von weiteren besucherInnen bestaunt zu werden!

stadtwanderer

ps:
fotografieren darf man in der schatzkammer leider nicht!

ich bin dann schon mal weg

also, mache ich mich auf, ins kloster, geburtstag feiern!
hier schon mal erste hinweise auf die koordinaten!

namenstag von sigismund
sigismund, koenig von burgund

stadtwanderer

PS:
an die wikipedia-prominenz, die heute geburtstag hat, sei schon mal so erinnert:

1681: Georg Philipp Telemann, deutscher Barock-Komponist
1790: Ludwig Grimm, deutscher Maler; Illustrator der Grimmschen Märchen
1804: Johann Strauß (Vater), österreichischer Komponist
1820: Viktor Emanuel II., König von Sardinien-Piemont und Italien
1853: Ferdinand Hodler, Schweizer Maler
1857: Alwin Gerisch, deutscher Politiker und erster SPD-Vorsitzender
1879: Albert Einstein, deutscher Physiker, Nobelpreisträger 1921
1905: Raymond Aron, französischer Politologe, Soziologe, Publizist
1908: Maurice Merleau-Ponty, französischer Philosoph
1928: Frank Borman, US-amerikanischer Astronaut
1930: Helga Feddersen, deutsche Schauspielerin
1933: René Felber, Schweizer Politiker
1940: Hans-Olaf Henkel, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie BDI
1957: Franco Frattini, italienischer Politiker und EU-Kommissar
1957: Claude Longchamp, Berner Stadtwanderer

den alpenbock vor augen

am anfang war ein schreck: der hang vor unserem haus ist steil und waldig. und wenn es heftig regnete, kann es schon mal einer überschwemmung geben! dann kam der förster, begutachtete die situation, die unser quartier in hinterkappelen bedrohte. da waren noch alle froh. doch dann liess der fachmann nach neuer waldmanier einfach alles abholzen. ratzeputze! und uns sass der schock tief im nacken!

wenn ich von zuhause aus blogge, stört mich das. denn der zerstörte wald braucht unbedingt aufforstung, pflege, damit rasch neues leben entsteht!

die schenkung

nun ist die waldparzelle verschenkt worden. die besitzerin, frau rosemarie herren-kipfer aus rosshäusern, hat das stück land dem natur- und vogelschutz wohlen (be) vermacht. dieser kommt damit in den genuss einer drittel are wald, oder was davon noch steht.

doch genau das abgeholzte hat die naturschützer bewogen, an der gestrigen hauptversammlung einstimmig (bei einer enthaltung) den schenkung zuzustimmen.

denn der verein kommt so zu einem neuen naturentwicklungsprojekt.

die chance

zwischenzeitlich spriesen wieder überall kleine bäume, vor allem buchen, aber auch eschen und bergahorne. sie alle bieten den naturinteressierten eine ideale möglichkeit der langfristig beobachtung, wie sie flora und fauna nach einer zerstörung neu entwickelt.

zu diesem zweck wollen die naturschützerInnen auch den hier noch nicht heimischen alpenbock, einen tollen käfer, der totes buchholz liebt, ansiedeln. 15 weitere tierarten sind vorgesehen, um neugierige menschen anzuziehen.

mein dank

das alles freut mich, weil nun, nach dem unverständlich vollständigen kahlschlag der waldarbeiter vor zwei jahren, wieder leben ins benachbarte waldquartier kommt. und ganz besonders freut mich der freiwilligeneinsatz, den die natur- und vogelschützer von wohlen bald leisten wollen: am 12. april 2008 werden sie die parzelle mal gründlich vom altholz räumen, und sie werden auch beim abfluss des hangwassers eine bucht buddeln, um weitere überschwemmungen zu vermeiden. wir alle werden es den “vögelis” danken, wenn es das nächste mal regnet!

und ich werde mich bemühen, sie zu unterstützen, denn sie unterstützen mit ihrem entscheid auch meine verfassung, wenn ich blogge und aus dem fenster schaue, um mich inspirieren zu lassen.

bald werde ich dem alpenkock von angesicht zu angesicht gegenübersitzen!

stadtwanderer

e nacht lang füürwäärk

nein, nein, ich rufe nicht zum langen 1. august auf. über falsche und richtige geburtstage der schweiz habe ich schon genug geschrieben.

vielmehr will ich auf das bevorstehenden feuerwerk der berner geschichtsstätten verweisen. denn am 28. märz 2008 heisst es wieder berner museumsnacht.

pünktlich um 18 uhr geht sie los, die nacht, und sie dauert bis am andern morgen um 2 uhr. während dieser zeit öffnen die 27 museen und archive in der bundesstadt ihre tore. gegen 100’000 besucherInnen werden erwartet.

das programm ist reichhaltig. es bietet eigentlich jeder und jedem geschichtsinteressierten/m etwas: spezialistInnen, archivmäuse, laien, neugierigen, eventverwöhnte, wissensdurstige laufstegerprobte und last but not least kommen auf ihre rechnung. und bezahlen erst noch nichts dafür.

die komplette übersicht, über alles, was geboten wird, findet sich hier.

gleich drei interessante führungen werden im bundeshaus angekündig. ab 18 30 gibt’s in strengen rhythmen führungen zu:

. das kunstvolle bundeshaus: ist das bundeshaus ein museum?
. das renovierte bundeshaus: was die renovation alles zu tage brachte.
. das geheimnisvolle bundeshaus: welches sind die geheimnisse des bundesratszimmers?

und wer dann noch nicht genug hat, kann sich auch noch die performance: “das zauberhafte bundeshaus” reinziehen. im ständeratssaal wird das, fast wie bei den “grossen” die eine oder andere überraschung aus dem hut gezaubert!

ich verspreche nicht zu viel: es kündigt sich wirklich eine nacht lang füürwäärk an!

stadtwanderer

mein bericht von 2007

gute nacht!

nein, bern ist nicht bekannt für ein aufregendes nachtleben.

denkt man, wenn man nicht denkt.

jedenfalls wenn man schaut, dann sieht man viel.

zum beispiel das, von “maarc”.

wie immer gekonnt, sind ist der augenschein bei “rapino”.

erfreuen kann man sich auch bei “mcwhite”.

wer es gerne aufregend hat, der gehe mir “marknolan” unterwegs.

und wem das zu wild ist, kann sich bei “métempsycose” wieder beruhigen.

ja, da bleibt mit nur, mit dem “stadtwanderer” in den arkaden des kornhauses eines zu wünschen.

schauen sie genau hin, wenn sie das nächste mal, im dunklen bern sind. man sieht mehr, als man meint, wenn man nur meint, und nichts weiss …

guet nacht!

stadtwanderer

ps:
mehr bilder, auch die, die ich nicht reproduzieren durfte finden sich in der flickr gruppe “bern nacht”.

asoziale kommunikation

ich war heute wieder in st. gallen, an der hsg. hin- und zurück ergibt das 4,5 stunden zugfahrt. das bestimmt einen wesentlichen teil meiner alltagserlebnisse an solchen tagen.

so auch heute!

und das muss hierzu einmal deutsch und deutlich gesagt sein: die asoziale kommunikation in zügen wird in einem grassierenden masse verunmöglicht.
nein, ich meine das wort “asozial” nicht wie rechte und linke politiker. ich verwende es hier wie in der soziologie. für die entsteht nämlich kommunikation im zusammensein von menschen. soziale kommunikation kann man auch als kommunikation in einer örtlich realen beziehung bezeichnen.


das wilde telefonieren in eng besetzten zügen wird immer mehr zu landplage!

doch die örtlichen sozialen beziehungen verschwinden im zug schnell als der “ice” von osten nach westen fährt! das beziehungsleben des mobilen menschen ist entstandardisiert. ich bin da, und du bist dort; wir sehen einander nicht mehr, aber wir können noch miteinander handyphonieren!

welch ein GLUECK!, für die verbundenen wenigstens.

man kann sich so ja stundenlang austauschen. man kann dabei, mitten im vollbesetzten zug, wie zuhause auf der couch, die schuhe ausziehen, die füsse hochlagern, die fingernägel feilen, die augenlider schminken, in einen apfel beissen, cola trinken, zum fenster hinausschauen oder die nachbarin mustern.

und über einen ohrfortsatz oder einen kehlkopfverstärker mitander paludern. und das ist einer unnatürlichen laustärke, in einer horrenden intensivität, und während der ganzen zugfahrt.

welche ein UNGLUECK!, für all die unverbundenen.

rund um sie herum klingeln die mobiles der mobilen zu allen zeiten und in allen tonlagen. vom business-takt, über intime privatgespräche, vom kinder ins bettschickenaktionen bis hin zum auffordernden “tschou Schatz, chonsch mit cho abhole?”, bekommt man, als nicht mitgemeinter, alles geboten.

erst noch ungefragt. und wehe man beschwert sich darüber.

ich bilanziere die misère in schweizer zügen, speziell zwischen zürich und bern: der medial verbundene, aber anwesende kommunikationspartner ist der einzig in der ganzen zugswelt, der alles asoziale der handyvermittelten zugskommunikation nicht mitbekommt. alles anderen, die eigentlich gar nicht mitbekommen sollten, erhalten alles, was unsozial ist, aufgetischt.

ich kann da nur eine forderung aufstellen: ich bin für die vollständige wiederherstellung der einheit von kommunikation und sozial gewünschten partnern und für die verbannung der ungewünschten begegnungen mit asozialer kommunikation in den zügen!

schade, die rauchfreien zügen haben das zugfahren so viel angenehmer gemacht. jetzt wird wieder alles verschlechtert, durch die ubiquitäre asoziale kommunikation!

(leidgeplagter) stadtwanderer

The culture of concordance

reprise wegen spam-belastungen der alten version

The Bundesratszimmer (the meeting room of the government) – Last stop on my guided tour through Switzerland’s history of democracy

So here we are. Once a week, the Federal Council meets in this room and decides on policy, discusses international treaties and comments on parliamentary interventions. Here, the direction in which Switzerland is to go in the future is decided upon.

The first Federal Council of 1848 consisted of free democrats (Freisinnige). All seven members had the same ideology. In 1891, the first opposition member was integrated in the government by including a catholic-conservative member. Now, there were two parties in the government: today’s Free Democratic Party (FDP) and the Christian Popular Party (CVP). With the introduction of proportional representation, two new parties became important: the Social Democrats and today’s Swiss Popular Party (SVP). The conservative SVP was rapidly integrated in the government – for the SP, this step was more difficult.

Since 1959, all four partied have been represented in the Federal Council. In 1959, the three Christian Democrats in the Federal Council helped the SP to become a government party, however, they did this for their own reasons: they wanted to break the conservative majority of the three FDP and the one SVP members. For this, they surrendered one seat to the SP and helped it gain one more from the FDP. Thus the ‘magical formula’ was born: 2 FDP, 2 CVP, 1 SVP, 1 SP. This meant that the CVP had to become a kind of mediator between the positions of the parties to its left and right: The CVP voted with the FDP and SVP on financial and economic policy, but with the SP on social policy.

In 2003, the composition of government was changed for the first time since 1959. The ‘mediator’ CVP lost one of its seats to the SVP. From then on, SVP and FDP had a majority once more, the winners of 1959 were again in the minority. The magical formula had lost its magic. Instead, “arithmetic concordance” was the order of the day, where parties are represented in the government according to their share of votes.

At the end of 2007, a surprising decision was made in Switzerland regarding this formula: The distribution of seats remained the same as 2003, however, a former government member was replaced against his will and that of his party by another member of the same party: Christoph Blocher failed to be re-eclected and was replaced by Eveline Widmer-Schlumpf. The Green Party remains an opposition party. This certainly was a novelty, however, the majority of parliament interpreted this as in accordance with concordance. The minority and the SVP in particular, however, had a different opinion. The result of the Federal Council elections were interpreted as a breach of concordance. Hence, the SVP does not feel bound to the government, and decided to go into the opposition – despite having two Federal Councillors, which the SVP dismissed from the parliamentary faction, but not from the party. What this effectively means remains to be seen.

The idea of concordance in the federal government has two sources: WWII, and the development of Switzerland. Let’s start with the period between 1939 and 1945: during WWII, democracy in Switzerland was suspended. In 1939, elections were postponed, referendums not held. In 1943, the first elections were held again, and in 1947 the first popular rights were exercised – demanding a return to direct democracy.

The Federal Council then was against a re-establishment of a direct democratic system, it preferred a system of representative democracy with government and opposition. The people, however, did not let itself be disenfranchised. It voted for a return to direct democracy, and it strengthened the oppositional left-wing forces, supporting the introduction of new social-welfare institutions. Social democracy was born, and in 1959, the SP that had shared power during the war was formally included in the government. At the same time, female suffrage was rejected.

The culture of concordance that developed during the time of the foreign threat in WWII has almost vanished today. Female suffrage was finally realised in 1971. Women are now represented in all departments. Our chancellor is a woman, and our last president was a woman. Also, co-operation in the federal council has a different quality today. Consensus-seeking and –finding has become more difficult. For 10 years now, it is said that more and more votes take place, and coalitions are formed. Who loses, does not always stay silent, but instead makes the dissenting opinion public. The mass media rejoice, and we citizens know who supported what, and who didn’t. The Federal Council thus turned into a mini-parliament.

Governing has not become easier. 2003/2004, when a centre-right coalition dominated the government, the Federal Council and the parliament lost eight referendums in a row – a first in Switzerland’s democratic history. The effects were that the Federal Council has become more careful again in order to win in referendums.

The decisions of December 12, 2007, i.e. the Federal Council elections, have changed politics in Switzerland once more, and also the Swiss governmental system. The magical formula of 1959 died in 2003. Since then, we have had a formula for the composition of government that can be called arithmetic concordance. However, whether or not concordance can exist without binding, commonly recognised rules of the game, is uncertain. What is certain is that the pluri-cultural composition of the country and the system of popular rights still recommend a concordant future. It is also certain that the SVP’s double-crossing cannot continue indefinitely, it has to be resolved at some point from both sides.

This has something to do with the different cultures in Switzerland. Before the Reformation, the regional differences dominated. With the Reformation, the unity of urban and rural areas was split and exacerbated by the different creeds. After the French occupation, the linguistic cleavage was created. The French-speaking regions have become the carriers of internationally oriented modernism, while German-speaking Switzerland is torn apart between modernism and tradition. Class struggle at the end of the 19th and beginning of the 20th century led to the creation of ideological cleavages.

There have always been counter-movements to these conflicts seeking a balance between the regions, creeds, language regions and social classes. This made Switzerland stronger. They are the underlying reason for the culture of concordance. From the moment on when we did not only have a representative, but a direct democratic system, the need for concordance has become stronger. This is the lesson I want you to learn today.

Let me finish with the word of Friedrich Dürrenmatt, the Bernese playwright, who said to Vaclav Havel: Switzerland is a prison, but the advantage of being Swiss is that they are not only prisoners, but their own jailors!

The end!

Claude Longchamp, Historian/Town-Rambler of the Town of Berne
1.10.2007, Translation by Bianca Rousselot, PhD-Candidate

schweizerfilm

der aktuelle rückfall in den winter lädt nicht gerade zum stadtwandern ein. dafür empfehle ich, die ausstellung “schweizerfilm – träume, geld und geist” des stadtberner käfigturm-forums.

vom 5. märz bis am 31. mai 2008 wird der schweizer film im politforum des bundes von 8 bis 18 uhr thematisiert. gezeigt wird in der ausstellung «Schweizerfilm» von cinésuisse, wie die filmschaffenden leben, was sie träumen, und weshalb es für das, was sie leisten auch geld braucht. vorgeführt wird das anhand einer reise durch die jüngste geschichte des schweizer filmschaffens.

und dafür wirbt man vor der ausstellung auch ganz toll:

. der schweizer film ist gegenwärtig so erfolgreich wie noch nie,
. die schweizer filme begeistern das publikum,
. an internationalen und nationalen wettbewerben wird das hiesige filmschaffen regelmässig gewürdigt,
. am fernsehen erreichen heimische spiel- und dokumentarfilme ein millionenpublikum, und
. die 4500 beschäftigten in der filmbranche sind ein respektabler wirtschaftszweig, der zur kulturellen identität der schweiz beiträgt.

vom 5. märz bis am 27. mai wird unter der woche täglich um 12 uhr 15 auch ein bekannter schweizerfilm vorgeführt. hier schon mal die liste.

übrigens: der eintritt ist frei. nicht wie im kino!

stadtwanderer

wenn das selbstverständliche fragwürdig wird

meine russischen journalistInnen auf der heutigen stadtwanderung waren während der stadtwanderung durch bern an sehr vielem interessiert. anders als ich dachte, bewegte sie die demokratiefrage aber nicht gleich stark wie uns. vielmehr fragten sie mich eindringlich, warum die einkaufsläden in der schweiz so früh schliessen würden?


Schaufenster “Why not?”: Warum nur haben die Läden in der Schweiz nicht länger offen, interessierte meine Gäste aus Moskau während der Stadtwanderung durch Bern brennend (foto: stadtwanderer)

warum nur machen die geschäfte in der schweiz so schnell zu?

ja, warum eigentlich? – “aus schutz vor übermässigen arbeitszeiten der angestellten”, kommt mir spontan in den sinn. solange gewerbebetriebe, geführt von den familienmitgliedern der geschäftsinhaber, leisteten, seien ladenöffnungszeiten kein grosses thema gewesen, führe ich aus. mit der ausdehnung der zahl angestellter in verkaufsläden, stieg jedoch das bedürfnis, die arbeits- und damit die ladenöffnungszeiten allgemein verbindlich zu regeln. um dem städtischen leben eine einheitliche fassung, habe man die zeiten für offene läden auf den tag, und diese auf die werkttage beschränkt. normal sei heute von 9 bis 1830, am samstag bis 16 uhr.

ich merke, meine antwort befriedigt nicht. einer der journalisten kratzt sein ganzes englisch zusammen, um mir unvermittelt durch die russisch-schweizerische dolmetscherin direkt eine frage zu stellen: “how the business works?”, will er wissen, und er fügt bei, in moskau hätten die läden bis 10 uhr nachts offen. so funktioniere das geschäft!

also versuche ich es nochmals: bern sei eben keine grossstadt, habe 130’000 einwohnerInnen. sie sei eine der typischen europäischen städte, die im mittelalter begründet worden seien, und mit der industrialisierung ihren charakter etwas geändert hätten. bern sei aber nie zu einer metropole aufgestiegen. für die meisten anderen schweizer städte, vielleicht mit ausnahme von zürich und genf, gelte das auch. da dominiere halt nicht das grossstädtische leben!

verlängerte ladenöffnungszeiten seien zwar in den letzten 10 bis 15 jahren reihum in schwang gekommen, füge ich bei. man könne heute fast überall einen abend in der woche länger einkaufen, in den zentren häufig am donnerstag, auf dem land nicht selten am freitag. und auch der samstag sei ein fast normaler einkaufstag geworden. am sonntag frei gegeben seien die ladenöffnungszeiten jedoch nur an dichten verkehrsknotenpunkten wie flughäfen und bahnhöfen.

kleinst mögliche mehrheiten für kleinst mögliche veränderungen

ich kapituliere, denn ich sehe es meinen gästen ins gesicht geschrieben: ich habe soeben mit grossem erfolg die schweiz als provinz verkauft! wenn präsenz schweiz das erfährt!

also versuche ich zu retten, was zu retten ist: 2005 gab es eine der vielen volksabstimmungen zu den ladenöffnungszeiten gegeben. sie sollten an bahnhöfen auch für waren, die sich an nicht-reisende richten, erweitert werden. damit habe man versucht, sich den veränderungen der lebensgewohnheiten anzupassen: dienstleistungen, die nicht mehr wie im industriezeitalter auf den 8-stunden-arbeitstag beschränkt werden können, eltern die beide arbeiten würden, und spontanentscheidungen junger menschen hätten die nachfrage nach erweiterten arbeitszeiten auch hierzulande verändert. wie vorher begründet, seien jedoch die gewerkschaften dagegen gewesen. sie hätten sich gewehrt, denn die eingeschränkten ladenöffnungszeiten seien als zeichen des sozialen fortschritts verstanden worden, den man nicht leichtfertig aufgeben wollte. und sie hätte im sozialkonservativen umfeld unterstützung erhalten. auch bei leuten, die denken, es ist gut, wenn die arbeitnehmer nach der arbeit zu ihren familien schauen.

die volksabstimmung ist schliesslich denkbar knapp ausgegangen, fasse ich unseren kleinst möglichen modernisierungsschritt in dieser frage zusammen: 50 prozent und einige promille der stimmenden hätten für die liberalisierung gestimmt, fast ebenso viele seien dagegen gewesen. dafür seien vor allem die grösseren städte gewesen; kantone wie zürich, basel, bern, und genf seien auf der ja-seite gestanden. genauer kenne ich die detailergebnisse nicht mehr. ich weiss aber noch, dass die zustimmung auf dem land generell geringer war, und in der französischsprachigen schweiz, meist als weltoffener teil der schweiz trendangebend, häufig aber auch links gerichteter als die gesamte schweiz, ebenso.

und dann: für die heute zugelassenen freien ladenöffnungszeiten am sonntag in den verkehrsknoten seien namentlich die pendler gewesen, auch die jüngere bevölkerung denkt so, füge ich noch bei. die sesshaften, die nicht-erwerbstätigen und die älteren hätte mit der neuerung des urbanen lebens kaum etwas anfangen können, hätten sich aber nicht mehr durchgesetzt.

ich bin stolz, einen wichtigen punkt getroffen zu haben: die schweiz stehe nicht still, sei aber allem extremem skeptisch gegenüber!

mit den augen der fremden das eigene sehen lernen

ich gestehe, auf diese frage war ich so nicht vorbereitet gewesen. aber so ist es, wenn sich kulturen begegnen: man staunt über das, was einem so selbstverständlich ist und andere so frappiert. was meine augen nicht mehr aufmerksam sehen, lernt man mit fremden wieder entdecken. das macht das stadtwandern interessant.

und ich durchschaue mich und die situation selber: ich wäre heute besser darauf eingestellt gewesen, über die demokratiedefizite bei den russischen präsidentschaftswahlen zu reden. doch meine gäste interessierte, warum das provinzielle leben in der schweiz so viele anhängerInnen hat!

stadtwanderer

russland : schweiz – was nur sage ich meinen journalisten auf der morgigen stadtwanderung?

morgen habe ich eine kleine stadtwanderung durch bern. für russische journalistInnen. das ist eine herausforderung, – und eine chance: zum beispiel, um über demokratie zu reden, und meinen gästen auf dem stadtwanderer etwas über russland zu erzählen.

ich bin froh, muss ich das alles nicht auf russisch machen; da würde ich glatt versagen. aber ich muss wenigstens ein wenig auf russisch denken können, um die schweizerische denkweise zu spiegeln.
ich werde morgen, wie gewohnt, beim gerechtigkeitsbrunnen beginnen. aber ich werde eine spezielle einleitung machen für meine gäste. zu staats- und regierungsformen nämlich.

die lehre der staats- und herrschaftsformen in der antike, im mittelalter und in der neuzeit

aristoteles, der als erster theoretiker verfassungen von staaten miteinander verglich, unterschied im 4. jahrhundert vor der zeit die herrschaft des einzelnen, der wenigen und der vielen. wenn sie das zum wohle aller machten, sprach er von monarchie, von aristokratie und von politie. war die herrschaft nur zum wohle der herrschenden, nannte es das tyrannis, oligarchie und ochlokratie. vereinfachend gesagt sah er in persien die herrschaft des einzelnen, in rom der wenigen und in den griechischen stadtstaaten der vielen verwirklicht.
mit der entstehung des römischen kaiserreiches unter augustus kurz vor der zeit, vor allem aber unter diokletian am ende des 3. jahrhunderts verengte sich die optik: man kannte nur noch die herrschaft des monarchen, des kaisers, zu dem, mit der anerkennung des christentums als staatsreligion im jahre 391, auch der papst aufstieg, und bei den christianisierten germanen nach der völkerwanderung auch der könig hinzu kam. das galt für das ganze mittelalter, in dem der bezug zum unter gegangenen und wiederauferstandenen römischen reich wach blieb.
erst mit der renaissance und dem politischen denken der neuzeit öffnete sich im 16. jahrhundert die perspektive wieder: neben die monarchie als erbin des mittelalters, trat bei niccolo machiavelli die republik als fortsetzung der antike in der gegenwart. beides waren nun die anerkannten, möglichen staatsformen, in denen der flächenstaat der moderne organisiert werden konnte. die monarchie war unverändert das kaiserreich, das heilige römische reich deutscher nation, konkurrenziert durch das russische zarenreich resp. das osmanische reich, ergänzt durch die königreiche in frankreich, england, spanien, portugal, dänemark, schweden, polen, ungarn, und die republiken fanden sich vor allem in den italienischen stadtstaaten, allen voran in venedig.
mit dem modernen staatsverständnis unterschied man aber stärker zwischen staat und herrschaft. das eine ist die form des verbandes, der seine mitglieder von denen anderer verbände trennt; das andere ergibt sich aus der gesellschaftlichen konstellation. so waren der kaiser sein reich nicht mehr eins. dieses existierte, auch wenn es keinen kaiser gab.
im zeitalter der aufklärung und der revolutionen, dem 18. und 19. jahrhundert, unterschied man deshalb, von wem die herrschaft ausgeht: von adeligen, wie in den monarchien, von priestern wie in den theokratien, und vom volk, wie in den demokratien. vor dem siegeszug der demokratischen herrschaft trennte man noch klar zwischen demokratie und diktatur als herrschaftsform, die nicht auf der wahln von regierung und/oder parlament beruht. bis heute spricht die politikwissenschaft deshalb von monarchien und republiken, von demokratien und diktaturen.


generelle erläuterungen: http://de.wikipedia.org/wiki/Regierungssystem
notiz: die schweiz kennt mit der direkten demokratie eine herrschaftsform, die in dieser (deutschen) klassifikation leider nicht weiter ausgeführt wird.

die regierungssysteme der gegenwart

die gegenwärtige politikwissenschaft geht noch etwas weiter. sie fragt auch, wie die spitze im staat organisiert ist. dafür verwendet sie normalerweise den begriff des regierungssystems. republiken zerfallen dann in staaten mit einem präsidentiellen oder parlamentarischen, neuerdings auch semipräsidentiellen regierungssystem. im ersten fall wird der präsident speziell gewählt, im zweiten fall nur das parlament. wenn der staats- und der regierungspräsident getrennte ämter sind, und der regierungspräsident sowohl vom präsidenten als auch vom parlament abhängig ist, spricht man von einem halb- oder semipräsidentiellen regierungssystem. bei den monarchien wiederum unterscheidet man zwischen absoluten, verfassungsmässigen oder konstitutionellen und parlamentarischen monarchien, je nachdem in welchem masse die herrschaft von einer oder mehreren quellen ausgeht.

russland und die schweiz im vergleich

was nun ist russland für ein staat, für ein regierungssystem?
zunächst ist die staatsform republikanisch. die herrschaftsform ist seit der verfassung von 1993 demokratisch. das regierungssystem ist halbpräsidenziell. der regierungschef untersteht dem staatspräsidenten, und er muss vom parlament bestätigt werden resp. ist diesem gegenüber rechenschaft schuldig. gegen diese charakterisierung gibt es recht breite kritik, denn die macht des präsidenten ist gross: er kann den regierungschef entlassen und das parlament auflösen. zudem wählt er die gouverneure, die im russischen föderationsrat (oberhaus) die hälfte der stimmen ausmachen und die duma, die russische volksvertretung (unterhaus), kontrollieren. schliesslich zeichnen sich zahlreiche russische medien durch eine ausgesprochene abhängigkeit vom staat ab, sodass man auch von einer gelenkten demokratie spricht.

und was ist die schweiz für ein politisches system, das ich meinen russischen journalistInnen erklären soll?
selbst wenn der begriff in der schweiz unüblich geworden ist, ist die schweiz von der staatsform her eine republik, genau genommen sogar eine bundesrepublik. die herrschaftsform ist ohne zweifel demokratisch. in den kantonen ist sie mit der direktwahl von parlament und regierung durch das volk sowohl parlamentarisch wie auch präsidentiell. auf der bundesebene ist sie parlamentarisch. – diese charakterisierung stimmte 1848. doch schon 1874 entwickelte sich die parlamentarische demokratie in der schweizerischen bundesrepublik weiter. in den kantonen war das teilweise seit der liberalen bewegung von 1830 der fall. die confoederatio helvetica, die schweizerische eidgenossenschaft, ihrerseits erweitere die volksherrschaft mit den bekannten volksrechten: das verfassungsreferendum, das zuerst nur totalrevisionen zuliess, wurde jezt zum obligatorischen verfassungsreferendum für partialrevisionen und erhielt mit dem fakultativen referendum auch die möglichkeit, über gesetze, die das parlament erlässt, nachträglich eine volksabstimmung durchzuführen. 1891 kam zudem die verfassungsinitiative hinzu, mit dem das stimmberechtigte volk selber verfassungsvorschläge machen kann. im 20 jahrhundert wurden diesen zentralen volksrechte erweitert (zum beispiel auf staatsverträge), verfeinert (zum beispiel beim dringlichkeitsrecht) und die nutzung wurde intensiver.
politikwissenschaftlich spricht man deshalb am besten von einer halbdirekten demokratischen herrschaftsform, im schweizerischen selbstverständnis von einer direkten demokratie, innerhalb des bundesstaates der schweizerischen eidgenossenschaft. damit ist sie einzigartig, – und genau das verschafft mir die ehre, morgen interessierte, russische journalistInnen durch bern führen zu dürften.

bilanz und fragen

wenn ich das morgen nur so schnell vor dem gerechtigkeitsbrunnen hinkriege, das es alle verstehen und behalten können! werde heute abend noch ein wenig üben … und mir noch gedanken machen, ob die einteilung vollständig ist: zwei mängel entdecke ich beim schreiben: das verhältnis von staat, parteien und medien wird zu wenig beleuchtet, gehört aber zum regierungssystem; und die politische kultur kommt zu kurz. doch gerade sie, in der orientierung der demokratie an konkurrenz oder konkordanz interessiert mich morgen wiederum ganz speziell.

der stadtwanderer

man sehe sich auch den nachstehnden kommentar von krusenstern an!

mit euren favoriten unterwegs (februar 2008)

46 andere blogs verweisen auf den “stadtwanderer”. im schweizer ranking trägt mit das den platz 141 unter den blogs ein; weltweit ist der “stadtwanderer” auf rang 170’597.


hoch oben, über dem stadtwanderer in bern (foto: stadtwanderer, anclickbar)

www.slug.ch bleibt der wichtigste “zulieferer” von interessentInnen, dicht gefolgt von “www.google.ch”. beiträge, die ganz oben auf der liste der nachgefragten themen rangieren, sind entweder aktuell, ob auf google weit vorne. nicht immer ist der text entscheidend, bisweilen führt das bild im beitag zu mehr besuchen.
25 meiner gäste waren im vergangen monat mehr als 100 mal auf dem “stadtwanderer”; ganz gerne wüsste ich mehr als nur ihre “ip”. denn das bedeutet, dass man sich im schnitt 3 bis 4 mal einliesst, um neuigkeiten vom “stadtwanderer” zu erfahren; da muss ich kapitulieren: so fleissig bin ich auch nicht!
immerhin, 22 neue beiträge sind im februar 2008 erschienen. hier die aktuelle liste, der themen, die euch in dieser zeit am meisten ansprachen:

1. (longseller, vormals 1)
auch aristoteles wäre für den baldachin gewesen
zirka 1200 direktviews
bern stadt, bahnhofumbau, griechische philosophie

2. (newseller)
die gegenwart der direkten demokratie in der schweiz – ein fortsetzungsblog
zirka 600 direktviews
direkte demokratie, eidg. abstimmung, hochrechnung

3. (longseller, vormals 5)
mit meine favoriten unterwegs (oktober 06)
zirka 540 direktviews
blogosphäre, meine favoriten, linksammlung

4. (longseller, vormals 2)
körpersprache des bundesrates
zirka 500 direktviews
neujahrsfoto 2007, bundesrat, politik

5. (longseller, vormals 5)
meinstein (1): albert einsteins berner jahre
zirka 480 direktviews
albert einstein, stadt bern, geschichte

6. (reseller)
felix austria
zirka 470 direktviews
österreich, botschaft, stadt bern

7. (reseller)
ode ans kopfsteinpflaster (3)
zirka 340 direktviews
kopfsteinpflaster, politologie, stadt bern

8. (newseller)
unmöglicher blgmndybrn macht echte kltrbrchrng möglich
zirka 240 direktviews
bloggerszene bern, monatstreffen,

9. (newseller)
hoffnungsloser versuch, das ewig weibliche im christentum zu rekonstruieren
zirka 220 direktviews
christentum, mutter gottes und gisèle bundchen, fribourg

10. (newseller)
das dilemma der stadtberner fdp
zirka 200 direktviews
gemeinderatswahlen, stadt bern, stefan hügli

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