finale: das letzte mal mit euren favoriten unterwegs

zum letzten mal veröffentliche ich hier die kolumme “mit euren favoriten unterwegs”. es also, wie beim letzten tango …

es sind jene artikel auf meinem blog aufgeführt, die im monat april am meisten angewählt wurden. in der ersten version davon hatte sich leider ein fehler mit der datierung eingeschlichen. hier nun das gültige finale:

1. (longseller, vormals 1)
die kristallisationserlebnisse unserer politikerInnen
zirka 1700 direktviews

2. (newseller)
wir sind viele!
zirka 700 direktviews

3. (longseller, vormals 2)
meinstein (1): albert einsteins berner jahre
zirka 510 direktviews

4. (newseller)
ich kapituliere
zirka 460 direktviews

5. (longseller, vormals 4)
körpersprache des bundesrates
zirka 450 direktviews

6. (longseller, vormals 6)
wörter werden
zirka 370 direktviews

7. (erneut)
die burgunder- und alemannenthese
zirka 365 direktviews

8. (longseller, vormals 7)
falsche geburtstage der schweiz
zirka 360 direktviews

9. (newseller)
schweinereien
zirka 315 direktviews

10. (newseller)
die besten seismographen des politkulturllen wandels
zirka 300 direktviews

es freut mich immer wiedern, wenn es beiträge gibt, die auf grössere ressonanz stossen!

euer stadtwanderer

7 gründe dafür, was häufig gelesen wird

ich habe oft versucht herauszufinden, was die lesefrequenz eines artikels ausmacht. ganz schlüssig bin ich nicht. aber ich habe sieben regeln generiert, die ich zum abschluss meiner ausführungen auf dem alten stadtwanderer gerne zum besten gebe:

erstens, google-ranking stichworte: das ist der olymp. schafft es ein artikel, sich bei google ganz oben zu halten, generiert das alleine besuche.

zweitens, google-ranking bilder: das funktioniert ähnlich wie das stichwort-ranking, doch es funktioniert über populäre bilder, die sich an visuell orientierte google-sucherInnen richtet.

drittens, kommentierte artikel: es gibt besucherInnen, die fast unabhängig vom thema der menge der kommentare zu einem artikel folgen.

viertens, promi-artikel: artikel über prominente ziehen an, stehen aber auch unter grosser konkurrenz.

fünftens, themen, die eine weile im schwang sind: themen, welche die öffentliche debatte eine weile beherrschen führen zu nachfragen.

sechstens, szene-themen: szenen (nicht minderheiten), die sich für etwas interessieren, das in den mainstream medien nicht vorkommt, sind fleissige blog-besucherInnen

siebtens, harte titel: titel, die provozieren oder überraschen, locken immer wieder. doch sie müssen halten, was sie versprechen. sonst bewirken sie auf dauer das gegenteil.

die reihenfolge ist aufzählend, nicht als ranking gedacht. natürlich kann man daraus die guten wie die schlechten schlüsse ziehen.

die schlechten sind, man optimiert jeden quatsch auf dem eigenen blog nach solchen gesichtspunkten. das ist das handwerk der blogmarketing-spezialisten, von denen es ja zwischenzeitlich einige gibt.

die guten lauten: geistesblitze, die man auf seinem blog festgehalten hat, finden so ihr publikum. das ist die eigentliche aufgabe der kommunikation, egal durch welches medium sie befördert wird.

stadtwanderer

hier wird umgebaut

meine sehr verehrten gäste, leserInnen und kommentatorInnen

die zahlreichen belästigungen der letzten tage habe mich bewogen, den bisherigen “stadtwanderer” umzubauen.


bald geglückter umbau des berner bahnhofplatzes als vorbild: auch der stadtwanderer bekommt eine neues gesicht (foto: stadtwanderer, anclickbar)

ich werde den stadtwanderer-blog in den nächsten tagen unter gleicher adresse, aber mit neuer software aufschalten. für sie wird sich nichts ändern, aussere äusserliches. es soll so werden, wie auf dem berner bahnhofplatz: alles neu macht der mai!
die neuerung soll verhindern, dass ich weiterhin massenweise spam erhalte, aber auch kommentare, die ausserhalb des erträglichen für mich und dritte sind, automatisch aufgeschaltet werden.

den “alten” stadtwanderer werde ich voraussichtlich stehen lassen, die kommentarfunktion aber schrittweise abschalten.
auf dem “neuen” stadtwanderer wird es selbstverständlich eine kommentarfunktion geben.
ob ich alle beiträge zügle, weiss ich noch nicht. sie werden aber sicher in der alten form unverändert zugänglich sein, wenn auch vor unliebsamen belästigung geschützt.

ich hoffe, der wechsel klappt reibungslos; wenn nicht, entschuldige ich mich bereits jetzt. es würde mich freuen, sie alle, die etwas konstruktives zum gelingen des “stadtwanderers” beigetragen haben, in veränderter form bei mir begrüssen zu dürfen.

es lebe der neue baldachin, der auch den stadtwanderer schützt!

der alte stadtwanderer

ich kapituliere!

die spamschwemme seit einigen tagen ist unerträglich. ohne dass ich sie stündlich lösche, lässt sie meine comment-box sofort überquellen.
werde mich, statt weiter zu bloggen, nach einer neuen blogware umsehen, die spamdicht ist.
der stadtwanderer ruht bis dann einige tag …
stadtwanderer

schweinereien

“schweinerei” hiess ein besonderes würfelspiel, das ich, am ende meiner studien- oder am anfang meiner berufszeit in den winterferien gerne spielte. und ich habe mich dieser tage unweigerlich wieder daran erinnert.


“schweinerei” – ein unglücksspiel für kleine gesellschaften macht heute im bundesbern furore

das würfelspiel

das spiel war damals ausgesprochen populär: jeder spieler, jede spielerin würfelte mit zwei gummischweinen. ja nachdem, wie sie auf dem tisch zu liegen kamen, gab es punkte. lagen beide schweine auf der gleichen seite, sagte man “sau” und das gab fast nichts. angestrebt wurde die “doppelbacke”, die ganz seltene konstellation nämlich, bei der beide schweine auf der nase und der vorderpfoten zu liegen kamen und den hintern hoch streckten. das gab dann mega viele punkte. würfeln konnte man übrigens solange man wollte, ausser man hatte eine “faule sau”, wobei das eine schwein linksherum, das andere rechtsherum lag. das kostete einem alle punkte, die man noch nicht notiert hatte, und man musste die schweine dem nächsten in der runde weiterreichen. schlimmer war nur noch der “sauhaufen”, der regelmässig ein lautes kreischen unter den spielenden hervorrief, weil beide schweine aufeinander lagen. doch dann musste man alles hergeben, was man im ganzen spiel schon an punkten erworben hatte, womit man der sichere verlierer war.

das politikerspiel

das zwischenzeitlich fast vergessene gegangen würfelspiel für kleine gesellschaften kommt im bundesbern sch(w)einbar wieder in fahrt, – doch diesmal ist es die ganz grosse gesellschaft, die ihren gefallen findet: fulvio pelli, präsident der schweizerischen fdp, bezeichnete vor wochenfrist das verhalten der svp gegenüber frau widmer-schlumpf schlicht und einfach als “schweinerei”, und er verteilte dafür schon mal kräftig minuspunkte. doch blieb die wortwahl nicht bei ihm hängen; sie wurde bloss in den reihen der bürgerlichen tenöre weitergereicht. heute revanchierte sich christoph blocher im berner national an der auns-jahresversammlung, indem auch er von “schweinerei” sprach, als er die absicht der ständerätlichen aussenpolitischen kommission geisselte, in der kommenden volksabstimmung über die verlängerung der personenfreizügigkeit alle hängigen sachfragen in eine abstimmungsvorlage zusammenzupacken. blocher rechtfertigte den gewählten begriff damit, dass der andere habe damit angefangen und die schweinereien damit salonfähig gemacht.

schweinerei? – schweizerei? – oder schweinzerei?

doch was soll man von dieser weiteren verbalen eskalation in der schweizer politik halten? erneut ausrufen? selber fluchen? die faust im sack machen, wie weissnicht meint? oder einfach ignorieren?

ich bin ein wenig ratlos. und deshalb habe ich mein altes würfelspiel “schweinerei” hervorgekramt und nochmals die spielanleitung gelesen. darin steht, es handle sich um ein reines (un)glückspsiel. es eigne sich für männer und frauen, alle altersklassen und gesellschaftsschichten. besonders beliebt es in gruppen, die gemeinsam unterwegs seien und sich so die zeit vertreieben wollten.

das spiel verfolge aber ein pädagogisches ziel. man lerne dabei mit dem risiko umzugehen! das gierige punktesammeln in eigener sache verleite einem dazu, das würfeln immer weiter zu treiben, und die spielsachen nicht an andere weiter zu geben. das berge jedoch unweigerlich die gefahr ins sich, dass es zu einem totalabsturz komme, eben: wenn man einen “sauhaufen “produziere. doch dann werde man zwangsweise aus dem spiel genommen!

dem ist, pädagogisch gesprochen, nichts neues seit dem ende meiner studien- oder dem anfang meiner berufszeit beizufügen …

stadtwanderer

karl der arbeitssame

was hat man ihm nicht alles für eigenschaften angedichtet?

reich und mächstig sei er gewesen.
einen guten diplomaten, aber einen unfähigen feldherr habe er abgegeben.
strebsam und genial erscheint er wieder andern.
gleichzeitig habe er aber übermässig pracht und luxus geliebt, heisst es andernorts.


karl, herzog von burgund, 1433-1477

unkontrolliert und unbeherrscht sei sein handeln gewesen.
rücksichtslosigkeit, ja brutalität habe seinen charakter gekennzeichnet.
schliesslich habe die ungeduld ihn übermannt, und er habe bestätigung in riskanten manövern gesucht.
als jähzornig und tobsüchtig wird er beschrieben,- und depressiv und unrasiert oben drein

“doch was wissen wir von ihm?”, fragt man sich ob der gleichhzeitig schillernden wie auch faszinierenden persönlichkeit?
“eigentlich nichts!”, können wir nur antworten.

nicht einmal über seinen beinamen konnte man sich einigen:

charles the rash, karl den unbedachten, nennen ihn die engländer.
karl der stolze ist er bei den niederländern.
als charles le téméraire gilt er bei den franzosen, als karl der tollkühne.
und unsere patriotischen historiker machten am liebsten gessler II. aus ihm.

sein hofmeister aber, der immer bei ihm war, nannte ihn “le Travaillant”, den arbeitsamen herzog von burgund.

wer weiss, vielleicht hilft das berner kolloquium vom 1. bis 3. mai 2008, die persönlichkeit karls endlich zu enträtseln. ich jedenfalls bin gespannt!

stadtwanderer

karls gebetbuch

zu den präziosen, die karl der kühne bei seiner flucht nach der schlacht von grandson am fluss arnon zurücklassen musste, gehört sein gebetbuch. heute noch werden faksimileausgaben des originals, das bald in bern gezeigt werden wird, auf internet gehandelt.


ein bibliophiles prunkstück, das in meiner bibliothek noch fehlt: das gebetbuch von karl dem kühnen, das er in grandson liegen liess

als zeichen seiner pracht beauftragte karl der kühne, herzog von burgund, den meister lieven van lathem und den schreiber nicolas spierinc, ihm ein gebetbuch für seinen ganz persönlichen gebrauch anzufertigen. dem einzelstück, von vorne bis hinten und rund herum mit gold verziert, kommt eine schlüsselstellung in der geschichte der flämischen buchmalkunst zu.

das buch selber enthält 159 folios oder 318 seiten in der grösse von 12 mal 9 zentimeter. es eröffnet einem den zugang zu 47 miniaturen, die durch 360 initialen im schwungvoll gehaltenen text erweitert werden.

genützt hat es dem herzog allerdings nicht. der fromme karl hat sicher in der nach vom 1. auf den 2. märz 1476 darin gelesen, bevor er sich von den eidgenossen aus dem schloss von grandson locken liess, was für ihn jedoch zur schlachtenfalle wurde.

bis heute ist das original im paul getty museum in los angeles knapp 1000 mal vom luzerner faksimilie verlag repliziert worden. ein kommentarband des kunsthistorikers antoine de schryver ergänzt den kauf, den man sich leisten kann, wenn man in der einkommensklasse der herzöge von burgund lebt.

ausser man findet erneut eine exemplar auf einem schlachtfeld …

stadtwanderer
(auf der suche)

wo die eidgenossen begehrlich wurden

der arnon (l’arnon) entspringt als bach im jura und mündete beim waadtländischen champagne in den neuenburgersee. rechts des flusses liegt grandson, links sind die weinberge von concise. die ebene, durch die der arnon fliesst endet dann an der krete von vaumarcus, die bei la rochelle bis an den see reicht und das gebiet in eine nördliche und eine südlich unterteilt.


ort und denkmal der begegnungsschlacht von grandson (foto: stadtwanderer)

und genau in dieser südlichen kammer kam es am 2. märz 1476 zur schlacht von grandson. karl der kühne, der herzog von burgund, hatte sein sicheres lager im schloss von grandson verlassen und war mit seiner zeltstadt bis an den arnon vorgerückt. die burg vaumarcus liess er besetzen, ebenso die strasse über die krete bei vernez. die eidgenossen ihrerseits hatten sich in bevaix in der nördlichen kammer versammelt und stiess in ihrer minderheit bis zur burg von vaumarcus vor, in ihrer mehrheit wählten sie aber den weg über die krete durch den wald.

das treffen auf dem feld von concise war für beide seiten überraschend. bis heute nennt man es deshalb eine begegnungsschlacht. keine wohlgeordnete überlegung war ihr vorausgegangen, und so musste die gunste des ortes und der stunde entscheiden.


bis heute verschollener goldener burgundischer herzogshut aus der kriegsbeute von grandson

die burgundische reiterei vermochte die eidgenössische vorhut auf dem feld von vaumarcus nicht zu zersprengen, sodass karl den rückzug seiner truppe anordnete. auf einem besseren kampfplatz sollte sie sich neuformieren, um das zusammenspiel von artillerie, kavallerie und infanterie zuzulassen. doch das heikle manöver erfolgte, als das hauptheer der eidgenossen, das noch gar nicht sichtbar war, unter lautem getöse, in concise eintraf.

nun kam unter den burgundern panik auf, und sie flohen so schnell wie möglich. die eidgenossen, stark in der infanterie, aber praktisch ohne kavallerie, hatten nicht genügend schnelle truppen, um die verfolgung der flüchtenden effektiv aufzunehmen.

so rückten die eidgenossen bis an den arnon vor, stürmten das lager des herzogs, das er nur unvollständig hatte räumen können.

den eidgnossen fiel schon auf dem schlachtfeld praktisch die gesamte artillerie der burgunder in die hände. darunter waren mehr als 400 feldschlangen und 800 hakenbüchsen sowie 300 tonnen schiesspulver. am arnon aber, im lager der burgunder selber, erbeutete man den mit perlen verzierten herzogshut, das prunkschwert von karl dem zu kühnen, seinen goldenen herrscherstuhl, sein goldenes siegel, sein goldenes reliquienkästchen und seine ganzen diamanten. auch sein eigenes gebetsbuch hatte er im lager zurückgelassen, genauso wie die wertvollen tapisserien und marketenderinnen, welche die schlafgemächer je auf ihre art schmückten.


das feld zwischen champagne und grandson, wo karl der kühne sein lager hatte, fotografiert von der brücke über den arnon aus (foto: stadtwanderer)

die eidgenossen haben am 2. märz 1476 auf dem feld von concise den mächtigsten und reichsten fürsten seiner zeit militärisch überrumpelt, und sie wurden an diesem tag auf den wiesen hinter dem arnon reich.

eigentlich nichts erinnert einem an ort und stelle an den moment, der die braven puuren zu begehrlichen eidgenossen machte.

stadtwanderer

gehdenke!

stadtwandern ist gar nichts für denk- und wanderfaule!

es ist die lust, aus dem was wir täglich an strassen, plätzen und höusern sehen, wenn wir in einer tadt sind, eine geschichte zu machen. geschichten zu ecken, winkeln und gassen zu erfahren, um einen eindruck des urbanen lebens zu bekommen, so wie es einmal war, wie es heute ist, und wie es dereinst sein wird.


ein wenig wehmut befällt mich, wenn ich mich an den berner “koplos” zurück erinnere, den antihelden der stadtwanderer

es ist die kunst, vermeintlich banales alltags- und gescheites bücherwissen zu verknüpfen, scheinbar langweilige strassenschilder und überschüssige fantasien zu kombinieren resp. sichtbare stadtgrundrisse und verdeckte herrschaftsverhältnisse in verbindung zu bringen.

stadtwandern ist eine aktive form des gehens und des denkens gleichzeitig, eben: eine art des gehdenkens!

stadtwanderer

ps:
das sind mein festgebuchten touren:
. am 30. mai 2008, veranstaltet durch iri.europa, mit einer gruppe koreanischer demokratiefreunde, hoffentlich nicht auf koreanisch …
. am 28. august 2008, durch eine nicht genannt sein wollende organisation vorbereitet, deren mitglieder überrascht werden sollen,
. am 4. dezember 2008, veranstaltet vom kpm der uni bern, für die weiterbildung von chefbeamtInnen der verwaltungen
weitere könnten folgen, interessentInnen melden sich bitte bei mir !

im banne der burgunderkriege

die grosse burgunderausstellung im berner historischen museum kündigt sich an. es soll die grösste und beste ihrer art über karl den kühnen werden. und so steigt auch die mediale nachfrage nach beiträgen, welche auf die ereignisse, die figuren und die gegenstände der exposition vorbereiten.


katalog der ausstellung, die am 24. april 2008 in bern beginnt

und siehe da, der stadtwanderer wird involviert. anne-käthi zweidler, redaktorin bei radio drs, fleissige stadtwanderer-leserin, unter anderem auch über meine schlachtfeldbegehungen, will von mir die rezeptionsgeschichte der burgunderkriege erklärt haben. und so erzähle frisch von der leber weg das, was ich auf dem stadtwanderer zur verarbeitung der burgunderkriege auf meinem blog längst verbrochen habe.

burgund ist …

unser off-the-record gespräch nach dem inti führt uns rasch mitten in die tiefen der burgundischen einflüsse auf das gebiet der schweiz. die alten königreiche aus der völkerwanderung leben vor unserem geistigen auge nochmals auf. gundobad und sigismund, die beiden könige aus der ersten burgunderreich im 5. und 6. jahrhundert werden zum leben erweckt, nicht zuletzt wegen ihrer bedeutung für die christianisierung der burgunder resp. der gründung des burgundischen hausklosters st. maurice. auch der burgundische zweig der welfen-sippe kommt in unserem gespräch vor, als wir uns das zweite burgundische königreich im 10. jahrhundert in all seinen verästelungen vergegenwärtigen. rudolf und berta, selbstverständlich, werden erwähnt, – und wieder geht adelheid, ihre tochter und kaiserin, fast ganz vergessen. denn schnell kommen wir auf das ende des burgunderreiches, zu sprechen, das ganz im heiligen römischen reich resp. unter den französischen könige aufgeht.

burgund und bern, bern und eidgenossenschft

karl der kühne, letzter im mannesstamm aus dem geschlecht der valois-bourgogne, die das herzogtum burgund im 15. jahrhundert soweit vergrösserten, bis man sich zu den reichsten fürsten in europa zählen konnte, kommt uns da gerade recht. nur 10 jahre war er herzog, doch sein grosses ziel war die gründund des dritten burgunderreiches, nun nicht mehr nur im erweiterten rhonetal, sondern als verbindung von rhein, rhone und po. das sollte halb europa durcheinander bringen. der grosse strategie karl sammelt die wichtigen seiner zeit, um nicht nur seinen besitz und seine macht zu mehren, sondern auch seine ehre. was sich auf dem diplomatischen parkett gut anläst, gerät auf dem schlachtfeld jedoch zum fiasco. schliesslich stirbt karl den tod des schlachtenverlierers.

adrian von bubenberg, in unserer kollektiven erinnerung karls gegenspieler, kann da nicht fehlen. doch muss man ihn vorsichtiger beurteilen, als dass in der retrospektive normalerweise geschieht. verheiratet mit der burgunderin jeanne de la sarraz versteht er sich durchaus als angehöriger der burgunderpartei. karl, sein jugendfreund, steht ihm kulturell wohl näher als die bürgerliche familie diesbach in bern, die im tuchhandel reich geworden und in den städtischen adelsstand aufgestiegen ist. den krieg, den von diesbach gegen burgund anzettelte, trugt der ritter von spiez adrian von bubenberg nicht mit. erst als der eidgenössische kriegstreiber von diesbach den frühen tod aufgrund einer kampfverletzung erlitt, besann sich adrian eines anderen, und war er dabei, den angefangenen burgunderkrieges erfolgreich zu beenden. sein ruhm unter den zeitgenossen währte nicht lange. bald nach dem schlachtensieg in murten stirb er, vermutlich an der pest und seine familie geht wirtschaftlich ganz zu grunde.

burgund und die longchamps und die eidgenossenschaft

warum mich das so bewegt, will meine gesprächspartner wissen? sie sei begeistert von meinen ausführungen, doch merke sie auch parteinahme für die burgunder. karl sei doch nach gessler der böswicht der schweizer geschichte!

ja, ich bin partei, gebe ich zu. denn auf in meinen recherchen zur herkunft meiner familie bin ich auf erstaunliches gestossen. meine vorfahren lebten in echallens, in den zeiten vor den burgunderkriegen dem brugundischen grafen von chalons gehörend. das städtchen am strategisch wichtigen verkehrsknotenpunkt wurde von bernerndem erdboden gleich gemacht, in den 1480er jahren jedoch von den bernern und freiburgern als gemeinsam verwaltete vogtei wieder aufgebaut.

1531 nach der schlacht von kappel, als die katholische landpartei die reformierte stadtpartei in der eidgenossenschaft besiegte, diktierten sie im friedensvertrag, dass die untertanen in den gemeinen herrschaften ihre konfessionszugehörigkeit wählen dürfen. meine treuen burgunderuntertanen hielten trotz neuer berner und freiburger obrigkeit fest zum bischof von lausanne und bleiben katholisch. der rest der waadt, das weiss man, wurde 1536 flächendeckend reformiert.

meine vorfahren profitierten wohl dennoch von den bernern und ihren entsumpfungsprogrammen in der waadt. statt sich im soldwesen töten zu lassen, blieb man jetzt zu hause und entwässerte man das eigene land, das einem dann gehörte. malapalud, der schlechte sumpf!, ist bis heute unser heimatort. und der lag auf dem langen feld ausserhalb echallens, eben dort, wie die longchamps hinzogen.

genauso wie die burgunderkriege von 1476 eine schwelle vom spätmittelalter zu neuzeit, von burgundischen zu eidgenössischen einflüssen darstellen, ist meine familie aus burgundischem hintergrund vor knapp 500 jahren eidgenössisch geworden. natürlich ist von den burgundisch-katholischen wurzeln nicht mehr viel zu merken, so wie ich im 21. jahrhundert lebe. aber die erinnungen kommt halt immer wieder hoch, wenn die burgunderkrieg mich und andere in ihren bann ziehen!

stadtwanderer

der friede von compoformio

reprise wegen spam-belastungen der alten version

“prof. gantenbein” ist eines der schrägsten antiquariate in bern. es liegt in der postgasse, und es hat ein viel beachtetes schaufenster. diesen herbst stellte sein besitzer kurzfristig eine schöne büste von napoléon aus, die der stadtwanderer flugs dokumentiert hat.


vpn prof. gantenbein ausgegraben und vom stadtwanderer interpretiert: napoléon in bern – ein anlass über seine schweizer reise von november 1797 zu berichten

napoléon: die unperson der berner geschichte

gefährlich!, rief ich, als ich napoléons büste in bern sah. denn kaum jemand gilt in “bern” so als unperson, wie der französische general, der bis zum “kaiser der franzosen” aufstieg. bis heute heisst seine intervention in bern im frühling 1798 selbst im sonst so neutralen historischen lexikon der schweiz “franzoseneinfall”. dass damals die “helvetische revolution” angeschoben wurde, die in mehreren anläufen zum heutigen bundesstaat führte, ist für reaktionäre, konservative und alteingesessene bern bis heute ein ärgernis. porträtiert wird dieses ärgernis im voluminösen vierten band von richard fellers berner geschichte. einer der höhepunkte in der lektüre setzt auf seite 297 ein; das kapitel heisst schon vielsagend “der anschlag auf die schweiz”. dabei wird napoléons erkundungsreise durch die schweiz, die vom 22. bis 24. november 1797 dauerte, trefflichst geschildert, sodass ich das in einer mehrteiligen serie vom 22. bis 24. novmeber 2006 niemandem vorenthalten möchte, – wenn auch mit den nötigen kommentaren aus heutiger sicht versehen!

der friede von campo formio

die französische revolution von 1789 führte zum sturz der monarchie in frankreich. darauf eröffneten die anderen monarchien den ersten koalitionskrieg, der von 1792 bis 1797 dauerte. am ende hatte sich das revolutionäre frankreich dank napoléons militärischen erfolgen in oberitalien durchgesetzt. besiegelt wurde der friede zwischen frankreich und österreich, welches das untergehende heilige römische reich deutscher nation repräsentierte, am 17. november 1797 im oberitalienischen campo formio. die lombardei kam zu frankreich, während österreich die von frankreich geplünderte republik venedig erhielt. frankreich bestimmte zudem den rhein als neue grenze zwischen der revolution und der reaktion.

damit kam fast das ganze gebiet der schweiz ins französische gravitationsfeld. das gilt für das fürstbistum basel, das noch zum reich gehörte, genauso wie für das fricktal. es trifft aber auch auf die gebiete zu, die direkt zur 13örtigen eidgenossenschaft zählten und seit 1648 reichsunabhängig waren. die kontrahenten regelten diese “details” geheimen anhang zum friedensvertrag.

die nachverhandlung der details: bern oder rastatt?

kaiser franz II. versuchte zu retten, was noch zu retten war. die friedensverhandlungen zu den “details” hätte er am liebsten in bern durchführen wollen. das wäre zwar in französischem einflussgebiet gewesen, doch es hätte gezeigt, dass das reich hier unverändert zugang gehabt hätte. es hätte wohl auch eine militärische intervention in der alten eidgenossenschaft erschwert oder verhindert.

der kriegssieger napoléon wehrte dieses ansinnen rundweg ab. niklaus friedrich von steiger, der regierende schultheiss von bern, war für ihn der inbegriff der alten aristokratie, die mit der revolution weggefegt worden war. lieber hätte er ihn gestürzt, als unter seinem schutz mit dem kaiser zu verhandeln. so einigte man sich auf rastatt nördlich basel als tagungsort.

napoléon, der sich in oberitalien aufhielt, musste also trotz seines sieges in der standortfrage so schnell wie möglich nach norden. eine reise durch die die eidgenossenschaft, ja durch bern, schien unvermeidlich. er tat dies auch tatsächlich, und nutzte die durchfahrt per kutsche, um die schweiz in den letzten novembertagen des jahres 1797 zu inspizieren.

die folgen der reise

als er sich in rastatt seiner sache sicher war, löste napoléon die helvetische revolion aus! keine volksbewegung von unten war das, sondern ein sturz von oben. die untertanen in der waadt standen im beiseite, und die basler patrioten, die der revolution anhingen und 1795 den frieden von basel mit preussen für frankreich vermittelt hatten, unterstützten napoléon auch. das gegenstück dazu war die alte republik bern, der grösste und reichste stadtstaat nördlich der alpen. sukkurs erhielt das protestantische bern von der katholischen innerschweiz, die sich nichts von den revolutionären truppen aus dem fernen paris versprach. sie trauerten dem gestürzten könig nach, der den söldnern arbeit und den landaristokraten einkommen brachte.

wie napoléon durch die schweiz reiste, was er in bern machte, und was die reaktionen der bürger in genf, lausanne, bern, solothurn oder basel über ihre gesinnung bis heute verraten, das erzähle ich ab morgen.

stadtwanderer

teil 2 der serie: napoléon in der schweiz
teil 3 der serie: napoléon in der schweiz
teil 4 der serie: napoléon in der schweiz

nettikette

nun ist es also soweit: in bern trainiert man, speziell nett zu sein. die etikette soll stimmen, wenn die euro-fans kommmen werden.


die ersten sekunden einer begegnung – begrüssungen genannt – entscheiden …

das ist gut so! 19 firmen und organisationen trainieren ab heute den ernstfall euro 08. eingeladen wurden sie von bern tourismus. zielgruppen sind die holländerInnen (“Hup Holland”), die franzosen/französinnen (“Allez, les bleus”), die italienerInnen (“Forza Italia”) und die rumänInnen (“Haide Romania”). ihnen sollen, so bern tourismus, die menschen an der stadt-front korrekt begegnen, sie sollen ihren charakter kennen, und sie sollen in extremsituationen richtig reagieren können.

«Holländer mögen Spass und Witz, Franzosen bringen Brass-Band und lebendigen Hahn mit, Italiener reisen in kleinen Freundesgruppen an, und die Fans aus Rumänien sind eher gebildet und vermögend, weil eine Schweiz-Reise für Rumänen teuer ist», das uns einiges mehr entnehme ich den heutigen berner zeitungen.

doch bleibt meine bange frage: was wäre besser noch?

warum nicht immer solche kurse? die euro wird man danach beurteilen, was für nachhaltige entwicklungen sie in bern und über die stadt hinaus ausgelöst hat.

warum also, werden die leute an der gästefront nicht dauerhaft ausgebildet?

und warum, so füge ich bei, soll man zu den menschen, die hier leben – seien sie bernerInnen, schweizerInnen oder ausländerInnen – nicht auch eine speziell korrekte inner- und interkulturelle nettikette führen?

antworten von bern tourismus erwünscht!

stadtwanderer

schlachtfeldbegehungen anderer art

alles begann in thun. ich hielt da mal einen vortrag. am fulehung, über die burgunderkriege. und dafür verwendete ich unter anderem karten aus einer schrift, die ich im museum murten über die eben diese burgunderkriege gekauft hatte. das ganze wiederum machte ich auf internet zugänglich.


kundiger studienleiter hans rudolf fuhrer, historiker an der ethz, und seine gäste (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

die kleine kontroverse

dann meldete sich der autor der publikation, leicht erstaunt, weil ohne zu fragen ich seine grafiken verwendet hatte. ich antworte, ich hätte sie ordnungsgemäss zitiert. doch er lässt nicht locker, insistiert. er habe das material für seine militärischen kurse entwickelt, und er setze sie öffentlich nur für seine führungen im gelände ein.

führungen? im gelände? toll! ich schlage vor, zur wiedergutmachung an einer solchen führung teilzunehmen und darüber zu berichten. mein gegenüber, sichtlich interessiert, willigt ein, und schlägt seinerseits vor, an einer studienreise der gms teilzunehmen und im mitgliederorgan darüber zu schreiben.

gms? ich bin ein wenig überfordert und erkundige mich nun meinerseits auf internet: gesellschaft für militärhistorische studienreisen, eine marktnische zwischen tourismus und geschichte. auf was habe ich mich da nur eingelassen?!


geschichte im modell und in natura, das konzept der heutigen studiereise (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

die studienreise

heute war es nun soweit. hans rudolf fuhrer, der autor, mit dem ich nun in verbindung stan, privatdozent für militärgeschichte an der eth zürich, war unser reiseleiter. knapp dreissig mitglieder waren mit ihm und dem car im dreiseengebiet unterwegs. zuerst in grandson, genau concise, wo die erste burgunderschlacht auf heute schweizerischem boden stattfand, und dann in murten, dem ort der zweiten schlacht.

ich will es direkt sagen: ich habe heute einen guten didakten unter den historikern kennen gelernt, der klar strukturiert seinen stoff präsentiert hat, der präzise argumentiert hat und ohne jeden schischi die schlachten, ihren hergang, ihren ursprung und ihre folgen erzählt hat. besonders geschätzt habe ich, dass er zwischendurch auch grundsätzlich wurde, den europäischen kontext aufzeigte und über macht, besitz und ehre als weltliche werte, aber auch gehorsam, armut und gelöbnis als klösterliche gegenstücke philosophierte.

natürlich haben mir die wanderungen vor ort am besten gefallen. in concise wurde einem besonders bewusst, warum das gerade für die geschichte so wichtig ist. aus den quellen weiss man wenig über die schlacht. aber man kennt den ort des geschehens und kann nur schon aus der topographie erschliessen, was hier möglich war und was nicht. die quellenbelege erhalten so fast von alleine eine natürliche interpretation, die einem das nichtgeschriebene sinnlich erschliesst und ganzheitlich verbindet.

der schluss der eintägigen veranstaltung war auf dem bois domingue bei murten, dort wo karl der kühne, der grosse verlieren der burgunderkriege mit den eidgenossen, sein zelt aufgeschlagen hatte. das wort “feldherrenhügel” ergibt sich einem da von selbst: man sieht hinunter auf die stadt murten, die mal rundum belagert war. man erspäht den grünhag auf dem schlachtfeld. und man kann fast schon mitfühlen, wie es karl dem kühnen zu mute gewesen sein muss, als er die seinen flüchten sah und die österreichische ritter, die auf seiten der eidgenossen kämpften, seinen bois domingue ihrerseits einkreisten.


der feldherr und seine aussichten (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

meine bilanz

ich habe es geschätzt, dass die traditionelle militärgeschichte heute diskret behandelt wurde, dass es keine patriotischen reden gab und dass sich unser studienleiter auf das wissenschaftlich haltbare an den geschichten hielt. diese wiederum schmückte er durch durch zahlreich kulturgeschichtliche erläuterungen aus, welche nicht jedem der teilnehmenden klar waren.

wie zum beispiel jenen eigenheiten der sozialverhaltens bei mittelalterlichen schlachten, die toten durch die einheimische bevölkerung entkleiden zu lassen und in massengräbern zu beerdigen. an den kriegern wiederum war es, drei tage und nächte auf dem schlachtfeld zu verharren, nicht nur um zu plündern und allen zu zeigen, wer der sieger war, sondern auch, um den abgang der seelen der toten aus den verstorbenen abzuwarten.

stadtwanderer

wir sind viele!

“wir sind viele?” das war die zentrale botschaft der heutigen sympathie-kundgebung für bundesrätin eveline widmer-schlumpf, eine eigentlich republikanischen manifestation der verschiedensten gesinnungen.


“so nicht!”, motto, das das volk auf dem bundesplatz einte

die mitteilungen

mindestens wenn man die kurzfristig aufgestellte infrastruktur als massstab nimmt, müssen die organisatorinen aus der alliance f mit deutlicher weniger teilnehmenden gerechnet haben. mikros und lautsprecher waren nämlich völlig ungenügend, um die mehrere tausned menschen, die sich trotz strömendem regen in bern versammelt haben, akustisch zu erreichen.

wer mitten auf dem platz stand, höre die stimmen auf den kleinen bühne genauso wenig, wie er oder sie die rednerInnen sehen könnte. doch hörte man das periodische klatschen, dass sich von den bühnennahe menschen wie eine lola über den ganzen bundesplatz bis in die seitengassen ausbreitete. am lautesten war es wohl, als judith stamm, alt-nationalrätin und selber einmal bundesratskandidatin klar und deutlich sagte: “es gilt, die wahl zu akzeptieren, ohne wenn und aber!”.

ansonsten verstand man heute vor allem die sprache der vielen körper. von regenschirmen gedeckt, in regenmäntel eingehüllt, von dicken pullovern in allen farben gewärmt, kommunizerten sie gemeinsam: “so nicht!”. gemeint waren die anmassungen der letzten tage, die mobilisiert hatten. eveline widmer-schlumpf erhielt, viel persönlich gemeinten zuspruch, “das” durchzustehen. eingie der mitgebrachten transparente waren politischer und hegten offenen zweifel an der demokratischen gesinnung des gegners.

die mitteilenden

am anfang erschrak man noch, als ballone in allen partei- und lebensfarben im gedrängte krachten. angst, es könnte scharfmacher in der masse haben, schwang mit. doch dann wurde klar: das publikum, das aufmarschiert war, war ausgesprochen friedlich, sodass die polizei, rund um den platz aufgestellt, soweit feststellbar nicht eingreifen musste.

“gottseidank”, dürften sich alle auf dem bundesplatz gesagt haben. einige der anwesenden waren es gewohnt, an politischen demonstrationen anwesend zu sein. zu ihnen zählten bekannte parlamentarierInnen auf bundes- und kantonsstufe, und auch einige mitglieder von heutigen und früheren städtischen exekutiven wurden persönlich gesichtet. für die meisten der heutigen kundgebungsteilnehmerInnen war das erlebnis indessen wohl weniger vertraut: junge frauen, die selbstbewusst, aber unpolitisch auftraten, standen neben landleute, die vom leben gebückt in ihrem hohen alter einfach da standen, und gemeinsam republikanischen geist gegen machtansprüche aller art verkörperten.

höhepunkt war ohne zweifel, als sie, die neue bundesrätin selber auf den platz kam, und sich, in ihrer direkten, menschlichen art für die sympathie und unterstützung bedankte.

was bleibt

das publikum an der heutigen grossdemonstration war ausgesprochen gemischt, um wohl eines ausdrücken: wir sind viel, die im regen standen, um frau widmer-schlumpf und die demokratie nicht im regen stehen zu lassen!

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die frau bewegt ! doch trägt die bewegung auch die regierungsfrau?

auch der heutige tag war bewegt: fast alles drehte sich um die frage, ob frau widmer-schlumpf aus der svp ausgeschlossen oder wenigstens in der svp graubünden bleiben solle. man möchte wissen, wie man ohne gesamtschweizerische partei im bundesrat regieren kann, und kommt schon mal zur antwort: nur dank einer überparteilichen bewegung, die morgen entstehen könnte.


die geburt einer bundesrätin aus einer volksbewegung – funktioniert das heute und morgen?

die lage in graubünden

in den morgenstunden gab sich die interimistisch amtenden parteispitze selbstsicher. sie verkündete, das traktandum “ausschluss” schon behandelt zu haben und keine grund zu sehen, auf den negativen ausschluss zurück zu kommen. später registrierte man auf diversen online-seiten von tageszeitungen eine etwas gemässigtere leseweise; die eindeutige haltung der geschäftsleitung widerspiegle nicht ganz die meinung an der basis, hiess es jetzt. etwa 60 prozent stünden auf der liberalen, wohl 40 prozent auf der konservativen seite. bei einem rekurs gegen den gl-entscheid werde die delegiertenversammlung abschliessend entscheiden.

in felsberg, der wohngemeinde von widmer-schlumpf, rüstete man den ganzen tag auf die kundgebung vom abend. man will zeigen, dass man hinter der bundesrätin steht, und man hält die spaltung der kantonalpartei für unvermeidlich. in der umgebung umfeld der magistratin sind die verletzungen zu tief, um noch zurück zu können.

5000 briefe soll die bundesrätin in den letzten tagen erhalten haben, die sie ermunterten, das schlimme durchzustehen. 100’000 signaturen sollen es auf den website, die protestnoten gegen die rücktrittsforderungen aus der landesregierung zum unterzeichnen anbieten, bis heute abend gewesen sein. dies obwohl man vorübergehend beklagte, von hakern gestört oder ausser betrieb gesetzt worden zu sein, selbst wenn dies nicht so sicher ist.

die lage in bern

das alles zeigt, wie angespannt-ruhig die lage vor dem entscheidungstag ist. alles fragen sich, wie gross der aufmarsch vor dem bundeshaus sein wird: 1000? 5000? oder gar 10’000? und man diskutiert, was morgen alles geschehen kann: gibt es eine friedliche sympathiekundgebung, wie es die organisatorinnen wollen? kommt es am anlass zu provokationen von hüben und drüben, wie es in der jetzigen situation nicht ausgeschlossen werden kann? bleibt die polizei herrin der lage, wenn das unverhoffte geschieht?

sicher ist nur eins: morgen braucht es harte nerven! 100 tage im amt und bald schon aus der mutterpartei ausgeschlossen, ist die vorläufige bilanz für eveline widmer-schlumpf. schwierig ohne eigene fraktion zu politisieren, wird sich die bundesrätin an ihre eigenen worte erinnern, um wohl beizufügen: noch schwieriger, ohne schweizerische partei in bern politisieren zu müssen. da kann man ihr nur eines wünschen, nämlich, dass sie morgen beeindruckt, das bad in der menge reell oder idell sie stärkt und sie mit dieser kraft die nächsten jahre selbst gegen erbitterten widerstand regieren kann.

die morgige herausforderung

ohne zweifel: frau widmer-schlumpf bewegt die gemüter. die frage für morgen ist, ob diese bewegung frau widmer-schlumpf soweit tragen wird, dass sie das angetretene regierungsamt auch kraftvoll ausüben kann.

stadtwanderer

anheizen

thema des tages war ohne zweifel das inserat, das alt.bundesrat rudolf friedrich (fdp) schalten lässt. es löste eine reihe von reaktionen und aktion aus, die ich hier kurz zusammenfasse.


das inserat sorgte heute für heissen gesprächsstoff

“Wehret den Anfängen!”, steht über dem halbseitigen inserat, das am mittwoch und donnerstag in zahlreichen zeitungen erscheint, und auch auf internet mehrfach geschaltet wurde. kritisiert wird darin das ultimatum der svp und den versuch, eine rechtmässig gewählte bundesrätin per parteibeschluss zum rücktritt zwingen zu wollen, was diktatorisch anmute. vorläufiger tiefpunkt der kampange, so friedrichs text, bilde die drohung mit einem anschlag auf die bundesrätin und die zunft, die sie ans zürcher sechseläuten eingeladen hatte. «Das erinnert an allerlei üble Vorbilder», heisst es in dem inserat.

prompt reagiert hat die svp. sie fordert friedrich und eine sekundanten zum wortduell heraus. vorne für die svp werde christoph blocher stehen, hinter parteipräsident toni brunner. friedrich reagierte gesprächsbereit, sodass wir mit einem showdown zwischen zwei alt-justizministern über die heutige justizministerin rechnen können.

bei den frauen war man heute für direkte unterstützung von eveline widmer-schlumpf besorgt. mehr als 50000 protestnoten wurden bis heute abend auf der website von alliance f unterzeichnet. weniger glück scheint die spezialwebsite “www.forza-eveline.ch” gehabt zu haben. auch sie sammelte unterschriften zugunsten der angegriffenen justizministerin, wurde aber, wie sie schreibt, im verlaufe des tages durch eine professionelle hackerattacke ausser betrieb gesetzt.

zur sprache kam das thema auch in der wochensitzung des bundesrats. sprecher oswald sigg fasst das so zusammen: «Selbstverständlich hat es der Bundesrat mit Freude zur Kenntnis genommen, dass ein demokratisch gewähltes Mitglied und damit auch die Institution Bundesrat derartig unterstützt wird.»

und ich sage dem so: die männer-tenöre der parteien rüsten zum direktkampf, die frauenchöre sind mit direktunterstützung für eveline beschäftigt, und der bundesrat steht wieder direkt im zentrum der angeheizten aufmerksamkeit!

für morgen sind übrigens neue inserate und weitere aktionen angekündigt, sodass ich raschestens schlafen gehen muss

stadtwanderer

samhain – keltischer jahreswechsel

reprise wegen spam-belastungen der alten version

der halloween-boom sei schon wieder vorbei, hört man aus der geschäftswelt. doch wer solches sagt, hat nicht verstanden, worum es in diesen tagen geht. ein historisch-politischer klärungsversuch!


die rückkehr der vorfahren in allen geliebten und ungeliebten formen: selbst im bahnhof bern findet sich dieser tage, in einem schaufenster, eine kleine hexe (fotos: stadtwanderer)

rückblick auf den politischen wechsel

noch nie hat mich der spätherbst so begeistert wie dieser. ich war, wann immer ich konnte, ausser haus, spazieren, fötelen, erkunden und flanieren. das tat mir ausnehmend gut! und ich trifft auch andere, die flanieren, erkunden, fötelen, spazieren und ausser haus sind!

zum beispiel den grünen regierungsrat auf der plattform. bernhard pulver, wie es sich für ein exekutivmitglieder gehört, in feinem grau mit blauem hemd und blauer kravatte gekleidert, entschuldigte sich schon fast, als ich ihn gestern zufällig beim sünnele traf. eine sitzung sei unerwartet kürzer gewesen, und das hätte anlass gegeben für eine kleines sonnenbad, – draussen auf der alten promenade des patriziates und der heutigen jungen. wir haben uns anregend unterhalten: eine erste kleine bilanz wurde gemacht, zur neuen rot-grünen regierung, – die ich jetzt aber ganz schnell für mich behalte. wir wollen ja nicht politisieren.

keltische feiertage

dass wir bilanziert haben, ist dieser tage nicht zufällig. Denn auf seine art geht heute ein jahr zu ende. das keltische jahr.
der zyklus mit den vier jahreszeiten ist in unseren breitengraden von 2000-2500 jahren eingeführt worden. und er bestimmt, in verwandelter form, auch heute noch unseren rhythmus durch die zeit.

aus der keltischen kultur sind vier grosse wendetage bekannt: imbolc, beltane, lugnasad und samhain. sie markierten den wechsel der jahrezeiten. sie waren in einem bestimmten, 40tätigen abstand von den tages- und nachtgleichen resp. dem längsten und kürzesten tag entfernt, die als yule, ostare, litha und mabon gefeiert wurden.

geblieben sind bis heute die vier wenden in den jahreszeiten, während die vier höchsten keltischen feste in der christlichen kultur als heidnisch abgetan und entwertet wurden: doch verschwunden sind sie nicht: imbolc ist mariä lichtmess, beltane walpurgisnacht, lugnasad mariä himmerfahrt, und samhain allerseele/allerheiligen.

geändert hat sich auch das verständnis von tag und nacht. der heutige tag hat 24 stunden, und er beinhaltet tag und nacht. der tag selber beginnt mitten in der nacht. keltisch ist das sicher nicht mehr, denn der tag und die nacht waren geschieden, durch licht und schatten bestimmt, und die nacht ging dem tag voraus. Denn in ihr schöpft man die kraft, um den folgenden tag zu bestehen.

keltischer jahreswechsel

samhain ist der wechsel des keltischen jahres. und bei dem ging der winter dem frühling, der frühling dem sommer, und der sommer dem herbst voraus, – und zwar in dieser abfolge. auch das hat mit dem keltischen bewusstsein zu tun, das sich an der wiedergeburt der vorfahren orientierte. diese kehrten im winter wieder zu ihren nachfahren zurück, während die nachfahren wiederum mit ihren verstorbenen zusammen lebten, um ihrerseits kraft zu schöpfen, die dann im frühling die natur von neuem beleben sollte.

die rückkehr der vorfahren war für die kelten nicht nur ein gedankenspiel. es war realität, denn der tod und das leben waren näher beieinander. aufbewahrt wurden von den vorfahren ihre schädel, dem sitz des lebens nach keltischem bewusstsein, während der körper mit dem herz und den weichteilen weniger wertvoll erschien. und diese schädel wurde im herbst auf die felder gebracht, um sie mit der kraft der alten zu erfüllen, die bis zur nächsten ernte das leben speisen sollte.

christliche überformungen …

das hat sich bis heute erhalten, in der stadt und auf dem land: nur sind es kürbisköpfe, die man ausstellt. doch sie werden eingeschnitzt, meist mit einem gesicht nachempfunden, – letztlich an einen schädel erinnernd! dieser brauch ist eher neueren datums: er ist mit halloween populär geworden, und er stammt aus den usa. und genau das schliesst den bogen: denn in die neue welt sind unter anderem keltische nachfahren aus irland, wo sich die traditionellen keltischen bräuche am besten erhalten haben, ausgewandert, haben die kultur fortgesetzt, wenn auch in veränderter form. und von hier ist sie als halloween-boom wieder nach europa gekommen.

alle christlichen versuche, die keltisch-heidnischen feiertage auszurotten, sind also gescheitert. sie sind nur mehr oder minder überformt worden. die hexen und hexer, die gefährlichen weiber und gruseligen männer kehren mit schöner regelmässigkeit ende april resp. ende oktober zurück. ermattet von den erfolglosen bemühungen der christianisierung haben die karolinger im 9. jahrhundert aus samhain, dem tag der verstorbenen keltischen vorfahren, den christlichen gedenktag allerseelen und allerheiligen gemacht.

das ist heute und morgen, – und der keltische jahreswechsel … bei dem man schon mal über die rot-grüne regierung in bern bilanz ziehen darf, die ja an den osterwahlen neu bestimmt worden ist. doch davon mehr in gut drei jahren, keltisch gesehen ein nichts!

stadtwanderer

der entscheidungstag

der 11. april wird vieles in der schweizerischen regierungspolitik entscheiden:

. bundesrätin eveline widmer-schlumpf hält ihre pressekonferenz nach 100 tagen im amt ab.
. gleichentags läuft das ultimatum ihrer partei, der svp, an sie ab, aus dem bundesrat und der partei auszutreten.
. und auf dem bundesplatz wird für den verbleib von frau widmer in der landesregierung mobilisiert.


aufruf zur tat! flyer der alliance f für den entscheidungstag.

ohne zweifel, das wir ein wichtiger moment in der turbulenten geschichte werden. denn frau widmer-schlumpf hat bereits angekündigt, bleiben zu wollen, im bundesrat sowieso und in der partei auch. damit hat sie auf das ultimatum reagiert, und den ball zurückgegeben!

zu hoffen ist, dass es ihr an diesem tag gelingt, auch ihre programmatische arbeit als neue justizministerin vorzustellen, und damit auch in inhaltliches profil zu bekommen. das wäre dann ihr beitrag zur versachlichung der debatte. vielleicht würde man da auch besser sehen, wie stark sie mit der linie des bundesrates und der der svp übereinstimmt.

sicher wird auch die svp, momentan ebenso unter medialem druck wie ihre bundesrätin unter politischem druck, an diesem tag reagieren. ich habe auf dem stadtwanderer schon mal der hoffnung ausdruck gegeben, es möge von der svp aus bewegung in die sache kommen, damit das äusserst vermieden werden kann. was die partei anbelangt, ist es ihre sache. was den bundesrat angeht, ist die ultimatum eine provokation.

wenn der konflikt am 11. april eskalieren sollte, bleibt wohl nur der druck der strasse. einen hauch von volksbewegung kündigt schon mal die alliance f an. der dachverband der frauenorganisation ist dabei, eine sympathiekundgebung zugunsten der frauen in der landesregierung, stellvertretend für die frauen in der politik aufzubauen. sie soll die antwort an die svp werden, wenn sie bei ihrer totalen kampfansage bleibt.

ich werde schauen, dass ich die verschiedenen arenen des entscheidungstag von nahem beobachten kann,

der stadtwanderer

ein ganz spezieller sonderfall

wenn wir unter uns sind, ist jede(r) von uns gerne etwas spezielles. wenn wir aber unter anderen sind, sind wir lieber sonderfälle. das hebt uns, oder wenigstens teile von uns, die spezielle sonderfälle sind, von den normalfällen ab.


normalratspräsident andré bugnon lobte alt-bundesrat christoph blocher als speziell zu titulierenden sonderfall (foto: stadtwanderer)

von alt-bundesräten

zum beispiel unsere bundesräte, die nicht mehr im amt sind. sie heissen im normalfall “alt-bundesräte”. in der regel sind diese auch ruhig ruhig, obwohl unverändert politische tiere. jetzt sind sie speziell unruhig, wegen eines ganz speziellen politischen tiers unter ihnen.

dieser ist seit neuestem auch ein ganz speziell schwieriger sonderfall. dernn er will “abgew. bundesrat” (sprich: “abgewählter b.”) heissen. das sichert ihm den status eines ganz speziellem sonderfalls unter all den speziellen sonderfällen.


der spezielle sonderfall war wirklich speziell: für einmal sprach er nicht über sich und die politik, sondern über sich und die kunst (der politiker) (foto: stadtwanderer)

… bis zum conseiller fédéral non réélu

schlimmer noch, seit heute ist das alles nicht nur spezielle spielerein, sondern ganz offiziell der fall. denn unser ganz spezieller präsident der vertreter der normalfälle, quasi der speziellste normalfall unter allen normalfällen, ist flux zum ganz besonders schwierigen spezialfall geworden: nannte er doch bei der eröffnung der speziellsten ausstellung über den speziellsten maler, bestückt mit den speziellsten bildern unseres ganz speziellen sonderfalls unter den speziellen sonderfällen ganz speziell einen “conseiller fédéral non réèlu”.


vor lauter dagewesener spezialfälle verschwinden die speziell notwendigen grenzen in unserer unterscheidungskraft (foto: stadtwanderer

der sonderbare zwischenfall

ein bisher nie dagewesener spezialfall, dieser sonderbare zwischenfall, unseres ganz normalen normalratspräsidenten, der mir heute ganz speziell aufgefallen ist.

stadtwanderer

die besten seismographen der politischen kultur im wandel

die spatzen pfiffen es seit ostern von den berner dächern: unter den alt-bundesrätInnen rumore es, konnte man hören. jetzt ist klar warum; die ehemaligen regierungsmitglieder appellieren an die adresse der svp, die hetzjagd auf bundesrätin widmer-schlumpf umgehend einzustellen.


quelle

die rebellion der alt-bundesräte

gemäss “sonntag” ist alt-bundesrat rudolf friedrich von der winterthurer fdp die treibende kraft. er soll geld sammeln, um das vorgehen der svp mittels inseratekampagne zu diskreditieren. sein statement in der sonntagspresse lässt keinen interpretationsspielraum zu: “Das Verhalten des SVP ist demokratisch gesehen unannehmbar.” der ehemalige justizminister sieht im ultimativ geforderten rücktritt von ews aus dem bundesrat “die totale Missachtung des Parlaments. Die Morddrohungen gegen Frau Widmer-Schlumpf wachsen in diesem Umfeld. Das alles erinnert mich an Vorbilder der übelsten Art.” sekundiert wird er von den ehemaligen bundesrätInnen aubert, dreifuss, stich und koller (alle deutlich) resp. cotti und villiger (zurückhaltend). nicht äussern wollten sich die kollegen furgler, deiss, ogi und schlumpf. sie ziehen es vor, sich in sachen bundesrat öffentlich nicht zu äussern. nur christoph blocher, der dem erlauchten kreis der ex-regierungsmitglieder der schweizerischen eidgenossenschaft neuerdings auch angehört, nimmt eine gegenposition ein: er verurteilt zwar die drohungen, doch kritisiert er auch den rückzieher von bundesrätin widmer vom sächsilüüte. das rufe nach neuen drohungen, denn drohungen gäbe man nie nach. von nun an trage sie die verantwortung, wenn man sie bedrohe.

die neue stufe der inneren polarisierung

die zurückliegende woche hat gezeigt: die schweiz drifftet auseinander. die parteien ziehen alle am gleichen strick “bundesrat”, aber in ganz verschiedene richtungen. die ideologische polarisierung, die wir seit der ewr-abstimmung von 1992 erlebt haben, bekommt eine neue dimension: institutionen und werte der konkordanz werden direkt attakiert und diskreditiert. wahlen in die landesregierung, die korrekt zu stande gekommen sind, werden durch parteiinterne vorgänge ultimativ in frage gestellt. parteikolleginnen, die in der sache mehrheitlich gleich denken wie die anderen mitglieder, werden öffentlich als “lügnerin” verunglimpft, wenn sie der parteiraison nicht dienlich sind. und personen, die für die sicherheit des landes, die funktionsfähigkeit der gerichte und die handlungsfähigkeit der polizei zuständig sind, erhalten selber morddrohungen.

politische kultur im wandel

von politischer kultur war diese woche häufig die rede. die einen sehen sie durch politische klasse verraten, die anderen durch das treiben der svp. in der tat, ist beides symptom des zerfalls politischer kultur. denn darunter versteht man ganz generell die grundlegenden einstellungen der bewohnerInnen zum staat, seine institutionen und repräsentantInnen. die werte, die stimmungsmässigen gefühle und die fachliche informationen, die allseits geteilt werden und so politische auseinandersetzungen in der sache erst ermöglichen, zählen dazu. doch sie versagen in der wirkung, die ihnen zukommen. vom geist der konkordanz, der sie prägte, ist kaum mehr etwas zu bemerken: nicht der wille zur zusammenarbeit, der drang zur trennung, bestimmt die lage. die bilder, die das steuern sind: die anderen wollen nicht das gute, nur die macht, und an die halten sie sich mit lügen und intrigen. feindbilder werden hüben und drüben aufgebaut, mit dem effekt, dass man sich vor allem noch mit seinesgleichen, nicht mehr aber mit andersdenkenden ernsthaft auseinandersetzen muss. damit ist die demokratie noch nicht in gefahr, wohl aber hat ihre ausgestaltung als konkordanzdemokratie tiefe risse erhalten.

zur lage der nation

die lage in der schweiz hat sich seit mittwoch vergangener woche klar zugespitzt: die svp steht vor einer zerreissprobe. sie ist gewillt, diese rasch auf ihre art zu regeln, um möglichst schnell wieder handlungsfähig zu werden. zuerst wird eveline widmer-schlumpf diskreditiert, dann wohl auch samuel schmid destabilisiert. bis mitte legislatur soll die situation mit den fraktionslosen bundesräten und der bundesratslosen fraktion bereinigt sein, denn das ziel, wird immer klarer, ist der sieg bei den parlamentswahlen 2011. und das mittel hierzu die bedingslose und unwidersprochene opposition der partei. diese aenderung der maschrichtung der svp wird auf der gegenseite nicht eindeutig gelesen: die sp sieht kaum mehr gemeinsamkeiten mit der svp, die cvp schwankt in der sache, nicht aber in der einschätzung der person von alt-bundesrat christoph blocher. und die fdp trauert den zeiten nach, als man, im gefolge der svp, die themenvorgabe für die regierungspolitik machen konnte. ein politischer gegenpol zur oppositionspartei, welche gemeinsam für die regierungsgeschäfte zuständig wäre, ist kaum zu erkennen.

stadtwandern nahe der spatzen auf den dächern

es bleibt die frage, was in dieser situation passiert? letztlich weiss es niemand. momentan ist man aber geneigt zu sagen, dass das erst der anfang der eskalation, und die nächsten wochen eine bisher nicht gekannte steigerung der innern polarisierung bingen wird. frauendemo, sächsilüüte, 100-tage-ews, parteiausschlüsse säumen jetzt schon den weg, dessen ende wenigstens gegenwärtig nicht bekannt ist.

ich werde beim stadtwandern den spatzen, welche schon seit tagen schrill von den berner dächern pfiffen, unverändert aufmerksam zuhören. sie waren bis jetzt gute seismographen der veränderungen in der politischen kultur der schweiz.

stadtwanderer

ps:
hatte diese nach noch eine idee, wie sich die blogosphäre profilieren könnte, um übersicht in die gegenwärtig zuspitzung zu bringen: hier mein vorschlag für ein eskalations-monitoring.