im banne der burgunderkriege

die grosse burgunderausstellung im berner historischen museum kündigt sich an. es soll die grösste und beste ihrer art über karl den kühnen werden. und so steigt auch die mediale nachfrage nach beiträgen, welche auf die ereignisse, die figuren und die gegenstände der exposition vorbereiten.


katalog der ausstellung, die am 24. april 2008 in bern beginnt

und siehe da, der stadtwanderer wird involviert. anne-käthi zweidler, redaktorin bei radio drs, fleissige stadtwanderer-leserin, unter anderem auch über meine schlachtfeldbegehungen, will von mir die rezeptionsgeschichte der burgunderkriege erklärt haben. und so erzähle frisch von der leber weg das, was ich auf dem stadtwanderer zur verarbeitung der burgunderkriege auf meinem blog längst verbrochen habe.

burgund ist …

unser off-the-record gespräch nach dem inti führt uns rasch mitten in die tiefen der burgundischen einflüsse auf das gebiet der schweiz. die alten königreiche aus der völkerwanderung leben vor unserem geistigen auge nochmals auf. gundobad und sigismund, die beiden könige aus der ersten burgunderreich im 5. und 6. jahrhundert werden zum leben erweckt, nicht zuletzt wegen ihrer bedeutung für die christianisierung der burgunder resp. der gründung des burgundischen hausklosters st. maurice. auch der burgundische zweig der welfen-sippe kommt in unserem gespräch vor, als wir uns das zweite burgundische königreich im 10. jahrhundert in all seinen verästelungen vergegenwärtigen. rudolf und berta, selbstverständlich, werden erwähnt, – und wieder geht adelheid, ihre tochter und kaiserin, fast ganz vergessen. denn schnell kommen wir auf das ende des burgunderreiches, zu sprechen, das ganz im heiligen römischen reich resp. unter den französischen könige aufgeht.

burgund und bern, bern und eidgenossenschft

karl der kühne, letzter im mannesstamm aus dem geschlecht der valois-bourgogne, die das herzogtum burgund im 15. jahrhundert soweit vergrösserten, bis man sich zu den reichsten fürsten in europa zählen konnte, kommt uns da gerade recht. nur 10 jahre war er herzog, doch sein grosses ziel war die gründund des dritten burgunderreiches, nun nicht mehr nur im erweiterten rhonetal, sondern als verbindung von rhein, rhone und po. das sollte halb europa durcheinander bringen. der grosse strategie karl sammelt die wichtigen seiner zeit, um nicht nur seinen besitz und seine macht zu mehren, sondern auch seine ehre. was sich auf dem diplomatischen parkett gut anläst, gerät auf dem schlachtfeld jedoch zum fiasco. schliesslich stirbt karl den tod des schlachtenverlierers.

adrian von bubenberg, in unserer kollektiven erinnerung karls gegenspieler, kann da nicht fehlen. doch muss man ihn vorsichtiger beurteilen, als dass in der retrospektive normalerweise geschieht. verheiratet mit der burgunderin jeanne de la sarraz versteht er sich durchaus als angehöriger der burgunderpartei. karl, sein jugendfreund, steht ihm kulturell wohl näher als die bürgerliche familie diesbach in bern, die im tuchhandel reich geworden und in den städtischen adelsstand aufgestiegen ist. den krieg, den von diesbach gegen burgund anzettelte, trugt der ritter von spiez adrian von bubenberg nicht mit. erst als der eidgenössische kriegstreiber von diesbach den frühen tod aufgrund einer kampfverletzung erlitt, besann sich adrian eines anderen, und war er dabei, den angefangenen burgunderkrieges erfolgreich zu beenden. sein ruhm unter den zeitgenossen währte nicht lange. bald nach dem schlachtensieg in murten stirb er, vermutlich an der pest und seine familie geht wirtschaftlich ganz zu grunde.

burgund und die longchamps und die eidgenossenschaft

warum mich das so bewegt, will meine gesprächspartner wissen? sie sei begeistert von meinen ausführungen, doch merke sie auch parteinahme für die burgunder. karl sei doch nach gessler der böswicht der schweizer geschichte!

ja, ich bin partei, gebe ich zu. denn auf in meinen recherchen zur herkunft meiner familie bin ich auf erstaunliches gestossen. meine vorfahren lebten in echallens, in den zeiten vor den burgunderkriegen dem brugundischen grafen von chalons gehörend. das städtchen am strategisch wichtigen verkehrsknotenpunkt wurde von bernerndem erdboden gleich gemacht, in den 1480er jahren jedoch von den bernern und freiburgern als gemeinsam verwaltete vogtei wieder aufgebaut.

1531 nach der schlacht von kappel, als die katholische landpartei die reformierte stadtpartei in der eidgenossenschaft besiegte, diktierten sie im friedensvertrag, dass die untertanen in den gemeinen herrschaften ihre konfessionszugehörigkeit wählen dürfen. meine treuen burgunderuntertanen hielten trotz neuer berner und freiburger obrigkeit fest zum bischof von lausanne und bleiben katholisch. der rest der waadt, das weiss man, wurde 1536 flächendeckend reformiert.

meine vorfahren profitierten wohl dennoch von den bernern und ihren entsumpfungsprogrammen in der waadt. statt sich im soldwesen töten zu lassen, blieb man jetzt zu hause und entwässerte man das eigene land, das einem dann gehörte. malapalud, der schlechte sumpf!, ist bis heute unser heimatort. und der lag auf dem langen feld ausserhalb echallens, eben dort, wie die longchamps hinzogen.

genauso wie die burgunderkriege von 1476 eine schwelle vom spätmittelalter zu neuzeit, von burgundischen zu eidgenössischen einflüssen darstellen, ist meine familie aus burgundischem hintergrund vor knapp 500 jahren eidgenössisch geworden. natürlich ist von den burgundisch-katholischen wurzeln nicht mehr viel zu merken, so wie ich im 21. jahrhundert lebe. aber die erinnungen kommt halt immer wieder hoch, wenn die burgunderkrieg mich und andere in ihren bann ziehen!

stadtwanderer

der friede von compoformio

reprise wegen spam-belastungen der alten version

“prof. gantenbein” ist eines der schrägsten antiquariate in bern. es liegt in der postgasse, und es hat ein viel beachtetes schaufenster. diesen herbst stellte sein besitzer kurzfristig eine schöne büste von napoléon aus, die der stadtwanderer flugs dokumentiert hat.


vpn prof. gantenbein ausgegraben und vom stadtwanderer interpretiert: napoléon in bern – ein anlass über seine schweizer reise von november 1797 zu berichten

napoléon: die unperson der berner geschichte

gefährlich!, rief ich, als ich napoléons büste in bern sah. denn kaum jemand gilt in “bern” so als unperson, wie der französische general, der bis zum “kaiser der franzosen” aufstieg. bis heute heisst seine intervention in bern im frühling 1798 selbst im sonst so neutralen historischen lexikon der schweiz “franzoseneinfall”. dass damals die “helvetische revolution” angeschoben wurde, die in mehreren anläufen zum heutigen bundesstaat führte, ist für reaktionäre, konservative und alteingesessene bern bis heute ein ärgernis. porträtiert wird dieses ärgernis im voluminösen vierten band von richard fellers berner geschichte. einer der höhepunkte in der lektüre setzt auf seite 297 ein; das kapitel heisst schon vielsagend “der anschlag auf die schweiz”. dabei wird napoléons erkundungsreise durch die schweiz, die vom 22. bis 24. november 1797 dauerte, trefflichst geschildert, sodass ich das in einer mehrteiligen serie vom 22. bis 24. novmeber 2006 niemandem vorenthalten möchte, – wenn auch mit den nötigen kommentaren aus heutiger sicht versehen!

der friede von campo formio

die französische revolution von 1789 führte zum sturz der monarchie in frankreich. darauf eröffneten die anderen monarchien den ersten koalitionskrieg, der von 1792 bis 1797 dauerte. am ende hatte sich das revolutionäre frankreich dank napoléons militärischen erfolgen in oberitalien durchgesetzt. besiegelt wurde der friede zwischen frankreich und österreich, welches das untergehende heilige römische reich deutscher nation repräsentierte, am 17. november 1797 im oberitalienischen campo formio. die lombardei kam zu frankreich, während österreich die von frankreich geplünderte republik venedig erhielt. frankreich bestimmte zudem den rhein als neue grenze zwischen der revolution und der reaktion.

damit kam fast das ganze gebiet der schweiz ins französische gravitationsfeld. das gilt für das fürstbistum basel, das noch zum reich gehörte, genauso wie für das fricktal. es trifft aber auch auf die gebiete zu, die direkt zur 13örtigen eidgenossenschaft zählten und seit 1648 reichsunabhängig waren. die kontrahenten regelten diese “details” geheimen anhang zum friedensvertrag.

die nachverhandlung der details: bern oder rastatt?

kaiser franz II. versuchte zu retten, was noch zu retten war. die friedensverhandlungen zu den “details” hätte er am liebsten in bern durchführen wollen. das wäre zwar in französischem einflussgebiet gewesen, doch es hätte gezeigt, dass das reich hier unverändert zugang gehabt hätte. es hätte wohl auch eine militärische intervention in der alten eidgenossenschaft erschwert oder verhindert.

der kriegssieger napoléon wehrte dieses ansinnen rundweg ab. niklaus friedrich von steiger, der regierende schultheiss von bern, war für ihn der inbegriff der alten aristokratie, die mit der revolution weggefegt worden war. lieber hätte er ihn gestürzt, als unter seinem schutz mit dem kaiser zu verhandeln. so einigte man sich auf rastatt nördlich basel als tagungsort.

napoléon, der sich in oberitalien aufhielt, musste also trotz seines sieges in der standortfrage so schnell wie möglich nach norden. eine reise durch die die eidgenossenschaft, ja durch bern, schien unvermeidlich. er tat dies auch tatsächlich, und nutzte die durchfahrt per kutsche, um die schweiz in den letzten novembertagen des jahres 1797 zu inspizieren.

die folgen der reise

als er sich in rastatt seiner sache sicher war, löste napoléon die helvetische revolion aus! keine volksbewegung von unten war das, sondern ein sturz von oben. die untertanen in der waadt standen im beiseite, und die basler patrioten, die der revolution anhingen und 1795 den frieden von basel mit preussen für frankreich vermittelt hatten, unterstützten napoléon auch. das gegenstück dazu war die alte republik bern, der grösste und reichste stadtstaat nördlich der alpen. sukkurs erhielt das protestantische bern von der katholischen innerschweiz, die sich nichts von den revolutionären truppen aus dem fernen paris versprach. sie trauerten dem gestürzten könig nach, der den söldnern arbeit und den landaristokraten einkommen brachte.

wie napoléon durch die schweiz reiste, was er in bern machte, und was die reaktionen der bürger in genf, lausanne, bern, solothurn oder basel über ihre gesinnung bis heute verraten, das erzähle ich ab morgen.

stadtwanderer

teil 2 der serie: napoléon in der schweiz
teil 3 der serie: napoléon in der schweiz
teil 4 der serie: napoléon in der schweiz