der scheinauftrag

das lirum-larum ist ein cafe an der berner kramgasse. mit bar, kleinen tischen und sitzgelegenheiten unter den lauben. gerade richtig, um an einem solch heissen samstag nach dem gang auf den markt an einem schattigen ort den morgenkaffee zu trinken und in der gemütlichen altstadt über die lage der nation nachzudenken.

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der augenblick

das gassengespräch an meinem tisch entwickelt sich rasch. denn die svp änderte gestern ihren europapolitischen kurs. “die opposition weicht der integration!”, weiss mein gegenüber. “ausgerechnet jetzt”, erwidert ihm der nachbar, “wo die svp ihre eigene integration der opposition opfert.”

bilanziere ich die standpunkte in der sache, die ich heute hörte, kann man ohne probleme verschiedener meinungen zum entscheid des parlamentes sein, die verlängerung und erweiterung der personenfreizügigkeit in eine vorlage zusammenzulegen: für die trennung hätte die tradition des schweizer abstimmungsgeschehens gesprochen, komplexe fragen soweit zu zerlegen, um einzelantworten zu sammeln und daraus den schluss zu ziehen. die zusammenlegung indessen folgt von beginn weg der sichtweise aufs ganze: wenn ein nein zur erweiterung ein ja zur verlängerung nachträglich in frage stellen würde, ist es besser, über beides in einem zu entscheiden, um eine interpretierbare entscheidung zu haben.

fasse ich die stimmung darüber hinaus zusammen, ist klar: entscheid ist entscheid! wer ihn nicht akzeptiert, stellt sich, nicht die sache ins zentrum. dazu zählt die svp, die sich seit langem im spagat zwischen wirtschaftsfreundlicher politik und antieuropäischer opposition zu profilieren versucht, um das ganze rechte spektrum dominieren zu können.

der rückblick

man erinnert sich: am 19. januar 2008 kehrte der abgewählte bundesrat christoph blocher aus den nachgouvernementalen ferien in die schweizer politik zurück. auf dem albisgüetli trat er vor dem parteivolk auf und erklärte der versammelten schweizer öffentlichkeit, was svp-opposition inkünfitg heisse:der auftrag, den man bei den wahlen 07 erhalten habe, bleibe der gleiche. wenn man ihn nun nicht in der regierung realisieren könne, mache man das aus der opposition heraus. und da schwadroniere man nicht; man ergreife die volksrechte, zum beispiel das referendum gegen die personenfreizügigkeit, falls die eu im steuerstreit nicht nachgäbe.

das tat die eu selbstredend nicht. doch die svp verzichtete als erstes auf die vermengung der beiden dossiers. als zweites lässt die parteispitze nun auch die referendumsdrohung fallen. um die eigene pirouette in einer kernfrage der partei zu kaschieren, diskrediert man in der bekannten propagandasprache den gegner: die dikatoren in der sp, cvp und fdp hätten in die trickkiste gegriffen, um das volk auszuschalten. da die gestellte frage nicht beantwortet werden könne, solle die svp die finger vom referendum lassen. während der unterschriftensammlung und im abstimmungskampf!

verschiedene krampftruppen, die sonst im windschatten der svp politisieren müssen, sehen das anders: die lega dei ticinesi allen voran, die das referendum lanciert hat; gefolgt von den schweizer demokraten, die schon unterschriftenbögen im bekanntenkreis verteilen; und der jungen svp, die sich irritiert gegen die vaterpartei stellt. entscheidend ist aber, dass auch die auns, sonst immer svp-treu, bei der euorpafrage nicht kneifen kann und beim referendum mitmacht, denn das bringt namhaft zugänge zu sympathisanten, die in solchen fragen immer unterschriftswillig sind.

der ausblick

es ist damit zu rechnen, dass zwischen dem 2. juli und 2. oktober die nötigen 50’000 signaturen zusammenkommen werden. denn die ausgangslage war schon einmal ähnlich: bei der einführung der personenfreizügigkeit war man seitens der svp auch eher passiv; man konzentrierte die aktivitäten auf das referendum gegen die abkommen von schengen-dublin!

damals wie heute wollte der wirtschaftsflügel der partei die differenzierung. das hielt jeodch nur solange, bis die referenden und die abstimmungskakade standen. danach entschied sich die svp, beides in einem zu bekämpfen, fürchtete sie doch die entstehung einer anti-europäisch gesinnten partei rechts von ihr. vor dem gleichen problem steht diesmal parteipräsident toni brunner, und zwar nicht zu knapp!

so werde ich ab oktober wieder ins lirum larum kaffee trinken gehen. um auf dem marktplatz der samstäglichen meinungen über die lage der nation nachzudenken. zum beispiel über scheinheilige, scheinflüchtlinge und scheinreferenden. aber auch über scheinopposition, scheinpräsidenten und den scheinauftrag.

stadtwanderer

foto: stadtwanderer

die masern des stadtwanderers

“Seit 2006 grassiert in der Schweiz eine erhebliche Masernepidemie, ohne dass ein Ende absehbar ist. Das BAG empfiehlt der Schweizer Bevölkerung sowie ausländischen Besuchern, welche nicht gegen Masern geimpft sind und diese Erkrankung nicht gehabt haben, sich dringend mit zwei Dosen der MMR-Impfung zu schützen.”

der dringende aufruf der schweizerischen gesundheitsbehörden hat nichts genützt. nun hat es auch den stadtwanderer erwischt. er ist vom heimtükischen fieber angesteckt worden.

doch seine masern sind sehr speziell. das bag steht von einem rätsel. denn seine masern werden vom blog-virus “wp224598” ausgelöst.

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herkunft des blog-virus beim erkrankten stadtwanderer

dieses und sein mutanden verbreiten sich weltweit rasend schnell übers internet. seit 2006 ist der stadtwanderer damit nachweislich infisziert. erste anzeichen der krankheit traten im märz dieses jahres auf. ein dringend empfohlener arztwechsel, ende april 2008, hat ihm nicht geholfen. nur schlimmer ist seither allers geworden.

von überall her wird der stadtwanderer laufend angesteckt, wie seine persönliche masern-karte (ausschnitt “schweiz”) zeigt. 400 neue infiszierungen pro tag sind zur regel geworden, wobei 800 körperstellen täglich betroffen sind.

am schlimmsten erkrankt sind die nachstehenden teile des stadtwanderer-bodies:

undemokratisch?

die merkwürdige geschichte der nationalhymne

lob der wildsau

gib e geiss!

fragen über fragen

bubenbergpartei der schweiz (bps)

bagdad in bern?

was sie morgen in der bz lesen – und worüber sie übermorgen nachdenken sollten

die kurx grosser parteien in der schweiz

die überraschende kulturgeschichte der farbe orange

am heftigsten sind die attacken auf den stadtwanderer am morgen um 10. sie schwellen auch abends um 16 resp. um 20 uhr an. ab mitternacht wird es meist etwas erträglicher. am wenigsten betroffen ist der patient in der nacht zwischen 4 und 6 uhr.

selbst im wochenrhythmus lassen sich feine unterschiede nachweisen. schlimm ist der mittwoch, wenn die globalen roboter-viren geballt ausströmen. dafür ist der samstag harmloser, etwas.

der trends, der aus dem arztbulletin hervorgeht, ist leider unerfreulich. nach dem arztwechsel waren die zwischenfälle im mai klar zurückgegangen, doch die freude war verfrüht. im juni sind sie wieder sprunghaft angestiegen.

10’000 besuche mit 20’000 angeschlägen werden für den monat juli erwartet. wir raten dem patienten zur flucht in ein masern-sicheres reservat.

der arzt des stadtwanders

frühere bulletins zum gesundheitszustand des stadtwanderer

die spiegelbilder des blogs im blog

sie sind ein spiegel des blogs im blogs. deshalb gehören sie unverzichtbar zum gesamtbild: die kommentatorInnen in weblogs!

w_schwarze-figuren-auf-orange.jpgin zeitungen wäre die klassische arbeitsteilung so: im redaktionellen teil berichtet man über aktuelles, während die redaktion im kommentar das geschehen wertbezogen beurteilt, um ordnung in die vielfalt der informationen zu schaffen. doch das ist, leider, schon lange nicht mehr der fall.

kommentatorInnen in blogs

in blogs kümmert man sich deshalb gar nicht mehr um dieses angelsächsische medienverständnis. die kommentatorInnen stammen auch nicht aus der redaktion. sie kommen aus der leserschaft. sie werden nicht ausgewählt, einen standpunkt zu verdeutlichen. sie melden sich, wann und warum sie wollen.

das ist gut so! denn es macht einen teil der spannung in blogs aus!

kommentatorInnen in weblogs sind ein spiegelbild.

des blogs. im blog.

die schreibenden entgegnen, wenn ein standpunkt einseitig vertreten wurde. sie ergänzen, wenn die informationen unvollständig sind. die spinnen den faden weiter, wenn das thema inspirierend wirkt. und sie be- und entgegnen anderen kommentatorInnen, die symbolisch schon mal ihre duftmarke hinterlassen haben.

die kommentare auf dem alten stadtwanderer nervten gelegentlich. denn die grundsätzliche offenheit der kommentarspalten eines blogs wurde immer mehr missbraucht. werbe-spam waren schon fast die regel, und leider häuften sich auch unflätige angriffe auf personen, die im blog vorkamen, oder auch nicht!

das hat sich im neuen stadtwanderer klar gebessert. auch wenn ich durch die umstellung einige kommentatorInnen verloren haben, bin ich nicht unglücklich. denn die gelegentlich destruktive art ist der konstruktiven gewichen. und das freut mich, jeden tag!

ich schätze all meine kommentatorin, die bisweilen täglich, bisweilen auch wöchentlich vorbeischauen und den stadtwanderer mit ihren ideen, ansichten, information und nachfragen bereichern. wird werden eine richtige fach-community für’ stadtwandern und darüber hinaus!

danke schön!, sagt der stadtwanderer

ein grosses merci also an ate (früher unter dem pseudonym weissnicht schreibend), Titus, Honigbärli, bärbi, bidu, lisa n., Monique, litscher, an den herr von bern, an walter r. kopp, mischa, adelheid, sms, david, nenne, bruno von d., rittiner&gomez, I Think, reto m., dan, rinaa und wie ihr alle heisst!

bei einige von euch weiss ich real, wer ihr seid (und habe dennoch euch als kommentatorInnen von einer anderen seite kennen gelernt). anderen von bin ich nur virutell begegnet, wenn ihr einen teil eures lebens erzählt habt, wenn ihr in gedanken verbunden ward, und wenn auch mal emotionen rüber gekommen sind. in einigen fällen sind daraus bekanntschaften geworden, die sogar in den alltag des stadtwanderer zurückstrahlen.

schön, dass es euch gibt und dass ihr dem stadtwanderer den spiegel hinhält und an seinem weltbild mitmalt!

stadtwanderer

die meistkommentierten beiträge auf dem neuen stadtwanderer

die meistkommentierten beiträge auf dem alten stadtwanderer (diskukssionen geschlossen)

rot-grün-orangene welle

nein, das ist kein aufruf an reto nause von der cvp, bei den kommenden gemeinderatswahlen in bern das lager zu wechseln. es ist die schlichte feststellung, dass der wahlkampf der berner rot-grünen dank den holländern an der fussball-europmeisterschaften seinen höhepunkt erreicht zu haben scheint, bevor man damit angefangen hat.

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alexander tschäppät sonnt sich gegenwärtig im erfolg seiner stadt als beste host city der euro ’08. sein wahlkampfslogan für den 30. november 2008 lautet wohl: “organen wirken wunder”. hinter vorgehaltener hand heisst es schon, er habe bei der sp und dem grünen bündnis angeregt, die parteikader sollten ab jetzt regelmässig den passantInnen auf der strasse eine organe in die hand drücken, um bis zur wahl in schönen erinnerungen schwelgen zu können.

erheblicher klimawandel

wer hätte das vor einem halben jahr gedacht? die rede war nur noch vom “6. oktober” und vom weltweiten imageschaden für die bundesstadt, den der stadtpräsident mitverantworte. die “weltwoche” rief schon zum den sturz der rotgrünen auf, und die nationalen medien verstärkten den tiefpunkt im nationalen wahlkampf, in die so viel jauche über die bundesstadt schütten wie schon lange nicht mehr.

und jetzt? da weiss man in ganz europa, dass bern das herz der fussballwelt ist, denn man hat gesehen, wie die kornhausbrücke die riesige menge der holländischen fans trug, ja fast schon in den fussballhimmel hievte. so ist auch die nationale medenstimmung zugunsten der stadt gekippt. “10vor10” verfolgte gestern das wieder auferstandenen stadtoberhaupt beim stadtwanderern unter den stadtlauben!

wahlkampf der neuen art

so wie die bürgerliche wende aus der untergangsstimmung des 6. obtobers heraus geboren wurde, so basieren die rotgrünen mehrheitsansprüche auf der orangenen revolutionsstimmung, die die holländer in die stadt gezaubert haben. politisch aktiv ist jedoch keiner der beiden blöcke. diese bühne überlasst man gegenwärtig ganz den optimistischen parteigründerInnen: zuerst den grünliberalen, die bei den stadtratswahlen die linke mitte abgedecken wollen; dann der bdp, für die ursula begert, die vor vier jahren geschasste svp-gemeinderätin, nun die werbetrommel in der rechten mitte rührt; und schliesslich der eingemitteten “mitte”, die seit gestern als bürgerInnen-forum zwischen den blöcken und parteien antritt, um den amtierenden, von der fdp nicht mehr nominierten stwphan hügli im wahlkampf beizustehen.

warnungen in drei richtungen

doch kann man sich des eindruckes nicht erwehren, das alles interessiere die grossen politischen formationen kaum, so dominant ist die gefühlslage in der stadt nach dem tschutti-event. deshalb spreche ich gleich gleich drei warnungen aus:

erstens, rot-grün will ich darauf aufmerksam machen, die grünliberalen nicht zu unterschätzen, denn bei den parlamentswahlen sprechen sie einen teil der wählerschaft an, der bisher faut-de-mieux links wählte, sich diesmal aber neu orientieren könnte!

zweitens, fdp, svp und cvp will ich daran erinnern, dass die dreierliste für den gemeinderat vor allem auf dem politischen reissbrett überzeugte. in der praxis werden die selbst produzierten herausforderer aus der mitte zwar wohl nicht gewählt, aber die wende abwenden. und wenn dies eintritt, treten beat schori und reto nause nicht mit, sondern gegeneinander an!

drittens, will ich alexander tschäppät warnen. selbst wenn man heute lesen konnte, mit seiner form könne er in den niederlanden in jeder stadt bürgermeister werden. das stimmt zwar wohl, aber nicht so, wie man meint. denn in den niederlanden wird man stadtpräsident via amtseinsetzung durch die nationale regierung.

hier muss man immer noch das volk überzeugen, von sich, von seiner politischen allianz und dem programm der zukunft! selbst wenn man sich dabei auf den rotgrünorangenen welle surfen kann …

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donna muratum

hinter jedem bekannten mann steckt eine starke frau, sagt der volksmund. doch was ist, wenn sie aus seinem schatten hervortritt? das weiss der volksmund nicht zu beantworten. ich schon: was dann geschieht, kann mann&frau, zum beispiel, bei “donna muratum” miterleben.

bild-356.jpgmuratum ist lateinisch und steht für murten. und donna für frau. donna muratum wiederum ist der neue stadtrundgang durch das freiburgische kleinstädtchen murten, der sich szenisch mit den frauen in der eigenen geschichte beschäftigt.

da ist beispielsweise das ortskundige meitschi vom gurwolf, die während der belagerung murtens durch die burgunder im sommer 1476 ausbricht, wegrennt, und das verbündete freiburg informiert. dank ihr, sei murten gerettet worden, sagt die schauspielerin, und die eidgenossenschaft wohl auch nicht in der eu, fügt sie noch bei!

fürs breite publikum in szene gesetzt

das publikum weiss es: das ist zwar übertrieben, aber sympatisch. es kompensiert die bekannten geschichte, indem sie ihnen den spiegel, gehalten von frauenhand vorhält.

die historie murtens, wie auch die geschichte überhaupt, leitet sich zwar von der griechischen muse ab, die erzählen konnte, doch wird sie, seit sie geschrieben wird, (grossmehrheitlich) von männern verfasst. für männer, über männer.

dem wird mit donna muratum begegnet, denn jetzt führen die frauen das staunende pubiklum. und sie interessieren sich für frauen. sie schreiben nicht mehr, dafür erzählen sie aber umso besser. aus dem alltag, aus der kultur, aus der gesellschaft und aus der politik.

die lebenswelt der frauen in der geschichte

die beiden schauspielerinnen, die fast schon sinnbildlich namenslos bleiben und für tourismus murten durch die gassen der kleinstadt ziehen, sind modern in ihren gedanken, jedoch traditionell in ihrer kleidung. sie sind gut informiert, haben extra recherchiert, und sie kennen sowohl berühmte orte wie auch vergessene winkel. sie berichten von tragödien, erheitern mit skurielem, und informieren uns über das gestrige und heutige murten.

und sie stellen uns die treuesten aller treuen murterinnen vor: die mauerseglerinnen, die jährlich zweimal 14000 kilometer fliegen, dabei schlafen, begattet werden und essen, um dann im “zerschossenen turm” der stadtmauer von murten an geschichtsträchtigem ort zu nisten und für nachwuchs zu sorgen, bevor sie mit diesem weiter ziehen und, eben treu bis in den tod, wieder nach murten zurückzukommen.

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fast genauso kommt einem der stadtrundgang vor: die frauen brechen aus der engen welt am murtensee aus, um luft zu bekommen und das unausgesprochenen auszusprechen. doch sie brechen nicht aus, erzählen nur, um dorthin hemzukehren, wo ihre liebe ist. dabei wird eine gesellschaft sichtbar, die nicht ist, die man zu kennen glaubt. sondern die, die dahinter steckt, wenn man über jeremias gotthelf spricht und sein umfeld vergisst oder wenn man paul klee sagt, ohne petra petitpierre zu nennen.

gehen sie mit, wenn es heisst: donna muratum!

neugierig? – dann wenden sie sich doch an donna muratum, gehen sie nach murten, und folgen sie den beiden erzählerinnen auf den spuren der interessantesten frauen aus der geschichte und der gegenwart murtens, die aus dem schatten hervorgetreten sind.

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im schlossgarten zu spiez

meine letzte führung durch die grossen burgunderausstellung im historischen museum zu bern ist vorbei. das kühle bier nach der kühnen führung war für alle wohl verdient. und wer die aus-führung-en noch verdauen muss, kann mal hier nachlesen.

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am nachmittag habe ich mich, nun ganz alleine, nach spiez aufgemacht, an den landsitz der familie von bubenberg. quirinius reichen, der konservative historiker aus frutigen, mit dem ich seinerzeit studiert habe, hat im idyllisch gelegenen schloss am thunersee eine ausstellung zu adrian von bubenberg konzipiert.

anders als die kühne schau in bern ist sie ganz bernisch gehalten. hellebarden säumen den aufstieg in die ausstellung. karten aus der militärgeschichte erklären einem die allgemeinen und spezielle lage. der stammbaum der bubenbergs zeigt einem, wer von wem abstammt und wer mit wem für nachwuchs sorgte. und die biografie von adrian ist fein säuberlich aufgeführt.

doch das ist nicht schon alles: ganz spannend sind die ausführungen zu den ländereien der freiherren von spiez. wie die bubenbergs hier heissen. denn sie waren nicht nur im bernischen grossen- und kleinen rat, sondern seit dem laupenkrieg von 1339 grundherren am thunersee besitzungen.

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ihre ländereien bildeten allerdings klein ganzes, wie das karl der kühne mit den erweiterungen des herzogtum burgund gesucht hatte. vielmehr waren der boden, die rechte und leibeigenen der von bubenbergs breit zwischen jura und alpen zerstreut.

auch existierte keine straffe verwaltung, wie man sie in dijon aufgebaut und danach reihum kopiert hatten. der adrian von bubenberg-saal, wo das herz der administration lag, wirkt eher wie eine herausgeputzte bauernstube.

da liegt der schluss nahe: adrian von bubenberg verteidigte bern nicht nur aus ritterlicher ehre. es ging ihm auch um seinen besitz, als er murten besetzte, und als er nach der schlacht für den ausgleich mit savoyen besorgt war.

doch hat dies alles nichts genützt. die ausstellung in spiez hält lakonisch fest: die verwaltung des verstreuten erbes der freiherren von spiez fiel je länger je mehr schwer, und das war auch der grund für den niedergang der familie von bubenberg im aaretal. der bär an der wand hängt schon mal schief herum!

danke, quirinius, dass das alles, wenn auch bernisch verklausuliert, ganz gut sichtbar gemacht wird

so, jetzt ist aber genug mit den burgundergeschichten! ich bestelle in adrians schlosspark einen wein. gleich einen halben weissen bietet man mir ungefragt an. spiezer-, nicht burgunderumsatz soll man hier scheffeln …

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rückblick auf den 22. juni 1476

(kurzfassung meiner ausführungen an der burgunderausstellung von heute)

ich begrüsse sie. seien sie an diesem wunderschönen und historisch bedeutsamen 22. juni 2008 meine gäste! denn heute vor 532 jahren fand die schlacht von murten statt, während der die eidgenossen die burgunder besiegten. und ich beabsichtige, sie genau heute durch die ausstellung “karl der kühne” in bern zu führen. ganz schön kühn, könnte man das sagen!

legenden und fakten in der schweizer geschichte

die schweizer geschichte, die man in der schule hörte, kennt zwei feinde: rudolf von habsburg und karl den kühnen. könig rudolf von habsburg, lernte man, habe die freiheit der innerschwyzer eingeschränkt und damit 1291 den rütli-bund provoziert. das habe zur gründung der eidgenossenschaft geführt, die fast zweihundert jahre später, 1475/6 vom grössenwahnsinnigen burgunderherzog karl ernsthaft in frage gestellt, von den wehrhaften eidgenossenschaft jedoch heldenhaft verteidigt worden sei. seither seien wir schweizer ein unabhängiges und freies land!

das alles ist legendenbildung!

schwiez1476.JPGdie schweizerischer eidgenossenschaft von heute wurden am 12. september 1848 gegründet. um dem ausgeprägt förderalistischen bundesstaat im zeitalter des aufkommenden nationalismus eine gemeinsame geschichte geben zu können, erfand man zwei generationen später “1291“. fakt ist jedoch, dass damals kein staat schweiz gegründet worden ist, sondern ein lokales bündnis zwischen uri und schwyz entstand, während der grossteil der heutigen schweiz diesem gar nicht angehörte. fakt ist auch, dass das konglomerat eidgenossenschaft, das sich zwischen 1350 und 1500 rasch ausdehnte, bis 1648 teil des heiligen römischen reiches deutscher nation blieb, wenn auch seit 1499 mit einem autonomiestatut.

keine legende ist der militärische sieg der vereinigten eidgenossen vom 22. juni 1476.

ins reich der rechtfertigungen gehört aber, die eigenossen seien von den burgundern angegriffen worden; sie hätten sich nur verteidigt. mitnichten! am 25. oktober 1474 erklärten die eidgenossen unter führung bern dem burgunderherzog karl den krieg. am 14. okobter 1475 erweiterte man diese kriegserklärung an die adresse der herzogin yolanda von savoyen, weil sich diese weigerte, mit den eidgenossen zusammen gegen burgund zu kämpfen. vorgängig hatte man bereits die burgundisch-savoyischen besitzungen in der freigrafschaft und in der waadt zerstört und geplündert.

anfangs 1476 schlug herzog karl zurück.

der herzog marschierte, von der belagerung der lothringischen haupstadt her kommend, durch die freigrafschaft und griff grandson an. den bernischen besatzern versprach er freies geleit, wenn sie sich ergeben würden. doch liess er die 400 mann hinrichten, als sie die schlossfestung verliessen. das hat ihm in bern den bleibend schlechten ruf eingebracht. danach konnte er aber, dem neuenburgesee entlang, nach bern vorstossen, wurde er indessen bei concise von den eidgenossen überrascht. die schlacht war kurz, denn die truppen des herzogs flüchteten vor den unritterlich laut vorpresschenden eidgenossen schnell. in lausanne rüsteten burgund und savoyen zu einem neuen anlauf, der auf bern zielte. die eidgenossen besetzten im gegenzug freiburg und murten, beide mit bern verbündet, aber in savoyischem besitz. herzog karl entschied sich, murten zu belagern, sodass es am 22. juni 1476 vor den toren der stadt zur grossen schlacht kam, in der reichste und mächtigste adelige seiner zeit gegen die vereinigten eidgenossen verlor. mehr als 10’000 menschen starben an diesem tag auf dem feld bei salvanach oder wurden im murtensee ertränkt. nur ein halbes jahr später, kam es erneut zu waffengewalt, nun zwischen dem herzog von lothringen, verstärkt durch 5’000 eidgenossen, und dem burgunder herzog. karl erlag in der schlacht von nancy an den folgen einer verletzung, und mit ihm verstarb der letzte der 4 grossen spätmittelalterlichen herzöge von burgund.

karl der kühne und die valois-herzöge von burgund

karl war nur 10 jahre, von 1467 bis 1477, herzog von burgund. und dennoch beschäftigt sich halb europa noch heute mit ihm. die franzosen und deutschen reagieren eher skeptisch auf ihn. für sie ist er ein grössenwahnsinniger geblieben. den engländern gilt er schon mehr, denn politisch waren die engländer stets auf burgund angewiesen. und für die hollander und belgier ist er so etwas wie der begründer des eigenen selbstbewusstsseins. zwar gelang es karl nicht, die unabhängigkeit der niederländischen handelsstädte vom kaiserreich durchzusetzen; das sollte erst wilhelm von oranjen gut 100 jahre nach karl erreichen. doch legte karl mit seinen lebensplan, zwischen dem heiligen römischen reich, dem kaiserreich, und dem französischen königreich, ein selbständiges königreich burgund zu begründen, das vom ärmelkanal am besten bis an mittelmeer und an die adria reichen sollte, die grundlage hierzu.

karl ist ein früher politikertyp. er dachte in historischen dimensionen, und er handelte aufgrund einer strategie.

402px-karte_haus_burgund_4.png20jährig sieht er, wie byzanz, die christliche kaiserstadt, in die hände des osmanischen sultans fällt, und er plant einen kreuzzug zur befreiung der heiligen stätten im nahen osten, den er aber nicht realisiert. 28 jährig muss er, der angehende herzog, der zu gerne französischer könig geworden wäre, mitereleben, wie sein verwandter, der mit ihm aufgewachsen war, als ludwig xi. den franzosenthron erbt; da beschliesst er, seinen könig hinfort zu bekämpfen. karl ist schliesslich 40, als er, nun schon reicher herzog von burgund, den kaiser friedrich iii. nach trier einlädt, um mit ihm über die erhöhung burgunds zum königreich zu verhandeln, und um mit dem habsburger über die nachfolge als kaiser zu pokern.

karl, der kühne, war der vierte und letzte valois-herzog am burgundischen hof. philipp der gute, sein vater, johann ohnefurcht, sein grossvater, und philipp der kühne, sein urgrossvater, hatten die ambitionierte politik der burgunder begründet. durch heirat, kauf und krieg hatten sie seit 1368 ihre ländereien rund um dijon erheblich erweitert erweitern können. die reichen städte in flandern, brüssel und brügge in brabant, die herzogtümer luxemburg und lothringen kamen wie die freigrafschaft am jura stück für stück zum herzogtum burgund. in mittelalterlichen kategorien gedacht, waren die burgunder vasallen des französischen königs wie des kaisers; in neuzeitlichen konzepten übersetzt, beherrschten sie ein territorium, das problemlos als königreich gelten konnte. kleiner als das königreich von england war das das herzzogtum von karl jedenfalls nicht.

mit diesem königreich versuchten die valois-herzöge an die lange burgundische tradition anzuknüpfen. burgund war schon zu zeiten der völkerwanderung im 5. jahrhundert ein königreich gewesen, das damals das rhone-, saone- und doubstal umfasste. auch beim untergang des fränkischen kaiserreiches im 9. jahrhundert entstand burgund als königreich erneut. dieses kam im 11. jahrhundert zum kaiserreich, ausser dem herzogtum burgund, das sich schon im 9. jahrhundert auf die seite der französischen krone schlug und dort überlebt, während das unselberständige königreich burgund nis 1378 in verschiedenste adels- und stadtherrschaften aufgelöst wurde.

das ende des feudalen mittelalters in frankreich und im kaiserreich

möglich geworden war der spektakuläre aufstieg der herzöge von burgund nur, weil die französischen krone im 100jährigen krieg mit der englischen geschwächt worden war. ausgebrochen war diese fehde, als 1337 der letzte kapetinger auf den französischen thron starb und kein eindeutiger nachfolger bestimmt werden konnte. schliesslich setzten sich die herzöge von valois als französische könige durch, brauchten aber 116 jahre, bis sie die englischen königsanwärter vom festland vertreiben konnten. ihre verwandten bestimmten sie zu herzögen von burgund, mussten aber zur kenntnis nehmen, dass diese im 100jährigen eine konsequent pro-englische und anti-französische politik betrieben. das erlaubte es den herzögen von burgund, stets recht unabhängig von französischen königshaus ihren geschäften und interessen nachzugehen.

bs1burgund.JPGum ihr unübliches herrschaftsgebiet sichern zu können, entwickelten die burgunderherzöge grundsätze der hierarchisch geführten verwaltung, beförderten sie den schriftverkehr in der politik, und vereinheitlichten sie steuern und rechte der städte im adeligen sinne. moderne kunst, im buchwesen, bei den tapisserien und in der malerei sollten von der neuen grösse zeugen, und mit der höfischen kultur und mode sollte sich neue lebensluste entwickeln.

das alles erlaubte es ihnen, auch auf herrschaften im kaiserreich überzugreiffen. das wurde nach 1437 namhaft möglich, als kaiser sigismund aus dem hause luxemburg-böhmen verstarb, ohne einen nachfolger zu hinterlassen. im kernteil des kaiserreiches begann nun der grosse aufstieg der habsburger, die bis 1806 ununterbrochen den kaiser stellen sollten. doch im süden und westen des reiches blieb ihr einfluss vorerst schwach, was anderen neue möglichkeiten eröffnete: den städten am rhein und am po, den burgundischen herzögen in dijon und dem französischen könig in paris.

nach 1450 entwickelt sich ein eigentlicher wettlauf um macht, geld und ehre.

anfänglich schienen die herzöge von burgund die nase vorn zu haben. die wende kam 1473 in der alten kaiserstadt trier, dicht an der grenzen zwischen burgund und kaisereich. da sich karl nur um den preis, seine einzige erbin, maria, mit den habsburgern verheiraten zu müssen, könig und kaiseranwärter werden konnte, winkte er ab. er vertauschte den prunkvoll gedeckten verhandlungstisch mit dem feldherrenstuhl. wie einst caesar, der den gallischen krieg gewann, um in rom alleinherrscher zu werden, aber auch wie karl der grosse, der die sachsen besiegte und zum neuen weströmischen kaiser avancierte, wollte karl herrscher über die rheinischen und am besten auch über die lombardischen städte werden. mit ihnen und ihrem reichtum wollte der das europäische kaisertum neu begründen.

der krieg der eidgenossen mit burgund und savoyen

der burgunderkrieg mit den eidgenossen begann 1474 mit einem erfolgreichen aufstand der breisgauer gegen den burgundischen vogt peter von hagenbach. dieser hatte ganz im sinne der burgunder versucht, eine generelle verwaltungsreform im elsass zu realisieren. basel, bis dahin im konflikt neutral, streckte herzog sigmund von vorderösterreich das nötige kleingeld vor, das man sich bei den burgundern geliehen hatte, sodass der einfluss von karl auf vorderösterreich schwand. burgund geriet in die defensive und sigmund konnte in seinem untertanengebiet eine aufstand gegen den herzog anzetteln.

593px-burgunderkriege.pngnun griff das bürgerliche bern in den jura aus, um sich einen weg durch burgundisches gebiete nach frankreich zu verschaffen. in héricourt besiegten die berner ein burgundisches heer. den französischen könig freute diese entwicklung, und er förderte die pro-französische stimmung in bern und in der eidgenossenschaft durch erhebliche geldzahlungen im dreimonatsrhythmus.

fast schon hätte der kaiser rechts des rheins den burgundischen einfluss rückgängig gemacht und der französische könig sich in der eidgenossenschaft ausgebreitet gehabt, sodass man ohne kampf zur tagesordnung hätte schreiten können. um diese vorzubereiten, vermittelte der französische könig 1474 erfolgreich die ewige richtung der eidgenossen mit habsburg, die sich 150 jahren in den haaren gelegen hatten.

doch wurde damit nicht ruhe geschaffen, sondern der eigentliche krieg vorbereitet. die eidgenossen nutzten nun den friedensvertrag mit dem erzfeind im nordosten in der hand, um im südwesten krieg zu führen. von den den kriegserklärungen an burgund und savoyen resp. vom vernichtungsschlage gegen die romandie war schon einleiteten die rede. doch der tagsatzung missfiel das eigenmächte verhalten der berner unter ihrem pro-französischen schultheissen von diesbach.

auch der bernische senat stellte sich quer, und adrian von bubenberg, im aaretal wie in savoyen begütert, meldete seine opposition an. da wurde er aus der berner politik ausgeschlossen, sodass er sich nach spiez auf seinen freiherrensitz zurückzog. dem siegreichen von diesbach sollte es aber noch schlechter gehen. auf einem feldzug nach pruntrut wurde er in blamont von einem pferd überrannt und erlag kurz darauf den folgen des unfalls.

für herzog karl, der an einem angriff auf die eidgenossenschaft nie besonders interessiert war, bot sich nun die gelegenheit, im führungslosen bern zu intervenieren. er arrangierte sich mit dem französischen könig und griff nun in der freigrafschaft und in der waadt ein. die geschichte kennen wir ja schon. sie muss aber um einen punkt ergänzt werden: nach dem überraschungstreffen in grandson, versuchte karl die habsburger auf seine seite zu ziehen. er willigte an ostern in lausanne in einen heiratsvertrag zwischen seiner tochter und erzherzog maximilian ein, denn er noch 1473 verweigert hatte. doch damit gewann er keinen einfluss, sondern sollte er nach seinem tod definitiv sein erbe verlieren.

die folgen für das europa der neuzeit

die eigentlichen erben der burgundischen erwerbungen unter den valois-herzögen von burgund wurden schliesslich die habsburger. maria, die neue herzogin von burgund, die in den niederlanden anerkennung fand, heiratete maximilian, verstarb aber früh. doch maximilian behielt insbesondere die reichen städte am ärmelkanal. und er heiratete als zweites mal, jetzt bianca sforza, die tochter des herzogen von mailand, und legte so seine hand auch auf die lombardischen städte. damit gelang ihm, was sein verstorbener schwiegervater karl stets wollte, wenn auch mit umgekehrten vorzeichen. maximilian stärkte mit seinen heiraten das reich und wurde auch nachfolger seines vaters friedrich iii. als kaiser, als karl längst tod war. 

der ehe zwischen dem habsburger und der burgunderin  waren mehrere kinder entsprungen, unter anderem auch philipp, später der schöne genannt, der zuerst gouverneur der niederlande war, dann ins spanische königshaus heiratete, dort aber früh verstarb. sein gemeinsamer sohn mit juanita, der spanischen königin, stieg als carlos i. zuerst zum ersten habsburger auf dem spanischen thron, dann unter dem namen karl v. als nachfolger von maxilian auf den kaiserthron auf. er regierte auch das neuentdeckte (mittel)amerika und die philipinen und sagt von sich, in seinem reich gehe die sonne nie unter.

europa_1500.jpgso mächtig habsburg aus dem erbe karls wurde, so enttäuschend blieb es für die kaiserfamilie, dass man das kernland, das eigentlichen herzogtum burgund um dijon, nie erhielt. auf dieses griff könig ludwig xi. erfolgreich zurück, als karl starb. niemehr sollte burgund in der folge von grossen politischer bedeutung mehr sein. einzig die katholische kirche hielt in den klöstern das burgundische erbe aufrecht, bis napoléon auch damit aufräumte, sodass nur noch die weinbauern aus burgund berühmt sind.

habsburg und frankreich einigten sich 1493 im friede von senlis über die teilung des burgundererbes und leiteten so den kampf um italien ein. das stand zwar mit der reanissance kulturell in seiner blüte, politisch war es aber äusserst instabil. vorerst rivalisierten die franzosen und der papst mit venedig, später der papst und der kaiser um die vorherrschaft auf der halbinsel. frieden schloss man erst 1555, und es siegte eigentlich der kaiser karl v., der den franzosenkönig und den papst in die schranken wies, durch die zwischenzeitlich ausgebrochene reformation jedoch geschwächt wurde und als kaiser schliesslich abdankte.

die folgen für die eidgenossenschaft

auch die eidgenossenschaft, 1476 grosser schlachtensieger, struktuierte sich in dieser phase neu. nach 1477 wurde die reisläuferei zur wichtigsten erbsquelle. vorerst interessierte sich der französische könig für die schweizer söldner, wie sie jetzt hiessen, später auch der papst. die hat er heute noch, allerdings nur noch in folkloristisch form, während jener seine schweizer in der französischen revolution verlor. 1478 akzeptierten die eidgenossen die von frankreich und habsburg verlangte versöhnungspolitik mit den nachbarn. die freigrafschaft wurde gegen geldzahlungen an habsburg abgegeben; einzig die burgundischen besitzungen in der waadt gingen an bern und freiburg. die ländereien der savoyer gingen auf französischen drucl an diese zurück, und das bündnissystem zwischen savoyen, bern und freiburg, das vor den burgunderkriegen bestanden hatte, wurde erneuert. 1536 sollte der franzosenkönig den bernern und freiburgern erlauben, die waadt erneut zu besetzen und mit der durchführung der reformationen dem katholischen savoyen definitiv zu entziehen.

seidgenossenschaft_13_ortige_1536_1798.JPGunter sich rangen die eidgenossen lange über ihre neue verfassungsform. entschieden wurde sie 1481. in den bund neu aufgenommen wurden freiburg und solothurn. mülhausen wurde zugewandter ort, während strassburg und konstanz, die sich ebenfalls interessiert hatten, fern bleiben mussten. überhaupt, die angst, die städte würden die aufstrebende eidgenossenschaft nun beherrschen, regierte die verhandlungen. schliesslich setzten sich, unter vermittlung von des obwaldners niklaus von der flüe, die kleinen durch. alle 11, später mit basel und appenzell, alle 13 vollwärtigen orte der eidgenossenschaft sollten bis 1798 gleichberechtigte glieder des bundes sein, egal ob sie gross oder klein waren. dieses bündnis, das im kaiserreich verblieb, setzte 1499 gegen maximilian, der dem reich eine grundlegende reform verordnete, einen autonomiestatus durch, der bis 1648 gültigkeit hatte, und die eidgenossenschaft von der weiterentwicklungen des rechts, der steuern und der verwaltung im reich nun ausnahm. wichtigste wirtschaftliche grundlage wurde nun die reisläuferei, die in italien vorerst zu grossen erfolgen führte, dann aber in der niederlage von marignano mündete und den weg für die reformation als (vorübergehende) anti-söldnerbewegung in der eidgenossenschaft ebnete.

bilanz

karl hat die burgunderkrieg nicht überlebt. niklaus von diesbach, sein grosser gegenspieler, auch nicht. adrian von bubenberg wurde als überlebender held von murten gefeiert. in bern wurde er rehabilitiert, und avancierte er zum dritten mal zum schultheissen der stadt. er war massgeblich an der vermittlung mit savoyen zuständig, verlor aber an einfluss auf die bürger- und söldnerbewegung, die nach dem schnellen geld aus dem reislaufen lechzte. 1479 starb er in bern an der pest. seine familie verarmte und verliess eine generation später alles, was man im aaretal hatte, in richtung savoyen.

“herbst des mittelalters” nennt der niederländische historiker johan huizinga, ein burgunderspezialist, die mit karl dem tollkühnen zu ende gehende epoche. melancholie sei das grundgefühl der zeit gewesen, das sich aus dem wissen ergab, das man die mittelalterlichen traditionen verlassen werde. doch das moderne, das neuzeitliche, sei damals noch bekannt gewesen, und die angst, sie beherrschen zu müssen, sei gerade am burgundischen hof durch prunksucht überspielt worden. die grossen ihrer zeit seien arbeitsame menschen gewesen, die voll von lebenslust waren, und sprunghaft zwischen beidem hin und her schwankten.

so wie ich, in meinen beurteilungen.
stadtwanderer

bubenberg partei schweiz (bps)

heute wird die berner bps, die kantonalpartei der kommenden bürgerlichen partei der schweiz gegründet. ob sie genau so heissen wird, ist heute noch offen. und das ist gut so, denn es lässt raum, um über den sinn der parteigründung und der parteibenennung nachzudenken: ich schlage vor, eine liberal-konservative “bubenberg partei der schweiz” zu gründen.

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die ausgangslage

allgemein zeigt man sich skeptisch, ob es zwischen der svp einerseits, der fdp und cvp anderseits einen platz für eine weitere, national relevante partei hat. ehrlich gesagt, bin ich das auch ein wenig.

etwas weniger zurückhaltend bin ich, wenn man auf die mögliche wählerInnen-basis der bps schaut: die parteibindungen sind volatil; neue angebote haben so chancen. nicht-mehr-wählende, die sich von der svp angewandt haben, aber auch die anhängerInnen der svp-politikerInnen, die sich abgespalten haben, kommen da als potenziale in frage.

aktuell schätze ich, dass das national drei bis vier prozent wählende ausmacht. zum grösseren teil zulasten der svp, zum kleiner durch neumobilisierungen.

auf jeden fall ist das zu wenig, um 2011 den sitz von bundesrätin eveline widmer-schlumpf aus eigener kraft zu sichern. das wird nur möglich sein, wenn sich die neue partei über die kantone graubünden, bern und glarus hinaus ausdehnen kann. dafür muss die bps die öffentlichkeit mobilisieren können, muss sie die wirtschaft für sich gewinnen und muss sie im behördlichen willensbildungsprozess fürsprecher für bestimmte interessen werden.

der unterschied zur oppositionellen svp

programmatisch braucht eine bürgerlichen partei wohl drei unterschiede zur oppositionellen svp:

erstens, muss sie auf die permanente institutionenkritik verzichten. der rechtsstaat, die politikerInnen, und auch der respekt vor dem gegner gehören unabdingbar zur schweizerischen politischen kultur.

zweitens, der von der schweiz verlangte bilateralismus in der beziehung zur europäischen union ist keine entscheidung von fall zu fall, sondern eine gut abgestützte determinanten der aussen- und innenpolitik, die es mit all ihren vor- und nachteilen zu akzeptieren gilt.

und drittens kann es sich eine demokratisch gesinnte regierungspartei auf die dauer nicht leisten, sich wählerinnen-stimmen durch die diffamierung ausländischer bevölkerungsteile zu verschaffen, die hier arbeiten, steuern zahlen oder spitäler unterhalten.

so gibt es ein paar unterschiede zur ausrichtung der svp von heute, die zählen.

szenarien für 2011

ob die bps damit fit ist, die wahlen 2011 zu bestehen, ist heute noch spekulation. sinnieren kann man aber, unter welchen bedingungen die parteigründung relevant wird. zwei szenarien, sind denkbar:

einmal, gewinnt die svp die wahlen 2011 überlegen, und hat sie mit einem wunschpartner zusammen die absolute mehrheit in beiden kammer des bundesparlamentes, ist davon auszugehen, dass das angeschlagen konkordanzsystem kippt, mindestens national wohl auch in wichtigen kantonen. dann ist macht die bps keinen sinn.

sodann, verliert die svp die wahlen 2011, bleibt ihr nur die fortsetzung der opposition oder die rückkehr zur konkordanz. im bundesrat würde sie gemessen an ihrer parteistärke wieder vertreten sein. im besseren fall ist das mit zwei vertreterInnen ihrer wahl, im schlechteren jedoch nur mit einem, während der oder die andere aus der bps stammt.

theoretisch wird das schwierig zu begründen sein; praktisch nicht, so lange eveline widmer-schlumpf bundesrätin ist. wenn der pulverdampf des momentes verflogen sein wird, wenn christoph blocher als heimlicher parteipräsident abgedankt haben wird, wird man sehen, wie gering die programmatischen unterschiede zwischen ihr und einer liberal-konservativen rechtspartei in der schweiz sein wird.

adrian von bubenberg als vorbild
adrian von bubenberg war ein politiker dieses typs:

traditionell in seiner inneren verankerung, offen in seinen aussenorientierungen.
hart im kampf, aber verträglich in der verhandlung.
prinzipientreu in der politik, ohne durch das schnell verdiente geld und die fremd geliehen macht geblendet zu sein.

für von bubenberg hatte eigensinn jenen wert, den man heute so vermisst: das hat ihm zwar nicht immer nur erfolge gebracht, ihn aber auch vor dem hochmut bewahrt, der bekanntlich vor dem fall kommt. die geschichte jedenfalls hat ihm, nicht seinen widersachern recht gegeben.

also schlage ich vor, heute die bps, genauer gesagt die “bubenberg partei der schweiz” zu gründen, die genau die werte bubenbergs hochhält und sich der herausforderung stellt, die svp durch die formulierung einer alternative zur oppositions-svp wieder ins boot der verantwortungsbewusst politisierenden liberalkonservativen zurück zu zwingen.

stadtwanderer

http://www.svp.tv/

am sonntag um 10

bald ist es so weit: meine angekündigte führung durch die grossen burgunder-ausstellung in bern findet statt. der tag ist bewusst gewählt. es ist der schlachtentag, an dem die burgunder im menschengetümmel von murten untergingen …

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johannes stumpf: chronik von 1554 über die schlacht von murten

doch will ich hier keine patriotische feier ankündigen, sondern eine museaumsführung durch kultur, politik und krieg in burgund. die sensationelle ausstellung in bern gibt uns anlass dazu!

das ganze erlaubt einen für die schweizerInnen unüblichen perspektivenwechsel: statt aus eidgenössischer sicht wird die geschichte aus burgundischer dargestellt!

hier schon mal das …

programm

kurz vor 10 00 besammlung vor dem historischen museum zu bern, bei schönem wetter warte ich draussen im park, bei schlechtem drinnen in der lobby.

10 00 kleine einführung in die geschichte burgunds und den herbst des mittelalters durch mich

10 15 beginn der führung zu den themen “kultur, politik und krieg der burgunder”

12 00 wir werden uns (hoffentlich pünktlich) am mittag im raum befinden, der die schlacht von murten beschreibt; die begann, auf die stunde genau, 532 jahre zuvor auf dem feld zwischen murten und salvenach.

12 30 ende der führung, für interessierte apéro im hof des museums

der eintritt kostet 24 chf, die führung selber ist frei. es komme, wer mag!jedoch bedenke man: es ist der 10000 rittertag! zieht also die alten rüstungen an, und sattelt euer pferd!

stadtwanderer

meine bisherigen beiträge zur schlacht von murten:

schlachtfeldbegehung anderer art

schlief adrian von bubenberg gut nach der schlacht von murten?

mit adrian von bubenberg duzis gemacht

die rückkehr des ausgeschlossenen bubenbergs

eigentlich wissen wir wenig über adrian von bubenberg. seit johannes von müller, der erste nationalhistoriker der schweiz, ihn am ende des 18. jahrhunderts als standfesten helden in der schlacht von murten verklärt hat, gibt es mehr geschichten, legenden und gerüchte über ihn, als gesicherte historische interpretationen. eine spurensicherung durch den stadtwanderer!

2591933225_db12738be8.jpgdazu passt, dass ein er als einer der wenigen grössen der stadt bern ein denkmal erhalten doch, dieses jedoch von der ersten stunden an umstritten war und selbst der standort im verlaufe der zeit gezügelt wurde. nicht einmal der berühmteste spruch, den man von ihm kennt, ist historisch: “solange eine ader in uns ist, gibt keiner nach”, wäre zwar nach dem desaster, das die kapitulierenden bernischen besatz von grandson erlebt hatten, ein durchaus nachvollziehbarer befehl gewesen, allein, der erste beleg dafür ist gut 300 jahre jünger als das ereignis.

dafür ist der hut echt, den adrian momentan trägt: er ist unfreiwillig zum held der niederländischen fussball-touristen avanciert, die in erklommen und sein haupt bedeckt haben.

die kontroverse zwischen von diesbach und von bubenberg

zu den historisch gut belegten teilen des lebens von adrian von bubenberg gehört dagegen seine rivalität zu niklaus von diesbach, weil sie sich selbst in den ratsprotokoll der bernischen regierung spiegelt. altersmässig waren beide vergleichbar. in die bernische politik stiegen sie gemeinsam ein. beide wurde bei pilgerfahrten in den nahen osten zu rittern geschlagen. beide brachten sie es mehrfach auf den stuhl des schultheissen. und beide spielten als heerführer in den burgunderkriegen eine wichtige rolle.

doch ihr herkunft war anders: die von bubenbergs gehörten zu den traditionsreichen adelsfamilien in bern, derweil bei den von diesbach das “von” nicht echt war. denn er war ein bürgerlicher. einer mit viel geld, das er im tuchhandel gemacht hatte und mit dem er sich in die politik eingekauft hatte, während die von bubenbergs, überall verschuldet, ihre rechnungen meist anschreiben liessen, bis es wirklich nicht mehr ging. der eigentliche gegensatz äusserte sich in ihren aussenpolitischen beziehungen: niklaus von diesbach war dem frankenkönig ergeben, während adrian von bubenberg mit den burgundischen herzögen verhängt war.

zum eigentlichen eklat zwischen beiden kam es, als der königliche stand bern dem benachbarten herzogen von savoyen 1474 den krieg erklärte. schultheiss niklaus von diesbach fühlte sich nun frei, offensiv zu handeln. er wollte seine mission im dienste des französischen königs möglichst ungehindert realisieren. dazu war er zu allem bereit. ganz anders war kleinrat adrian von bubenberg disponiert. er suchte den konflikt auf die savoyischen besitzungen einzugrenzen und eine ausdehnung auf burgund zu verhindern. er wirkte vermittelnd, war zu allerlei kompromissen bereit.

der eklat: von bubenbergs ausschluss

als die tagsatzung das aggressive vorgehen von diesbachs 1475 im jura und in der waadt kritisierte, hätte die stimmung zugunsten von bubenbergs kippen können. doch der mächtige schultheiss von diesbach setzte sich in seiner vaterstadt durch. er inszenierte eine handfeste intrige gegen seinen widersacher, isolierte diesen und scharte den handlungsunfähigen kleinrat um sich.

adrian durfte sich vor seinen regierungskollegen nicht einmal verteidigen. er wurde auf antrag des schultheissen direkt aus der regierung und aus der politik ausgeschlossen.

niklaus von diesbach bezahlte seinen griff nach den sternen kurz danach mit dem leben.

der triumph: von bubenbergs rückkehr

adrian von bubenberg, der ausgestossene, schmollte noch eine zeit in seinem spiezer schloss. als bern im burgunderkrieg ernsthaft in die bedrouille kam, rief man den ausschlossenen, aber wohlverdienten altpolitiker wieder an die aareschlaufe zurück. dem erfahrenen feldherr wurde die ehrenvoll aufgabe übertragen, murten zu besetzen und gegen alle angriffe zu verteidigen.

man weiss es: das gelang adrian von bubenberg, selbst wenn er damit seinen jugendfreund karl den kühnen ins verderben stiess.

adrian von bubenberg wurde danach rehabilitiert, stieg nochmals ins amt des schultheissen auf und unternahm in savoyen und frankreich vermittelnde missionen gegenüber berns nachbarn. er starb später an pest. doch solange eine ader in ihm war, gab er nicht nach!

stadtwanderer

niklaus der kühne

wenn es um den 16. oktober 1475 in der murtener geschichte geht, überbieten sich die berichterstatter mit unüblichem: die neuenburger chronik hält fest: ” le discord fut si grand, qu’on ne savoit connoître de quel parti il en avoit le plus.” was war geschehen?

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1473 einigten sich der kaiser friedrich iii., ein habsburger, und der burgundische herzog, karl der kühne, nicht auf die wiedergeburt des burgundisches königreichs, das 1378 untergegangen war. ein solcher titel hätte karls position gegenber dem französischen könig gestärkt, jedoch auch gegenüber dem kaiser. friedrich wusste darum und verlangte als preis, dass karl einzige erbin, seine tochter maria, den sohn des kaisers heiraten müsse.

karl entschied sich, den durchbruch auf den schlachtfeldern zu suchen. um ihn zu schwächen, befriedete das haus habsburg, vermittelt durch den französischen könig, den seit 1315 wiederkehrenden zwist mit den eidgenossen.

schultheiss niklaus von diesbach

zentrale figur der eidgenossen war der berner schultheiss niklaus von diesbach. seine familie war als tuchhändler reich geworden und in die berner politik eingestiegen. dabei nutzte man die alten handelsbeziehungen an die europäischen königshöfe, um jetzt diplomatie zu betreiben. niklaus von diesbach war 1465 erstmals berner schultheiss geworden. keiner war so jung wie er in dieses amt aufgestiegen. und das machte ihn bei den alten eliten, den traditionellen junkern wie adrian von bubenberg, von anfang an verhasst.

1474 ist niklaus von diesbach auf der höhe seiner macht. zuerst bindet er bern mit einem bündnis an den französischen königshof, dessen kammerherr er geworden war. dann überzeugt er den habsburgischen herzog für vorderösterreich, mit den eidgenossen einen dauerhaften frieden, die sog. ewige richtung, abzuschliessen. die niedere vereinigung rund um basel schoss zudem dem habsburger geld vor, um ihn aus der burgundischen umklammerung zulösen. schliesslich erklärt der berner schultheiss der herzogin von savoyen und deren stellvertreter, jakob von savoyen, graf von romont, am 14. oktober 1474 den krieg. das sollte nicht ohne folge bleiben, den savoyen war mit burgund verbündet.

die besetzung murtens durch bern und freiburg

noch bevor die tagsatzung das bündnissystem akzeptierten, liess niklaus von diesbach murten besetzen. nur zwei tage nach der kriegserklärung an den savoyischen hof, verlangten berner und freiburger vom savoyischen städtchen unmissverständlich, dass es seine tore öffnen müsse. das löste die unordnung in der stadt aus. die murtener chronik hält fest:

“Gross war die Gährung der Gemüther; tumultuarisch die Berathungen. Selbst die Weiber nahmen Parthey.”

doch die savoyerpartei unterlag: der schultheiss, humbert de lavignies, flüchtete aus der stadt, und der bürgermeister, richard rossel, starb, wie es heisst “aus verdruss”.

der wilde krieg gegen burgund

niklaus von diesbach erhielt für seine aktion vom französischen könig 20’000 livres, was dem staatsetat berns von einem jahr entsprach. die hälfte floss in die familienkasse, die andere hälfte wurde unter den günstlingen von diesbachs verteilt. ein teil der berner kam so zu viel geld, genau das, was den alten junkern fehlte.

mit seinen getreuen unternahm der berner schultheiss 1475 eigenmächtig einen angriff auf die burgundischen truppen, die in pruntrut berner eingekesselt hatten. gleichzeitig griffen die berner und freiburger in diesem sommer plündernd und mordend die waadt an.

die tagsatzung verurteilte das eigentmächtige und brutale vorgehen, und auch adrian von bubenberg opponierte im berner kleinrat. doch gelang es niklaus von diesbach, sich in bern durchzusetzen. adrian von bubenberg wurde auf treiben von diesbachs hin aus dem kleinrat ausgeschlossen und zog sich auf sein landgut in spiez zurück.

nun wollte niklaus von diesbach definitiv zum grossen gegenspieler von herzog karl werden. das war kühn, ja tollkühn. in blamont, in der nähe von pruntrut wurde er nur wenige tag nach seinem sieg in der politik von einem pferd tödlich verletzt.

doch bern befand sich in einem selbstgewollten krieg, ohne vom kriegstreiber geführt zu werden.

à suivre

stadtwanderer

 
   
   
   
   
   
   
   
   
   

der fall der murtener mauer

heute war in murten alles still. die sommerliche abendstimmung lockte die menschen auf die strasse. ein pianist spielte unter den lauben. alles war friedlich.

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nichts, aber auch gar nichts erinnerte einen an den fall der murtener mauer heute vor genau 532 jahren!

damals, am 18. juni 1476, kam es zum heikelsten moment für murten vor der grossen schlacht. in der stadt waren seit dem 8. april 1500 berner, die unter adrian von bubenberg das kleine murten vor möglichen angriffe schützten. überall wurde fleissig gearbeitet, denn vor der stadt lagerten seit 9 tagen die truppen des burgunder herzogs karl.

adrian von bubenberg hatte sein hauptquartier dort, wo heute noch das rathaus von murten steht. von hier aus sandte er signale und boten über den see, die in bern bericht nach bern machten. anfänglich dominierte zuversicht. dann merkte man, dass die anspannung unter den belagerten stieg. doch die eidgenossen konnten sich nicht entscheiden, die stadt mit einem energischen angriff auf die burgunder zu entlasten.

es war ein dienstag, als die burgunder aus richtung muntelier angriffen. die mauer, erst wenige jahre zuvor neu erbaut, wankte zwischen der kirche und dem unteren tor, heute berentor. schon stürzten teile unter dem beschuss der burgundischen artillerie, als jakob von savoyen, graf von romont, 1471 als herr über murten von der murtener bevölkerung gefeiert, abends nach sechs hoffte, die stadt mit grossen getöse einnehmen zu können.

doch der angriff misslang auf mirakulöse art und weise. nach murtener quellen sollen die burgunder an diesem abend mehr als tausend mann verloren haben. über die eigenen verluste gibt es keine angaben. die zerstörte mauer wurde in der nacht notbehelfsmässig repariert, denn man wusste, die burgunder würden nicht locker lassen.

das sollten sie dann am samstag drauf effektiv tun, allerdings nicht mehr vor der stadt, sondern oberhalb gegen salvenach zu, wo die eidgenossen dann effektiv für entlastung sorgten und die schlacht mit weitreichender bedeutung schlugen.

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der fall der murtener mauer mobilisierte die eidgenossen definitiv. die zürcher, die lange warteten, setzten zu einem dreitägigen gewaltsmarsch an, um gerade noch rechtzeitig dabei zu sein, als es auf dem schlachtfeld losging.

vielleicht interessiert das, ausser den stadtwanderer, heute niemand mehr in murtens gassen. bei einem bier sagt man mir, das murtenschiessen sei am sonntag; vom mauerfall wissen die meisten nichts mehr. und so sage ich mir auf dem heimweg: wenn die leute aus allen ländern heute so friedlich beeinander sind, ist das ein gutes zeichen!

stadtwanderer

bilder: stadtwanderer

bild 1: noch heute typisch, die savoyisch anmutenden rundtürme in den mauern um burgen oder städte

bild 2: unverändert sichtbar, wo die mauer vor 532 schweren schaden gelitten hatte.

der aufstieg murtens ins zentrum des weltinteresses

wer nach murten geht, vergisst die lauben und die mauern rund um die mittelalterliche stadt nicht. beides erinnert an den aufstieg der stadt unter den herzögen von savoyen, bis es 1475/76 in murten zu weltpolitischen entscheidungen kam.

bildmurten-148.jpgalles beginnt mit der feuersbrunst

murten wurde in der zweiten hälfte des 12. jahrhunderts von den herzögen von zähringen gegründet und gefördert. nach deren aussterben war man vorübergehend reichsstadt, bis 1255 die grafen von savoyen hand auf die stadt legten, und diese bis 1475 dor behielten.

der eigentliche aufstieg der savoyischen provinzstadt beginnt 1414. die bauern im ganzen dreiseengebiet begehren auf. sie wollen die herrschaften in den burgen und städten stürzen. und sie zünden an, was brennt. so auch murten. die holzstadt von damals wird opfer der flammen.

könig sigismund, auf dem zug von avignon nach konstanz, mit dem ziel, die unübersichtlichen verhältnisse im papsttum neu zu ordnen, teilt die ehemals hochburgundischen gebiete, über die sein vater, kaiser karl iv. noch könig gewesen war, auf: die grafen von savoyen werden herzöge mit zentrum in chambery; die stadt bern wird reichsstadt und darf damit über untertanen aus das blutgericht sprechen. schliesslich akzeptiert sigismund, dass die herzöge von burgund in dijon die herren über freigrafschaft am jura bleiben, obwohl die lehensherren des französischen königs damit imperiales territorium beanspruchen.

bild-212.jpgunter den savoyischen herzögen

herzog amadeus viii. besucht das niedergefackelte murten 1416. als wiederaufbaumassnahme befreit er die stadt für 15 jahre von allen abgaben an seinen hof. zudem dürfen die murtemer nun auf dem lokalen wein eine eigene steuer erheben. 1430 ist es soweit: murten hat sich finanziell erholt, und ist dabei, die stadt neu zu bauen.

wer nun auf strohdächer verzichtet, kann subventionierte ziegel beziehen. und wer vor dem haus keinen vorgarten mehr hat, dafür den raum mit lauben überdeckt, erhält von der stadt verbilligten kalk. damit ändert sich das bild rasant: das holz gehört der vergangenheit an, arkaden mit verputzem gemäuer und häuser mit richtigen dächer beginnen die stadt zu prägen.

bild-215.jpgunter europäischer aufsicht

seit 1353 war murten nicht nur savoyisch, sondern auch zugewandete stadt der 8örtigen eidgenossenschaft. diese eidgenossenschaft war seit 1439 im ersten bürgerkrieg untereinander. zürich wollte sich ab und wieder habsburg zuwenden. das tolerierten die übrigen verbündeten nicht, und sie besiegten die stadt zürich. dabei stieg bern zum eigentliche vorort in der eidgenossenschaft auf.

am ende des zürichkrieges veränderte bern auch die verhältnisse im habsburgischen freiburg: der schultheiss wilhelm von avenches wurde gestürzt, und murten nutzte die gelegenheit, offene rechnungen mit dem alten rivalen zu begleichen. zwischen den beiden städte entstand 1448 eine eigentliche fehde mit verwüstungen rund herum, bis die grossen der umgebungen in die unruhen eingriffen:

der könig von frankreich, 1444 sieger über die eidgenossen an der schlacht von st. jakob an der birs, die herzog von burgund, die stadt basel und die eidgenössischen orte erzwangen friedensverhandlungen, die am 16. juli im murtener wirtshaus adler besiegelt wurde. zuerst savoyen, dann aber auch bern und freiburg ratifizierten das schriftstück, ohne dass damit der status von murten zwischen savoyen und eidgenossenschaft genau geregelt worden wäre.

zusehends polarisierte sich die situation: bern, führend über das savoyisch geworden freiburg, beanspruchte nun auch murten zu bestimmen.

bild-239.jpgunter dem einfluss der herzöge von burgund

1469 lag es an amadeus ix., bei seinem besuch in murten, die stadt aufzufordern, mit dem wiederaufbau der stadtmauern aus dem 13. jahrhundert, die bei der feuersbrunst ebenfalls gelitten hatten, zu beginnen. finanziell wollte er sich auch an diesem werk beteiligen. den mauerbau selber erlebte er nicht mehr direkt, litt er doch chronisch an epileptischen anfällen. deshalb über trug er seiner frau yolante die geschäfts des herzogtums. diese wiederum berief 1471 jakob von savoyen, einen verwandten des herzogs, zum grafen von romont und herrscher über die savoyischen gebiete in der waadt. murten huldigte jakob, als die mauern fertig gebaut waren.

doch nicht nur die murtemer bürger interessierten sich nun für den neuen machthaber aus romont. auch der herzog von burgund, karl, wandte sich 1473 an ihn. um seinen plan, könig von burgund, ja kaiser des römischen reiches zu werden, realisieren zu können, suchte er einen sicheren weg vom ärmelkanal nach rom. und der führte idealerweise bei pontarlier über den jougnepass und bei martigny über über den grossen st. bernhard. romont lag da strategisch günstig dazwischen. und so befördert herzog karl den savoyer jakob, graf von romont und herr über das aufstrebende murten, zu seinem grossmarschall und damit zu seinem stellvertreter am burgundischen hof.

bis die städte bern und freiburg dagegen intervenierten … mehr dazu später!

stadtwanderer

fotos: stadtwanderer

bild 1: pitoreskes murten heute

bild 2: laubenimpressionen heute

bild 3: hotel adler heute

bild 4: mauerbau heute

die überraschende kulturgeschichte der farbe orange

orange ist unbestrittenermassen die farbe der orangenfrucht. und es ist ebenso unbestrittenermassen die farbe der niederländer. dennoch sind die niederländer – unbestrittenermassen – nicht alles orangen.

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das orange der niederländer ist vielmehr der versuch des hauses oranje-nassau, die erbmonarchie, die seit 1813 ungeborchen dessen familienmitgliedern gehört, in der bevölkerung zu popularisieren. die farbe gehörte (damals) keiner partei, und so wurde sie im 20. jahrhundert die nationalfarbe der niederländer. die briefkästen in amsterdam sind orange, und die fussballnationalmannschaft hat selbstverständlich auch diese farbe gewählt.

wenn die niederländer die nationalhymne singen, dann erinnern sie sich an wilhelm von oranjen. das war ein deutscher, und er war der gouverneur, der im 16. jahrhundert unter den habsburgischen spaniern die unabhängigkeit der niederländischen nation erkämpfte. dass er dabei starb, hat ihn zum heldenhaften märtyrer gemacht, auf den man sich in den niederlanden gerne beruft.

doch auch oranjen, der titel von wilhelm, ist in keinem niederländischen gewächshaus entstanden. er kommt aus dem rhonetal. aus orange! das ist kein apfelsinenhain, sondern eine kleinstadt in frankreich, die heute nicht einmal 30000 einwohner zählt. doch 1186 erhob kaiser friedrich i., der mit dem roten (nicht orangenen) bart, die stadt zum selbständigen fürstentum im kaiserreich. seither nannte sich der herr von orange prinz von oranien.

der titel ging später an die burgundischen grafen von chalon und von dort durch heirat an das hause nassau, das sich hinfort durch den zunamen nassau-oranien einen besonderen glanz unter den adeligen gab. und aus dieser familie stammte wilhelm, prinz von oranien, der urvater der holländer, seeländer und utrechter, der so den namen an den kanal brachte.

das französische orange im rhonetal ist eigentlich das lateinische aurausio. das war im altertum ein gefürchteter name. denn an diesem ort verloren die truppen der römer 105 vor chrsitus erstmals gegen die germanen. wandernde kimbern und teutonen, grossgewachsene, kampfeslustige männer(und frauen) besiegten die kleinstämmigen und etwas schlappen römer und begründeten so die furcht der südländer gegen die nordländer.

so schliesst sich der bogen fast. denn orange ist die farbe der niederländer, ohne eine orange zu sein. nicht einmal oranje meint orange, sondern nur ein titel. der ist zwar aus orange, aber nicht aus orangen.

diese kommen in europa aus portugal. persische und arabische händler vermittelten die kreuzung von mandarinen und pamplemusen, die man in china vorgenommen hatte, im 15. jahrhundert in unseren kontinent. deshalb haben die araber noch heute nur ein wort für orangen und portugiesen. und diese sind, würden wir schweizer sagen, auch ganz süss, wenn sie gegen uns im fussball verlieren. aber sie sind gottseidank nicht in orange gekleidet. denn sonst würde diese kulturgeschichte zu den orangen gar nie enden!

stadtwanderer, auf dem weg in die orangene stadt bern

(und morgen erzähle ich wie die berner den prinzen von oranien tatsächlich einmal besiegt haben …)

bildquelle: apropos

sandarbeit

eigentlich ist er holländer. doch lebt er sein langem in der schweiz. hierzulande ist er der bekannste seiner sparte: jeroen van de vlag, der sandarbeiter, der die schaufenster vom loeb zur fussball-em gestaltet hat.

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seine berner figuren repräsentieren die vier nationen, die im berner wankdorf die vorrunde der fussball-em bestreiten: die niederlande, frankreich, italien und rumänien. in jedem fall hat künstler van de vlag eine persönlichkeit ausgewählt, die unverwechselbar für das land steht, – und er hat sie im wahrsten sinne des worten in den sand gesetzt.

sand, nur sand und wasser verwendet jeroen van de vlag, wenn er sich an seine werke macht. kräftig gepresst steht him das braune material in reichlicher fülle zur verfügung, wenn er mit seiner sandarbeit beginnt. ein zweidimensionales bild als “vorbild” reicht ihm, um eine dreidimensionale skulptur mit einfachsten werkzeugen entstehen zu lassen.

viel zeit braucht der sandarbeiter aus dem schwyzer siebenen nicht, wenn er sein publikum begeistern will. dafür verspricht er schon mal, dass seine sandkunstwerke länger halten, als die gute fussballstimmung in der stadt bern.

klar doch, denkt sich der stadtwanderer, aber gegen die sprichwörtliche standfestigkeit des berner standsteins, dem inbegriff der berner hartnäckigkeit, kommen seine tollen skulpturen wohl noch nicht an! gehen sie sie also bald einmal ansehen.

stadtwanderer

bild: louis xiv. (und der stadtwanderer!) im spiegel der loeb-schaufenster

imagine all the goals

bild-100.jpg“na also, geht doch”, sag’ ich mir, als ich bern verlasse. und denk mir: was nur wäre möglich gewesen, wenn …

soeben hat die schweiz in ihrem letzten vorrundenspiel den mitfavoriten portugal 2:0 besiegt. die beiden tore schoss hakan yakin, – das eine genial durch die beine des gegnerischen torhüters, das andere mit einem unhaltbaren penalty ins latenkreuz.

im taxi nach hause sind wir schnell beim thema. mein chauffeur hat die 90 minuten während des spiels nicht gearbeitet. er ist ausländer, lebt aber schon lange in bern, gibt er sich zu erkennen.

“zweimal gut für uns”, sagt er: “die schweiz hat gezeigt, was sie kann, und yakin von yb ist der beste in der mannschaft!”

ich nicke, schon bevor mein nachbar sagt, was ich eigentlich denke: “doch kuhn hat wieder den gleichen fehler gemacht wie immer. in seiner besten phase nimmt er yakin einfach aus dem spiel. ”

“damit er nicht noch ein drittes tor schiesst”, kontere ich den gedankengang, “sonst würde er neben dem gewöhnlichen kuhn definitiv zum unsterlichen star.”

man stelle sich nur vor, was geschehen wäre, hätte yakin von anfang an in der standard-formation der schweizer spielen dürften, spinne ich den faden weiter, als ich ausstieg, um mich in den sonntäglichen schlaf abzumelden.

stadtwanderer

foto: stadtwanderer, am anderen morgen, andem der blick genau das thema unseres gesprächs auf die frontseite brachte.

kulturen aus bern – kultur(en) in bern

bild-459.jpgin theaterstück “charta von bern” ist alles verkehrt: deshalb widerspreche ich der these des bühnenschauspiels, dass es keine kultur in bern, nur kulturen aus bern gäbe.

die zuschauerInnen im berner stadttheater haben es diesmal nicht leicht. sie können die schwelle zum theater nur passieren, wenn sie einen ausländerausweis akzeptieren und sich einer leibesvisitation unterziehen. im theater selber sitzen sie dann dicht gedrängt auf der bühne, fast so, wie wenn sie in einem flüchtlingsboot über das offene meer rudern müssten. derweil spielen die darstellerInnen in den weiten sitzreihen. ein rednerpult für politik haben sie vorne rechts aufgestellt, und eine plattform für expertenrunden steht ihnen in der mitte zur verfügung. darüberhinaus diskutieren sie in den vorderen rängen über ihren lebensalltag, oder ruhen sich in den hintern bänken von den strapazen eben dieses alltages aus. denn sie alle sind migrantInnen, während im publikum vor allem schweizerInnen sind.

die unüblichen perspektive auf die integration

das thema der “charta von bern” ist die integation. doch ist es nicht die integration der vorherrschenden ma cht in die vorherrschende kultur, die hier interessiert. vielmehr geht es geht um die integrationsvorstellungen der kommenden, der verweilenden, der gehenden. und deshalb kommen in diesem stück die betroffenen eingebürgerten, einbürgerungswilligen und passantInnen gleich selber zu wort. der “président de la république” ist ein afrikaner aus dem kongo. genauso wie der dunkelhäutige integationsminister, während der viehwirtschaftsminister aus einer der vielen ranches aus lateinamerika stammt. sie alle äussern die hoffnungen, aber auch ihre skepsis jener menschen, um die es bei der integation geht, ohne dass sie sich selber äussern können.

so klagt präsident der republik an, wenn er sich fragt, was denn an europa zivilisierter sei, stammten doch die pädophilen pfarrherren in seiner heimat samt und sonders aus eben diesem europa. der viehwirtschaftsminister, ein erfahrener schafzüchter, wiederum erläutert die prinzipien der lebewesen, wenn er äussert, es gäbe nicht weisse und schwarze schafe, sondern nur schafe. die schafe selber wüssten das am besten. unter den menschen gäbe es aber zwei sorten: jene, die schafe nach ihrer fellfarbe einteilten, und solche, die das nicht machen würden. und der integrationsminister macht sich gedanken über eben jene kulturen unter den menschen, welche diese, je nach ausrichtung, desintegrieren oder integrieren würden.

in den expertenrunden, die aus männern und frauen aus allen fremden ländern, die in allen orten rund um bern wohnen, bestückt sind, geht es dann um eben diese kultur: “was ist berner kultur”?, fragt man sich, ohne eine eigentliche antwort zu erhalten. schliesslich einigt man sich nach einigem hin und her darauf, dass es eine berner kultur gar nicht gäbe. denn das einzig kulturelle in bern sei der fussball, jener von “yb”, und der sei letztlich universell. “was also ist integration?”, fragt des diskussionsleiter bei den fachleuten nach. integation in die kulturen sei, so kommt man der sache dann doch auf die spur, das essen der menschen an einem fremden ort kennen zu lernen, das meist ein essen sei, das aus anderen kulturen stamme, die nicht am ort selber entstanden seien, wo man esse. deshalb, so die quintessenz, sei integration eigentlich überall integration in die allgegenwärtige weltweite multikultur.

“charta von bern”: das spiegelbild auf die integrierte kultur

das theaterstück leitet seinen namen von der “charta von birr” ab, einem schriftstück, das 2007 in birr zum zusammenleben von einheimischen und fremden entwickelt und in alle haushaltungen der aargauer gemeinde birr abgegeben worden ist. die “charta von bern” versteht sich zwar als gegenprojekt, es geht nicht um integrationsregeln der ansässigen für zuwandernde. vielmehr geht es in diesem theaterstück aber keine verpflichtenden gesellschaftsregeln, sondern bühnereife spiegelbilder der lebenslagen in der multikultur: die lebensfrohe senegalesin fragt sich, ob die frauen in der schweiz ihre männer überhaupt lieben würden; sie zweifelt, wenn sie sieht, wie schlecht die frauen die männer ernähren und wie wenig sie sie des abends massieren würden. und der brasilianer, der eine sittenstrenge trachtenfrau aus den alpen imitiert, zeigt dem publikum, wie rasch aus der sittenstrengen kuhschweizerin wieder liebestolle verführerin werden könnten. derweil begrüssen sich die experten aus muri und zollikofen derart rituell überfreundlich, dass man schon auf einen durchbruch in der eigenen kultur hofft. doch der kann nicht zu stande kommen, weil sich die diskutierenden in ihren stühlen so akrobatisch verklemmt hineinzwängen, dass schon die körperhaltungen jegliches aufeinander zugehen in der auseinandersetzung verhinderent. erheiterung im publikum, das hier vorgeführt wird, bleibt angesichts des spiels nicht aus!

intendant marc adam tritt mit diesem stück mutig gegen die momentanen berner befindlichkeit. während vor dem stadttheater im banne des europäischen fussballs völkerverbürderung gefeiert wird, lässt er im stadttheater über die realitäten des zusammenlebens von fremden in der fremde und von einheimischen in ihren heimen nachdenken. da passt die weiche musik von isak biaa bestens dazu, gespielt aus der yb-fane, welche die verschiedenen akte des bühnestücks verbindet, dichte folge der eindrücke aber auch angenehm lockert.

der erfrischende abschluss statt des cüplis in der pause

wie gesagt: in diesem theaterstück ist alles unüblich. so gut das für die dramaturgie des schauspiels ist, so wenig braucht man mit der pointe der aufführung einverstanden zu sein. üblich wäre, dass man mit dem aussage des theaters einverstanden ist, und mit cüplis während der pause darauf anstösst. in der “charta von bern” ist es auch erlaubt, der these, dass es keine kultur in bern, nur kulturen aus bern, zu widersprechen, selbst wenn man sich damit nicht als freund der “charta vonbirr” outet.  denn das theaterstück selber ist ein stück lebender kultur in kulturellen leben von bern. denn kulturen sollen offen sein für andere, ohne sich dabei gleich aufzugeben. das gilt für alle seiten in der kulturbegegnung. und die gibt es am schluss der charta bei erfrischenden getränk unter sesshafteren und wandernden aller art.

stadtwanderer

nächste aufführung: 16. juni 2008 im berner stadttheater

foto: stadtwanderer, beim erfrischenden getränk zur “charta von bern”

endlich hauptstadt

wie nur hat bern gelitten, dass es 1848 sitz der bundesbehörden wurde, ihr aber der titel der hauptstadt der schweiz verweigert wurde. bundesstadt ist sie seit dem, denn offiziell hat die schweiz gar keine hauptstadt. diesen titel teilen sich inoffiziell verschiedene städte: zürich sei die hauptstadt der wirtschaft, heisst es. genf jene der internationalen beziehung, und basel ist die hauptstadt der kultur in der schweiz, kann man hören.

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jetzt aber ist alle klar. bern ist endlich hauptstadt. hauptstadt des europäischen fussballs. nirgendswo sonst geht die post während der laufenden europmeisterschaften so toll ab, wie in bern. bern ist quais über nacht zum epizentrum der der fussballemotionen. dank den holländern, welche die stadt vollständig in beschlag genommen haben, und, je mehr sie mitfavoriten auf den em-titel entzaubern, die stadt bern verzaubern.

fast schon glaubt man bernerdam seit 2008 zur neuen hauptstadt von holland geworden!

stadtwanderer

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die merkwürdige geschichte der schweizer landeshymne

die schweiz wähnt sich, seit dem 1. august 1291 zu bestehen. eine eindeutige und offizielle nationalhymne hat sie aber erst seit seit dem 1. august 1981. dabei greift sie auf ein lied zurück, dass es schon gab, als die “schweizerische eidgenossenschaft”, der bundesstaat von heute noch gar nicht existierte.

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1961 legte der bundesrat fest, der sog. schweizerpsalm sei die provisorische landeshymne. er reagierte damit auf die im häufiger gewordenen verwechslungen zwischen der britischen und der schweizerischen nationalhymne, die damals noch zur gleichen melodie gespielt wurden. in grossbritannien lief der text seit 1745 unter „god save the queen“ (populärer in der schweiz als „god shave the queen“), derweil in der schweiz das lied „rufst du mein vaterland“ 1811 von johann rudolf wyss getextet wurde.

nach dreijähriger probezeit konnten sich die kantone 1965 zur provisorischen landeshymne vernehmen lassen, und sie taten es so, wie man es von ihnen erwartete: 12 waren dafür, 6 dagegen, und 7 votierten für die verlängerung des provisoriums, – ein nullentscheid! die suche nach einer neuen landeshymne, die eingeleitet wurde, führte jedoch nicht zu einem höheren konsens, sodass der bundesrat 1981 der unwürdigen übung ein ende setzte und den schweizerpsalm eigenmächtig zur unverwechselbaren offiziellen landeshymne erklärte.

erstmals veröffentlicht wurde das lied 1843. der text stammtevon leonhard widmer, während die melodie alberich zwyissig kompoiniert hatte. dieser war bis zur aufhebung des zisterzienserklosters wettingen im jahre 1841 daselbst mönch gewesen und hatte den schweizerpsalm an der kirchweihe in wettingen 1835 vorgestellt. das lied selber, das heute bei sportanlässen und staatsempfängen zu ehren der confoederatio helvetica gespielt wird, ist damit älter als der bundesstaat, der erst 1848 gegründet wurde.

1894, auf dem höhepunkt der nationalen welle in der schweiz, wurde das sakral anmutende lied als schweizer nationalhymne vorgeschlagen. doch der bundesrat lehnte dies wiederholt ab. er war der auffassung war, eine nationalhymne müsse sich in der volksabstimmung durch die kehlen durchsetzen, nicht durch ein staatliches dekret. so existierten längere zeiten mehrere versionen der schweizer nationalhymne, wobei „rufst du mein vaterland“ lange populärer war.

heute wirkt der schweizerpsalm mächtig antiquiert. in der regel kann man den text nicht auswendig. an bundesfeiertagen hilft man sich deshalb mit handzetteln aus, selbst wenn das nicht besonders überzeugend wirkt. bei länderspielen würde das aber definitiv blamabel wirken, wenn die jungs von köbi kuhn vor dem dem anpfiff die nationalhymne ablesen würden.

das hat übrigens nichts damit zu tun, dass viele von ihnen secondos sind. auch die meisten schweizer können den text nicht, und summen aus anstand maximal mit.

der versuch, die nationalhymne, pardon, landeshymne, wie man das in der schweiz nennt, auf eine zeitgemässe basis zu stellen, den die nationalrätin margret kiener nellen 2004 unternommen hatte, versandete nach einigen jahren in den mühlen des parlaments.

und so hören wir bald zum letzten mal den schweizerpsalm an der euro 08, ohne etwas besseres in aussicht zu haben.

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wasserballeuropameister

2569733063_26159ac843.jpgwas trauert ihr? – wir sind auf dem besten weg, europameister im wasserball zu werden. das ist doch schon mal was, um sich ein klitzekleines bisschen zu freuen. zeigt euch nicht nur als schönwetter-europäerInnen. seid abgehärtete und beständige schweizerInnen. ein kleines völklein, das sich vor allem in widerlichen klimatischen situationen durchzusetzen weiss!

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