der fall der murtener mauer

heute war in murten alles still. die sommerliche abendstimmung lockte die menschen auf die strasse. ein pianist spielte unter den lauben. alles war friedlich.

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nichts, aber auch gar nichts erinnerte einen an den fall der murtener mauer heute vor genau 532 jahren!

damals, am 18. juni 1476, kam es zum heikelsten moment für murten vor der grossen schlacht. in der stadt waren seit dem 8. april 1500 berner, die unter adrian von bubenberg das kleine murten vor möglichen angriffe schützten. überall wurde fleissig gearbeitet, denn vor der stadt lagerten seit 9 tagen die truppen des burgunder herzogs karl.

adrian von bubenberg hatte sein hauptquartier dort, wo heute noch das rathaus von murten steht. von hier aus sandte er signale und boten über den see, die in bern bericht nach bern machten. anfänglich dominierte zuversicht. dann merkte man, dass die anspannung unter den belagerten stieg. doch die eidgenossen konnten sich nicht entscheiden, die stadt mit einem energischen angriff auf die burgunder zu entlasten.

es war ein dienstag, als die burgunder aus richtung muntelier angriffen. die mauer, erst wenige jahre zuvor neu erbaut, wankte zwischen der kirche und dem unteren tor, heute berentor. schon stürzten teile unter dem beschuss der burgundischen artillerie, als jakob von savoyen, graf von romont, 1471 als herr über murten von der murtener bevölkerung gefeiert, abends nach sechs hoffte, die stadt mit grossen getöse einnehmen zu können.

doch der angriff misslang auf mirakulöse art und weise. nach murtener quellen sollen die burgunder an diesem abend mehr als tausend mann verloren haben. über die eigenen verluste gibt es keine angaben. die zerstörte mauer wurde in der nacht notbehelfsmässig repariert, denn man wusste, die burgunder würden nicht locker lassen.

das sollten sie dann am samstag drauf effektiv tun, allerdings nicht mehr vor der stadt, sondern oberhalb gegen salvenach zu, wo die eidgenossen dann effektiv für entlastung sorgten und die schlacht mit weitreichender bedeutung schlugen.

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der fall der murtener mauer mobilisierte die eidgenossen definitiv. die zürcher, die lange warteten, setzten zu einem dreitägigen gewaltsmarsch an, um gerade noch rechtzeitig dabei zu sein, als es auf dem schlachtfeld losging.

vielleicht interessiert das, ausser den stadtwanderer, heute niemand mehr in murtens gassen. bei einem bier sagt man mir, das murtenschiessen sei am sonntag; vom mauerfall wissen die meisten nichts mehr. und so sage ich mir auf dem heimweg: wenn die leute aus allen ländern heute so friedlich beeinander sind, ist das ein gutes zeichen!

stadtwanderer

bilder: stadtwanderer

bild 1: noch heute typisch, die savoyisch anmutenden rundtürme in den mauern um burgen oder städte

bild 2: unverändert sichtbar, wo die mauer vor 532 schweren schaden gelitten hatte.

der aufstieg murtens ins zentrum des weltinteresses

wer nach murten geht, vergisst die lauben und die mauern rund um die mittelalterliche stadt nicht. beides erinnert an den aufstieg der stadt unter den herzögen von savoyen, bis es 1475/76 in murten zu weltpolitischen entscheidungen kam.

bildmurten-148.jpgalles beginnt mit der feuersbrunst

murten wurde in der zweiten hälfte des 12. jahrhunderts von den herzögen von zähringen gegründet und gefördert. nach deren aussterben war man vorübergehend reichsstadt, bis 1255 die grafen von savoyen hand auf die stadt legten, und diese bis 1475 dor behielten.

der eigentliche aufstieg der savoyischen provinzstadt beginnt 1414. die bauern im ganzen dreiseengebiet begehren auf. sie wollen die herrschaften in den burgen und städten stürzen. und sie zünden an, was brennt. so auch murten. die holzstadt von damals wird opfer der flammen.

könig sigismund, auf dem zug von avignon nach konstanz, mit dem ziel, die unübersichtlichen verhältnisse im papsttum neu zu ordnen, teilt die ehemals hochburgundischen gebiete, über die sein vater, kaiser karl iv. noch könig gewesen war, auf: die grafen von savoyen werden herzöge mit zentrum in chambery; die stadt bern wird reichsstadt und darf damit über untertanen aus das blutgericht sprechen. schliesslich akzeptiert sigismund, dass die herzöge von burgund in dijon die herren über freigrafschaft am jura bleiben, obwohl die lehensherren des französischen königs damit imperiales territorium beanspruchen.

bild-212.jpgunter den savoyischen herzögen

herzog amadeus viii. besucht das niedergefackelte murten 1416. als wiederaufbaumassnahme befreit er die stadt für 15 jahre von allen abgaben an seinen hof. zudem dürfen die murtemer nun auf dem lokalen wein eine eigene steuer erheben. 1430 ist es soweit: murten hat sich finanziell erholt, und ist dabei, die stadt neu zu bauen.

wer nun auf strohdächer verzichtet, kann subventionierte ziegel beziehen. und wer vor dem haus keinen vorgarten mehr hat, dafür den raum mit lauben überdeckt, erhält von der stadt verbilligten kalk. damit ändert sich das bild rasant: das holz gehört der vergangenheit an, arkaden mit verputzem gemäuer und häuser mit richtigen dächer beginnen die stadt zu prägen.

bild-215.jpgunter europäischer aufsicht

seit 1353 war murten nicht nur savoyisch, sondern auch zugewandete stadt der 8örtigen eidgenossenschaft. diese eidgenossenschaft war seit 1439 im ersten bürgerkrieg untereinander. zürich wollte sich ab und wieder habsburg zuwenden. das tolerierten die übrigen verbündeten nicht, und sie besiegten die stadt zürich. dabei stieg bern zum eigentliche vorort in der eidgenossenschaft auf.

am ende des zürichkrieges veränderte bern auch die verhältnisse im habsburgischen freiburg: der schultheiss wilhelm von avenches wurde gestürzt, und murten nutzte die gelegenheit, offene rechnungen mit dem alten rivalen zu begleichen. zwischen den beiden städte entstand 1448 eine eigentliche fehde mit verwüstungen rund herum, bis die grossen der umgebungen in die unruhen eingriffen:

der könig von frankreich, 1444 sieger über die eidgenossen an der schlacht von st. jakob an der birs, die herzog von burgund, die stadt basel und die eidgenössischen orte erzwangen friedensverhandlungen, die am 16. juli im murtener wirtshaus adler besiegelt wurde. zuerst savoyen, dann aber auch bern und freiburg ratifizierten das schriftstück, ohne dass damit der status von murten zwischen savoyen und eidgenossenschaft genau geregelt worden wäre.

zusehends polarisierte sich die situation: bern, führend über das savoyisch geworden freiburg, beanspruchte nun auch murten zu bestimmen.

bild-239.jpgunter dem einfluss der herzöge von burgund

1469 lag es an amadeus ix., bei seinem besuch in murten, die stadt aufzufordern, mit dem wiederaufbau der stadtmauern aus dem 13. jahrhundert, die bei der feuersbrunst ebenfalls gelitten hatten, zu beginnen. finanziell wollte er sich auch an diesem werk beteiligen. den mauerbau selber erlebte er nicht mehr direkt, litt er doch chronisch an epileptischen anfällen. deshalb über trug er seiner frau yolante die geschäfts des herzogtums. diese wiederum berief 1471 jakob von savoyen, einen verwandten des herzogs, zum grafen von romont und herrscher über die savoyischen gebiete in der waadt. murten huldigte jakob, als die mauern fertig gebaut waren.

doch nicht nur die murtemer bürger interessierten sich nun für den neuen machthaber aus romont. auch der herzog von burgund, karl, wandte sich 1473 an ihn. um seinen plan, könig von burgund, ja kaiser des römischen reiches zu werden, realisieren zu können, suchte er einen sicheren weg vom ärmelkanal nach rom. und der führte idealerweise bei pontarlier über den jougnepass und bei martigny über über den grossen st. bernhard. romont lag da strategisch günstig dazwischen. und so befördert herzog karl den savoyer jakob, graf von romont und herr über das aufstrebende murten, zu seinem grossmarschall und damit zu seinem stellvertreter am burgundischen hof.

bis die städte bern und freiburg dagegen intervenierten … mehr dazu später!

stadtwanderer

fotos: stadtwanderer

bild 1: pitoreskes murten heute

bild 2: laubenimpressionen heute

bild 3: hotel adler heute

bild 4: mauerbau heute