die kultur des vergessens

samuel schmid, unser verantwortlicher für die kollektive sicherheit, weiss nicht mehr, was er als bundesrat einmal über seinen eigenen generalstabchef wissen musste. das zeichnet ihn als tragischen helden der kultur der vergesslichkeit aus! doch mir geht es um mehr, denn auch pascal couchepin, unser gegenwärtig oberster verantwortlicher für das kollektive gedächtnis, ist nicht besser. er vergisst, was er, als freisinniger, einmal über das werden der schweiz gewusst haben muss.

die landesregierung teilte uns heute mit, wir schweizerInnen seien grossmehrheitlich gesund, der sprachentag des bundes sei erfolgreich verlaufen und unser land habe in strassburg einen neuen diplomatischen vertreter. alles paletti also?

nein!, muss ich einwenden. denn die schweizerische eidgenossenschaft, mit ihnen auch ihre spitzenrepräsentanten, vergassen heute, dass man geburtstag hatte. 160 wurden wir heute!

auf den tag solange ist es her, dass der moderne bundesstaat gegründet wurde, dass er eine gemeinsame verfassung hat, dass für alle in der schweiz die gleichen rechtsgrundsätze gilt. volk und stände, welche die 48er-verfassung erstmals verbindlich definitierte erliessen sie, und bundesversammlung, bundesrat und bundesgericht, die auf eben diesem gesetzeswerk basieren, werden in ihrem entscheiden darin gebunden.

einfach einmalig: ein demokratie vergisst die entstehung ihrer demokratischen grundlage! doch was bedeutet dies alles? dass wir an kollektiver altersdemenz leiden? dass es die schweiz gar nicht mehr gibt? dass wir, je mehr in abkommen, protokollen und verträgen festgehalten, das übersehen, was in geschichtsbüchern steht?

inszenieren wir unseren alltag tagtäglich in sms-mitteilung, email-subjects und kombox-sprüchen so intensiv mit banalitäten, dass wir das wesentliche dahinter gar nicht mehr sehen können? und nutzen die schlitzohrigen unser abgelenkt sein, um hinter der fehlgeleiteten öffentlichkeit ihre spiele munter im geheimen treiben zu können?

nochmals:sind wir schlicht overnewsed, but underoriented? – das alles fragt sich der stadtwanderer, nachdem er mit einem trüppchen anhängerInnen aus der suva durch die stadt marschiert ist, die nicht geringste anstrengung unternimmt, sich selber zu gedenken!

stadtwanderer

locker, ganz locker bleiben!

jean-christophe hatte seine helle freude, so locker wie ich gekleidet war. unser lehrer aus dem französischen biarritz bemerkte mein berret sofort. als er die marke sah, war er gleich hin: “chantaco“, so heisse die gegend, ganz im südwesten frankreichs, aus der er selber stamme. da lebe man ganz locker, erklärt er mir in seinem leicht gebrochenen deutsch aus der migros-clubschule. aus dem häuschen war er dann, als ich meinen pullover auszog und im roten lacoste-hemd vor ihm stand. “rené” der firmengründer der fashion-line, fügt der franzose spontan an, “war eine guter tennisspieler aus frankreich, der simone de la chaume geheiratet hatte, die gründerin des golfplatzes von biarritz!”

in der tat: ich war gestern in münchenbuchsee, auf dem dortigen golf-platz. nicht allein, sondern mit meinen mitarbeiterInnen. betriebsaufsflug, mit einem schuss atlantischer ferienstimmung!

jean-christophe ist da der held des übungsplatzes. tausende von bällen fliegen da täglich unter seiner ägide über die grüne wiese, die einen länger, die anderen kürzer. markierung helfen einem abzuschätzen, wie weit man kommt: 100, 200, 300 m. letzteres schaffe tiger-woods, der übervater der zeitgenössischen golfer mit einem schlag ganz locker, meint jean-christophe. dann zeigt er uns, wie man auf anhieb wenigstens 30 meter weit kommt!

beine gespreizt, analog schulternbreite, locker, leicht in die knie gehen, ganz locker, ebenso leicht vornüber geneigt stehen, wirklich ganz locker bleiben, beginnt er seine anleitung. der körper soll sich drehen, die hüfte den schwung verstärken, während der linke arme geradeaus in den schläger übergeht. am schluss bitte ausdrehen. und immer alles ganz schön ocker, ist die devise von jean-christophe.

das ganze sieht beim golflehrer auch gekonnt aus. doch das nährt die ängste, die durch meinen kopf schiessen umso mehr: dass der weisse ball liegen bleibt, dass sich der schläger in den boden rammt und dass ein fetzen rasen 3 meter weit fliegt … selbstverständlich alles zur ganz lockeren unterhaltung des publikums!

die individuellen erfolge auf dem übungsplatz stellen sich allerdings einiges schneller ein, als man denkt. meinen besten ball veranschlagt jean-christophe – ganz locker – auf 100 meter. immerhin, denke ich mir, dass ist schon so viel wie ein drittell von tiger woods …

eines habe ich an diesem lauschigen nachmittag gelernt: golf ist spannung und entspannung zugleich! die umgebung lädt zum wandern ein; das finde ich ganz sympathisch. und der sport fördert die fehlende rückenmuskulatur, merke ich abends im bett. kein schlechter tag, resümiere ich da das erlebte, bevor ich — ganz locker und mit einem schlag — 3000 meter tief in mein kissen versinke.

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