bern als spionagezentrum

allen welsh dulles war unter präsident dwight d. eisenhower legendärer cia-direktor und treibende kraft im kalten krieg gegen die sowjeunion. während des zweiten weltkrieges war derselbe allen w. dullas chef-spion in der amerikanischen botschaft in bern.

ort des spionagegeschehens im zweiten weltkrieg: berner herrengasse (foto: stadtwanderer)
ort des spionagegeschehens im zweiten weltkrieg: berner herrengasse (foto: stadtwanderer)

allen w. dullas von damals
der angriff der japaner auf pearl harbour veränderte auch das leben des früheren diplomaten allen welsch dullas, der, wie sein bruder john foster, in die privatwirtschaft gewechselt und als wall-street-anwalt gearbeitet hatte. er wurde zum leiter des amerikanischen office of strategic studies in bern. hier pflegte gute kontakte zu deutschen emigranten, die den spion mit informationen unter anderem über die rüstungsindustrie belieferten. eng verbunden war mit den wiederstandkämpfern, die am 20. juli 1944 einen erfolglosen putschversuch gegen hitler unternahmen. 1945 schliesslich vermittelte er die bedingungslose kapitulation italiens gegenüber den aliierten.

nach dem krieg dienten sich die gebrüder dullas dem republikanischen präsidentschaftkandidaten thomas dewey an, der jedoch unterlag. erst unter dwight d. eisenhower machten sie auf seiten der republikanischen partei karriere: john f. wurde aussenminister, und allen w. cia-direktor.

legendär sind allen w. dullas’ empfehlungen an die spionage während des kalten krieges, die vor politisch motivierten morden, inszenierten umstürzen, falschinformationen der öffentlichkeit, völkerrechtswidrigen angriffen oder drogeneinsätzen zur informationsbeschaffung nicht zurückschreckten. von präsident john f. kennedy 1961 entlassen, wurde dulles nach dessen ermordung einflussreiches mitglied der kommission, welche den hergang des attentates zu rekonstruieren hatte und die bis heute umstrittenen alleintäterthese postulierte.

mister x. von heute
es hat also schon ein wenig tradition, dass die amerikaner bern als cia-standort benutzen und mit prominenten spionen besetzen. damals war die gemütliche herrengasse schauplatz des geschehens. heute ist es die amerikanische botschaft an der sulgeneckstrasse. wer damals kopf der spionage war, wusste man in bern. heute ist das anders. den neuen mister x. kennt man nicht.

“not amused” zeigten sich über die fortschreibung der geschichte in die gegenwart diese woche die schweizer demokraten der stadt bern. angesichts der pressemitteilung über das neue hauptquartier der cia in bern verlangten sie mit einer interpellation vom berner gemeinderat, stellung zur neutralitätsverletzung auf ihrem grund und boden zu nehmen.

stadwanderer

siehe auch
im namen der freiheit

gelungener wurf

keines der geschichtslehrbücher über die schweiz, die in den letzten jahren erschienen sind, hat mir auf anhieb so gefallen wie dieses: „auf zur schweiz. geschichte – mythen – legenden“. besser noch: selbst nach der ersten lektüre bin ich über den gelungenen wurf entzückt.

das buch ist vorbildlich kurz. es umfasst nicht einmal ganz 100 seiten. der zeitraum, der dabei abgedeckt wird, ist dennoch umfassend. erzählt wird nicht etwa die geschichte der eidgenossen, sondern jene des heute schweizerischen raumes. die zeittafel mit wichtigen stationen auf dem weg in diesem gebiet umfasst denn auch nicht 700, sondern 7000 jahre.

natürlich kann der rütlischwur nicht fehlen. doch kommt er gerade mal auf sieben zeilen vor. wilhelm tell wiederum ist vor allem bildlich präsent. eher als witzfigur denn als nationalarmbruster. damit ist klar, was autor grégoire nappey und seine beiden illustratoren mix und remix für eine botschaft haben: legenden sind das, die uns eine bestimmte schweiz vermitteln wollen.

in diesem büchlein geht es aber um eine andere, um die kulturelle schweiz. deshalb werden keltische bauern, die vor 2000 jahren hier lebten genauso vorgestellt wie ihre beherrscher, die römischen adligen. man erfährt einiges über völkerwanderung und christianisierung und über das kaiserreich des mittellalters, zu dem unser gebiet lange gehörte. dann geht es in fünf etappen um das werden der schweiz: ihre entstehung als eidgenossenschaft im kaiserreich (1291-1516), ihre unabhängigkeit vom reich (1517-1798), ihr aufbruch in die moderne (1798-1847), ihre souveräne staatsgründung (1848-1914) und ihre weiterentwicklung bis zur gegenwart (1914-2002).

das gut gegliederte, reich illustrierte werk, das seinen französischsprachigen hintergrund nicht verbirgt, erscheint nun, herausgegeben von der interkantonalen lehrmittelzentrale, erstmals auch auf deutsch. es wird hoffentlich bald im schulunterricht, bei schweiz reisenden, eingebürgerten und gestressten stadtwanderer-leserInnen verwendung finden. denn es ist ein volltreffer zur zeitgemässen geschichtswissenschaft über die schweiz und ihre geschichte.

stadtwanderer

grégoire nappey; mix&remix: auf zur schweiz. geschichte – mythen – legenden. zürich 2008, 15 chf 60.