die stunde der geschichtspolitiker

diese woche krachte es mächtig im gebälk des berner historischen museums. der wechsel an der spitze eröffnet geschichtspolitikern ein weites tummelfeld.


soll statt karls des kühnen, albrecht von hallers oder albert einstein leistungen im historischen museum von bern wieder diskutiert werden, ob der berner sandstein grün, braun oder gelb ist? (fotos: stadtwanderer)

peter jezler, der erfolgreiche macher im berner historischen museum, kündigte diese woche vor den medien seinen rücktritt auf mitte 2009 an. mario anonni, sein präsident, erläuterte, der umtriebige direktor müsse aus gesundheitlichen gründen kürzer treten. dieser wieder liess den so begründeten abgang nicht stehen, und verwies auf die mehrfache bürokratische aufsicht über das museum, die jede veränderung zu ersticken drohe.

auktoriale botschaft: berner geschichte ist pflicht!

diese auseinandersetzung scheint jedoch schon passé zu sein. denn nur einen tag nach dem disput auf höchste ebene des historischen museums liess sich franz von graffenried, der präsident der burgergemeinde, die zu einem drittel die kosten der wichtigsten geschichtsinstitution in bern trägt, mit einigen noch überraschenderen sätzen in der berner zeitung zitieren:

«Die Berner Geschichte ist ein Grundauftrag des Museums. Das ist zwar nicht sensationell, aber Pflicht.»

jezlers nachfolgerIn gab der einflussreiche mäzen gleich den tarif durch: «Der Nachfolger setzt vielleicht andere Schwerpunkte». erwartet werden schulpädagogik, wissenschaftliche publikation oder der konservierung – dafür «weniger spektakuläre Sachen».

pluralistisch gemeinte gegenfrage: wer definiert berner geschichte?
wie soll man als interessierter am historischen museum das alles verstehen? – gehört albert einstein doch nicht zur berner geschichte? war die ausstellung zu herzog karl von burgund etwa zu kühn? und ist albrecht von haller am ende keine wissenschaftler, der wie das wasser und münster zur berner aarestadt gehört?

was heisst, weniger spektakuläres? – keine museumsnacht mehr? dafür veteranentreffen im schützenmuseum? oder keine ritterspiele mehr? dafür handverlesene empfänge im burgerhaus?

man bekommt den eindruck nicht los, jezler müsse nach 12 erfolgreichen jahren gehen, um einen kurswechsel einzuleiten. ganz nach dem motto: weg von der begeisterung, die geschichte entfachen kann, hin zur tradition, die vergangener grösse nachtrauert.

in bern war es üblich, herausragendes zu vermeiden. haller wurde professor in göttingen, nicht in bern. zu mächtig war sein aufklärerischer geist für das patrizische bern. einstein wiederum galt als professor aus harvard, berlin, prag und zürich, nur nicht von bern, wo er sich habilitiert hatte. zu kautzig erschien der physiker, der nie socken trug, für das bürgerlich-angepasste bern. ja, selbst adrian von bubenberg ist in gewissen kreise bern verrufen, weil er letztlich kein berner patriot war, wie er aus nationalistischen gründen im schulbuch dargestellt wird, sondern als kleinrat halb gegen den berner geldadel und halb für den burgundischen hof votierte.

dank peter jezler wurde es möglich, all das in korrekter form im historischen museum zu thematisieren, zu diskutieren und sich dazu eine eigene meinung zu bilden. das ist sein verdienst, das ist die leistung des wichtigsten geschichtlich ausgerichtete denkfabrik in bern.

aufruf zum widerspruch

man kann nur hoffen, dass sich in der bevölkerung, bei den medien, in den parteien, unter den gemeiden und in der geschichtswissenschaft bald widerspruch gegen die traditionellen geschichtspolitiker regt, die versucht sind, die gunst der stunde zu nutzen und symbolträchtig auf dem schlachtfeld der historie das rad der geschichte zurückzudrehen.

stadtwanderer