die rote tramfront

“eine tramlinie mehr durch die altstadt, dann wir haben die rote tramfront”, sagt regula rytz. fast glaubt man, die frühere gewerkschafterin hätte rote volksfront sagen müssen, denn die gemeinderätin für alle fragen der mobilität in bern ist mitten im wahlkampf, indem die rot-grüne mehrheit in bevölkerung, parlament und regierung verteidigt werden soll.


quelle: flickr

doch das wäre ein versprechen in die falsche richtung gewesen, muss man sagen, wenn man politikerin des rotgrünen bündnisses auf ihrer eigenen stadtwanderung reden hört. verkehr, umwelt, hochwasser, klimawandel und energie sind ihre themen, wenn sie nach einer aufreibenden gemeinderatssitzung eine gruppe freiwilliger durch berns altstadt und matte führt und sich dabei als konsensorientierte, pragmatische politikerin profiliert.

ohne aufregung erläutert die exekutivpolitikerin – mit talent zu mehr als es für eine gemeinderätin nötig ist- , warum sie für mehr poller beim zytgloggen und gegen weitere strassenkaffees in der oberen altstadt ist. wer der wachsenden zahl an touristInnen in der bundesstadt etwas bieten will, muss den verkehr beruhigen, und wer eine normales durchkommen auf berns strasse gewährleisten will, kann nicht jeden individuellen anspruch auf den öffentlichen boden tolerieren, sind ihre faktenreich belegten antworten.

dabei scheut regula rytz nicht, gewinnend auch ihre lebensgeschichte einzuflechten. denn als studentin haben sie in einem keller in der matte gelebt, erläutert die thunerin, in einer wohnung, die ihr bruder umgebaut habe. über hochwasser habe sie sich damals keine gedanken gemacht, bekennt sie offenherzig.

heute ist das anders: 10 millionen schweizer franken hat die gemeinderätin für den unmittelbaren bevölkerungsschutz einerseits, anderseits für studien, was längerfristig kommen soll, in der matte ausgegeben. 70 oder 120 weitere millionen werden in den kommenden vier jahren durch ihre handschrift beantragt werden, wenn sie wiedergewählt werden wird. denn entweder gibt es ihrer meinung nach einen sicherheitsstollen unter der altstadt hindurch, oder eine quaimauer, um weitere übertretung der aare oder des grundwassers in der matte zu verhindern.

auf einige ihrer bisherigen erfolge in der altstadt ist sie jetzt schon stolz. 4 von 5 stadtbernerInnen haben ein abo für den oev. soviele wie nirgendwo, sagt sie mobilitätsdirektorin. 44 prozent der einwohnerInnen berns besitzen zudem kein eigenes auto, – auch das eine rekordverdächtige zahl. besser noch: seit der grundsatzentscheidung von 1997 über den verkehr in der innerstadt, habe sich die zahlen konstant verbessert, oder auf hohem, positivem niveau gehalten. ohne dass die berner und bernerinnen weniger mobil geworden wären, fügt sie keck bei, sodass es grüne fundis schaudern dürfte. das zeige, dass die durch sie gewollte förderung des öffentlichen verkehrs in der kernstadt funktioniere, ohne die menschen einzuengen, schliesst die direktorin für tiefbau und stadtgrün dieses thema ab.

ausser es gäbe eine weitere tramlinie durch die stadt, ohne dass dem bus eine neue traverse zwischen bahnhof und nydeggkirche eröffnet wird. denn dann gäbe es die rote tramfront in bern tatsächlich, durch die keine fussgängerInnen mehr die strassenseite wechseln könnten. “das stimmt so nicht”, widerspricht einer ihrer mitwanderer. denn die berner trams seien schon lange nicht mehr rot, hätten vielmehr alle farben mit viel werbung drauf. “die teilweise dümmlich ist”, fügt die femistische gesellschaftskritikerin rytz bei; sie habe bern mobil bereits schimpfis erteilt.

das wiederum freut den stadtwanderer, der mitgegangen ist, um einen hauch des unprätentiösen wahlkampfes in der bundesstadt zu erleben und dabei erfahren hat, dass unter den verkehrsteilnehmerInnen in bern nichts so beliebt ist wie der fussmarsch.

dann bin ich mal gespannt, ob unsere oberste verkehrsfrau wiedergewählt wird, ohne dass eine rote tramfront ihre grüne basis verärgern wird!

stadtwanderer

kulinarische kultur

das essen ist das wichtigste an der kultur. gut essen kommt auch von gut reden und schreiben. denn gut reden und gut schreiben erhöht die erwartungen, sodass sie auch eingelöst werden müssen. den massstab dazu setzt seit jahren der gault millau kalender, soeben für die kommende saison erschienen.

top in bern: das meridiano im kursaal

20 punkte bekommt man einmal im jahr von gault millau, wenn alles perfekt ist. wer 12 punkte hat, kommt ins rating. der rest ist non-valeur. 18 der begehrtesten zähler in der gastronommie gabs dieses jahr für den “koch des jahres”, dominique gauthier, chef des genfer restaurants beau-rivage.

der “löwen” im bernischen thörigen führt die liste der spitzenrestaurants in der weiteren umgebung des bundesstadt an. in bern selber ist das meridiano zuoberst. beide restaurants brachten es auf 17 punkte.

in der stadt folgen “la terrasse” des bellevue palaces und das “schöngrün” im paul klee museum mit 16 punkten. auf 15 bringt es das “mille sens” in der markthalle, und der geheimtipp “wein&sein” in der altstadt.

eigentlicher aufsteiger in bern ist “flo’s restaurant”, vor einem jahr erstmals auf der liste – und jetzt schon bei 14 punkten. diesmal unter den 20 rangierten stadtberner restaurants neu sind das “bellavista” und das “waldheim”.

letzteres hat die wohl erstaunlichste wendung unter den topgesetzt gastwirtschaften durchgemacht. in den 90er jahren, als ich selber noch in der länggasse wohnte, war es eine der typischen quartierbeizen um die ecke. heimlig, aber ohne spezielle küche. heute ist eine gediegene eckecke daraus geworden, die in vielerlei hinsicht überzeugt: dezent im ausdruck, qualitativ hochstehend im angebot.

die jetzige gastgeberin, regula minder stettler, weiss auch einiges über die quartiergeschichte zubericht. früher war man eine holzhütte im bremgartenwald, wo man schutz fand, wenn man bedroht war. heute will man eine waldlichtung im länggassquartier sein, in der man sich wohl fühlt und wo man geniessen will.

that’s change for a better world!

stadtwanderer