stell dir vor, es ist wahlkampf und …

die situation war typisch: am samstag morgen begegnete ich bern dem bürgerlichen trio, das sich für den berner gemeinderat, die stadtexekutive, bewirbt. barbara hayoz, beat schori und reto nause waren mit dem elektrovelo unterwegs, hatten vor der münstergasse parkiert und führten vor dem fleischmarkt nette bürgergespräche. doch, so fragte ich mich: ist das der wende-wahlkampf, den man in der bundesstadt erwartet hatte?


the making of the campaign: die bürgerlichen herausforderer der rotgrünen mehrheit beim wahlkämpfen: barbara hayoz (fdp), reto nause (cvp) und beat schori (svp) rund um den umstrittenen poller (foto: stadtwanderer)

das selbstbild der wahlkämpferInnen
reto nause kam als erster gleich auf mich zu. mit einem flyer lud er mich zu einem selbstorganisierten konzert ein. toll!, denke ich mir. doch ist das wahlkampf?, fragt meine innere stimme.

die diskussion entspann sich denn auch nicht darüber, sondern über die bankenkrise. gerade mal drei stunden vor der öffentlichkeit sei er, der cvp-general, von cvp-bundesrätin doris leuthard über den rettungsplan der bundesrates für die ubs informiert worden. dann sei hektik ausgebrochen.

am abend eines solchen tages führt der politprofi nause noch einen wahlkampf à la bernoise. donnerstags und freitags des nachts resp. samstags den tagüber ist man gemeinsam unterwegs. die freizeit schwindet. die persönliche belastung sei hoch, weiss der sonst stets aufgestellte reto nause fast ein wenig zu klagen.

das fremdbild des wahlkampfes
trotz all dieser anstrengungen kann man sich von aussen des eindruckes nicht erwehren, es gäbe in bern gar keinen wahlkampf. weder hüben noch drüben.

um am 30. november 2008 im stadtpräsidium, gemeinderat und stadtparlament die mehrheiten zu kippen, starteten die bürgerlichen anfangs jahr entschlossen die wende-kampagne. dann kam die ernüchterung mit dem knatsch innerhalb der fdp wegen der nicht-wieder-nominierung von stephan hügli, und 6 wochen vor dem tag x fragt man sich, was aus alledem geworden ist.

obwohl es themen zu hauf gibt, will einfach keine wahlkampfstimmung auf berns strassen (und auf internet) enstehen. bern droht der abstieg als stadtregion in die regionalliga, ohne dass man auswege zwischen den parteien verhandelt. die eingemeindung rund um die stadt herum wurde zwar auf die traktandenliste des stadtparlamentes gesetzt, doch mag sich aus lauter herrje jemand zu vergraulen niemand vor. und als interessierter bürger liest man überall die standpunkte pro und kontra neue strassencafes, obwohl sie in der heutigen form alles illegal sind.

kommt die wende im wende-wahlkampf noch?
barbara hayoz, möglicherweise unsere erste stadtpräsidentin, lächelt in realität weniger als auf dem plakat. statt freisinnig inspirierte bärenmutter spielen zu können, sammelte sie mitten im profilierungswahlkampf geld für ihren bärenpark, der eines geologengutachtens wegen 50 prozent mehr kosten wird als angenommen. und beat schori scheit ein zuverlässiger gradmesser für seine svp zu sein, wirkt er doch gleich wie die mutterpartei durch die selbstgestellte, aber nicht beantwortete frage, ob man eine regierungs- oder oppositionspartei sei, paralysiert.

aufwühlende stimmungslagen wie nach den ausschreitungen vom 6. oktober 2007 gibt es in bern schon längst nicht mehr. bern bashing ist keine plattform mehr, um sich zu positionieren. das erbe hiervon angetreten hat stephan hügli, der dissidente fdp-ler auf dem posten des polizeichefs ohne polizei. und bekommt den eindruck, er störe bis zu seinem abgang nur noch. doch damit dürfte es sich in sachen veränderungen bei den berner exekutivwahlen haben.

reto nause scheint der einzige nicht desillusionierte wahlkämpfer zu sein. für ein bild auf dem stadtwanderer organisiert er spontan seine bürgerlichen mitstreiterInnen auf den velo hinter dem poller, den man, würde man endlich regieren können, abschaffen würde. bis es aber soweit ist, schützt er auch das bürgerliche trio vor rasanten durchfahrten in der stadt.

ob es soweit kommt ,ist angesichts der angestrengten suche nach einem politischen wahlkampf fraglich. so bleibt ohne wende im wende-wahlkampf nur die frage, welcher bürgerliche nebst barbara hayoz anstelle von hügli neuer gemeinderat wird: schori oder nause?

auf zum konzert!
immerhin, ich habe ein ticket für ein konzert, organisiert von cvp, evp und glp bekommen. reto nause will das selber singen. diese stimme ist also sicher, und ich werde im publikum miteinstimmen. politisch kann ich mich in bern sowieso erst äussern, wenn ich in meinem aussenquartier eingemeindet sein werde!

stadtwanderer