politische kultur auf dem bundesplatz

marianne binder, die mediensprecherin der cvp, erschrak förmlich, als sie doris leuthard, ihre bundesrätin, auf der bühne mit violettem haar erblickte. gefärbt? zum feminismus übergelaufen? o gott, wie erkläre ich das dem wahlvolk, schien sich die kommunikationschefin der schweizerischen zentrumspartei, ganz in schwarz gekleidet, zu fragen.

ich konnte sie beruhigen. auch die fotografen rund herum hatten einen violetten schimmer selbst auf der glatze. die einheitsfärbung konnte als nur von der beleuchtung auf der bühne rühren. politisch war das also nicht gemeint.

dennoch ging es auf dem bundesplatz um politik – verpackt mit kultur: “rock für eine offene schweiz” war angesagt, mit dem die mitteparteien cvp, evp und grünliberale ihre kampagne für die verlängerung und erweiterung der personenfreizügigkeit mit der europäischen union lancierten.

doris leuthard machte den anwesenden auf dem bundesplatz viel mut. die berliner mauer sei längst gefallen; jetzt müssten endlich auch die mentalen mauern in der schweiz fallen, meinte sie fordernd. die realen grenzen seien schon längst verschwunden, meinte das jüngste mitglied des schweizer bundesrates. nestlé, einstein und yakin stünden in wirtschaft, gesellschaft und sport für die fähigkeit der schweiz, anstösse von aussen aufzunehmen, kreativ weiter zu entwickeln, und produkte, ideen und begeisterung in die welt zu senden.

vor der bühne auf dem bundesplatz war die begeisterung ob solche kecker worte gross. fast schon wie ein popstar wurde doris leuthard von jungen fans bejubelt. das zeigte, dass politik auf diese art vermittelt, unter die haut geht und menschen anspricht, die keiner parlamentsdebatte folgen würden.

für stimmung gesorgt hatte gleich zu beginn die schülerband fireball, die gekonnt ac/dc-musik imitierte. das publikum vermehrte sich unter ihren klängen rasch, auch wenn die einen anderen überrascht waren. dem vernehmen nach zitterten ob der schrillen lautstärke der jungster selbst die zahlreich aufgeblassenen cvp-ballone.

das cvp-fussvolk wagte sich nicht ganz soweit nach vorne, um den heissen sound zu hören. es bevorzugte ast schon symbolisch die mitte des bundesplatzes, während die parteiprominenz wie alt-bundesrat, fraktionschef urs schwaller und bundeskanzlerin corinna casanova eher bei den verpflegungsständen im hinteren teil gesichtet wurde.

am ausgelassensten waren bei diesem politischen kulturfest für eine europäische schweiz die angereisten cvp-lerInnen aus genf. unter enthusiastischer führung ihrer parteisekretärin sonja gatti schwangen sie ganz schön selbstbewusst cvp-fahnen, sodass man sich ein wenig wie auf den alpen, ein wenig wie an einem partei-fest und ein wenig an einer farbenfrohen party mit einigen tausend gäste wähnte, die allesamt für stimmung sorgten, welche die kampagne für die personenfreizügigkeit tragen soll.

ein hauch postmodernität fegte resp. fegt über den ehrwürdigen bundesplatz. bis um 20 uhr notabene, denn der höhepunkt mit baschi auf der bühne folgt noch. ob auch er in violett erscheint, kann jede und jeder selber überprüfen, wenn er oder sie das fest besucht … wie der live-blogger.

stadtwanderer