it’s time for change

der kanton bern hatte eigentlich immer einen bundesrat. traditionellerweise stellte ihn die svp, die grösste partei des kantons. das ist jetzt vor. es ist zeit für einen wandel, weg vom land- hin zum stadtkanton.

Quelle: http://www.flickr.com/photos/twicepix/2912635896/
Quelle: http://www.flickr.com/photos/twicepix/2912635896/

lange galt, dass zürich, bern und waadt anrecht auf je einen eigenen bundesratssitz hatten. die zentrale lage der kantone im mittelland und die bevölkerungsgrösse waren die wichtigsten argumente hierfür. die freisinnigen kräfte dies- und jenseits der sprachgrenze vereinigten so wesentliche teile der schweiz.

das alte bern
doch das war einmal: in bern hat die bgb, später die svp den freisinn als stärkste partei abgelöst. so hiessen die berner bundesrät minger, gnägi, ogi und schmid. letzter verliess die partei im krach. er half die bdp als neue kantonalpartei zu gründen. die svp verlor einen regierungsrat, einen ständerat, zwei nationalräte und in einigen städten und dörfern wandten sich die lokalen behörden von der einst staatstragenden partei ab, weil sie in den sog der zürcher svp geraten war. trotz neuer parteispitze konnte die svp ihren niedergang nicht stoppen. typisch hierfür die drei ungeordneten kandidaturen der berner svp für die nachfolge von samuel schmid im bundesrat: dem top-gesetzten adrian amstutz fehlte es an gewicht in der eigenen fraktion, um sich durchzusetzen, andreas aebis kandidatur galt als goodwill an die adresse der bauernvertreter, und der kecke auftritt von erich hess von der jungen-svp wurde in bern eher als politmarketing in eigener sache, denn als ernsthafter versuch gewertet, in den bundesrat zu gelangen.

das scheitern der berner svp eröffnet dem kanton durchaus neuen chancen, denn die berner svp bildete getreu den agrarkanton ab, den bauernstaat, den subventionsempfänger. das prägte die politische kultur, hungerte den kanton indessen aus, bis die perspektive, die sich daraus ergab, dieser tage endgültig in sich zusammen stürzte.

das neue bern
it’s time for change!, rufe ich deshalb ins internet. sp und fdp müssen nun gemeinsam begreifen, dass das ihr moment ist, im kanton eine führungsrolle einzunehmen. es gilt das urbane leben ins zentrum der aufmerksamkeit zu rücken, ausgehend von den leistungen und problemen der städte und agglomerationen zu politisieren, auf die eigenen kräfte zu vertrauen und diese gewinnbringend auf der nationalen ebene einzubringen. der freisinn, der im 19. jahrhundert den kanton fit für eine führungsrolle im bund machte, braucht jenseits der svp eine nachfolge: der linksliberalismus der modern eingestellten städtischen bevölkerung ist gegenwärtig die einzige grundlage für diese erneuerung.

personell haben die beide genanten parteien gute aussichten, in der schweizerischen politik eine führungsrolle einzunehmen: simonetta sommaruga von der sp und johann schneider-ammann haben das profil kompetenter und würdiger bundesratskandidatInnen in ihren parteien. und: sie repräsentieren den städtischen kanton bern. sie vertreten die beiden wichtigsten pfeiler der schweizer wirtschaft: die exportwirtschaft und den konsum. nur mit diesen pfeilern kann sich der landwirtschaftskanton von niedergehenden vergangenheit lösen und in der zukunft neu positionieren.

stadtwanderer

neu-alt-bundesrätInnen an die macht!

gestern abend auf berns strassen erfahren: eine neue studie zeigt, dass selbst die 58jährigen dem jugendwahn der heutigen gesellschaft hoffnungslos verfallen seien. sie mögen nicht warten, bis sie aufrücken dürfen, um die höchsten stellen des staates zu besetzt. eine rebellion der seniorInnen steht vor der tür.
.


wie hart der kampf der generationen heute ausgetragen wird, schaue man sich
in diesem satirebeitrag selber an

alt-bundesrat christoph blocher sammelt, inspiriert von john lennon, der mit ihm geboren wurde, im geheimen unterschriften für die bisher nicht bekannte volksinitiative “give age a chance”. die rebellion von damals so endlich dialektisch gewendet durchgezogen werden: der jetzige bundesrat soll integral abgesetzt und die mitglieder sollen in den arbeitsprozess eingegliedert werden. sie sollen helfen, das geld, das sie für die unterstützung der ubs ausgegeben haben, durch individuelle beiträge in der realwirtschaft zu erarbeiten.

im zweiten absatz wird gefordert, einen neuen bundesrat der fähigsten einzusetzen. da die definition dessen, was das ist, umstritten bleibt, regelt die übergangsbestimmungen der initiative das kriterium holzschnittartig: man muss alt-bundesrat oder -rätin sein. der totalerneuerte bundesrat soll aus lauter ehemaligen bestehen!

hauptargument der initianten ist, dass man so die kosten für den bundesrat senken kann. das soll auch der massstab werden, nachdem der neuen bundesrat den ganzen staatsetat durchkämmen wird. doch blocher wäre nicht blocher, hätte er nicht auch einen bubentrick in das volksbegehren eingebaut: man wird dieses amt auf lebzeiten einnehmen. diskussion über amtszeitbeschränkungen sollen so präventiv umgangen werden.

in der bundeskanzlei macht man sich heute morgen gedanken darüber, wie die neuen landesregierung aussehen wird. wie aus einem papier, das dem stadtwanderer vorliegt, hervorgeht, ist das der “plan a(lt)-b(undesräte)”:

bundespräsident (auf lebzeiten):
neu-alt-bundesrat christoph blocher (a-svp, jg. 1940)

vizepräsidentin (auf lebzeiten):
neu-alt-bundesrätin ruth dreifuss (a-sp, jg. 1940)

mitglieder (auf lebzeiten):
neu-alt-bundesrat rudolf friedrich (a-fdp, jg. 1923),
neu alt bundesrat alphons egli (a-cvp,jg. 1924),
neu-alt-bundesrat leon schlumpf (a-bdp, jg. 1925),
neu-alt-bundesrat pierre aubert (a-sp, jg. 1927),
neu-alt bundesrätin elisabeth kopp (a-fdp, jg. 1936).

knacknuss ist noch, wer die bundeskanzlei präsidieren soll. dem vernehmen nach steht alt-nationalrat jean ziegler zur diskussion, denn er empfahl als erster grauer panther christoph blocher als fähigsten aller fähigen für das amt der bundespräsidenten. doch ausgerechnet die a-svp tut sich mit dieser besetzung schwer. sie möchte, um wieder klar zu machen, wer in der politik das sagen hat und wer zu arbeiten hat, erich hess von j-svp auf den posten hieven.

stadtwanderer

die weltwoche verliert

es ist nicht zum lachen! aber als anstoss zum nachdenken gedacht, werter roger köppel.


vor ein paar tagen waren noch firmenjubiläen angesagt. jetzt werden stellen gestrichen.

man erinnert sich: am tag der grossen finanzhilfe durch snb und bund an die ubs titelte die einst so meinungsprägende weltwoche: “la crise n’existe pas.” die einschätzung, geprägt durch die stereotype nationalistische “schweiz gewinnt” grundhaltung der (chef)redaktion war das papier, auf dem sie stand, nicht wert. kein mensch glaubte dem blatt.

seither ist es zum geflügelten wort geworden: die wirtschafts- und politfantasien der glokalisten (“wirtschaftlich global, politisch national”) haben die realpolitik und realwirtschaft längst erreicht.

das gilt nun selbst für die weltwoche, die für das kommende jahr im eigenen betrieb stellen streicht.begründung von chefredaktor roger köppel: «Die Massnahmen sind notwendig, um die Profitabilität und den unternehmerischen Erfolg der Weltwoche Verlags AG auch in einem laufend schwieriger werdenden Umfeld zu sichern. Kostensenkungen und Restrukturierungen sind für alle Firmen, die angesichts der Krise nicht auf Staatshilfe hoffen können, ein Gebot der Sorgfalt und der Verantwortung.»

wie gesagt, werter roger köppel. es ist kein lachen aus schadenfreude, das ich hier habe. ich bin auch unternehmer! aber es ist eine aufforderung zum nachdenken über voreigenommene berichterstattung, die erfolg bei genügend leserInnen verhindert!

stadtwanderer

die berner wahlplakate im blindtest

an ein gutes wahlplakat erinnert man sich, ohne es sehen zu müssen. denn es erzählt mit visuellen mitteln eine geschichte, die so gut sitzt, dass sie uns zum permanenten wählen des oder der beworbenen motiviert. ein blindtest des stadtwanderers mitten in der dunklen nacht, was dabei 2008 alles hängen blieb.

das erste bild gehört stephan hügli. denn auf einem seiner plakate kommt man ihm ganz nah. nur sein gesicht ist drauf. welch klare botschaft! allerdings, mehr ist da auch nicht. denn auf dem plakat sieht man keinen hintergrund nicht. und das ist wohl bei hüglis mitte auch programm. ausser dass er auf dem andern plakat mit einem bären velo fährt. hää?, will der uns nach seinem rauswurf aus der fdp einen bären aufbinden? ich bin da ehrlich: ein paar politiker auf dem rücksitz, die zu hügli stünden, wären mir da lieber gewesen.

da ist der hintergrund des rotgrünen gemeinderatsplakates viel besser. der baldachin!, das schönste bauwerk, das wir in der letzten legislatur bekommen haben, ist abgebildet. super! allerdings auch das teuerste, reiht sich in der erinnerung an. doch das kümmert das linke quartett nicht viel. sie stehen zu ihren ausgaben. wenn auch nur im fotoshop. denn das bild macht einen mächtig montierten eindruck. und wenn man das ganze schon manipuliert hat, frag ich mich: hätte man da nicht auch die eine oder andere kandidatur durch eine neue ersetzen können? nicht nur das stadtbild bedarf einer regelmässigen erneuerung, werte mehrheit!

von personellen wechseln haben die bürgerlichen so genug, dass sie gar nicht mehr davon sprechen wollen. denn die emotionen gingen während der nomination vor allem bei der fdp so hoch, dass auf dem briefing für den grafiker wohl nur eines stand: beruhigen sie die lage! das hat er oder sie dann so wörtlich genommen, dass einem die versprochene wende partout nirgends auf dem plakat auffallen will. dafür wähnt man sich, beim betrachten derbewerbungen vor dem leitungstrio einer regionalsparkasse zu sein. und ob die bankenallusion im moment das beste rezept ist, um gewählt zu werden, frage man gleich am schalter der ubs nach …

da lob ich mir schon mal den hofer jimmy. denn marketing ist seine sache nicht. auf seinem plakat sieht man vor allem einen hut und einen bart. was bei ihm dazwischen ist, fragt man sich da natürlich. ein mundwerk, kommt einem physiognomisch zwingend in den sinn. das ist gut, für einen stadtpräsidentenkandidaten, sage ich mir. doch bei hofer bleiben mir keine wort in erinnerung, ausser dem zvieri – mit einem bierli. doch da sind wir schon am ende der hopfen&malz-kandidatur aus der matte. ein gutes dutzend fans nur sollen es gewesen sein, die mit hofer im mühlerad gratisbier getrunken haben. so viele stimmen machen noch keinen stadtpräsidenten, ruf ich da zurück.

genau, auch barbara hayoz will das stadtpräsidium. das jedenfalls liest man auf jedem der schönen blauen plakate mit konterfei der sympathischen kandidatin. doch darüber hinaus wirkt sie ein wenig farblos, will mir scheinen. der elan aus der bärenmutter-phase im frühen wahlkampf ist irgend wie vorbei. gut, die mehrkosten des neuen bärenparkes hätten kein motivierendes plakatsujet abgegeben, das ist klar. da ist die gewählte durchschnittsvariante für die werbung der bürgerlichen kandidatin allemal besser!

aber nicht gut genug! denn er wäre nicht er, wenn er nicht das beste aller plakate in diesem wahlkampf gehabt hätte. es ist provozierend rot. und es hat einfachste botschaften. “weiter so!”, aller kritik zum trotz. das kann sich wirklich nur tschäppät erlauben, äxgüsi, tschäpp@. der gag mit dem affenschwanz für den silberrücken sitzt, am besten sogar auf der orangen variante des plakates. die erklärungen auf holländisch wären da für die normalen berner und bernerin nicht einmal nötig gewesen. denn alle wissen, alex will es nochmals wissen. gut abgelenkt, sag ich dir, werter stapi, wenn ich dich beim nächsten apéro treffe.

stadtwanderer

mehr bilder finden sich hier.

was für ein jekami!

ist und bleibt er der favorit?, fragt sich der stadtwanderer. das weiss ja zwischenzeitlich auch die svp-fraktion nicht mehr richtig, deshalb meine auslegordnung als starthilfe: wir haben …

… zahlreiche hardliner-kandidaten
… un candidat romand
… verschiedene ich-bin-dann-nicht-der-übervater-mörder kandidaten
… eine regierungserprobte kandidatin
… den kandidaten der svp hinwil
… den ohne-jeden-zweifel-fähigsten kandidaten
… einen nicht-kandidaten
… einen pinkel-kandidaten
… einen hört-ich-bin-nun-doch kandidaten
… einen mastviehvertreter-kandidaten
… einen kettensägevertreter-kandidaten
… den überkantonalen kandidaten aller innerschweizer und
… einen wenn-die-andern-nicht-wollen-sind-sie-selber-schuld kandidaten
… schon einige nicht-mehr-kandidaten.
… einen parteipräsidenten, der nicht kandidiert.

doch bleibt die bange frage: haben wir auch eine würdige bundesratskür?

stadtwanderer

im zeichen der neuen swissness

am wochenende nahm die jugend im nationalratssaal für die jugendsession platz. und in der nacht erstrahlte das total renovierte bundeshaus so speziell wie schon lange nicht mehr. das ist die neue swissness, hallte es in mir nach.

während der nachstunden wurden in loser folge farbige bilder auf das bundeshaus projiziert. riesig waren sie, denn sie bedeckten die ganze frontseite. und farbig erschien uns das gebäude, ganz anders als der sonst gewohnte grün-braune sandstein schimmert.

da es noch ein wenig schneite, glitzerte der lichtkegel zwischen den grossen scheinwerfern und dem erleuchteten bundeshaus in allen farben und formen. gezeigt wurden symbole der schweiz: das wappen, die kantonshelgen, die drei eigenossen, die plenarsäle, das innere der bundeskuppel und vieles andere mehr.

“swissness” kam mit spontan in den sinn, als ich das sah. kein einfacher begriff, gewiss: aber zeitgemässer als patriotismus. denn er entspricht dem heutigen denken besser: er steht für die schweiz, die wie eine marke vermittelt wird. darin haben zahlreiche stärken der schweiz wie friede, stabilität, freiheit, schutz, offenheit und mitsprache genauso platz, die für verschiedenste gruppen eine identifikation anbieten.

die 200 teilnehmerInnen der jugendsession stiess auf ihre art auf das neu renovierte bundeshaus an: sie forderten eine zeitgemässe und härtere prävention, die dem rauschtrinken unter jugendlichen rechnung trägt.

stadtwanderer

kein bankgeheimnis

meine tagung in innsbruck ist zu ende. über das vorgetragene und diskutierte muss ich mir zuerst gedanken machen. doch ein pausengespräch will ich gleich los werden.

uni innsbruck, im november 2008 (foto: stadtwanderer)

es ist pause zwischen zwei tagungsveranstaltungen. wir sind vor der aula der innsbrucker universität. bei einem langen braunen plaudern wir ungezwungen auf einer bank. geheimnisse hat man da nicht.

die sponsoren der tagung von der peter kaiser stiftung, benannt nach dem führenden liechtensteiner historiker, kommen schnell zur sache: wie man die zukunft des bankgeheimnisses ist der schweiz und in liechtenstein beurteile, wollen sie von mir wissen.

ich sage, die meinungen seien geteilt. es gäbe wenige offizielle verlautbarungen, die defensiv-optimistisch tönten, und zahlreiche inoffizielle stimmen, die defensiv-pessimistisch seien.

das sei so wohl richtig, halten meine gesprächspartner fest, allesamt konservative europäer. denn die zeiten des versteckspielens seien vorbei. liechtenstein werde sein bankgeheimnis bald aufgeben müssen. der fall der schweiz sei nur graduell anders, prinzipiell aber gleich.

man muss es wissen, denke ich mir, schliesslich ist das stiftungskapital, das die tagung überhaupt erst ermöglicht hat, auf einer bank in vaduz angelegt.

die schweiz habe ja gegenüber den amerikanern das bankgeheimnis bereits öffnen müssen, ist das nächste argument. der druck auf kundendaten der grossbanken werde mit der neuen us-regierung nicht geringer. für die eu sei das ein präjudiz; anpassungen gegenüber brüssel würden folgen müssen.

3 billionen dollar vermögen zu verwalten, werde die ubs nie mehr schaffen, gibt man sich mir gegenüber überzeugt. was in zukunft zähle, sei die expertise, nicht das geheimnis. auf dem schloss in vaduz und im berner bundeshaus hätte man sich viel zu lange darauf verlassen, dass selbstregulierungen reichen würden. doch die zeiten seien längst vorbei.

ein wenig erstaunt bin ich schon: es will mir scheinen, dass bankkunden über das bankgeheimnis viel konkreter nachdenken, als die schweizer öffentlichkeit. doch bevor wird das gespräch vertiefen können, läuten die glocken. es sind keine totenglocken. nur pausenglocken. wir werden geben, uns in der ehrwürdigen aula wieder dem tagungsthema zuzuwenden. es geht um das verhältnis von wirtschaft und kultur, und es dreht sich alles um die polarität “harmonie oder konflikt.

stadtwanderer

das leere kaisergrab

von aussen sieht die innsbrucker hofkirche ziemlich normal aus. von innen her gesehen ist die grösste kaisergruft europas. obwohl hier kein kaiser seine letzte ruhe fand, sondern die habsburger der gegenreformation ein denkmal setzten.

sakrophag von maximilian I. in der innsbrucker hofkirche, in der kein kaiser ruht (foto: stadtwanderer)

maximilian I. lebte, wann nur immer er konnte, in innsbruck. er war graf des tirols, deutscher könig und römischer kaiser. und er wollte innsbruck zur neuen reichsstadt machen. das goldene dacherl kündigte die neue zeit an, denn die habsburger waren auch auf dem spanischen thron und somit herren der neu entdeckten welt.

schon zu lebzeiten entwarf der kaiser eigenhändig einen plan, wie er in der tiroler metropole begraben werden sollte. in einem rundbau im renaissance-stil. geschmückt mit überlebensgrossen bronzefiguren der herrscher europa. sie sollten ihm das letzte licht gewähren. er hätte im zentrum, erhöht aufgebahrt werden sollen. auf gleicher höhe wie christus.

1518 kehrte max ein letztes mal in seine stadt zurück. doch man wies ihn ab. nicht nur der hohen abgaben wegen, die er eingetrieben hatte, um sein hochgesteckten ziele zu verfolgen. vor allem wegen den schulden, die er in allen innsbrucker gasthäusern hinterlassen hatte. er zog mit seinem tross ins benachbarte wels weiter, wo er wenige tage später verstarb – lange bevor sein grabmahl gerichtet war.

in innsbruck brachen nach dem tod des kaisers aufstände aus. die bauern rebellierten. den adel und den klerus wollte man los haben. volksfrömmig war man nun, jakob hutter war ihr neues vorbild, der den bauern das wiedertäufertum lehrte. wie viele seiner glaubensbrüder wurde er verfolgt. wer nicht nach mähren auswanderte, riskierte gerade im tirol sein leben. so auch hutter, der schliesslich vor dem goldenen dacherl hingerichtet wurde.

kaiser ferdinand I., maxens enkel, trieb die gegenreformation im reich zielstrebig voran. in innsbruck liess er die hofkirche bauen, eher einfach, um keine neuen tumulte zu riskieren. die bewusste provokation seines grossvaters realisierte er nicht. kein rundbau wurde erstellt, sondern ein langhaus mit apsis, wie es sich für gute christen gehörte. der sarkophag wurde auf augenhöhe aufgebahrt. und statt der herrscher europas verewigte man die ahnen der habsburger in bronze. sie sollten zeigen: die habsburger waren für immer auserkoren zu herrschen.

selbst die sterblichen überreste kaiser maximilians wurden nicht in innsbruck begraben. er ruht in der erde der wiener neustadt, wo er geboren wurde. so ist der vielbestaunte sarg in der tiroler landeshauptstadt leer, selbst wenn die statue maximilians, umringt von den vier kardinaltugenden, auf dem deckel kniet.

ein wenig ironie schwingt mit, wenn man hinausgeht. denn die verbliebene pracht des renaissance-kaisers ist wirklich hohl.

stadtwanderer

wurscht ist wurscht!

das thema des tages in österreich ist das kussverbot an einer oberösterreichischen grundschule. die mädels küssen sich, wenn sie aus haben. doch nicht mehr auf die wange, wie das in der buss-bussi-gesellschaft üblich ist, sondern auf die lippen. was andere dazu denken ist ihnen wurscht, und so kümmern sie sich auch nicht um das verbot der empörten schulleitung.

name der führenden stadtpartei und motto vieler innsbruckerInnen (foto: stadtwanderer)

auch in der grossen politik in wien scheint allen alles ziemlich wurscht zu sein. die wahlverlierer haben personell an haupt, nicht aber an gefolgschaft erneuert, und sie haben wieder zusammengefunden. am sonntag soll der neue koalitionsvertrag unterzeichnen. während den verhandlungen ist dr. haider an einem selbstunfall gestorben, die fluggesellschaft “aua” ist hops gegangen, und der post droht ein massivster kahlschlag. und kaum jemanden kümmert´s!

… wurschtistwurscht …

in innsbruck dagegen schaut man besser zueinandern. das ist schön. die zeit des christkinlmarktes hat schon begonnen. “rettet das kind”, ist das motto. vor dem hotel “weissen kreuz”, wo ich wohne, ist der traditionelle markt. der moderne soll an der maria-theresien-strasse aufgehen. schweden, russland und spanien, die länder, die während der euro ´08 in innsbruck spielten, sind eingeladen worden, sich hier mit ihren spezialitäten zu präsentieren. sie sind der stadt nicht einfach wurscht, seit die spiele vorbei sind.

… wurschtistwurscht …

überhaupt, hilde zach, der bürgermeisterin der landeshauptstadt, ist das stadtmarketing ein grosses anliegen. sportstadt ist der olympia-austragungsort. die touristenstadt ist im aufschwung, und die wissensstadt soll die zukunft sicher. “pro innsbruck” heisst die partei der ersten bürgerin, die 1994 als abspaltung von der konservativen övp entstanden ist. 3 der 7 stadträtInnen stellt die jüngste stadtpartei. zusammen mit der övp hätte man zwar die mehrheit, doch regiert man gemeinsam mit rot-grün. eine vierer-mehrheit der städträtInnen sind frauen. nur der parteipolitik der rechten in der opposition sind die frauen wurscht.

… wurschtistwurscht …

“die beste wurscht fürs wochenende bekommen sie in der metzgerei zach”, sagt ein kollege, als ich ihn frage, wo ich mich denn eindecken soll. ich werd´s morgen machen, im familienbetrieb der “wurscht-hilde”, wie man in innsbrucks bürgermeisterin liebvoll neckt. denn ich habe hier eines rasch gelernt: im tirol ist einem nicht alles wurscht. und schon gar nicht, wenn´s um die wurscht geht!

stadtwanderer

wa(h)re (w)orte

ja, ich gehe. diesmal wirklich. aber nicht nach sacramento. sondern nach innsbruck, um eine studie unter anderem über das stadtwandern in der schweiz zu präsentieren.

das goldene dacherl in innsbruck, wo ich heute abend sein werde
das goldene dacherl in innsbruck, wo ich heute abend sein werde

meine studie, die ich innsbruck an einer fachtagung vorstellen werde, handelt von kulturverständnissen, kulturbesuchen und kulturregionen in der deutschsprachigen schweiz. seit gut einem jahr laufen die vorbereiten hierzu, diesen sommer haben wir die hauptarbeit geleistet, namentlich in und um luzern herum. morgen wird erstmals darüber berichtet. der schlussbericht soll anfangs 2009 erscheinen, er wird auch in der schweiz präsentiert werden.

es haben in anderen regionen verschiedene forscher am gleichen thema gearbeitet. so werden wir erstmals vergleichsergebnisse aus baden-württemberg, bayern, vorarlberg und tirol haben. die initiantInnen der studien wollten wissen, welchen beitrag “kultur” zur grenzüberschreitenden förderung von verständnis für europäische und regionale werte leisten kann.

ich habe das als berufsmann gemacht, aber auch als stadtwanderer. denn ich habe in die untersuchung erstmals auch die beteiligung an stadtwanderungen reingeschmuggelt. über die ergebnisse werde ich hier exklusiv berichten. aber erst wenn alles über die bühne ist.

bitte, bitte: glaubt mir, diesmal gehe ich echt unterwegs, nicht nur auf dem internet surfen! ich bin auch nicht mehr krank. es geht mir nicht um ware worte, vielmehr um wahre (w)orte! meine fotos aus innsbruck werden bezeugen, dass ich vor ort bin. und die schweizer stecker sollten in österreich ja passen, sodass ich bloggen kann …

stadtwanderer

grosse scheisse!

“grosse scheisse”, sagte sich heute, wer über den berner bahnhofplatz schritt, um in die ferne zu reisen.

bild: stadtwanderer

2,6 milliarden menschen haben keinen zugang zu einer sanitären anlage. denn in ihren hütten fliesst kein sauberes trinkwassen. und ihre notdurft müssen sie irgendwo im freien verrichten.

der preis dafür ist hoch: jeden tag sterben weltweit 5000 kinder an durchfall, 90 prozent davon wegen mangelnder hygiene-einrichtungen in den haushalten. damit ist das problem vier mal gravierender als aids.

auf dieser problematik wurde heute mit einer unkonventionellen aktion auf dem berner bahnhofplatz aufmerksam gemacht. kot lag der strasse, wenn auch nur als attrappe. denn heute ist der welt-toilleten-tag, an dem sich dieses jahr 53 staaten beteiligen.

getragen wird die aktion von der deza, diversen fachstellen und hilfswerken. bern folgt damit einer aktion, die es bis jetzt in new york, berlin und wien zu sehen gab.

wer heute von bern aus in alle welt reiste, sagte sich zurecht: “grosse scheisse!” und er oder sie erinnert sich hoffentlich noch lange an den wirklichen grund für den ausspruch!

stadtwanderer

züriwest und bernost

wo nur endet züriwest, und bis wo reicht bernost? das ist die frage, die historisch schon so viele antworten bekommen hat. sbb-chef andreas meyer fügte ihr am wochenende bei der 150-jahrfeier zur durchgehenden eisenbahnlinie zwischen den beiden städten eine weitere hinzu, als er von zürich her kommend in burgdorf scherzeshalber meinte, man fahre jetzt von bernost nach züriwest …


bern feierte am wochenende 150 jahre anschluss ans eisenbahnnetz – als züriwest gemäss sbb-general meyer (bild: der bund)

vor den römern gab es keine idee eines gemeinsamen raumes im mittelland. man dachte nicht in der ost-west-kategorie, vielmehr bestimmte die süd-perspektive den blick auf den norden. ad fines, das heutige pfyn im thurgau, markierte den grenzübertritt zwischen dem rheintal und dem mittelland, in dem die aare als nur schwer passierbarer fluss die geländekammern bestimmte.

die geländekammern

burgunder und alemannen wurden nach der völkerwanderung durch die aare getrennt. die grenze verlief aber hart entlang des flusses. die bischöfe in konstanz, über die alemannen gebietend, und in lausanne, herren der burgunder, wachten darüber, dass das auch so blieb. und die fränkischen könige über den bischöfen schauten, dass die sich vertrugen. die aare unterhalb der emme war rechtsseitig klar alemannisch, während sie linksseitig oberhalb des saane-zuflusses im burgundischen besitz war. als die fränkische oberaufsicht nachliess, krachte es. die burgunder holten nach ost auf. 922 einigte man sich nach heftigen kämpfen auf die reuss als neue herrschaftsgrenze.

die klöster und stadtgründungen
mit den klöster- und städtegründungen im hohen und späten mittelalter änderte sich die herrschaftliche durchdringung des mittellandes nachhaltig. bern wurde zuerst zähringisches, dann savoyisches und schliesslich kaiserliches zentrum im no-mans-land zwischen burgundern und alemannen. die stadt entwickelte sich rasch zur territorialmacht im oberen aareraum. zürich, gegenüber dem kaiser gleich wie bern positioniert, organisierte den nord-süd-verkehr über den gotthard. nach der pest, welche die städte erschütterte, schloss man sich dem bund der innerschweizer an. zürich mit seine getreuen zuerst, bern mit den verbündeten danach.

die alte eidgenossenschaft

der krieg gegen die habsburger, von den innerschweizern begonnen und den luzernen fortgesetzt, brauchte die städte bern und zürich gegeneinander auf. bern dehnte sich 1415 bis an die untere reuss aus. es war jetzt der grösste eidgenössische ort. zürich drängte umgekehrt die limmat hinunter nach westen, sodass luzern der riegel dazwischen zu legen versuchte. baden wurde zur neutralisierten zone zwischen den stadtansprüchen, das man gemeinsam verwaltete. wenn bern und zürich sich nicht vertrugen, konnte es schon mal zum bürgerkrieg kommen. wenn sie gemeinsam als stäte handelten, konnte das hinterland ins hintertreffen geraten.

der bundesstaat
letztlich änderte erst der einmarsch der napoléonischen truppen in der schweiz dieses herrschaftliche patt zwischen den politischen mächten im mittelland. der kanton aargau wurde im wasserschloss aus der taufe gehoben, was die ansprüche zürichs limitierte und jene berns gar zurückdrängte. doch die bürgerlichen revolutionen trennten staat und wirtschaft.

dem staat gehörten nach 1803 die kantone, nach 1848 der bund, der diese zusammenfügte. denn die wirtschaftliche dynamik hielt sich nicht an diese engen grenzen. die strassen erschlossen das städtische umland, die eisenbahnen verbanden die urbanen zentren. am ende des feudalismus lebten noch 90 prozent der eidgenossen auf dem lande, heute sind es noch 30 prozent, die ausserhalb der urbanen zentren und ihren agglomerationen wohnen.

eine neue hauptstadt?
doch will mir scheinen, sind alte vorstellungen über landschaftskammern, flussgrenezn und stadtrivalitäten geblieben. züriwest gehört zur jener vorstellung, dass die metropolitanregion zürich am besten die städte basel, solothurn, bern, luzern und st. gallen inkorporieren würde. die sogwirkung der zentrale an der limmat geht auf jeden fall bis pratteln, bis zug und bis burgdorf. selbst wenn das pendlerströme abbildet, bleibt die frage, ob das der vielgesichtigen schweiz wirklich rechnung trägt?

bernost war zu zeiten der burgunder mal in der ostschweiz und unter den gnädigen herren aus der aarestadt immerhin noch bis brugg. das ist sicherlich passé. doch stimmt die auffassung, dass die bundesstaat nur noch ein provinzzentrum ist, das gerade mal bis ins wylerfeld ausstrahlt?

bis dorthin, wo man vor 150 jahren die eisenbahn-gäste aus zürich mit der postkutsche abholte? ist diese welt der alles verbindenden sbb-generaldirektion?

stadtwanderer

die voraussetzungen alltäglicher illusionen

zwar wurde das bewegte bild mit dem kino erfunden. die projektion farbiger bilder ist indessen älter. das museum neuhaus in biel/bienne weist in seiner sonderausstellung zur technik der illusion auf die spur: die zauberlaterne!


pietro scandolas welt der illusionen aus der zauberlaterne (fotos: stadtwanderer)

pietro scandola ist historiker. früher schrieb er in bern die universitätsgeschichte. ich kenne ihn noch aus dieser zeit. jetzt arbeitet er als leiter des museums/du musée neuhaus. sein neues thema ist die mediengeschichte. ganz überraschend habe ich ihn da wieder getroffen.

die gegenwärtige sonderausstellung heisst “die technik der illusion“. sie könnte auch “illusionen dank technik” heissen, denn es geht darum, wie träume unsere welt beherrschen und was die voraussetzungen dafür sind. entscheidend, so die these der ausstellung, sind die bewegten bilder, die man seit der wende vom 19. zum 20. jahrhundert auf den kinoleinwände sehen kann.

die zauberlaterne als kino vor dem kino
den historiker scandola interessiert es natürlich, was vor dem kino war. pietro sagt: “das kino war nicht eine erfindung der projektion farbiger bilder; es war nur eine perfektion. angefangen hat alles in der mitte des 17. jahrhunderts mit der zauberlaterne.”

dieses gerät bestand ursprünglich aus einer rauchenden petrollampe, aufgerüstet mit einer kanal, der das licht auf eine wand warf. in den kanal konnte man glasscheiben einfügen, auf die man bilder gemalt hatte. am anfang war alles statisch, dann entwickelte man techniken, wie man mehrere scheiben einfügen konnte und so auch dynamik in die projektion kam.

nochmals pietro: “wir haben internet, dvd, video und fernsehen. und wir haben farbbilder. sie sind die voraussetzungen der produktion von illusionen. der mensch des 19. jahrhunderts und davor hatte nichts davon. vielleicht waren die kirchenfenster die einzigen farbigen bilder, die man in seinem leben je gesehen hatte.

da musste die erfindung der zauberlaterne faszinieren. märchen wie rotkäppchen und der wolf waren bei den kindern beliebt. jetzt konnte man sie sehen. auch pinocchio, und erst noch, wie sein nase anschwoll. doch diente die erfindung nicht nur der unterhaltung, sie nützte auch der aufklärung kindern: was geschieht, wenn man ein geschwisterchen bekommt, liess sich so illusionieren: es fliegt der storch aufs dach, und er lässt das kindlein den kamin hinunter. und schon ist das brüderchen oder schwesterchen da!

die grossangelegte sonderausstellung

in der gross angelegten ausstellung kommen freaks der filmmaschinen oder der fotoapparaturen auf ihre rechnung. aber auch all jene, die sich erklären lassen, wie stark wir seit dem 20. jahrhundert in einer projektionswelt leben, werden begeistert sein. nicht zu vergessen sollte man die kinder, denn für sie gibt es an sonntagen ein spezielles programm, bei dem sie auf verschiedenste arten spielerisch auf den ernst des unernsten teils im leben vorbereitet werden.

ein tolles erlebnis für jung und alt, und auch für mich, das mir pietro scandola heute perfekt bilingue in biel/bienne geboten hat. ganz real übrigen …

stadtwanderer

der generalstreik – die sozialpolitische wende

vor 90 jahren wurde in der ganze schweiz fast eine woche lang gestreikt. der wichtigste sozialpolitische einschnitt in der schweizer geschichte urteilen die fachhistoriker, denen es aber nicht gelungen ist, aus den novembertagen 1918 einen populären gedenktag zu schaffen.


typisch für den generalstreik in der schweiz: robert grimm, streikführer im oltener aktionskomitee, regierte in späteren jahren als berner sp-regierungsrat konsensorientiert

der landesweite generalstreik
die woche war bewegt. das deutsche kaiserreich brach in sich zusammen. und der erste weltkrieg wurde mit dem frieden von compiègne beendet. in deutschland und österreich waren soziale revolutionen ausgebrochen. und auch in der schweiz hatte das oltener aktionskomitee zum landesweiten generalstreik aufgerufen.

bis heute gilt der landesstreik, wie er in der geschichtsschreibung meist genannt wird, als die schwerste krise des 1848 gegründeten bundesstaates. er markiert gleichzeitig auch die wende von anfänglich rein freisinnigen vorherrschaft gegen verschiedenen oppositionen hin zum parteienpluralismus im konkordanzsystem.

die wichtigsten forderungen des oltner aktionskomitees, die während des generalstreikes erhoben wurden, sind heute weitgehend realität. der nationalrat wird seit 1919 aufgrund des proporzwahlrechtes gewählt. das frauenstimm- und -wahlrecht gilt seit 1959. die ahv verbindet die schweizerInnen seit 1947. anderes, wie die 48-stunden-woche oder die sicherung der lebensmittelversorgung ist durch den fortschritt längst überholt worden. schliesslich gibt es forderungen von 1918, die bis heute in diskussion sind: die armeereform zur breiten abstützung des militärs in der gesellschaft, oder eine neue steuer für vermögende, um die staatschulden zu verringern.

die ereignisse
ausgelöst wurde der generalstreik durch die zürcher bankangestellten. es intervenierte kurz vor kriegsende die schweizer armee in zürch. das oltener aktionskomitee unter dem berner robert grimm übernahm erst jetzt die landesweite führung der streiks, die ausser kontrolle zu geraten drohten.

250000 arbeiter in 19 städten beteiligten sich am generalstreik. die missliche wirtschaftlage hatte sie mobilisiert. das gespannte verhältnis zwischen unternehmern und bauern einerseits, der arbeiterschaft anderseits, hatte polarisiert. und die grippewelle am ende des krieges hatte alle hemmungen, in bisher nicht bekannte formen des sozialpolitischen kampfes vorzudringen, schwinden lassen.

doch sollte er nicht lange dauern. denn bereits in der nacht auf den vierten streiktag schickte das oltener aktionskomitee per telegramm die kapitulation an den bundesrat und forderte es die streikenden auf, die arbeit wieder aufzunehmen. am montag der neuen woche war es überall soweit.

die würdigung
die kurze phase der illegalen aktionen war damit auf dem höhepunkte der emanzipationsbestrebungen der schweizerischen arbeiterschaft abgeschlossen, urteilt willy gautschi, der (verstorbene) historiker, der sich am ausführlichsten mit den ereignissen vor 90 jahren beschäftigt hat. dank der voll ausgebauten demokratie in der schweiz habe sich das bewusstsein in der überwiegenden mehrheit des volkes durchgesetzt, “dass sich irgendwelche änderungen der politischen struktur im rahmen der demokratischen freiheiten mit legalen mitteln zu vollziehen hätten.”

der bürgerliche staat wurde in der folge nicht wie im kommunismus abgeschafft. vielmehr wurde er durch sozialdemokratische ideen beeinflusst reformiert. man kann den generelstreik in seinen folgen als die eigentlichen sozialpolitische wende in der schweiz bezeichnen. der wandel gilt auch für die gesellschaft, in die die bisher als vaterlandslose gesellen verschriene schweizer arbeiterschaft so gut aufgenommen wurde, dass es heute den gewerkschaften fast angst und bange wird.

die novembertage 1918 in den schweizer städten sind denn auch ein wesentlicher einschnitt nicht nur in der europäischen, sondern auch in der schweizer geschichte. “Die eidgenössische Demokratie als Staatsform gegenseitigen Vertrauens hatte sich bewährt, doch war gleichzeitig klar geworden, dass sie uns nicht als feste grösse für alle Zeiten geschenkt ist.” dem urteil von gautschi ist eigentlich auch heute nicht beizufügen, selbst wenn die offizielle schweiz diesen erinnerungstag, einmal mehr, durch das tagesgeschehen gezeichnet, fast vollständig vergessen hat.

stadtwanderer

lieber erich hess … (bundesratskandidat der jsvp)

“Die Seite kann auf Grund der Einstellungen im Jugendschutzfilter nicht angezeigt werden. Wir bitten um Ihr Verständnis.”

das ist kein jugenschutz in sachen unerlaubter sex-seite. es ist der filter, wenn man die homepage der svp schweiz konsultieren möchte.


mindestens in den internet-cafés der stadt bern, die marktführer www.weblane.ch betreibt.

meine frage an sie, lieber herr erich j. hess: eine politisch ernst zu nehmende aussage? verbreitet ihre mutterpartei effektiv jugendverführerische inhalte? – oder ist das ein weiterer übler eingriff in ihren wahlkampf als berner stadtrat? und wenn sie, der erste und jüngste bundesratsanwärter der jungen svp, tatsächlich ende monat mitglied der landesregierung sind: verbieten sie dann solche einschränkungen der internetfreizügigkeit?

lieber erich hess, bitte übernehmen sie!

stadtwanderer

jahrhundertprojekt bahnhof bern

der berner bahnhof ist der zweitgrösste der schweiz. und er soll ausgebaut werden. der stadtwanderer macht sich schon mal darauf gefasst, bis zu seiner pensionierung an der umbaustelle von nebenan aus und in den zug steigen zu müssen.

um die grossen pendlerInnen-ströme tagtäglich zu bewältigen, ist bern auf vielerlei angewiesen: einen leistungsfähigen oev; genügend parkplätze in der stadt , attraktiven wohnraum in city-nähe. denn jeden morgen kommen mehr menschen in die stadt, als hier leben. und jeden abend verringert sich die zahl der anwesenden wieder um gut 150000 personen.

hohe priorität kommt bei der bewältigung den menschenmengen dem berner bahnhof zu. in den 70er jahren erstellt, platzt er eigentlich jetzt schon aus allen nähten. 2005 kam die “welle” hinzu. dieses jahr wurde die unterführung neu gemacht, und der bahnhofplatz erhielt präzise auf die euro ’08 den baldachin.

doch all das reicht nicht. barbara egger, die baudirektorin des kantons bern, machte heute publik, wie der zukünftige bahnhof bern aussehen soll: 30 meter unterhalb des jetzigen bahnhofes soll ein neuer tiefbahnhof mit vier geleisen entstehen. der neue rbs-regionalbahnhof soll so 80 verlängerte züge pro stunde abgewickeln können.

offen bleibt die möglichkeit, dass auch die sbb einen tiefbahnhof mit weiteren vier spuren bekommt. denn man rechnet, dass sich die zahl auch dieser züge, die in bern halten, innert einer generation um 50 prozent erhöhen wird.

1 milliarde franken wird der neue rbs bahnhof kosten, mindestens nochmals soviel ein neue sbb-tiefbahnhof. bezahlt werden muss das aber noch nicht heute und morgen. denn der baubeginn soll 2014 sein. gerechnet wird mit einer bauzeit von 10 jahren.

bis das jahrhundertprojekt beendet sein wird, bin ich wohl rentner. bis dann gibt es wohl viel zu bloggen – von der grössten baustelle in meinem lebensalltag …

stadtwanderer.

was ist das für eine zeit, in der wir leben?

in momenten der schnellen bewegungen greife ich gerne auf bücher zur zeit zurück. denn spektakuläre machtwechsel, gewaltige börsencrasheund kranke bundesräte sind äussere zeichen tiefgreifender veränderungen: wohin gehen wir? woher kommen wir?, stellt sich unvermittelt als fragen.

auf der suche nach antworten, habe ich futurologisches lexikon gelesen, und auch keine parteiprogramme gebüffelt. ich habe zu einem zeitgeschichtsbuch gegriffen.

christoph dejungs: widerspruCH. auch eine schweizer geschichte seit 1945″, huber verlag 2008 liegt seit einigen tagen neben meinem bett, sodass ich gerne darin schmökere. ich will es gar nicht erst besprechen, denn es unkonventionell gemacht. zwei sätze würde da nicht reichen, und es ist spät am abend.

ich habe aber die zentralen momente und begründungen, die der autor für die zeit nach dem kalten krieg herausgearbeitet hat, rausgesucht.

nun interessiert mich natürlich, was aus alle dem, was die letzten jahre aus der sicht eines zeithistoriker ausmacht, fü euch die heutige zeit am besten trifft? was man hätte weglassen können und was man sonst noch für momente der gegenwartsgeschichte hätte herausstreichen müssen?

ein kleine herausforderung also, eine einladung auch, 10 minuten darünber nachzudenken, was das für eine zeit ist, in der wir jetzt leben!

hier schon mal die vorgaben von dejung, in seien worten:

2007-12-12:

ein bundesrat, der sich vier jahre lang in der subtilen verletzung von spielregeln geübt hatte, wird aus gründen der konkordanz nicht wieder gewählt; damit erleidet sein machtanspruch kurz nach einem historischen wahlsieg ein debakel.

2006-05-07:
die kräfte, die es versuchen, zur stärkung der gemeindeebene rational notwendige bereinigungen vorzunehmen, erhalten den grössten auftrieb durch die direkte demokratie; glarus beschliesst umfassende gemeindefusionen.

2005-06-27:
der pac-car der ethz fährt mit einem liter treibstoff über 5000 km weit; er braucht für diesen rekord eine mit wasserstoffantrieb verbundene brennstoffzelle; der erfolg lässt in dunkler zeit für die wissenschaftlichen zukunft des landes hoffen.

2004-02-08:
überraschend erreicht eine unpolitische frauengruppe, unterstützt von der rechten, die einführung unbefristeter verwahrung trotz rechtlicher bedenken; der text könnte wie einst das schächtverbot als hypothek lange in der verfassung bleiben.

2003-08-11:
in grono erreicht die lufttemparatur erstmals in der schweiz 41,5 grad, was historisch viel wichtiger ist als die modifikation der zauberformel durch einen älteren populisten; diese änderung trifft die junge bundesrätin ruth metzler.

2002-09-22:
in einer referendumsabstimmung wird das elektrizitätsmarktgesetz abgelehnt; im erfolg der vereinten alpenkantone und der linken drückt sich die schwere enttäuschung über deregulierungs- und privatisierungsresultate aus.

2001-10-02:
in der durch die grossattentate von new york und washington verursachten flaute bricht die einst bewunderte, jetzt marode swissair in einem grounding zusammen, worin sich vor allem die 1992 vollzogene abgrenhzung zu europa auswirkt.

2000-01-01:
die erst nach längerem zögern von der politischen rechte bekämpfte neue (dritte) bundesverfassung tritt in kraft; mit einzelnen substanziellen neuerungen, die einen längeren kampf zwischen verfassungsrecht und demokratie erwarten lassen.

1999-01-01:
die erste bundespräsidentin, ruth dreifuss, wird in ihr amt eingeführt; die sozial engagierte frau kann die krankenversicherung nicht dauerhaft reformieren.

1998-12-04:
nachdem drei jahre vorher eine erste veränderung des arbeitsrechtes im sinne kapitalistischer “deregulierungen” knapp angenommen worden war, stoppte das volk die von über 90% der parlamentarier empfohlene vorlage zum arbeitsgesetz.

1997-12-18:
die fusion von bankgesellschaft und bankverein zur ubs wird bekanntgegeben. die zahl der grossbanken, 1945 noch fünf, fällt auf zwei. ein jahr früher war die gleiche reduktion bei den basler chemiekonzernen vollendet worden.

1996-12-12:
zur unterstützung der angegriffenen schweizer grossbanken und zur angeblich unerlässlichen aufarbeitung de geschichte der schweiz im zweiten weltkrieg wird die historiker-kommission unter jean-françois bergier aus der taufe gehoben.

1995-02-14:
das experiment einer öffentlich sichtbaren drogentoleranz scheitert mit der schliessung der drogenszene am letten in zürich; sie erweit sich als unmöglich angesichts der in der ganzen europäischen umwelt herrschenden verdrängungspolitik.

1994-04-07:
unter den augen der schweizerischen entwicklungshelfer beginnt der völkermord in ruanda: das entsetzen über die wiederholung des geschichte bereitet das land auf die frage der verantwortung vor, die sich alsbald beim holocaust stellen wird.

1993-06-18:
die anpassung der schweiz an die europäischen rechtsverhältnisse führt zur rassismus-strafnorm, die bei leicht vorhersehbarem einseitigem interpretationszwang für die geschichtswissenschaft unerfreuliche konsequenzen haben wird.

1992-06-06:

mit der ablehnung des beitritts zum europäischen wirtschaftsraum ewr leistet sich das stimmvolk die krasseste direktdemokratische eskapade, die auf den mühsamen und heuchlerischen weg der bilateralen verträge zwingt.

1991-08-01:
die schweiz tut sich schwer mit der zentenarfeier des ältesten eidegenössischen bundes; die konservative schweiz will in der gleichen art feiern wie zwei jahre früher bei “diamantfeiern” zur erinnerung an die grenzbesetzung.

1990-01-04:
die vom kanton zürich in zusammenarbeit mit den bundesbahnen verwirklichte zürcher-s-bahn wird eröffnet; ein langes hin und her zwischen überdimensionierter metro und nichtstun wird beendet, andere zentren folgen.

1989-11-26:
mehr als ein drittel der schweizer, mehr als die hälfte der zwens befürworten die abschaffung der armee; mit der gleichzeitigen (vergeblichenI) hoffnung auf eine “friedensdividende” gipfelt die stimmung der wendezeit auch in der schweiz.

stadtwanderer

ode für den berner mit stil

man kennt meine freundliche anerkennung, die ich mit den jahren für adrian von bubenberg entwickelt habe. es ist heute ein guter moment, dem strahlenden schlachtensieger, dem staatsmann, der seinen staat nicht mehr verstand, und dem unglücklichen stilisten unter den berner politikern zu gedenken. denn von bubenberg musste schliesslich seiner schwer angeschlagenen gesundheit wegen unerwartet gehen, ohne einen würdigen abgang gefunden zu haben. ein nachtrag des stadtwanderers also.

unerwarteter abgang: adrian von bubenberg verlässt 1479 nach kurzer krankheit gezwungenermassen die politische bühne berns, bleibt uns aber bis heute in guter erinnerung (foto: stadtwanderer)

heer den herausforderungen der zeit angepasst
in murten gelang adrian von bubenberg ein grosse coup. er siegt gegen alle widersacher, welche die eidgenossenschaft damals hatte. unter von bubenbergs erfolgreicher führung hielt man stand, gab man nicht nach, blieb man hart. das brauchte einen grossen einsatz, ein strenger wille, denn die armee wäre, so wie sie aus den ideologisch geführten inneren kriegen vor bubenbergs zeiten bestand, den herausforderungen der 1470er jahre nicht gewachsen gewesen.

als während der besetzung murtens militärische entlastung aus der ostschweiz kam, war man im seeland mächtig erleichtert. denn jetzt musste sich der feind zunächst auf dem grossen schlachtfeld ob murten wehren, bevor er zu einem weiteren schlag auf adrian von bubenberg ansetzen konnte. dazu kam er gar nicht mehr, brachte doch der unterschätzte gegenangriff die anfänglich wild entschlossenen belagerer arg durcheinander.

zuerst verlor man die stolze artillerie, dann wusste die kavallerie nicht mehr, wessen haut sie angreifen und wessen haut sie retten sollte. als die anführer im getümmel verwirrt umherrannten, verloren sie einen teil des frustrierten fussvolkes. bis ihnen allen nichts anderes mehr übrig blieb, als ganz klein beizugeben. denn die opposition gegen die eidgenossenschaft war nach kurzer zeit zu verlorenen sache geworden.

strahlender schultheiss zu bern
adrian von bubenberg, den die geschäftstüchtigsten unter den eidgenossen, die zum mob geworden waren, ein leben lang so heftig verteufelt hatten, dass er nur noch halber berner blieb und angewidert nach spiez ging, genoss die rückkehr ins siegreiche bern sichtlich. nie hatte man ihn so stolz, so entspannt, und so zugänglich erlebt, wie in diesen tagen. zwa standen in spiez seine getreuen ohne wenn und aber zu ihm. doch war es schlicht interessanter, schultheiss von bern zu sein als ritters am thunersee. denn die macht liebte adrian, der zum staats-, nicht zum hausdienst erzogen worden war.

es war adrian von bubenberg indessen nicht vergönnt, seinen triumpf von 1476 über seine gegner in fremden und eigenen reihen lange zu geniessen. als schultheiss hatte sich der diplomat noch dafür eingesetzt, das zerschlagene geschirr mit den nachbaren wegzuräumen. doch der krug, der zerbrochen war, liess sich nicht mehr kitten. sein versuch, noch einmal mit voller kraft zum anführer erfolgreicher eroberungen zu werden, missriet gründlich. aus dem grossen schlachtensieger von murten wurden ein kraftloser belagerer in bellinzona, der ohne jeglichen erfolg abziehen musste.

geknickter politiker
in den letzten tagen plagten verschiedene sorgen den angeschlagenen adrian von bubenberg. zuerst die finanziellen belange, denn die burgunderkriege hatten auch seine stammlande verwüstet. ein teil seiner güter lag ganz darnieder, ein anderer war zum feind übergelaufen. und die verblieben teile des ehemals so stolzen bubenbergschen hausbesitzes bildeten kein ganzes mehr. mehr persönliche bindungen war ausschlaggebend, dass man beim schultheissen blieb. eine handlungsfähige einheit war das indessen nicht mehr.

das nagte am schwer getroffenen schultheissen. sein ansehen in bern liess nach. es minderte sich, genauso schnell, wie der finanzielle ruin nahte. selbst die kirche musste sich der unrühmlichen sache annehmen. die lokalen wüdenträger versuchten zu beschwichtigen, doch die kritischsten informationen waren bis zum papst, der die unrühmliche angelegenheit untersuchen liess.

plötzliches ende
adrian von bubenberg musste sich nicht mehr mit den ergebnissen der inquisitorengruppen auseinandersetzen. seine gesundheit verschlechterte sich fast von einem tag auf den anderen. die hektischen tage, die bern 1479 erlebte, liessen ihn erkranken. so nahm die berner karriere, die so mustergültig begonnen hatte, die jedem tiefpunkt einen höhepunkt folgen liess, ihr jähes ende.

die ämter, die einst die leute vom schlage bubenbergs bekleidet hatten, nahmen nun die früheren widersacher ein. sie sollten sich in der praktischen politik sogar besser durchsetzen, als der bärner gring des bisweilen quer zum zeitgeist stehende von bubenbergs. doch erinnert man sich heute kaum mehr an einen von ihnen. denn ihnen fehlte in der regel die grösse, sich für mehr als ihre geschäfte, für echte staatskultur einzusetzen.

erinnerungen
in unserem andenken an dieser zeit ist uns nur adrian von bubenberg geblieben, der tragische schlachtensieger, den staatsmann, den man immer wieder behindert hat, und der berner mit stil.

ich werde ihn auch morgen mit respekt grüssen, wenn ich an seine momument vorbei zu meiner arbeit gehe.

stadtwanderer

ich bin dann schon mal überall

ist irgendwo im überall zu sein nicht gleich wie nirgendwo hier zu sein, fragt der stadtwanderer.

der auslöser
ich war referent im generalsekretariat einer nationalen politischen organisation. thema und gruppe sind für das, um was es mir hier geht, unerheblich. es hätte auch bei anderer gelegenheit “klick” machen können.

anwesend waren die verantwortlichen der organisation und die fachleute zum thema. total rund 15 personen. meine präsentation dauerte mit der diskussion eine stunde. das kenne ich, und deshalb nehme ich mal an, dass das was passierte, nicht mir mir und meinem vortrag zu tun hatte.

das problem war: am ende der stunde niemand, der nicht ein- oder mehrfach den raum verlassen hätte. bei einzelnen war die abwesenheit nur einmal und für kurze zeit, bei anderen fast schon der immer wiederkehrende normalzustand.

was ist?
nach dieser stunde zog ich bilanz: mein publikum war zwar wie abgemacht gekommen, aber gar nicht präsent. die meisten gingen hinaus, um ein handy-gespräch zu führen. andere wiederum berieten sich in kleinen gruppen vor der tür zu weiss ich was während der sitzung. schlimmer noch: ein teil, der da war, hing derweil am labtop oder blackberry: news-kontrollierend, faktenrecherchierend – irgendwo im worldwideweb rumhängend.

als ich ging, fragte ich mich, wo ich eigentlich war, was ich wirklich gemacht habe, und was, von dem, was ich kommuniziert habe, einen empfänger gehabt hat? – wohl nicht viel, war meine ernüchternde bilanz, und ich begann zu suchen, wie man den film, indem ich war, beschreiben könnte.

diagnose
“entortung” ist ein begriff zwischen literatur und soziologie. er meint verschiedenes: zuerst die migration, meist von einem herkunfts- zu einem arbeitsort. dann die mobilität, die möglichkeit also, dank physischer beweglichkeit in rascher folge an verschiedenen orten zu sein.

und schliesslich meint der begriff, dass wir dank neuen informationstechnologien zeitgleich in verschiedensten welten, gesellschaften und gemeinschaften sein können, denn sie alle sind zu fast beliebig austauschbaren interaktionssystemen geworden, in den wir uns kommunikativ technisch leicht aufhalten können.

wenn wir physisch an eine ort sind, gleichzeitig aber mit vielen anderen orten verbunden sind, beginnt das problem: unser körper löst sich nicht auf, wenn sich unser geist verflüchtigten. er bleibt, wo er ist, aber es ist niemand mehr in ihm!

fragen

die überwindung des leiblichen ist das grosse thema der griechischen philosophie. doch geschafft haben es die meisten alten griechen nicht zu transzendieren. wer das konnte, galt als mensch mit übernatürlichen fähigkeiten. als mensch, der sich in der vergangenheit oder zukunft leben kann, wie wenn er oder sie in der gegenwart wäre. oder der andere kulturen so gut kennt, dass er oder sie in ihn leben kann wie in der eigenen.

in unserer gegenwart können wir massenweise transzendieren. doch frage ich mich: ist das, so wie heute geschieht, übernatürlich und bewundernswert, oder unnatürlich und korrektur bedürftig?

stadtwanderer

ps:
eigentlich wollte darüber beim heutigen stadtwandern sinnieren, ich hab’s aber gelassen, und mich direkt mit der stadt beschäftigt. doch bloggen hierzu kann man ja problemlos, den auch das ist eines der so verführerischen interaktionssysteme ohne ort!

no more milky way

keine angst, ich mache keine meldung in sachen firmenschliessungen! es geht nicht im schokolade, sondern um unsere milchstrasse. wir sehen sie kaum mehr. nicht weil wir in dunkeln löchern leben würden, ganz im gegenteil, weil die nächte so hell geworden sind.

“national geographic” hat mich am wochenende geschockt. denn in der aktuellen ausgabe werden die jüngsten forschungs-ergebnisse der lichtverschmutzungs-wissenschaft referiert.

schon beim begriff stutzt man. und bei der sache nicht weniger. denn auf dem titelblatt angekündigt wird nicht geringeres als das ende der nacht.

schuld ist das urbane leben, das ich so liebe. am schlimmste ist die werbung, denn die lichtsucht der sog. kreativen stiehlt uns die dunkelheit. es folgen die architekten, die hochhäuser bauen, in denen die menschen vereinsamen und deshalb stets und überall licht an machen. und am ende kommen auch noch die autobahnen ihr fett ab. übertriebener eifer beim sicherheitsdenken erhellt uns nicht. doch stiehlt es uns die sicht auf den himmel.

europa brennt, könnte man meinen, wenn man sich die karten der lichtverschmutzungswissenschafter ansieht. denn alles ist hell. je städtischer desto schlimmer. die poebene sticht heraus, und flandern auch. london, paris, madrid, berlin und wien sind bald überall.

das alles ist nicht ohne folgen für die mensch und tier: für zwei drittel der europäerInnen gibt es gar keine richtige nacht mehr. der himmel ist unnatürlich hell, sodass die galaktische orientierung ausbleibt. wir alle leben heute am polarkreis, wo es nördlich davon im sommer nicht mehr dunkel wird. und südlich: das gleiche auch im winter. tendenz: rapide verbreitung auf dem alten kontinent.

doch nicht nur das: auch die vögel sind ganz verwirrt on der heller werdenden nächte. sie sterben in scharen, vor allem die beliebten singvögel, weil sie zu tief fliegen und des “nachts” in menschengemachte umgebungen krachen. schon gibt es schulen, die tote vögel einsammeln, um uns zu zeigen, wie weit wir schon gegangen sind.

ich bin ganz unsicher geworden nach der artikellektüre. als erstes sagte ich mir: übertrieben! doch jetzt hallt das gelesene nach: gibt es ob all den strassenlampen die milchstrasse noch? gibt es milky way bald effektiv nur noch mit menschengemachter schokolade?

stadtwanderer