no, you can’t!

keine politische bewerbung polarisiert gegenwärtig so wie die von sarah palin. die wiederauferstandene muttergottes ist sie für die einen, ein miserabler abklatsch von paris hilton für die andern. ein augenschein des stadtwanderers.


sarah palin, the running mate von john mccain, wie sie sich gerne gibt und wie sie gesehen wird

die newcomerin in der amerikanischen politik
in den drei tagen nach der nomination von sarah palin (sprich: pale-in) als republikanische running mate lasen mehr als eine million menschen ihren im englischen mächtig frisierten wikipedia-eintrag, was diesen auf platz 1 der nachgeschlagenen beiträge im global verfügbaren internet-lexikon brachte.

zwischenzeitlich weiss man auf der ganzen welt mehr über stärken und schwächen der gouverneurin aus alaska als man auf wikipedia nachlesenkann. zwar brachte das liebkind der religiösen rechten in den usa zunächst einen mächtigen schub in die john-mccain-rally, traf das gemischte doppel doch die schwäche obamas kampagne, nachdem er sich mit hillary rodham clinton überworfen hatte und nur im herrendoppel antrat.

doch dann offenbarte sich im knallharten mediensystem der usa rasch, wo die schwäche von sarah palin ist: in den tv-interviews konnte die alles entscheidende fernsehnation live miterleben, wie wenig frau von nationaler politik verstehen darf, um bei den republikanischen grossvätern gehätschelt zu werden.

die bisherigen reaktionen
überheblicher elitismus sei nicht angebracht, kritisieren seither die republikanischen editorialisten die negativ-kampagne der intellektuellen städter gegenüber der politikerin aus wasilla. in der tat, fragt man die menschen im mittleren westen, gibt es nicht nur schlechte zensuren. die 46jährige wirkt als energischer motor auf den politbühnen der republikanern, denn sie ist viel enthusiastischer als der 71jährige vietnam-veteran. die vierfache mutter strahlt die typisch amerikanische unbekümmertheit aus, die den imperfekt der politischen lösungen in den usa rechtfertig: sie ist lebensfreudig, optimistisch und unverdrossen. und: ihr berühmt gewordener zeigefinger an der rechten hand weiss, wo es inskünfig ganz allgemein entlang gehen soll!

palin wirkt auf die konservativen amerikaner aktiv, ja attraktiv. dabei ist sie nie schulmeisterlich, aber meisterlich. das hat sie zur vorbild für viele gemacht, sie sich liebend oder auch verachtend in ihr widerfinden. ihre hochgesteckte frisur wirkt stilbildend, die palin-brille ist ein markenzeichen und ihre feuerroten jacket sind kult.

selbst die comediantInnen kommen nicht mehr an palin in all ihre facetten vorbei. tina fey ist nur die bekannteste unter ihnen, die selbst palin zum lachen brachte. weniger öffentliche freude dürfte die vizepräsidentschafts-bewerberin dagegen haben, wenn stripperinnen ihren jugendsünden nacheifern. die werbung hat den trend zur beliebten immitation der letztlich unbeschriebenen newcomerin in de amerikanischen sofort erkannt und nachgedoppelt. palin als elch-jägerin und barracuda-fischerin garantieren bodenständigkeit, die sich zur kompetenten air force pilotin weiterentwickelt oder sich auch im patriotischen bikini als waffennarr präsentiert.

doch damit nicht genug: die gegner haben edvard münch hervorgeholt, um die angst vor palin zu symbolisieren; generell machen sie mit subkultureller streetart auf ihre sichtweise der kandidatin aufmerksam.

personalisierung ja, mehrheitsthemen nein
von der politikwissenschaftlichen wahlforschung, die von amerikanischen professoren geprägt wird, habe ich gelernt, dass es selbst in den usa mit ihrer traditionell hohen parteibindung schwierig ist, parteien als ganzes zu kommunizieren. deshalb greift man hierzulande gerne auf vereinfachende konzepte wie die personalisierung oder themenzuspitzung zurück.

effektiv ist es palin gelungen, sich in ganzer kurzer zeit in den staaten wie auch auf der welt bekannt zu machen. keine kampagne hat die aufmerksamkeit der amerikanischen öffentlichkeit so focussiert wie ihre. im imagekorrektur der partei war der alten garde abgewirtschafte neokons nur recht, denn sie sind nur noch ein müder abklatsch der konservativen revolution, die ronald reagan vor einem viertel jahrhundert eingeleitet hatte.

doch ist es sarah palin nicht gelungen, auch nur ein drängendes politisches thema so zu besetzen, dass sie als mögliche präsidentin der usa ernst genommen werden kann. kreationismus in der schule, rigidste abtreibungspolitik und verbot gleichgeschlechtlicher ehen lässt bei der minderheit der religiösen fundamentalisten das herz schneller schlagen. doch für die mehrheit muss man in der wirtschafts-, gesellschafts- und aussenpolitik punkten, wo sich bei palin eine ebnso grosse leere wie in den taschen der wallstreetler öffnet. lawrence eagleburger, früherrer republikanischer secretary of state der vereinigten staaten, ist denn auch überzeugt, dass palin das amt, das sie anstrebt, nicht ausfüllen könnte.

so ist es nicht verwunderlich, dass es die lokalen geschichten über amtsmissbrauch der gouverneurin, über doppelmoral in familie und politik durchschlagend bis in die weltpresse schaffen und nur misstrauen gegenüber einer republikanischen kandidatur für das amerikanische präsidium zulassen.

auch bei mir, sodass mir nur eins bleibt: no, they can’t!

town rambler
denver, colorado