hitler töten wollen, dafür mit den Tod bestraft werden und in vergessenheit geraten

es war der 9. november 1938. maurice bavaud hatte einen platz auf der ehrentribünen zum gedenkmarsch zum münchner putsch von 1923. er hatte sich als begeisteter nazi ausgegeben, um zu verbergen, dass er hitler töten wollte. doch es kam nicht soweit, denn die wirklich begeisterten nazis vor ihm hatten den arm zu gruss ausgesteckt, als der führer vorbeikam. sie schützten ihm so, denn sie versperrten bavaud die sicht. die weltgeschichtliche tat misslang.


das leben von maurice bavaud
bavaud, maurice, wurde 1916 in neuenburg geboren. die familie lebte ärmlich, der vater war pöstler, die mutter gemüsehändlerin. das milieu war katholisch, denn man stammte aus dem waadtländischen bottens, nähe echallens, wo trotz reformation stets katholisch geblieben war. das prägte auch den junge bavaud. nach einer lehre gibt er in die bretagne, um sich zum missionar ausbilden zu lassen. dort fasst er den plan, den tyrannen, der den katholizismus bedrohe, umzubringen.

am 9. oktober reiste er nach münchen, lauert hitler auf, kam aber nie genau nahe an den führer heran. das geplante attentat scheiterte, nicht zuletzt weil bavaud kein geld mehr hatte. er beschloss nach paris zu gehen, konnte aber die fahrkarte nicht lösen. der schwarzfahrer wurde verhaftet und der gestapo übergeben. unter folter gestand er seinen plan. zweieinhalb jahre sass er in berlin im gefängnis. an seine familie beschreibt er seine gefühlslage: “içi, dans le Brandebourg, c’est l’hiver perpétuel. Il pleut, il fait froid. Et en Helvétie?”

am 14. mai 1941, morgens um sechs, wird maurice bavaud in berlin-plötzensee von den nazis hingerichtet.

die aufgehobene todesstrafe
1955 strengte maurices vater die revision des todesurteils in berlin an. der tod durch enthaupten wird nachträglich aufgehoben, doch wird maurice bavaud posthum zu 5 jahren gefängnis verurteilt. eine rechtfertigung im sinne der diktatortötung kenne das strafrecht nicht, hiess es. ein jahr später hob deutschland dies urteil jedoch auf. bavaud wird endlich freigesprochen; seine familie erhält 40’000 franken wiedergutmachung.

doch die schweiz schweigt. genauso wie während des krieges. hans frölicher, der schweizer gesandte im dritten reich, besuchte seinen landsmann im brandenburger gefängnis nie, denn er hielt bavaud für einen wirrkop, dessen absicht eine verabscheuungswürdiges verbrechen darstelle. es braucht die stimme des deutschen schriftstellers rolf hochhuth in der “zeit”, um die schweiz auf ihre verlorenen sohn aufmerksam zu machen. 1976 feiert er den vermeintlichen hitler-attentäter. er stellt ihn direkt neben wilhelm tell, denn er ist überzeugt, dass es ohne hitler keinen weltkrieg gegeben hätte.

das ringen um die schweizer rehabilitierung
niklaus meienberg, der verstorbene schweizer schriftsteller, reagiert auf die publikation hochhuths. er bringt 1980 unter dem titel es ist kalt in brandenburg. ein hitler-attentat ein buch über maurice bavaud heraus. zusammen mit villi hermann und hans stürm macht er auch einen film über bavaud. klaus urner, leiter des archivs für zeitgeschichte, hält dagegen. mehr als 40 jahre nach dem tatversuch entsteht in der schweiz endlich eine diskussion über.

während seinen recherchen treffe ich niklaus in aarau. denn schon nach kurzer lektüre der damals vorhandenen informationen erkenne ich das milieu, in das bavaud geboren wurde. auch meine familie kommt aus der gegend und gehört zu den wenigen, die nicht zur reformation übergetreten sind. doch das ist nur der biografische zugang. mich interessiert die sache mehr, denn ich skizziere meine diplomarbeit. sie soll von schweizer ärzten handeln, die mit der deutschen wehrmacht in die sowjetunion gingen. dort werden sie, von den nazis gezwungen, gegen den rotkreuzgedanken verstossen, indem sie nur deutsche verletzte pflegen. fröhlicher ist auch für mich ein thema, der april 1941 auch, denn ich bin überzeugt, die sachen hängen zusammen.

die schweizer politik jedoch tat sich damals noch sehr schwer, sich an bavaud und seinen tatversuch zu erinnern. erst 1989 räumt man ein, sich ungenügend um den fall gekümmert zu haben. gestern rehabilitierte der bundesrat, 70 jahre nach dem attentatsversuch den freigesprochenen landsmann. bundespräsident pascal couchepin sagte: maurice bavaud verdiene unsere erinnerung und anerkennung.

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