im schaufenster der religiösen pluralisierung

die christlichen kirchen entleeren sich, die religionen aber verschwinden nicht. für gegenwärtig pluralisierung der religionslandschaft spricht der rasch wachsende anteil an muslimen in der schweiz. eine übersicht, als hintergrund meiner ersten stadtwanderung 2009 mit muslimischen secondos.

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fakten: die am raschesten wachsende konfessionsgruppe
gemäss volkszählung lebten im jahre 310’807 menschen (4,3%) mit islamischem glauben in der schweiz. neueste schätzung gehen von mehr als 400’000 personen für das jahr 2007 aus.

lässt man die konfessonslosen (rund 11% im jahre 2000) weg, waren die muslime hinter den mitglieder der römisch-katholischen (42%) resp. der evangelisch-reformierten kirche (33%) die drittgrösse glaubensgemeinschaft in unserem lande.

unter allen konfessionen in der schweiz wächst die muslimische gemeinde seit den 90er jahren am schnellsten. vor allem in den grossen städten entwicket sie sich überproportional.

75 prozent der mitglieder islamischer gemeinschaften in der schweiz leben in einer paarbeziehung. geschiedene sind mit 2 prozent sehr selten; zudem ist kein trend zur zunahme feststellbar. die mittlere kinderzahl je frau ist mit 2,4 (mittel 1,4) weit über dem schnitt.

48 prozent der mitglieder islamischer gemeinschaften verwenden zwischenzeitlich eine landssprache als hauptsächliches kommunikationsform; der trend ist hier stark steigend. dabei ist die integration in der romandie am höchsten, in der italienischsprachigen schweiz am geringsten.

12 prozent der muslime in der schweiz besassen bei der jahrtausendwende eine schweizer pass. sind sind damit von allen konfessionsgruppen in der schweiz am zweitschlechtesten integriert. zwei drittel davon wurden eingebürgert, ein drittel in der schweiz geboren.

früher stammten die muslime aus der türkei. in dieser volksgruppe gibt es denn auch die stärkesten ansätze zur ausbildung von secondos: muslime, die hier geboren und aufgewachsen sind, und ihr leben hier verbringen wollen, mit ihrem glauben.

viele der neueingewanderten muslime stammen dagegen aus ex-jugoslawien: sie sind auffallend jung, überwiegend männer. und sie haben häufig keine gute ausbildung, was die integration erschwert.

interpretation: teil des sozialen wandels
der bericht “religionslandschaft in der schweiz” sieht in der präsenz der muslime in der schweiz ein indiz für die religiöse pluralisierung, die heute weitgehend ohne missionierung entsteht. zwei formen der mobilität sind entscheidend: einmal der rasche rückgang von mitgliedern der evanglisch-reformierten kirche gerade in den städten, anderseits die zuwanderung von menschen mit minderheitsreligionen.

festgehalten wird dabei ein tiefgriefender sozialer wandel, weg von der territorial gebundenen und damit überwiegend homogenen konfessionszugehörigkeit, hin zu einer herkunftsmässig oder individuell bestimmten form von glaubensbekenntnissen, die im urbanen gebiet auf engem raum leben.

das wird auch als ursache für die neu entstandenen politischen diskussionen zum verhältnis von gesellschaft und religion. gesellschaftliche gleichbehandlung einerseits, religiöse sonderbehandlung anderseits werden heftig debattiert. dabei sind die städte das schaufenster der veränderungen geworden, durch das auch die landleute auf die veränderungen schauen.

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