10 thesen zur zukunft des berner grossraumes

morgen erscheint in der bz ein interview mit dem stadtwanderer zum stand der metropol-diskussion im grossraum bern. für meine blogleserInnen schon mal 10 kernaussagen:

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der stadtwanderer und sein blick auf metrobern

1.
“Ich habe meinen Blick auf heutige Probleme, Potenziale und Perspektiven des Stadtraums Bern nicht im Büro ersonnen, sondern erwandert.”

2.
“Die Städte sind die Stiefkinder der Schweizer Politik. Deshalb wurde unser Land auf dem falschen Bein erwischt, als man in Europa vor ungefähr 15 Jahren begann, über städtische Grossräume als zentrale Schaltstellen des globalisierten Standortwettbewerbs zu diskutieren.

3.
“Erst als das Bundesamt für Raumentwicklung vor einem Jahr den Entwurf für ein Raumkonzept Schweiz präsentierte und Bern nur als Hauptstadtregion einstufte, erwachte man hier, weil man in Bern einen Rückgang der Bundessubventionen für Infrastrukturbauten befürchtete.”

4.
“Berns Stärke als Polit-Zentrum hat nationale Reichweite. Darauf muss man setzen und Berns Rolle national ausrichten – als Schaltstelle-Zentrale der drei schweizerischen Metropolitanräume Zürich, Basel und Genf/Lausanne.”

5.
“Eine Stadt ist in erster Linie eine kulturelle Leistung, ein Ort, an dem wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen vorangetrieben werden. Wenn die bernische Wirtschaft, die bernische Gesellschaft, die bernischen Intellektuellen es nicht für wichtig halten, Bern an die metropolitane Schweiz zu koppeln, dann braucht es das auch nicht.”

6.
“Es gibt in Bern ja schon das Haus der Kantone, wo das Lobbying für
kantonale Interessen beim Bund orchestriert wird. Ich sage: In Bern muss auch bald das Haus der Metropolen entstehen, das den metropolitanen Spirit, den Glauben an die Kraft der Stadt fördert.”

7.
“Der Kanton müsste auf die Universität einwirken, dass sie ein Institut für Städtepolitik aufbaut, das die Entwicklung der Metro-Regionen der Schweiz wissenschaftlich befeuert. Die Geografen haben das realisiert, die Verwaltungswissenschafter folgen ihnen, jetzt müssen auch die Politologen, Soziologen und Historiker die Herausforderung annehmen.”

8.
“Berns Hauptschlagader ist der Bahnhof, an den der ganze
Grossraum verkehrstechnisch gebunden ist, über den Städtekranz im Mittelland bis zu den Städten im Oberwallis. Daran muss der Bund interessiert sein.”

9.
“Die drei schweizerischen Metropolitanräume sind nach aussen orientiert und wenden sich unterschiedlichen Kulturräumen zu. Der Grossraum Bern als ihre Plattform in der Mitte des Landes kann für sie nur zum Magnet werden, wenn er auch wieder lernt, kulturell zu vermitteln.”

10.

“Ich plädiere für die Lancierung eines jährlich stattfindenden, expo-ähnlichen, aber kleineren Begegnungsfests, das alternierend in einer der Städte in Bern Städtekranz veranstaltet wird.”

ich freue mich darauf, mir die metro-region bern der zukunft als stadtwanderer zu erschliessen.

stadtwanderer

meinen teil zur aufklärung über rassismus leisten

meine heutige stadtwanderung steht ganz im zeichen des antirassismus. geladen, durch bern zu wandern, ist heute abend die fachstelle für rassismusbekämpfung.

rass karte zur kommunalen zustimmung (rot) resp. ablehnung (grün) des antirassimus- gesetzes in der schweiz am 25. september 1994.

so schwierig es ist, rassismus allgemeingültig zu definieren, so klar ist doch der kern, um den es geht. rassismus liegt dann vor, wenn “eine Gruppe auf der Grundlage von Differenzen, die sie für erblich und unveränderlich hält, eine andere Gruppe beherrscht, ausschliesst oder zu eliminieren versucht.“

entscheidend sind die adjektive erblich und unveränderlich. sie sind biologistischen vorstellungen des menschseins entlehnt, die in einer pseudowissenschaftlichen form das sozialleben von individuen und gruppen regeln wollen und genau deshalb rassismus begründen.

dem steht am deutlichsten die erklärung der menschenrechte, das grossartigste projekte aus der französischen revolution, gegenüber, das postulierte, “dass alle Menschen allein aufgrund ihres Menschseins mit gleichen grundlegenden Rechten ausgestattet und dass diese Rechte universell, unveräusserlich und unteilbar sein sollen.”

1994, als die schweiz über die das antirassimusgesetz in einer volksabstimmung zu entscheiden hatte, votierten 56 prozent für die vorlagen, gegen die von rechtskonservativer seite das referendum ergriffen worden war. es stimmten die menschen in den grossen agglomerationen zürich, bern und basel, aber auch im arc lémanique und insbesondere in den bündner alpentäler für die vorlagen. in den übrigen landesteilen wurde sie mehrheitlich abgelehnt.

die nachuntersuchung ergab unterschiedliche mehrheiten für frauen (dafür) und männer (dagegen), die so klar waren wie es bis dato in der schweizerischen abstimmungsgeschichte nicht bekannt war.

viele der befragten waren trotz ihrer zustimmung zum gesetz ihm gegenüber eher skeptisch; sie hätten es vorgezogen, durch kontinuierliche aufklärungsarbeit gegen formen des rassismus vorzugehen, als das mit schwer interpretierbaren gesetzen regeln zu wollen.

einen teil dieser absichten nehme ich heute gerne mit meiner stadtwanderung auf. wie immer, geht es um grundfragen der demokratie, um ihre werte und um ihre institutionelle ausgestaltung. das anschauungsmaterial stammt dabei unter anderem aus den problemen, die es mit rassismus, rassismusähnlichen vorläufern in der geschichte und rassistischen überfällen in der gegenwart gab resp. gibt, – und den lösungen dazu, die mitunter auch in bern gesucht werden!

stadtwanderer

dole ruft – der stadtwanderer kommt

einst war dole die hauptstadt der franche-comté. die burgundische stadt am doubs schmiegt sich rund um einen hügel in der ebene, auf dessen spitze die ehrwürdige stiftskirche steht. zu ihrem 500. geburtstag wird sie am sonntag neu eröffnet – mit volksfest und einer stadtführung durch den berner stadtwanderer.

dole
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dole ist eine schmucke kleinstadt in der französischen provinz. 25’000 einwohnerInnen leben hier. die mündung des neuzeitlichen rhone-rhein-kanals in den doubs ist die attraktion des ortes.

die besten tage hat dole hinter sich. dreimal griffen die französische könige nach der burgundischen stadt, bis sie sie hatten: philipp le bel am ende des 13. jahrhundert mit geld und fast ohne folgen; zum schluss des 15. jahrhunderts louis xi. mit gewalt, die den mittelalterlichen kern zerstörte; und im 17. jahrhundert louix xiv. mit besatzungstruppen, welche die stadt definitiv zu frankreich brachten.

seither ist dole nicht mehr die hauptstadt der eigenwilligen freigrafschaft, wie unser westlicher nachbar auf der anderen seite des juras seit dem 14. jahrhundert heisst. die stadtuniversität mit der juristenausbildung für die lokale (selbst)verwaltung ging damals nach besançon, was aus dole eine provinzstadt machte, trotz dem weltbekannten forscher louis pasteur, der in dole aufwuchs!.

vor allem die festigungsbauten, die teilweise noch stehen, zeigen, welch hohen stellenwert dole vor der französischen zeit hatte. die kaiser karl v. und philipp ii., beides spanier in der habsburgischen linie, bauten als erben der burgunder dole schnell und kräftig aus, denn die stadt war wie ein anker der habsburger in den ländern frankreichs, was ihr schliesslich zum verhängnis werden sollte.

die habsburgische förderung hat das stadtbild bis heute geprägt. mitten drin ist die ehrwürdige stiftkirche notre-dame. 3 jahre war die collégiale zu renovationszwecken zu. am sonntag geht sie wieder auf, gerade richtig zu ihrem 500jährigen bestehen. ein grosses volksfest ist in der kleinstadt der freigrafschaft angesagt, mit einem gewagten experiment des stadtwanderers: erstmals unternimmt er in einer burgundischen stadt eine eigentliche stadtwanderung mit gästen!

stadtwanderer

den berner jura ziehen lassen!

statt auf seine urbanen zentren blicke der kanton bern wieder einmal in den peripheren jura, kritisiert stephan von bergen, zeitpunkt-redaktor bei der berner zeitung. mit seinem plädoyer für eine rasche erledigung der jura-frage wird er staub aufwirbeln, der über dem kanton liegt: was ist für die zukunft des kantons, seiner regionen und zentren wichtig, und was muss deshalb priorität haben?

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idylle berner jura täuscht, die vom wiener kongress 1815 verordnete zugehörigkeit des ehemaligen fürstbistums bröckelt weiter und sorgt in bern für unsicherheit.

die fakten vorne weg: anfangs mai 2009 präsentierte assemblée interjurassienne ihren bericht zur politischen zukunft des juras und empfahl zwei szenarien, die beide auf änderungen des jetzigen status’ des berner juras hinauslaufen. biel/bienne reagierte nervös, sah es doch eine grundlage der zweisprachigkeit schwinden. das hatte auch auswirkungen auf den kanton und seine städte, der man bernisch-defensiv begegnete. anders reagierte der kanton neuenburg, der eine fusion des kantons neuenburg mit dem erweiterten kanton jura in der welschen presse vorschlug. dieser aber drängt es nicht in die höhen und tiefen des gebirgszuges, denn er orientiert sich lieber nach basel hin.

stephan von berger hält das alles aus berner sicht für einen nebenschauplatz. gestärkt, nicht geschwächt werden müsse die achse bern-biel. das habe priorität. verbessern müssten die zentren die zusammenarbeit mit den umliegenden städten. solothurn, neuenburg, fribourg stünden da zuoberst auf der liste. und schliesslich müssten sich auch die vorortsgemeinden nicht mehr von ihrer kernstadt abgrenzen, sondern mit ihr an den gemeinsamen stärken arbeiten.

denn nur so, schreibt stephan von bergen in der samstagsausgabe der bz, entstehe die hauptstadtregion bern, die in der lage sei, national so attraktiv zu sein, dass sie sich als politische schaltzentrale der metropolregionen zürich, basel und arc lémanique empfehlen könne.

sich auf nebenschauplätzen aufzuhalten, sei falsch, folgert der umtriebige redaktor der berner zeitung mit einem klaren wink an die kantonsbehörden. eine rasche volksabstimmung über kantonsgrenzen tue not. denn, so von bergens argument, wirtschaftliche und gesellschaftliche dynamiken würden nicht an den kantonsgrenzen von 1815 halt machen. das würde auch im berner jura gelten, bleibe biel/bienne doch das zentrum der arbeit und der freizeit für die menschen im südjura. und der kanton könnte sich, wenn es den berner jura wegziehe, von finanziellen verpflichtungen befreien und frei werdende ressourcen in die förderung der eigenen zentren lenken.

ein gedankengang, der den etwas unsicher wirkenden kanton bern einmal mehr provozieren dürfte, in sich aber nicht unschlüssig ist!

stadtwanderer

die nana der eiszeit

unweigerlich musste ich an niki de saint phalle denken, als ich im “nature” den bericht über die entdeckung der frauenfigur im hohlen fels auf der schwäbischen alb las.

figurarm639nana-power-postersder noch unbekannte fund einer frauenfigur aus der schwäbischen alb und die typische nana der freiburger künstlerin von niki de saint phalle

33 gramm wiegt die frauefigur aus dem schwäbischen. keine 6 zentimeter hoch ist sie. doch mit 40’000 jahren ist sie die bisher älteste ihrer art. auffallend sind die riesigen, hervorstehenden brüste, und unübersehbar ist die vulva zwischen den gespreizten beinen.

sprachlos seien die archäologInnen gewesen, als sie den fund erkannt hatten. die männer im team hätten das erotische in den vordergrund gestellt, die frauen das grundsätzlich weibliche, schreibt die “zeit” diese woche. sprachlos war wohl auch der oder die macherIn der figur, denn vor 40’000 jahren dürften die menschen nicht über eine wortsprache verfügt haben. doch konnten sie formen und gestik, vielleicht auch die mimik verstehen.

die sprachlosigkeit überwinden, die gelegentlich immer noch in uns steckt, ist das thema bei niki de saint phalle. ihre frauenfiguren sie unendlich viel grösser. doch auch sie wirken durch die betonung der weiblichen geschlechtsteile, sodass der kopf, die füsse und die hände in den hintergrund verschwinden.

“wie der mensch vor 40’000 jahren dachte und fühlte, werden wir nie herausfinden”, kommentierte walpurga antl-weiser den spektakulären fund, den man am 9. september 2008 gemacht hatte. sie miss es wissen, hat sie doch ihr halbes leben lang die venus von willendorf, die mit 25’000 jahren bisher älteste frauenfigurine, zu deuten versucht.

gerade deshalb macht der bezug zu den nanas der gegenwart aller gegensätzlichkeit zum trotz für mich sinn. denn niki de saint phalles absichten kann man in ihren selbstzeugnissen nachlesen: selbstbewusste frauengestalten, erotisch und verrucht zugleich, wollte sie schaffen. fröhlich-bunt zog sind sie als konzession an die gegenwart. sie fliegen und tanzen, um sich von allem körperlichem zu befreien und zu sich selbst zu gelangen. “alle macht den nanas” postulierte die künstlerin, als sie begann, ihre kunstwerke in der ganzen welt dem staunenden publikum auszustellen.

“alles für die fröhlichen frauen”, behaupt ich mal, was das motto der wortlosen erschafferInnen der neuesten ikone unter den frauenfiguren aus der künstlerischen urzeit.

stadtwanderer

sternstunde geschichte

sie schreiben geschichte. jeder auf seinem feld und auf seine art!

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christian gross (rechts) muss man niemandem vorstellen. das gesicht des basler fussballtrainers ist allen bekannt. am rheinknie ruhen viele hoffnungen auf ihm. denn er soll den “fcb” zur schweizer meisterschaft führen und mit einer sternstunde fussball geschichte schreiben.

geschichte schreibt auch thomas maissen (links), historiker mit schwerpunkt frühe neuzeit. der schweizer professor in heidelberg hat seine sporen an der uni basel abverdient, und seine kinder im teeni-alter schwärmen jetzt noch vom legendären club. so muss ein foto her, mit beiden geschichtsschreibern.

stattgefunden hat das alles in basels kunsthalle. geladen hatte der historiker roger de weck (nicht auf dem bild), gesprächsleiter der tv-sendung “sternstunde philosophie“. de weck kennt gross seit seiner schulzeit und vermittelte den schnapschuss, den der stadtwanderer (hinter der kamera), ebenfalls historiker, bewerkstelligte.

zusammengekommen waren die drei historiker mit den drei macherinnen der tv-sternstunden, nathalie wappler, nicola steiner und monica cantieni, um vier spezialausgaben einer neuen sendereihe zu konzipieren. “sternstunde geschichte” wird das ganze heissen. an vier sonntagen im diesem herbst werden sie ausgestrahlt. zur sprache kommen im hoffentlich animierten fachgespräch unter geschichtsschreiber- und -erzählerInnen grundfragen der schweizer geschichte. konkret behandelt werden “die alpen”, “ein- und auswanderungen”, die “tugenden der schweiz” und der umgang schweiz mit “konflikt und konkordanz”.

die produktion der sendungen wird in einer hoffentlich tollen august-woche sein. je eine diskussionsrunde in der calvinstadt genf, auf dem südländischen monte verita, im bündner kloster müstair und in an der limmat in zürich werden so themen der neuen dauerausstellung im schweizer landesmuseum aufnehmen, – und ins fernsehpublikum hinaustragen.

ebenso gross herauskommen wie der basler fussballtrainer, ja schweizermeister der geschichtsvermittlung will man mit der neuen serie “sternstunde geschichte” werden. man kann gespannt sein!

stadtwanderer

das stadtwandern ging leider vergessen

die schweizer wanderwege werden 75 jahre alt. ihre macher feiern das mit einer grossangelegten studie zum wandern in der schweiz. leider ging dabei das stadtwandern vergessen …
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1934 als möglichkeit der beschäftigung für stellenlose lehrer geschaffen, hat die organisation schweizer wanderwege die basis für einen erfolgreichen breitensport gelegt.

markus lamprecht, adrian fischer und hanspeter stamm sind soziologen in zürich. im auftrag der schweizer wanderwege und des bundesamtes für verkehr haben sie die schweizer wanderbewegung der gegenwart porträtiert.

dabei haben sie sich vor allem den massenphänomenen angenommen. denn wandern gehört in der schweiz zu den beliebtesten freizeit- und sportaktivitäten. rund ein drittel der wohnbevölkerung wandert. und: wer wandert, macht das im schnitt 20 mal im jahr, im mittel zu 3,5 stunden pro wanderung. ohne wandern gäbe es in der schweiz 170’000 inaktive mehr.

gemäss studie boomt vor allem das bergwandern. bewegung, kombiniert mit naturerlebnissen sind die zentralen wandermotive. störend sind vor motorfahrzeuglenker und abfälle. an kühe hat man sich gewöhnt.

der soziale wandel ging an der wanderbewegung nicht spurlos vorbei. vereinswandern ist out, gruppenwandern weitgehend auch. die grossen mehrheit ist individualistischer, geht allein, mit der familie oder freunden wandern.

spaziern gehen darf man kaum mehr sagen. denn die natürliche bewegungsart erlebt einen eigentlichen kommerzialisierungsschub. aus wandererInnen werden walkerInnen oder joggerInnen und bikerInnen. letzter sind von einer mehrheit noch akzeptiert, wenn sie die wanderwege benutzen.

karten, bücher, prospekte erleichtern einem die vorbereitung und umsetzung. persönliche tipps sind indessen mindestens so wichtig, für den entscheid, eine wanderung zu machen.

genau an dieser stelle wäre es wohl sinnvoll gewesen, auch den kulturellen bedürfnissen der wandererInnen nachzugehen. leider ist das in der studie “schweizer wanderwege” der zürcher soziologen ganz vergessen gegangen.

es mag sein, dass man das stadtwandern als nischenerscheinung (noch) negieren kann. intuitiv sage ich, auch dieser zweig boomt. denn nebst gesundheit und natur interessiert auch die kultur beim wandern.

der wichtigste unterschied zwischen berg- und stadtwandern besteht darin, die zivilisation nicht in die natur zu tragen, sondern sich direkt zu erschliessen. denn im städtebau, in der architektur und in der gartenpflege äussert sich die materielle kultur des menschen, die rückschlüsse auf den sinn des lebens gestern, heute und vielleicht auch morgen zulässt.

stadtwanderer

kubb. ein gesellschaftsspiel, das meine hamburger gäste in bern vor mir entdecken.

kubb? schon mal gehört? wenn nicht: sofort auf in die berner altstadt, das seltene gesellschaftsspiel suchen gehen!

800px-wikipedia_usedom_2005_22anstrengend seien die drei ausbildungstage gewesen, resümieren die hamburger gäste ihren aufenthalt in der schweiz, während dem sie sich mit den erfahrungen der schweiz mit direkter demokratie auseinander gesetzt haben.

beim nachträglichen bier berichten sie spontan über das kubb-spiel, sodass ich nur noch bahnhof verstehe! und das obwohl sie sich über ein gesellschaftsspiel unterhalten, das sie im schaufenster eines berner ladens in der altstadt gesehen haben.

“wikinger-schach” nennen es die einen, weil es in norwegen und schweden beliebt sei. “bauernkegeln” heisst es bei den andern, aus deutschen landen stammend.

wikipedia, das online-lexikon, das ich nachträglich konsultiere, erläutert mir das ganze so: “Es treten zwei Mannschaften aus je einer bis sechs Personen gegeneinander an. Die Spieler versuchen, die Holzklötze, die Kubbs, der Gegenpartei mit Wurfhölzern zu „fällen“, wobei der König, der in der Mitte des Spielfelds steht, erst zuletzt getroffen werden darf. Wer zuerst alle Kubbs der Gegenpartei und den König getroffen hat, gewinnt das Spiel.”

was den ablauf betrifft, geben ich mich definitiv geschlagen. varianten-abstimmungen mit stichfrage, wie man sie in bern handhabt, um über das künstler- resp. gesundheitsprojekte zu entscheiden, sind mir deutlich geläufiger.

immerhin weiss ich jetzt, dass seit 1995 auf gotland in der ostsee jährlich die weltmeisterschaften im kubben stattfinden. weltmeister ist das sverigeteam ekeby, das schon mehr als sieger über mannschaften aus dem universum der kubber vom platz ging.

gut so!, sage ich mir, habe was gelernt, von dem mir bis jetzt in bern nie etwas aufgefallen wäre. es ist halt schon so: aber man muss mit fremden augen durch die stadt gehen, damit man nicht das sieht, was man kennt!

stadtwanderer

zeitgemässer “pilgrim tourism” für meran und bern

rodja galli dürfte sich am sonntag abend gefreut haben. denn auf seiner website hatte er aufgerufen, für das künstlerprojekt “progr” zu stimmen. 66 prozent der stimmenden in der stadt bern folgten ihm, womit das provisorium in einen definitiven betrieb umgewandelt werden kann.

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aufgefallen ist mir rodja galli, jahrgang 1979, bei meinem jüngsten besuch in meran. im südtiroler touriseum, wo derzeit in einer sonderausstellung dem mythos andreas hofer aus gegenwärtiger sicht nachgegangen wird, ist er an zentraler stelle mit einem überlebensgrossen bild zum thema präsent.

«ro*» – das pseudonym für rodja galli – interpretiert dabei den südtiroler wilhelm tell, der 1809 der partisanenkampf der tiroler bauern gegen die französischen truppen anführte, aus dem moment heraus. anstatt der berühmten kette, die ihm erzherzog johann aus wien für seine heldentaten im tirol überreichte, bekommt hofer, unverkennbar “der mit dem bart“, einen 50 euro schein zugestreckt. erster geldgeber ist ghandi, umgeben von che, dem dalai lama und anderen ikonen der freiheitskämpfe dieser welt.

auch papst johannes paul II. fehlt in der gallerie gallis nicht. allerdings agiert er, auf dem bild, das “pilgrim tourism” betitelt ist, nur aus dem hintergrund wirkt. dazu passt, dass der treuespruch von hofer “gott, kaiser und vaterland” touristisch gedeutet wird: denn das südtirol, mit seinem milden klima, den wilden dolomiten, bischöflichen kirchen, gräflichen burgen, und grossbäuerlichen häusern ist in den letzten 40 jahren zum beliebten ausflugsziel für leute aus deutschland, italien, österreich und der schweiz geworden. sie alle haben mit dem kampf um ehre, wie er vor 200 jahren statt fand, nur noch wenig gemeinsam, denn sie suchen, eingebettet, wie das bild von galli, im rot-weiss-schwarz des tirols erholung, abendteuer und bereicherung. und bringen die ersehnte kohle!

eigentlich müsste rodja galli, einer der hervorragenden zeichner aus bern, auch ein bild zur geschlagenen schlacht an der aare im jahre 2009 zeichnen, mit dem progr im zentrum. denn das berner künstlerzentrum, aus dem heraus galli seit drei jahren arbeitet, muss nun auch geld sammeln, um den betrieb im herzen bern auf die dauer gewährleisten zu können. der wahlspruch wäre allerdings nicht mehr gott, kaiser und vaterland, sondern kreativität, aufmerksamkeit und zuspruch, auf den man von den modernen pilgern nach bern in zukunft noch mehr angewiesen sein wird.

stadtwanderer

wenn grenzen wandern …

wenn wanderer wandern, ist das nicht immer eine geschichte wert. das weiss der stadtwanderer nur zu gut. machen sich jedoch grenzen auf den weg, dann schürt das selbst seine aufmerksamkeit.

walliswasserscheiden als landesgrenzen sind zwar klare, aber nicht stabile grenzen, wie das aktuelle bespiel in den walliser alpen zeigt.

grenzen sind den schweizerInnen wichtig: sie markieren zu den raum, der einem gehört. bis da ist man schweizerisch, danach kommt etwas anderes. das meint man durchaus auch im übertragenen sinne. schweizerisch sein heisst, nicht zur europäischen union zu gehören. heisst auch, frei zu sein. den sprachenfrieden zu respektieren. abstimmen zu können. stolz auf schweizer uhren sein, weil sie von hier und nicht von irgendwo sind.

grenzen waren im zweiten weltkrieg gar überlebenswichtig. wer sie unterlaubter weise überschritt, riskierte, zurückgewiesen zu werden. warum auch immer man kommen wollte. wer auf der sicheren seite war, wusste, vor übergriffen der nazi oder faschisten geschützt gewesen zu sein.

was man nicht so genau weiss, ist, dass man nicht so genau weiss, wo überall die grenze ist. zum beispiel gegenüber österreich. das geht ja noch, denn das umstrittene, ungeregelte grenzgebiet betrifft nur den boden des bodensees. schwieriger ist es aber, dass unsere grenze gegenüber italien unklar ist.

denn unsere südgrenze wandert.

festgelegt, welche alpsteine und -wiesen uns resp. den italiener gehören, hat man verbindlich erst 1942. mitten im krieg also. wie so häufig wählte man als einfaches kriterium die wasserscheide. doch die ist gerade im wallis nicht fix. die erosion verändert den fluss der gewässer. manchmal geht es nur um einige meter, manchmal um mehr. ob zermatt ist die grenze schon 100 meter gewandert – landeinwärts.

seit dem staatsvertrag mit italien, der die grenze regelte, haben die schweiz anrecht, für solche gebietsverluste entschädigt zu werden. deshalb muss der staatsvertrag geändert werden. das italienische parlament muss zustimmen, der bundesrat auch. ein referendum ist aber ausgeschlossen.

das thema ist nicht ohne. wäre ötzi 100 meter weiter gewandert, bevor er starb und eingefroren wurde, wäre er heute österreicher. so ist er italiener. oder südtiroler.

würde die grenze auch dort wandern, käme es wegen ötzi zu grenzstreitigkeiten, zwischen dem südtirol-tourismus in bozen und der schwesterorganisation in der tiroler hauptstadt innsbruck. das wäre heikel. doch so könnte es auch im wallis zu problemen kommen.

noch ist es in der schweiz nicht so weit. denn das matterhorn selber wandert noch nicht, und hat bis jetzt jede eiszeit überlebt.

deshalb können wir unsere grenzstreitigkeit mit italien friedlich regeln. und das tut im moment gut, dass wir für entgangenes land nun kompensationsforderungen stellen können. bis das alles seine richtigkeit hat, muss aber noch das italienische parlament zustimmen, und der bundesrat. dann gilt: wir sind sind wieder gleich gross wie auch schon! haben unser territorium gegenüber der eu verteidigt.

stadtwanderer

comedia vs. tamedia …

die medienlandschaft wird erneut umgekrempelt. selbstzerstörung oder zukunftssicherung?, das fragt sich auch der stadtwanderer.

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den unfreiwilligsten humor des tages erlaubte sich heute die online-redaktion des “bundes”, titelt sie doch fälschlicherweise: “gewerkschaft kritisiert comedia scharf“. wohl hätte es da “tamedia” heissen sollen, – eine verwechslung die sprachlich geschehen kann, dem redaktor oder korrektor einer qualitätszeitung aber hätte auffallen sollen.

nun, die sache, zu der gestern informiert wurde, ist für medienschaffende nicht lustig. 79 redaktionsstellen gehen mit dem kooperationsmodell von “tagi” und “bund” verlustig. der zürcher tagesanzeiger blutet dabei noch mehr als der berner bund. dieser verliert zwar fast die hälfte seiner bisherigen redaktionellen belegschaft. doch kann so das überleben der zeitung an sich gewährleistet werden.

ökonomisch habe das zwar wenig sinn gemacht, hiess es heute aus dem munde der verlagsspitze. die regionalen sensibilitäten, wie sie in letzter zeit immer wieder geäussert wurden, scheinen aber den tamedia-verwaltungsrat in letzter minute umgestimmt zu haben. die chance, das damit eine in zürich und bern gemachte, urban ausgerichtete zeitung entsteht, die in der deutschsprachigen schweiz führend ist, lockte ebenso. und für den kanton bern massgeblich ist, dass es weiterhin zwei tageszeitungen gibt.

die vielleicht interessantest mitteilung des gestrigen tages betrifft jedoch die engere zusammenarbeit nicht von regional verankerten zeitungen, sondern die kooperation des online-netzwerkes mit dem news und dem tagi-bund. die redaktionen, die bisher unabhängig voneinander waren, werden verstärkt gemeinsam produzieren, womit die stärken einer jeden publikation, die auf der zeitachse unterschiedlich angesiedelt sind, gepflegt werden könnten. die mehrfachaufarbeitung von themen durch webschreiber, content-managerinnen in gratisblättern und und klassischen redaktorInnen von tageszeitungen des gleichen verlages soll aufgehoben werden. darin sehe ich die wohl zukunftsweisendste lösung der medienkrise im hause tamedia.

eine jedenfall, bei der man nicht geneigt ist zu kommentieren, die revolution frisst ihre eigenen kinder, wie wenn journalisten schreiben, gewerkschaften würden sich selber kritisieren …

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die selbstbestimmung der schweiz versinnbildlichen

ich habe eingewilligt: ich mache als stadtwanderer beim tag der selbstbesinnung von präsenz schweiz mit einer neuen führung durch bern mit. wohin die reise geht, weiss ich zwar noch nicht abschliessend; das themenblatt, das ich sinnbildlich umsetzen soll, habe ich aber erhalten. hier die thesen!

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wer wir sind und wie wir aussehen, bestimmen wir in der schweiz selber!

das papier beginnt mit erheblichem pathos: “Grundlage und Ausdruck der ausgeprägten Selbstbestimmung in der Schweiz ist das politische System von direkter Demokratie und Föderalismus.”

selbstbestimmung beginnt, erstens, mit referenden zu parlamentsentscheidungen, setzt sich in initiativen für verfassungsänderungen fort, kulminiert in der aussenpolitischen zurückhaltung und endet bei der subsidiarität im schulsystem, der sozialen wohlfahrt und dem strassenbau.

selbstbestimmung geht, so die zweite these, mit selbstverantwortung einher, die eine pflicht zu tiefer staatsquote, steuerautonomie und eigenverantwortung bei der alters- und krankenvorsorge mit sich bringt.

drittens geniest die privatsphäre in der schweiz einen hohen stellenwert. der staat darf in privaten sachen nicht schnüffeln; und die banken haben in steuerfragen dicht zu halten. der vorrang des individuellen willens drückt sich aber auch in fragen der drogenpolitik oder bei der sterbehilfe aus.

schliesslich ist viertens die freiheit vor dem staat auch in der wissenschaft von belang, die in vielen dingen ihren weg selbstverwaltet finden muss. politische steuerung wird da klein geschrieben.

aufruf zu mitdenken
es ist klar, das hier auch ein erhebliches quantum schweizerischer staatsideologie mitschwingt, die in der praxis längst durch bürokratie ausgehölt worden ist. und es ist unübersehbar, dass die gesetzten prioritäten liberalen charakter haben und damit unvollständig sind.

das alles wird beim gang durch die bundestadt bern zu hinterfragen sein sein. anregungen hierzu nehme ich gerne auf!

stadtwanderer

heinrich, burgenbauer und falkner mit ausstrahlung bis an die aare, wird könig

auf der höhe seiner herrschaft, schloss er mit den magyaren frieden. um burgen bauen zu lassen, auf denen er nach seinem militärischen sieg über die ungarn feste feiern liess und die falknerei pflegte. am 12. mai 919, heute vor 1090 jahren, erfolgte seine krönung zum ostfränkischen könig.

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ostfränkischer könig heinrich I., dargestellt als reiter und falkner, beförderte den bau von burgen, um die magyaren zu bekämpfen. vorläuferbauten der schlösser von laupen und bümpliz dürften auf diese aktion zurückgehen.

der nachwelt ist heinrich als “vogler” in erinnerung. ob er selber falkner war, ist im strengen wortsinn nicht nachweisbar. aber es passte zu seiner würde als könig der ostfranken, der sich gegen die mayarischen reiter durchgesetzt hatte.

nach dem untergang des fränkischen kaiserreiches 888 waren die verhältnisse unübersichtlich. verschiedene herzöge beanspruchten auf der basis von stammesherrschaften lokale fürstentitel. arnulf von kärnten, der sich selber als kaiser sah, konnte sich nur dank der hilfe der 899 herbei gerufenen magyarischen reiter halten konnte.

nach arnulfs tod verstanden sich die reiter aus dem osten als kaiserliche gerade, die von der panonischen ebene aus eine eigene herrschaft über die vormals karolingischen bauern ausübte und widerspenstige untertanen, vor allem klöster und bischofsstädte schleifte.

919 erhob sich mit ihm erstmals in der geshichte ein sachse als könig der ostfranken. die herzöge von schwaben (919) und von bayern 921) anerkannten ihn von süden aus, und im westen folgten die lothringer (925). als letzte schlossen sich die burgunder dem bündnis an (926), deren könig rudolf II. durch die plünderung der bischofsstadt basel in seinem reichsgebiet geschwächt worden war.

926 schloss heinrich mit den magyaren einen 10jährigen frieden, bezahlte dafür regelmässig, hielt aber so seine gebiete von überfällen frei. seine verbündeten hielt er an, an wichtigen orten burgen zu bauen, die einfachen aus holz, die besseren aus stein. sie sollten mit vorräten ausgestattet werden, um bei angriffen als fluchtorte dienen zu können, in denen man auch eine vorübergehende belagerung überstehen würde.

der friedenvertrag wurde nicht wie beabsichtigt 10 jahre eingehalten. denn 933 schon fühlte sich könig heinrich gerüstet genug, um die tributzahlungen auszusetzen und den kampf zu wagen. in der tat hatte er sich in der zwischenzeit eine eigene reiterei aufgebaut, welche den magyaren paroli bieten konnte. noch im selben jahr kam es bei riade an der unstrut zu einer schlacht, in der der sachse obsiegte.

nun nutzte heinrich die zeit für grössere reisen. er hielt in verschiedenen gegenden hoftage ab und besuchte die burgen, die er hatte errichten lassen. da dürfte er auch der falknerei gefrönt haben, dem egientlichen herrschaftssymbol im mittelalter, das ihm später seinen beinamen eingetragen hat.

in unseren breitengrade dürften mehrere burgen oder motten, wie man sie auch nannte, in diesem zusammenhang entstanden sein. im wieder ist in diesem zusammenhang vom vorläuferbau von schloss laupen die rede. doch auch die burg nydeck in der aareschlaufe zu bern, die später den zähringern als stützpunkt dienen sollte, könnte in diesem zusammenhang entstanden sein.

und auch die ältesten spuren des alten schloss bümpliz verweisen in diese zeit, obwohl von magyarischen reitern hier keine spuren gefunden werden konnten.

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“mama, wär’ ich doch nur auch ein touristenkind!” (brenner geschichten 5)

ein land ist entstanden, das sich erfolgreich inszeniert. das ist der satz aus dem meraner touriseum, der mir bis jetzt geblieben ist. mir gutem grund: denn das touristenmuseum zeigt beispielhaft, wie man tourismusgeschichte verständlich machen . für das eigene land werbung betreiben kann, und dennoch raum genug ist, um eine persönliche note entstehen zu lassen!

sehnsuchtin der ausstellung beginnt alles mit grössen der europäischen geistesgeschichte wie jean-jacques rousseau und albrecht von haller, welche im 18. jahrhhundert angesichts der veränderungen in wirtschaftszentren die unveränderten schönheiten der natur entdeckten und das leben in den alpen priesen. ihnen folgten englische und deutsche schriftsteller, die mit ihren beschreibungen der bergvölker romantischer sehnsüchte verläufern der reiseführer wurden.

hoehepunktrichtig in schwung kam der tourismus im tirol dank der eisenbahn in den 1860er jahren. die katholischen geistlichen sahen angesichts der fremden den untergang des landes voraus, doch ihre kirchgängerInnen faszinierte der dienst für eben diese fremden, die berge bestiegen oder dem luxus fröhnten, und die in der reichlich arbeit in die gegend brachten.

kriegder ausbruch des ersten weltkrieges beendete die belle epoque. am brenner wurde gekämpft, schliesslich kam der südliche teil des tirols nach der niederland von österreich-ungarn zu italien. visitate l’alto adige – besucht das südtirol tönte es jetzt bis ganz in den süden der halbinsel. bergesteigen à la deutschland und skifahren à la italienne werden nun kult.

freiheitder zweite weltkrieg unterbricht die tourismusentwicklung erneut, befördert aber mit seinem ende auch den freiheitsdrang. das wirtschaftswunder macht den tourismus in allen schichten populär. ein hauch des südens kann man jetzt in den dolomiten geniessen. der aufschwung erfasst nun auch die einheimische bevölkerung, die ihre heimat zu verkaufen beginnt. die automobile kommen von überall her, nach den anschlägen gegen italien aber zunehmend aus deutschland und der schweiz.

tourismusdie 70er und 80er jahre bringen eine art goldrausch ins südtirol. bauernhöfe werden zu bettenburgen, stille dörfer zu touristenzentren, und lauschige bergtäler, die rousseau und haller so fasziniert hatten werden mit autobahnen und zufahrtsstrassen zugestopft, sodass man sich im südtirol erneut an individuellen entdeckungen der verbliebenen natur zu freuen beginnt.

in 20 einfach und eindrücklich gestalteten räumen zeichnet das meraner touriseum diese entwicklung auf einzigartiger weise nach, sodass man sich in vielem wiederfindet. denn einiges ist eine allgemeine geschichte des tourismus alpengebiet, und anderes lässt erinnerungen an meine ersten ferien als bub in den dolomiten wieder wach werden. joseph rohner, chefhistoriker im museum, der meinen jahrgang hat, erinnert sich im gespräch an die gleiche zeit, wenn auch mit umgekehrten vorzeichen. seiner im sommer mit touristenkindern viel beschäftigten mutter soll er einmal gesagt haben: “mama, wär’ ich doch nur auch ein touristenkind!”

ich hoffe, ich war nur jetzt, nicht damals, in seinem hause gast …

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entscheid über das herz einer stadt

bern entscheidet am 17. mai 2009 in einer komplizierten volksabstimmung über die zukunft des städtischen progr im herzen der stadt bern. gesunde herzen sind wichtig, sagt der stadtwanderer, damit sie den körper mit leben erfüllen können, fügt er bei.

dieser abstimmungskampf in der stadt bern hat seltenheitswert: zunächst kämpfen befürworter und gegner der künstlerischen resp. medizinischen nutzung des berner “progr” je für ein ja. das sind schon zwei vorlagen, die es in einer variantenabstimmung zu beantworten gilt, ergänzt durch eine stichfragefrage, die nur dann gilt, wenn beides angenommen werden sollte; denn dann müssen die berner und bernerin definitiv entscheiden, ob sie das früherer progymnasium wie bisher als kulturzentrum oder neu als gesundheitszentrum geführt haben möchten.

doch auch das ist erst der halbe abstimmungskampf. denn dem projekt, das im wettbewerb zur künftigen progr-nutzung mit dem vorschlag für ein gesundheitszentrum obsiegte, stellte das berner stadtparlament auf druck von der städtischen basis nachträglich die fortsetzung des kulturbetriebs gegenüber, sofern die kulturschaffenden das gebäude erwerben und unterhalten können. zur überraschung vieler gelang es der findigen truppe aus dem progr, eben dieses kleingeld zu beschaffen, womit auch über ihren vorschlag entschieden werden muss. und genau dagegen rekurriert nun die städtische svp, die für das gesundheits- und gegen das kulturzentrum ist, mit juristischen mitteln. erst letzte woche sind die einsprachen im regierungsstatthalteramt vom tisch gewischt worden; wenn auch mit einer weiteren rekursfrist, sodass immer noch nicht ganz sicher ist, ob die volksabstimmungen gültige ergebnisse produzieren werden.

dessen ungeachtet warben am samstag die progr-leute in der ganzen stadt für ihre sache. das war auch nötig, denn auf den plakatwänden sind sie hoffnungslos im hintertreffen. und auch die inserate im “bund” stammen alle von der konkurrenz. die redaktion schreibe entsprechend, agitiert ein aktivist aus dem progr mir gegenüber, dass ich relativieren muss: bei städtischen abstimmungen sei geld nicht ausschlaggebend. die meisten menschen wissen auch ohne werbung, worum es gehe, denn sie kennen den progr und den neuen betrieb. so dürften sie schon vor dem abstimmungskampf positive oder negative erfahrungen damit gesammelt haben.

umso kräftiger drückt mir mein engagierter gesprächspartner einen seine flyer in die hand. der haut ganz kräftig auf den putz. das berner künstlerprojekt progr sei einzigartig in der schweiz und ein vorbild für andere kulturprojekte im in- und ausland. entstand ist es, als 2004 das städtische progrymnasium geschlossen wurde, und das areal an bester lage im stadtzentrum für eine zwischennutzung freigegeben wurde. seither seien serienweise künstlicher ich-ags, die einer auswahl bestanden und eine betreuung durch einen kurator akzeptieren, im progr eingezogen, denn hier können sie zu günstigen konditionen räume mieten und nutzen. dabei treffen sie kulturellen start ups auf städtische kulturinstitutionen wie die camerata oder das kino kunstmuseum, die ebenfalls unterschlupf im progr gefunden haben. im in der turnhalle-bar oder im alten schulhof treffen künstlerInnen ungezwungen auf abendliche partygängerInnen und auch mittagspassantInnen, die hier eine stunde abschalten, leute treffen oder ein buch lesen wollen.

genau das ist es, was die stärke der progr-leute im gegenwärtigen abstimmungskampf ausmacht. die befürworter der investitionen in ein gesundheitszentrum bleiben letztlich medial-anonym. die progr-künstlerInnen dagegen sind wahrhaftig. ihre widersacher vertreten zürcher kapital, sie haben einen hiesigen mäzen, der im progr in die schule gegangen ist, auf ihre seite ziehen können. und gesundheitszentren sollen in den aussenquartieren entstehen, meinen die engagierten, während ihre sache eine des urbanen zentrums sei.

natürlich ist der stadtwanderer nicht ganz unbefangen, wenn es um den progr geht. denn schliesslich hat er beim lokalradioprojekt, das sein zentrum in den gebauden der altehrwürdigen stadtschule hatte, mitgewirkt. ein dutzend sendungen zur stadtgeschichte sind aus dem progr produziert. schade wäre es, wenn es solche gelegenheiten nur noch in der stellvertreterwelt des internets gäbe, und nicht mehr im herzen der stadt bern. denn gesunde herzen sind eminent wichtig für das leben. noch wichtiger ist aber, das gesunde herzen leben im stadtkörper entfachen, meint der

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victorinox zum europatag

genau zum “europatag”, mit dem man dem ende des zweiten weltkrieges am 8. mai 1945 gedenkt, veranstaltete die european association of political consulting in zürich ein mehrtägiges symposion unter dem titel “from local to transnational“. einige eindrücke des stadtwanderers.

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schweizer armeemesser der marke victorinox als referentengeschenk für den auftritt an der eapc-konferenz in zürich

am freitag ging es um die entwicklung lokaler politischer kommunikation und ihrer verfasstheit in spezifischen interessen, nationalen prozessen und sturkturen hin zu europäisch ausgerichteten diskursen, die europäische öffentlichkeit für wahlen, abstimmungen und politischer meinungsbildung erlauben sollen.

am freitag hatten zahlreiche in der schweiz tätige intellekturelle, diplomaten, manager und politikerInnen gelegenheit, den stand ihrer reflexionen hierzu von einem europäisch zusammengesetzten publikum zu diskutieren. thomas fleiner (uni fribourg), hanspeter kriesi (uni zürich), ruedi ramsauer (nestle), michael reiterer (eu-kommission in der schweiz), doris fiala (nationalrätin, europarätin), andreas gross (nationalrat, europarat) und der stadtwanderer (vertreter der berner gassen) machten klar, wo stärken (erfahrungen mit direkter demokratie, mit freidlicher konfliktregelung hohe wirtschaftliche vernetzung) und schwächen (politisch isolierung, mangelnde professionalisierung der internationalen politischen interessenvertretung) der schweiz sind resp. die schweiz vom europäischen umfeld resp. dieses von den schweizer potenzialen lernen oder besser gleich ganz vergessen sollte.

die von der pr-agentur stöhlker (motto: “eurokommunikation statt us-marketing“) vorbereitete tagung, in ihrem gehalt durchaus beachtlich und anregend, organisatorisch durch nicht ganz durchgezogene kohärenz geprägt, brachte den referentInnen aus der schweiz durchaus vorteile, erhielten doch alle als dank für ihren unbezahlten auftritt ein messer geschenkt, marke victorinox und symbol der schweizer armee, wohl auch als zeichen dafür, was von der insel schweiz aus der grenzbesetzung 1939-45 im vereinten europa von 2009 geblieben ist.

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wie ich zum blogger wurde

ich war heute in luzern am “maz . die schweizer journalistenschule” eingeladen, um als fallbeispiel im kurs von marcel bernet zu dialogischer kommunikation mit internet über meine blogger-erfahrungen zu berichten. peter hogenkamp, der profi vom blogwerk, und christian schenkel, edemokrat und zuständig für die interne kommunikation bei der post, waren die anderen referenten.

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marcel bernet bin ich heute erstmals persönlich begegnet. virtuell sind wir fast schon so was wie alte bekannte. 2006, als ich eben mit dem bloggen angefangen hatte, recherchierte ich auf dem blogverzeichnis “slug” häufig zu “bern” und stiess als erstes immer auf die in mit blogbeiträgen omnipräsente pr-agentur “bernet”. den weg zu diesem zürcher experten ebnete mir sein gut verständlich geschriebenes buch über die online-kommunikation, das ich schon mal besprach und das mich in der folge immer wieder begleitete.

heute weiss ich um die bedeutung von blogs zur identitätsbildung im internet. mein google-verzeichnis, eine art fortlaufend aufdatierter biografie der präsenz im www wird durch meine website, meine blogs, andere blogs und websites bestimmt, in denen ich mich selbst- und fremdbestimmt durchaus wiederfinde.

das war vor meiner zeit als blogger immer weniger der fall, nicht zuletzt weil meine medienpräsenz zwischen 1992 und 2007 zu zahlreichen porträts in zeitungen und zeitschriften führten, die sich immer mehr glichen. denn sie entstanden immer mehr aus dem archiv, bis zum ziemlich unrühmlichen höhepunkt beim beitrag von constantin seibt, leider auch dozent am maz, der mich im tagesanzeiger recht leidenschaftlich beschrieb, ohne je ein wort mit mir gewechselt zu haben. wenn das bei einer sache geschieht, ist es ja noch verständlich, beim einem porträt eines menschen sträuben sich mir da indessen die haare.

nicht direkt gesprochen habe ich ja bis jetzt auch mit marcel bernet. anders als den heckenschützenporträtisten verdanke ich ihm allerdings, dass er meine vorerst recht naive neugier, lustvoll eine neue form der kommunikation auszuprobieren, mit seinem wissen in systematische überlegungen und, so denke ich, auch ganz passabel erfolgreiche bahnen gelenkt hat.

merci, marcel!

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berner blogger-porträts im “bund”

kaum zurück in bern, ist der stadtwanderer schon wieder im stadtgespräch. diesmal mit einer bloggenden reportage im “bund”. und mache mir gedanken zum privaten im öffentlichen.

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jacoblök und stadtwanderer im bloggerporträt des berner “bund

philipp schori, zürcher politologiestudent, arbeitet in der lokalredaktion des berner “bund”. das gespräch mit ihm habe ich durchaus in guter erinnerung. wir waren rasch bei der sache. ihn interessierte vor allem, wie weit ein blogger mit der offenheit gegenüber seinem privatleben geht: weiter, oder weniger weit, als es die journalistInnen der massenmedien dürfen?

als ich den artikelentwurf las, hatte ich kaum etwas bemängeln. ich merkte aber, dass es in unserer unterhaltung zu einem möglichen missverständnis kam. denn ich glaube letztlich nicht, dass sich blogger für das private am privatleben interessieren.

meine these ist: blogs sind ein gegentrend zur uniformierung des öffentlichnen durch verschiedene private instanzen. massenmedien machen politische öffentlichkeit nach ihren gestaltungsregeln breit verfügbar. google earth ebnet mit seinem blick von weit oben alle eigenheiten von städten und quartieren auf ihre strukturmerkmale ein. und einkaufstempel überwachen ihre besucher per video solange, bis sie in ihrem verhalten als konsumenten durchschaut sind und damit auch gesteuert werden können.

dieser objektivierung des öffentlichen zu privaten zwecken setzen sie blogger ihre egienen sichtweisen aufs ganze entgegen. ihre reichweiten sind zu gering, um zu massenkommunikation zu werden. ihre kameras sind zu persönlich geführt, um strukturanalysen zu betreiben. und ihre sprache ist zu individualistisch, um zum einheitsbrei zu werden. das unterscheidet sie von den genannten instanzen in der möglichkeit, das öffentlich einzeln bestimmen zu können.

doch blogger sind nicht alleine. sie sind ein lebendes netzwerk von individualistInnen, die als gemeinsam ein kaleidoskop des öffentlichen herstellen, um es am vielgesichtigen leben zu erhalten. das macht den bunten haufen der blogs gleichzeitig so anstrengend wie interessant.

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kosice 1938 / kosice 2009

in kosice besteigen wir das flugzeug zurück in die heimat. eine letzte gelegenheit, auf unserer kleinen europareise gedanken zur weltpolitik zu machen. diesmal über israel, iran, die usa und die schweiz.

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das zentrum des historischen kosice mit der grosszügig angelegten fussgängerzone (foto: stadtwanderer)

kosice (eigentlich mit umgekehrtem dach auf dem s und als koschize ausgesprochen) ist den meisten schweizerInnen kein begriff. von den slowakischen städten kennt man meist nur bratislava, die nummer 1. die eigentliche entdeckung ist aber die nummer 2. die altstadt von kosice mit kathedrale und theater mitten in der fussgängerzone fällt zunächst durch schöne architektur auf. dann strahlt sie auch kraft aus. und sie hat geschichte.

1938: deutschland und ungarn vs. tschechoslowakei
nicht immer war man in kosice so entspannt wie an diesem sonntag. 1938 wurde adolph hitlers deutsches reich besonders für die junge tschechoslowakei immer bedrohlicher. chamberlain, der britische premier, verfolgte eine politik der anpassung gegenüber dem deutschen reich, in der hoffnung, so die ansprüche hitlers auf neuen lebensraum in grenzen halten und einen krieg verhindern zu können. im herbst 1938 willigte er in münchen ein, dass die tschechischen gebiete der sudetendeutschen an deutschland gingen. parallel dazu wechselten mit dem wiener schiedsentschei die südslowakischen gebiete zu ungarn. kosice, das zentrum des südens, wechselte so die seite.

aus der retrospektive weiss man, dass die appeasementpolitik grossbritanniens auf einer fehleinschätzung basierte. 1939 wurde die tschechoslowakeit mit dem kriegsbeginn gänzlich okkupiert. seither dient “1938” häufig als argument für eine unnachgiebige politik gegenüber diktaturen mit expansionsdrang.

2009: iran vs. israel
in der schweiz angekommen, lese ich die “nzz am sonntag” und stolpere gleich über das thema. diesmal ist es ilan elgar, der israelische botschafter in bern, der die schweiz einer historischen fehleintschätzung bezichtigt. bundespräsident hans-rudolf merz habe mit seinem umstrittenen empfang des iranischen präsidenten einen fehler wie seinerzeit chamberlain gegenüber hitler begangen, heisst es: «Bei Typen wie hitler oder Achmädinejad erreicht man auf diese Weise gar nichts».

die kritik der appeasementpolitik ist vor allem in der retrospektive stringent. für die zeitgenossen ist das nicht immer so klar, insbesondere wenn eine chancen besteht, militärische auseinandersetzungen zwischen kriegerisch eingestellten ländern zu vermeiden.

gegen die gleichzetzung von nazi-deutschland und iran einerseits, grossbritannien und der schweiz anderseits sprechen vor allem die fakten. die schweiz betreibt 2009 keine eigene weltpolitik wie seinerzeit grossbritannien. vielmehr ist sie teil der politik der usa. diese ist seit neuestem darauf aus, das gestörte verhältnis zum iran zu verbessern; die schweiz wiederum vertritt seit langem die us-amerikanischen interessen in iran.

israel schliesslich hat seit kurzem eine neue regierung, die für eine harte aussenpolitik gewählt wurde; da sind keine versöhnlichen schritte gegenüber den palästinensern zu erwarten, um deren staatliche anerkennung es letztlich seit vielen jahre geht.

1938 und 2009: geschichte und gegenwart

gar keine parallelen zu “1938” gibt es “2009” nicht. die polarisierung, wie sie israel macht, geht jedoch von einem grossen krieg im nahen osten aus, indem die konflikte militärisch geregelt werden. genau das gilt es zu vermeiden, und die diplomatie hat sich dafür einzusetzen.

ohne zwischenschritte wird das neue ziel nicht erreicht werden. israel darf diese nicht jedes mal mit dem argument verhindern, seine existenz sei bedroht. damit polarisiert das land noch mehr und isoliert sich auch von seinen bisherigen partnern. denn so berechtigt die kritik an der appeasementpolitik der britten in den dreissiger jahren ist, ist die beliebtheit der verwendung des gegenargumentes für präventivkriege unübersehbar.

die reise kosice-bern ist in diesen tagen nicht nur einige gedanken über den zustand der welt an symbolischen orten wert. es ist für mich auch ein zeichen für die noch unerschöpfte entdeckung des urbanen in mitteleuropa, mit der ich mich noch mehr beschäftigen werde.

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mit egon erwin kisch an der grenze

unser wagen hält unerwartet an der slowakisch- ukrainisch- polnischen grenze. wir haben uns verfahren, wie das schild zeigt, das auf den zugang in den urwald im dreiländereck verweist. das ende der welt könnte man meinen. gleichzeitig aber auch eine städte des weltjournalismus muss man beifügen.

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gedenkstein für egon erwin kisch im dreiländereck slowakei, ukrainie und polen (foto: stadtwanderer)

unmittelbar vor dem eingang hatten einheimische eine noch unerwartetere besonderheit eingerichtet. grobere steine standen, fast schon wie ein klein stone henge, im kreis herum. “pantheon” stand auf einem schild, was so viel bedeutet, wie “im gedenken an die menschen, die uns wichtig sind”.

der rasende reporter

viele der namen zu den steinen kannte ich nicht, einen aber schon: egon erwin kisch, den weltweit legendären “rasenden reporter” aus prag.

im ersten weltkrieg hatte der damalige jüngling noch in der k-&-k-armee gedient. das kriegsenede radikalisierte ihn; 1919 trat er der kommunistischen partei bei. i deutschland geriet er vorübergehend in haft. während des zweiten weltkrieges emigrierte er zuerst in die usa, dann nach mexico. kurz danach verstarb der rasende reporter – ausgerechnet an einem herzschlag.

1933 machte er mit einer reportage aus der deutschen gefangenschaft als erster überhaupt auf die unmenschlichen bedingungen in den nazi-gefängnissen aufmerksam. das trug ihm den ruf eines ebenso unerschrockenen wie unerbitterlichen berichterstatters über das reale leben ein. “nichts ist erregender als die wirklichkeit”, schrieb der spätere erfolgsautor zahlreicher bücher dazu. viele berichte, die meisten politisch motivierte, sozialkritische reportagen über die verhältnisse in der ersten hälfte des 20. jahrhunderts, verdanken wir dem journalisten und schriftsteller von weltruf.

während des ersten weltkrieges verfasste soldat kisch ein hautnahes kriegstagebuch, das er später unredigiert unter dem titel “schreib das auf, kisch!” veröffentliche. darin beschrieb kisch auch seine begegnung an dem ort vor dem geografischen nichts, an dem auch wir jetzt stehen. einen einheimischen habe er gefragt, wie man an die grenze zum damaligen russland gelange. ganz einfach, habe der geantwortet: nach links, nach rechts, nach links, nach rechts … dabei habe er mit den fingern die kurven genau gezählt, denn nach 36 kehren sei man unweigerlich auf feindesland. in der tat, schreibt kisch, die strasse habe sich in der folge wie eine wilde schlange durch den dunklen wald gewunden, bis man schliesslich in russland angekommen sei.

der findige blogger
wir beschlossen, uns die schlangenfahrt durch den unverändert bestehenden urwald zu ersparen und umzukehren. schliesslich bin ich nicht der erfinder der journalistischen kriegsberichterstattung im ersten weltkrieg, sondern bloss ein kleiner blogger aus der schweiz, der sich in der äussersten ecke der nordostslowakei verirrt hatte.

immerhin, wie damals das tagebuch von kisch, ist heute auch mein blog um einen bericht von einem unvergesslichen ort reicher.

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