sechs forderungen an die unternehmer nach der finanzmarktkrise

“Die Wirtschaftskrise hat eine Ordnungs- und Werte-Diskussion in Gang gesetzt, der sich die Arbeitgeber stellen müssen”, sagte der berner rudolf stämpfli am heutigen arbeitsgebertag in zürich. und überraschte seine kollegInnen mit sechs forderungen zum verhalten von unternehmen nach der finanzmarktkrise.

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rudolf stämpfli, in der sechsten generation druckereibesitzer in bern und republikanisch gesinnter unternehmer

stämpflis bericht 2009 als präsident des schweizerischen arbeitgeberverbandes wurde mit spannung erwartet. die übliche arbeitsmarktanalyse, gepaart mit einem streifzug durch die nationale sozialpolitik, enthielt dieses jahr eine ausführliche beschäftigung mit den ursachen und folgen der finanzmarktkrise. “Nach Jahren der einseitigen Oekonomisierung sollten wir uns wieder vermehrt um die ethischen Grundlagen der Marktwirtschaft und ihrer Einbettung in eine Gesamtorndung kümmern”, war einer der bemerkenswertesten sätze heute.

sechs forderungen formulierte der oberste schweizer unternehmer an die adresse seiner kollegInnen:

erstens, arbeitgeber müssen die konjunkturellen wellenbewegungen ertragen lernen; sie dürfen sie nicht immer gleich mit einer politik des billigen geldes oder staatlichern ankurbelungsmassnahmen glätten wollen.
zweitens, entscheidungsverantwortung in der wirtschaft darf nicht völlig an modelle delegiert werden; sie muss auch persönlich verankert bleiben.
drittens, arbeitgeber müssen entlöhnungssysteme so gestalten, dass der zusammenhang zwischen leistung, gewinn, verlust und entlöhnung gewahrt bleibt.
viertens, unternehmen müssen sich fragen, ob die forderung nach eigenkapitalrenditen von 15 bis 20 prozent mit einer gesunden entwicklung der volkswirtschaft kompatibel sind.
fünftens, die finanzindustrie darf nicht eigengesetzlich funktionieren, sondern muss wieder näher an die realwirtschaft geführt werden.
und sechstens, die vorstellung, die global players könnten sich vollständig von ihrer nationalen herkunft lösen und nur noch nach den regeln ihrer eigenen liga spielen, ist zu korrigieren.

stämpfli vertrat damit die position eines selbstbewussten unternehmertums, das selbstverantwortlich und gemässigt ist und aus den nationalen realitäten heraus agiert. er rief nach persönlichkeiten, die den wettbewerb in der marktwirtschaft nicht scheuten, dessen grenzen aber auch nicht verkennen würden. am schluss seiner ausführung zitierte er den liberalen nationalökonomen wilhelm röpke mit dem satz, dass es “eine Welt jenseits von Angebot und Nachfrage gibt”. stämpfli wandte sich dezidiert gegen die vorstellung des staates als aktiengesellschaft, denn: “Menschen, die auf dem Markte sich miteinander im Wettbewerb messen und dort auf ihren Vorteil ausgehen, müssen umso stärker durch die sozialen und moralischen Bande der Gemeinschaft verbunden sein, andernfalls auch der Wettbewerb aufs schwerste entartet.”

eine bemerkenswerte rede für einen arbeitgeberpräsident, meinte meine nachbarin, während anhaltend geklatscht wurde. übrigens; der berner stämpfli holten den arbeitgebertag 2010 von der hauptstadt der millionen in die hauptstadt der institutionen. das nächste jahr trifft man sich nicht mehr in zürich, sondern in bern.

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