die erste bundesratswahl

ich bin in winterthur. am frühen morgen spaziere ich in der altstadt, bevor ich unterrichte habe. per zufall komme ich am geburtshaus von jonas furrer, dem ersten bundespräsidenten der schweizerischen eidgenossenschaft vorbei, über dessen wahl ich eben eine buchvorschau von rolf holenstein gelesen habe.

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morgendämmerung: das geburtshaus des ersten bundespräsidenten, jonas furrer, in der winterthurer altstadt mit der erinnerungstafel (foto: stadtwanderer)

155 parlamentarier, 111 national- und 44 ständeräte, zählte die frisch gegründete schweiz. anwesend waren allerdings nur 132. die freiburger konnte wegen übler wahlmanipulation nicht vereidigt werden, und die berner waren zum zeitpunkt der konstituierung noch nicht überall fertig mit wählen und zählen.

die bundesratswahlen leitete ueli ochenbein, denn der berner war bei der konstituierung des nationalrates in der berner hochschule zu dessen präsident gewählt worden. der zürcher furrer wiederum war an die spitze des ständerates im restaurant äusseren stand gehievt worden.

in den ersten bundesrat wurden der reihe nach jonas furrer, zürich, ueli ochsenbein, bern, henri druey, waadt, joseph munzinger, solothurn, stefano franscini, tessin, friedrich frey-herosé, aargau, und wilhelm naeff aus st. gallen gewählt. allesamt gehörten sie den freisinnigen an, die in beiden kammern über eine mehrheit der parlamentarier verfügten.

doch nur wilhelm naeff nahm die wahl in die bundesregierung unmittelbar danach an. franscini und munzinger waren nicht anwesend, und druey zauderte, weil er gar nicht parlamentarier werden, lieber bei seinen getreuen in der waadt bleiben wollte.

furrer und ochensbein schliesslich zierten sich, weil sie ihrem kanton die hauptstadt der schweiz sichern wollten. nur wenn die bundesversammlung ihre kantonshauptstadt zum dauerhaften sitz der bundesbehörden und der nationaluniversität machen sollten, wollten beide widersacher die wahl annehmen.

in diesem machtkampf hatte der berner ochenbein als wahlleiter die besseren karten. gegen widerstände liess er unmittelbar nach der bundesratswahlen den bundespräsidenten wählen: gewählt wurde furrer!

ochsenbein hatte sich damit nicht verrechnet. denn er hatte gemerkt, dass die parlamentarier unbedingt beide schwergewichte unter den freisinnigen im bundesrat haben wollten. er akzeptierte nun seine wahl als bundesrat, sodass furrers beharren als erpressung erschien. gleichzeitig fädelte ochenbein einen tausch ein. sollte bern die hauptstadt der eidgenossenschaft werden, würde zürich sitz der nationaluniversität werden.

in der tat: am fünften tag der diskussion nahm jonas furrer, die wahl als bundesrat an. damit war er automatisch bundespräsident. bern wiederum wurde bundesstadt, und zürich erhielt nach einige weiteren diskussionen das polytechnikum, die vorläuferschule der heutigen eth. am sechsten tag nach wahlbeginn traten die bundesräte erstmals zusammen: die schweizerische eidgenossenschaft hat seit diesem 21. november 1848 eine bundesregierung – mit sitz in bern.

und in winterthur schmückt heute eine tafel das geburtshaus von jonas furrer, dem ersten regierungschef der schweiz.

stadtwanderer