“es ist zu viel geschirr zerschlagen worden.”

urs altermatt, herausgeber des lexikons “Die Schweizer Bundesräte” äussert sich in der heutigen “berner zeitung” umfassend zum morgigen ereignis. mit dem weitblick eines historikers, füge ich bei.

altermatt
urs altermatt, professor für zeitgeschichte in fribourg, nimmt stellung zur morgigen bundesratswahl

selbstredend würde er eine allfällige niederlage der fdp bei den bundesratswahlen als tiefpunkt in ihrer parteigeschichte bezeichnen, sagt der solothurner altermatt. doch habe die heutige fdp einen solchen weg selber vorgezeichnet. mit der breiten volksbewegung, die den bundesstaat 1848 gegründet hatte, könne die heutige partei nicht mehr verglichen werden. links und rechts von ihr seien konkurrenten entstanden, welche die politische dynamik bestimmen würden.

zwischen den polen ortet altermatt vor allem konkurrenz. die fdp habe bei der abwahl von ruth metzler mitgeholfen. seither seien die beziehungen gespannt: “Es ist zu viel Geschirr zerschlagen worden”, bilanziert der professor. so gäbe es selbst bei sachpolitischen übereinstimmungen machtpolitische rivalitäten.

trotz diesen befunden hält der vormalige rektor der freiburger universität an konkordanz für wichtig. sonst würde man nicht darüber sprechen, wirft er im interview ein. doch gäbe es keine einheitliche definition mehr, was sache ist, schiebt er nach. unter den parteien vorrangig sei die arithmetische konkordanz. bei der bezeichnung der kriterien regierten aber einzig parteitaktische nutzenüberlegungen.

das beispiel der svp nach der nichtwiederwahl von christoph blocher habe gezeigt, dass analysen aus der enttäuschung hinaus ins abseits führten. denn der spielraum für parteien ausserhalb der regierung sei im politischen system der schweiz, das auf ausgleich ausgerichtet sei eher gering.

die sprachenfrage gehört für den deutschsprachigen in einen französischsprachigen umfeld zu den wichtigen bestandteilen der konkordanz. wie die frankophonen parlamentarierInnen stimmen werden, entziehe sich seinen kenntnissen, gibt der experte freimütig zu protokoll. nach aussen stelle er fest, nach einer anfänglichen kontroverse habe sich die aufregung über schwallers kandidatur (“zweisprachiger freiburger mit wurzeln im deutschsprachigen sensebezirk”) gelegt.

eine wirkliche lösung der minderheitenvertretung sieht altermatt im 7er gremium nicht. auch deshalb plädiert er seit längerem für einen 9er bundesrat, mit sitzgarantieren für die romand(e)s und die tessinerInnen. die grössere parteien sollten auf jeden fall in diesem bundesrat vertreten sein. neue sitze würden es seiner meinung auch erlauben, flexibler auf veränderungen in der parteienlandschaft zu reagieren.

ich kenne urs altermatt seit meinem studium; er war damals einer meiner dozenten. ich weiss, dass er als intellektueller engagiert denkt, sich als historiker aber ausgiebig mit der cvp beschäftigt hat. das hat ihm sicher eine nähe zur partei, aber auch zum befürworter der konkordanz gemacht. die hat er allerdings nie stur, sondern als prinzip vertreten.

stadtwanderer