begegnung mit drei nationalrats- präsidentinnen und einer kaiserin

am mittwoch war ich an der feier von pascale bruderer, der neuen nationalratspräsidentin. erstmals bin ich an diesem tag gleich drei höchsten schweizerInnen begegnet – und an eine kaiserin erinnert worden.

broad
pascale bruderer, im monent ihrer wahl zur höchsten schweizerin für das kommende jahr

“brückenschlag zwischen den generationen”, ist das motto der die 32jährigen pascale bruderer wyss während ihrem präsidialjahr im nationalrat. sie will daran erinnern, das heute faktisch vier generationen miteinander leben, dass sie untereinander abhängig sind und voneinander lernen können.

symbolisch fand das im letzten jahr zwischen der abtrendenden nationalratspräsidentin, der 63jährigen ciara simonesci-cortesi, und pascale bruderer statt. man habe gut kooperiert und spiegelbild füreinander gewesen, meinte die scheidende politikerin der cvp. am meisten freute die tessinerin aber, dass 2009 erstmal eine frau einer frau das höchste amt in der schweiz übergeben könne. “nehmen sie platz, madame”, zitierte sie den bericht von 1991, die die frage nach der besseren vertretung von frauen in politischen gremien zum öffentichen thema gemacht hatte.

herausgeberin des berichtes, an dem ich als junger politikwissenschafter gemeinsam mit regula stämpfli mitgearbeitet hatte, war judith stamm, damals präsidentin der eidgenössischen kommission für frauenfragen und nationalratspräsidentin von 1997. ausgerechnet neben ihr sass ich, als ich nach der feier mit dem zug vom aargau ins luzernische reiste. schnell entwickelte sich eingespräch zwischen uns beiden. die 75jährige, lebensfroh bis auf den heutigen tag, erzählte mir von ihrer begeisterung für roboter und ihrem aktuellen lebensthema, ob sie oder die freiwilligenarbeit unseren alltag in zukunft prägen werden.

die cvp-politiker, einstmals jugendanwältin im kanton luzern, outete sich auch als “stadtwanderer”-leserin. gemeinsam ist uns beiden nämlich unsere beigeisterung für adelheid, die kaiserin aus dem 10. jahrhundert, die aus dem gebiet der heutigen schweiz stammte und 37jähre an der spitze des kaiserreiches stand. und so erweiterten sich meine gespräche an diesem tag von der jetztzeit bis tief ins mittelalter, angerecht von drei gestandenen demokratinnnen aus meiner zeit und einer heiligen aus unseren vergangenen tagen …

stadtwanderer

berns bärenlegende

die legende, wie bern zu seinem namen kam, geht so: als die stadt an der aare, die herzog berchtold v. von zähringen hatte bauen lassen, fertig gestellt war, versammelte der adelige seine dienstmannen zur jagd. das erste tier, das sie erlegen sollten, würde dem ort den namen geben. im nahe gelegenen eichenwald stiessen die jäger auf einen bären, den sie umbrachten. damit war klar, dass der ort fortan bärn heissen würde.

thumb_image_1234643772186die legende, wie die stadt bern zu ihrem namen gekommen sein soll, erzählt von conrad justinger ist der darstellung der tschachtlan-chronik

conrad justinger erzählt im 15. jahrhundert die geschichte erstmals in schriftlicher form. eigentlich ist klar, dass sie nicht sein kann. dass sich bären – scheu, wie sie sind – in der umgebung einer eben erbauten stadt aufgehielten, ist unwahrscheinlich. das aaretal war schon lange vor der stadtgründung von menschen besiedelt; spätestens seit dem 10. jahrhundert dürfte ihre dicht zugenommen und wildtiere vertrieben haben. entsprechend ist namensherleitung, wie sie hier gegeben wird, unhaltbar; sie ist das produkt einer einfachen ableitung verwandter wörter in der volksetymologie.

und dennoch hat die legende einen wahren kern. der mensch vertrieb durch seine besiedlung wildtiere aus dem mittelland. das gilt auch für elche und wölfe. der bär aber war stets das symbol der stärke. genau das macht seine vertreibung so schmerzahft.

wohl auch deshalb wurde der bär im 13. jahrhundert zum wappentier, und gibt es seit dem frühen 16. jahrhundert praktisch ununterbrochen gefangen gehaltene bären in bern. erst in den letzten jahren wuchs die kritik an der artungerechten haltung im bärengraben, was zum jetzigen bärenpark führte.

natürlich ist es tragisch, dass genau jetzt, wo man dem bären endlich mehr platz in seiner gefangenschaft in der stadt bern geben wollte, dieser unendlich kleine freiraum genau wieder durch menschen bedroht wird, und finn, der lebendig geworden wappentier beinahe lebensgefährlich verletzt wurde.

so ist das schlechte gewissen, das die berner mit ihrer stadtgründungsgeschichte über jahrhunderte konserviert haben, ist diese woche wieder voll ausgebrochen. denn der mensch ist ohne umschweife durch legenden der einzige wirkliche feind des bären.

stadtwanderer

alles wegen eines fallen gelassenen plastiksacks!

zum schweren zwischenfall im bärenpark kam es wegen eines fallen gelassenen plastiksacks.

der 25jährige mann, der am samstag im bärenpark angefallen wurde, ist nicht mehr in lebensgefahr. die erste vernehmung des geistig behinderten ergab, dass er in die anlage stieg, weil er einen plastiksack mit wichtigen inhalten fallen gelassen hatte. er wollten diesen zurückholen, sprang kletterte hierfür über die abschrankung und sprang in den bärenpark.

der betroffen ist köniz unter vormundschaft, lebt die woche hindurch in einem heim und verbringt die wochenende bei seiner familie. bisher ging man weder von einer selbst- noch von einer fremdgefährdung aus, weshalb er die samstag regelmässig alleine in der stadt verbrachte.

damit ist in bern die diskussion neu entflammt, ob es beim bärenpark erneut zu solchen zwischenfällen kommen kann. gemeinderat reto nause will am sicherheitkonzept festhalten, die neuralgische stelle aber mit stacheldraht schützen, um nachahmer abzuhalten. aufgeworfen wird immer dringlicher die frage, weshalb der mann bei seiner unglaublichen aktion von niemandem in seiner nähe zurückgehalten worden ist.

gerade eine gesellschaft, die in hohem masse auf die selbstverantwortung des individuums setzt, muss sich darauf verlassen können, das menschen, die sich so selbst in gefahr bringen, ohne es zu merken, rechtzeitige von anderen vor sich selber geschützt werden.

diesen gedanken nahm heute auch der einmal mehr stark kommunizierende tierpark-direktor bernd schildger indirekt auf. er wehrte sich für die rechte des mannes. zeitungen, welche den mann und den bären beim überfall zeigten, hätten unbedingt das gesicht der geistig behinderten pixeln müssen.

stadtwanderer

bärenhunger & bärenstärke

finn frisst wieder. das ist ein zeichen, dass es ihm besser geht. mit auswirkungen auf die stadtstimmung. bern würde es gut tun, mehr von dieser bärenstärke in ihr verhalten aufzunehmen.

330613_pic_970x641
finn heute, zum fressen steht er wieder. vom bär lernen, empfehle ich, und sich bei de nächsten attacke ebenso schnell wieder aufrichten

am zebelemärit fragte mich eine junge frau aus der romandie, wo es denn hier zum bärenpark gehe. ich wies ihr den weg, soweit man das in der menge konnte. sie bedankte sich freundlich. da rief ich ihr in all dem gedränge noch hinten nach: “aber springen sie nicht ins gehege. die bären schätzen das nicht!” die frau drehte sich um, schaut mich so blöd an, als wollte sie sagen, sie schätze solche scherze auch nicht.

vielleicht, dachte ich mir, sind die leute ausserhalb berns weniger vom thema eingenommen. obwohl die meisten zeitungen über das drama vom samstag berichteten.

in bern selber ist alles ganz anders. finn war auch heute das stadtthema. am morgen erzählte man sich auf dem perron, dass heute der tag der entscheidung ist. und am abend fragte mich politblogger mark als erstes, ob man schon etwas mehr wisse – in sachen bär!

und wie wir mehr wissen: tierpark-direktor bernd schildger, am sonntag vor den medien noch den tränen nahe, gab heute entwarnung. finn fresse wieder, sei sogar aufgestanden. er bekomme die nötigen medikamente, und für allfällige eingriffe sei man gerüstet.

die vielen honigtöpfe und glückwünsche, die der sympathische kerl erhalten hatte, scheinen ihm gut getan zu haben.

vielleicht ist es das, was bären so populär macht: sie können so unglaublich traurig drein schauen, wenn es ihnen schlecht geht. doch lassen sie sich nicht so schnell unterkriegen. schnell haben sie wieder bärenhunger, und bald schon stellt sich ihre bärenstärke wieder ein.

man wünschte sich, dass bern mehr davon in sich aufnehmen würde, und nach den verbalen schüssen, die es jüngst so häufig gab, schnell wieder zur bärenstärke zurück finden würde.

stadtwanderer

die sprache für jenen finden, die nicht alles verstehen

sie sei eben 18 geworden, wolle politikerin werden, und ich könne ihr dabei sicher helfen. das schrieb mir 1996 pascale bruderer – heute zur nationalratspräsidentin und damit höchsten schweizer politikerin gewählt.

b_gebaerdensprache
die sportliche pascale bruderer, neue nationalratspräsidentin, unterhält sich in der gebärdensprache mit gehörlosen
.

eine weile lange war pascale so etwas wie meine brief-freundin im email-format. denn so habe ich sie kennen gelernt. allerhand wissen wollte sie auf diesem weg von mir wissen, bevor wir uns ein erstes im restaurant trafen, um tee zu trinken, ansichten zu vergleichen und tipps für wahlkämpfe auszutauschen.

fast sicher war das nur eine symbolische unterstützung, denn die selbstbewusste junge frau wurde schon 1998 badener einwohnerrätin, schaffte 2001 auf anhieb die wahl in den aargauischen grossen rat und rückte nur ein jahr später im nationalrat nach. jüngste nationalrätin war sie damals und avancierte so schnell zur guten kommunikatorin in den medien. einzig die kandidatur als aargauer ständerätin misslang ihr vor zwei jahren, ohne sie zu knicken. für ihr fortgesetztes engagement, jugendliche für die politik zu gewinnen, erhielt die nationalrätin 2008 den “prix jeunesse”.

ihr politisches selbstverständnis entwickelte die junge pascale in der familie. verschiedene ihrer verwandten hören schlecht oder gar nichts und sind auf hilfe angewiesen. mit weltanschauungen kann die sp-vizepräsidentin nicht viel anfangen. praktische fortschritte wie die einführung der gebärdensprache im fernsehen sind der moderat links politisierenden politikerin wichtiger als die reinheit der ideologie.

rasch gelernt hat pascale, dass man als politische minderheit nur dann zu erfolgen kommt, wenn man sich nicht überall abgrenzt, sondern so für seine überzeugungen eintritt, dass sie von anderen verstanden und geteilt werden können. das hat sie in den parlamenten zur kommunikativen brückenbauerin gegenüber anderen fraktionen werden lassen. insbesondere in fdp-kreisen ist die sp-frau anerkannt, trotz oder gerade wegen ihren sozialpolitischen vorstellungen.

handball war lange pascales spezielles ding; berufspielerin und mitglied der nationalmannschaft wollte sie werden. doch dann verletzte sie sich, und sie entschied sich für ein studium. politologie schloss sie vor einigen jahren mit einer lizenziatarbeit über lobbying, das sie aus der seite der fordernden und der geforderten kennt. denn heute wirkt sie sowohl als teilzeitpolitikerin, wie auch als geschäftsführerin der aargauischen krebsliga.

natürlich darf schweden nicht fehlen, wenn ich über pascale berichte. denn bevor sie sich der politik verschrieb, ging die studentin für ein jahr nach schweden, lebte auf dem campus der universität växjö, lernte sie fliessend schwedisch sprechen, und erkundete sie die schwedische gesellschaft mit ihren zahlreichen integrationsbemühungen und ihrer weitreichenden gleichstellungspolitik.

wenn mich dann beim jährlichen swiss award jemand mit einem herzhaften “heja” begrüsst, weiss ich sofort, wer es ist. mal spielt pascale bei der fernsehkür wichtiger schweizerInnen des jahres die unbeschwerte glücksfee, die das millionenlos bestimmt, mal hält sie die laudatio für den oder die schweizer politikerIn des jahres, und immer sie sie in der kleinen jury dabei, die auswählt, wer für eine ehrung überhaupt in frage kommt. keine leichte aufgabe, weiss ich als einer, der dann mitentscheidet, wer dann ganz oben steht.

und nun sitzt pascale ganz oben! aber nicht im tv, sondern in der politik. als neue nationalratspräsidentin wacht die 32jährige über die verhandlungen der volksvertretung. 173 der 184 gültigen stimmen machte sie heute. ein versprechen!

stadtwanderer

finn geht’s schlecht

der mann, der gestern in bern in den bärenpark sprang, schwebt trotz mehreren bissverletzung nicht in lebensgefahr. unklar ist aber, ob finn, der angeschossene bär, den überfall überleben wird.

finn_1_4058599_1259075255
finn in seiner stallung heute. seine zahllosen fans bringen ihm honig vorbei und wünschen ihm gute besserung!

bernd schildger, der direktor des berner tierparkes, war an der heutigen medienkonferenz schwer gezeichnet. der gestrige zwischenfall hat ihm sichtbar zugesetzt. dennoch verteidigte er das vorgehen: der polizist, der schoss, habe richtig gehandelt. die ablenkungsmanöver der zuschauerInnen seien verständlich, aber nicht zielführend gewesen.

finn hatte gestern reagiert, wie das jedes wildtier tut, wenn sich jemand in sein revier begibt, meinte schildger. vorwerfen könne man ihm nichts. sollte er den brustschuss, den er gestern erlitten hat, überleben, wird er sicher nicht eingeschläfert.

doch die betonung liegt auf “sollte”. denn man zeigte sich heute sichtlich verunsichert, ob das 4jährige männchen aus dem zoo von helsinki den polizistenschuss überleben wird.

ist der bärenpark also nur eine riesige illusion? zurecht kritisierte man bei alten bärengraben wegen der unmöglichen tierhaltung. es fehlte an auslauf, und die ständige fütterung der tiere machte sie fett. deshalb hat man den neuen bärenpark anders, vor allem grosszügig angelegt, den tieren bewegungsmöglichkeiten eröffnet, lauschige winkel mit bäumen eingerichtet und ein flussbecken zum baden gebaut. mensch und tier sind zudem reviermässig getrennt. die schutzwände sind höher als vorgeschrieben, aber nur so hoch, dass ein eigentlichen brenparkerlebnis möglich bleibt.

diese philosophie ist dem erlebnis zuträglich, baut aber auf der vernunft der besucherInnen auf. doch was passiert, wenn die bären nun artgerecht gehalten, die menschen sich aber nicht artgerecht verhalten? ist es dann vorbei, mit dem kleinen glück der bären und menschen? das jedenfalls muss man sich nach dem gestrigen zwischenfall fragen.

finn geht’s schlecht. mir übrigens auch, verdammt nochmal!

stadtwanderer

drama im berner bärenpark

ein mann klettert ins gehege des berner bärenparkes, rennt auf den bären zu und wird vom erschreckten tier an kopf und bein verletzt.

Tagesschau vom 21.11.2009

die ruhe am abend wirkte schon fast gespenstisch. kein bär mehr war zu sehen, und keine zuschauerInnen säumten den raum rund um den bärenpark. denn dieser war durch die berner polizei abgesperrt worden. zwei stunden zuvor war es zu einem schweren zwischenfall gekommen.

reto nause, berns sicherheitsdirektor, rauchte vor dem überwachungshäuschen des neu eröffneten parkes eine zigarette, und sprach mit passantInnen und medienleuten. eben erst hatte war er am ort des geschehens eingetroffen, und hatte er das video des unfalls gesehen.

demnach kletterte am späten nachmittag ein 25jähriger mann bei der treppe unter der nydeggbrücke über die absperrung, sprang ins gehege von jungbär finn. das erschreckte bärenmännchen reagierte sofort, griff an, stürzte sich auf den eindringling.

die eilends herbeigerufene polizei schoss auf finn, sodass dieser vom verletzten abliess und sich in seine stallung zurückzog. dort wurde er tierärztlich gepflegt. es soll ihm besser gehen.

über den zustand des verletzten mannes wurden vorerst keine angaben gemacht. gerettet wurde er von der feuerwehr. er soll an kopf und bein verletzung davon getragen haben. über seine motive liegen keine angaben vor.

das ist sicher nicht die geschichte, die man momentan bern und ihrem bärenpark wünscht. denn nach den kostenüberschreitungen und politischen reaktionen hierzu, wird es nun wohl auch eine diskussion über das sicherheitskonzept des touristentreffs am nydeggstalden geben.

und das restrisiko bleibt, solange der park nicht meterhoch eingeigelt wird. der die umzäunung schützt die zuschauer vor versehentlichen hineinfallen, nicht aber vor willentlichem überwindenden der barriere.

auch ich bin total fan von björk und finn und pilgere fast jeden tag an den bärenpark. so stark ist ihre anziehungskraft. das weibchen lebt recht zurückgezogen; es soll trächtig sein und wurde deshalb vom männchen getrennt. finn wiederum tobt sich schon mal beim löchergraben aus, kann aber auch faul rumliegen. sichtlich unbeeindruckt vom rummel rund herum genoss er dieser tage die spätherbstlich sonne, meist an einen baum gelehnt. dabei hätte ich ihn am liebsten umarmt.

doch das ist bei mir nur ein emotionaler impuls, der kontrolliert bleibt. beim eindringling scheint der wunsch stärker als jede vernunft gewesen zu sein.

stadtwanderer

frauen ohne masken

der vortragssaal im berner kornhaus war gestern bis auf dem letzten stuhl besetzt. die meisten teilnehmenden waren frauen. denn um sie und ihre berufe ging es an der buchvernissage, der nun eine ausstellung folgt.

51dtmtWJUFL._SS500_
“frauen ohne maske” heisst das buch, das gestern vorgestellt wurde. joseph riegger, fotograf aus basel, ging viele jahre mit dem projekt schwanger, bevor er sich 2008 entschloss, es zu realisieren. mit porträts sollten frauen im beruf vorgestellt werden. 201 bildnisse von arbeitenden frauen sind so entstanden und bilden das rückgrat des neuen bildbandes.

die bilder sind alle gleich aufgebaut: es gibt einen einheitlichen hintergrund, in der linken bildecke steht ein korpus mit berufsgegenständen, und die porträtierten zeigen sich so, wie sie in ihrem alltag arbeiten. er sei nach einem strengen raster vorgegangen, um die verschiedenheit der heutigen frauenberufe zu zeigen, sagte riegger gestern abend. in der tat: die präsentierte palette ist breit. natürlich gibt es da die hebamme, die sozialarbeiterin und die sekretärin. doch mischte er auch uruloginnen, informatikerinnen, landmaschinenmechanikerinnen und selbst kaminfegerinnen darunter. und: die liste liesse sich fast beliebig verlängern. einige der so porträtiert sind uns bekannt: ruth dreifuss beispielsweise, die ökonomin, die entwicklungshelferin und gewerkschafterin war, bevor sie bundesrätin wurde. doch die meisten der vorgestellten kenne ich jedenfalls nicht, und doch vermitteln sie ein bild von ihrem berufsalltag. “Miir war wichtig, dass alle ausser der Yoga-Lehrerin, wo das nicht geht, in die Kamera schauen”, sagt riegger. denn nur so entsteht eine selbstbewusste botschaft, wo man sie nicht erwartet.

“Ein solches Buch macht Mut, sagte marieanne dürst, ehemalige präsidentin der fdp frauen und frau landammann im kanton glarus auf dem podium. sie ist die erste frau, die das schwert als symbol der macht im kanton trägt, – und sie macht das mit stolz. das heisst nicht, dass sie die männerpolitik einfach fortsetzen will; vielmehr sprach sie sich für gemischte teams in allen lebensbereichen aus. den frauen und männer haben stärken, ist ihre überzeugung, und sollten sie überall gemeinsam einbringen. zu ihren stärken zählte sie, sich als projektleiterin vorbehaltslos hinter die neuorganisation der glarner gemeinden zu stellen, um im traditionsreichen tal etwas zukünftiges zu schaffen. anita fetz, die basler sp-politikerin, ging da noch etwas weiter. wenn es nach ginge, würde sie viel mehr ins öffentliche bildungswesen investieren, die kinder früher einschulen und die berufliche qualifizierung gerade auch von frauen für berufe intensivieren. denn als ständerätin oder bankrätin weiss sie, wie oft sie gerade in spitzenpositionen und traditionellen männerdomänen wie den finanzkommissionen oder verwaltungsräten immer noch alleine ist. den wandel, den ihre generation gerade in den wahlmöglichkeiten erlebt habe, möchte sie gerne fortsetzen, auch wenn sie weiss, dass es das recht jeder nachfolgenden generation ist, aus den vorgefundenen voraussetzungen das zu machen, was einem entspricht.

für die analyse solcher sozialer trends in der gesellschaft ist im buch “frauen ohne maske” regula stämpfli, die berner politologin in brüssel, zuständig. und sie tut es so, wie man es von ihr kennt: gradlinig, provokativ und mit rhetorischem geschick. “Berufe haben kein Geschlecht”, eröffnet die autorin den porträtband, “aber ein Image. Und dieses Image verändert sich, je nachdem wie hoch der Anteil Frauen und Männer in einem Beruf ist. Und mit dem Image verändert sich auch die Bezahlung. Steigt der Frauenanteil, sinken Ansehen und Lohn. Steigt der Männeranteil in einem Frauenberuf, steigen Ansehen und Lohn nur zaghaft, aber immerhin.” der taffen ankündigung folgen im bildband keine statistiken, wie man es sich gewünscht hätte. doch erhöht das den lesespass. denn in diesem buch geht es tatsächlich zu erfahren, wie frauen im berufsalltag sind, wenn sie gerade nicht über Lohn und image nachdenken, eben: ganhz ohne masken!

stadtwanderer

weg von berns innensicht, verlangt unternehmer peter stämpfli

“pesche”, sagte er zu mir, als er sich vorstellte. genau diese direktheit ist typisch für den unternehmer peter stämpfli, der mit seinem bruder rudolf die traditionsreiche berner stämpfli-gruppe mit über 300 angestellten führt. und der sich jetzt auch in die debatte über berns zukunft einmischt.

99EBE199E55C54AEAE0731F2882336B8_0
das verlagsunternehmen stämpfli ag ist ein typisches beispiel für innovative unternehmen in bern, von denen sich peter stämpfli dank vereinfachten gemeindestrukturen eine höhere dichte erhofft.

pesche sieht in der neupositionierung berns , wie sie die stadt entwickelt habe unternehmerische qualitäten. man besinne sich auf seine stärken, die man entwickeln wolle. nur wer auf seine einzigartigkeit setze, gewinne, erklärt er an diesem wochenende den leserInnen der meistgelesenen “Berner Zeitung“.

das geforderte politikzentrum versteht pesche nicht als aufruf zur erweiterung der verwaltung, aber als aufforderung, ihr wirtschaftliches potenzial zu nutzen. typisch hierfür das der trend zu e-government, einem technologisch und kommerziell interessanten gebiet mit internationalen perspektiven, auf dem sich bern mit neuen firmen profilieren müsse.

in seinem umfeld registriert pesche ein reges interesse an der diskussion, welche der junge verein “Bern neu gründen” lanciert hat, wenn auch begleitet von ein zögern gegenüber langwierigen debatten wie denkbaren gemeindefusionen. selber hat er eine anderen schluss gezogen, und ist er im verein aktiv geworden.

infrastrukturprobleme mit seiner firma am stadtrand haben pesche gelernt, neu zu denken. agglomerationsgemeinden und kanton müssten in verkehrsfragen mit viel aufwand kooperieren, die stromversorgung in der stadt und ausserhalb von ihr basiere auf verschiedenen anbietern, und baubewilligungen seien durch die kleinräumge zuständigkeiten nur erschwert zu haben. “Die Debatte, die wir mit dem Verein «Bern neu gründen» lancieren, ist kein abgehobenes Wunschprogramm. Sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit.”

pesche befürwortet gemeindefusion. sie dürften aber nicht auf eine reine übernahme durch die stadt hinauslaufen. was es brauche, sei eine neue kultur, die er mit einem neuen projekt entwickeln wolle: “Heute wird die Hallenbadkapazität der ganzen Agglomeration de facto von den drei teilweise renovationsbedürftigen Bädern der Stadt Bern bereitgestellt. Es muss allen einleuchten, dass ein von allen sozialen Schichten geteiltes Bedürfnis intelligenterweise nicht von der Initiative einer einzelnen Gemeinde abhängen darf. Sondern die ganze Agglomeration muss sich an der Standortsuche sowie an der Finanzierung beteiligen.”

ganz zum schluss des interessanten interviews wird pesche bildhaft. in berns altstadt stecke irgendwo ein elektromagnet, der die aufmerksamkeit immer auf den kern der agglomeration lenke, wobei die möglichkeiten der region unterschätzt würden. genau diesem elektromagnet will er mit seinem engagement den stecker raus ziehen.

stadtwanderer

bern(er) inside(r)

die erinnerungsabsicht für das berner original dällenbach kari ist sympathisch. die erinnerungsarbeit hierzu weniger.

daellebach_01_25
dällenbach kari, wie man ihn aus dem film mit walo lüönd und lukas ammann kennt, erhält in berns pr-magazin “inside” ein bemerkenswertes porträt, nicht ohne eigennützige absichten des herausgebers peter bühler.

seit einer woche hat bern ein neues stadtmagazin. auf deutsch und englisch. denn man richtet sich nicht nur ans einheimische publikum; es soll auch touristInnen in berns geheimnisse einweihen.

einer der geschenkten bären aus russland ist auf dem titelblatt. der scb, das stade de suisse und anderes, was bern auszeichnet, geben populäre geschichten im 100seitigen magazin ab.

nicht fehlen kann darin auch dällenbach kari, der legendäre barbier von bern. eigentlich hiess er tellenbach karl, und wurde er 1877 im emmentalischen walkringen geboren. nach ausbildungen in worb, im freiburgischen murten und im neuenburgischen couvet kam er zur jahrhundertwende nach bern, und wurde der coiffeurmeister am 1. juli 1900 sein eigener herr und meister an der neuengasse 6.

seiner hasenscharte wegen wurde er gerne verlacht. gerade auch von seiner kundschaft. denen wollte der eigenbrötler einen anderen grund zu heiterkeit geben, was ihm zum permanenten unterhalter mit träfen sprüchen machte, die man sich heute noch in bern erzählt.

das hat dällenbach auch nationale berühmtheit eingebracht, wurde er doch von mani matter besungen und widmete kurt früh seinem leben einen film. von da weiss man auch ausserhalb berns, dass es nicht so kam, wie es kommen sollte: seine liebe zu annemarie geiser scheiterte am widerspruch des fabrikanten-vaters, und der krebs, den die ärzte nicht besiegen konnten, führte ihn in den selbstmord mit einem sprung von der kornhausbrücke.

peter bühler, der herausgeber von “bern inside”, steht dällenbach kari besonders nahe. so führt er seit diesem herbst an der belpstrasse eine beiz mit dem namen “kari’s bistro“. der frühere präsident der schweizer demokraten sitzt heute für die svp im gemeindeparlament. in erinnerung geblieben ist vor allem sein vorstoss, dem stadtoriginal ein denkmal zu setzen. und diesem vorstoss, der zur kleinen erinnerungstafel an der neuengasse führte, widmet bühler nun einen artikel in eigener sachen in seinem pr-blatt “inside(r)”.

stadtwanderer

bern braut

nein, das ist kein tippfehler. ich behandle die broschüre “bern baut” nicht noch einmal. diesmal geht es mir ums berner “egger”-bier und ihre brauerei in worb.

egger-maximusmein interesse am thema hat max egger geweckt, als er an der tagung “die marke bin ich” sagte, einmal im jahr sei er der “ceo” der firma. nämlich dann, wenn er als “christmas event operator” vor seine mitarbeiterInnen trete. ansonsten sei er der geschäftsführer des familieneigenen unternehmens.

und das in der fünften generation. denn begründet wurde die brauerei von gottfried egger 1863. vorausgegangen war ein versuch 1855, in den usa in einem vorort von chicago bier zu brauen und zu verkaufen. doch dem war kein langer erfolg beschieden.

ganz anders als der zweiten firmengründung. gut 145 jahre alt ist das unternehmen nun. gaststätten, detailhandelsgeschäfte, getränkehändler und private im und rund um den kanton bern gehören zu den kunden, welche die heute 30’000 hl bier der egger brauerei mit hoher konstanz beziehen.

gleichbleibende qualität ist für max egger entscheidend. und auch beständigkeit: zwar gibt es heute sieben verschiedene geschmacksrichtungen, doch springt man in der geschäftsführung nicht jedem konsumtrend hinten nach, gerade weil die worber kunden bis auf den heutigen tag mit pferden und fuhrwerken bedient werden.

mein lieblingsbier aus der lokalen brauerei ist das “maximus”. in aarberg erstand ich von ein paar jahren ein paar biergläser mit dem unverwechselbaren logo auf dem flohmarkt. und ich kann nicht sagen, dass ich sie seither nie angemessen gebraucht hätte …

stadtwanderer

11.11., 11 11

die fasnacht 2010 ist lanciert. heute morgen sperrte der stadtpräsident symbolisch den berner bären in den käfigturm, und die narrenrevanchierten sich mit gepfefferten tiraden gegen die vermeintlichen helden des jahres vor dem erlacherhof.

PB110038
die drei musketiere erklären dem publikum im erlacherhof was alles schief läuft in der republik bernensis (foto: stadtwanderer)

der platz vor dem sitz der berner stadtregierung füllte sich gegen mittag zusehends. schnitzbänklerInnen, gaukler, maskierte und gwundrige leute füllten ihn, um zuzuhören, wie die obrigkeiten für die tripolis-connection gegeisselt wurde, wie man über singende cervelat-prominenz aus der region lustig machte, und wie man keine gelegenheit ausliess, schlüpferige anspielungen zu minaretten und bären zum besten zu geben.

die ursprünge der berner fasnacht sind nicht bekannt. das älteste bildliche zeugnis stammt aus dem 15. jahrhundert. doch wird das närrische treiben in unseren gegenden in der regel im 13. jahrhundert in den neugegründeten kleinstädten erwähnt. namentlich die zeit nach der grossen pest scheint eine art dauerfasnacht gewesen zu sein. die kontrolle der kirche war weg, und der schultheiss war zu schwach, um ordnung zu gebieten. denn das volk hatte die gassen erobert. die zahlreichen sittenmandate seit dem ende des 14. jahrhunderts belegen, dass das treiben gerade in bern bunt gewesen sein muss, dass der wein floss, dass glückspiele blühten und die männer liebend gerne die frauen in den stadtbrunnen tünkelten.

damit räumte die reformation gründlich auf. “fertig lustig” war das motto der gestrengen pfarrherren des neuen glaubesn, die ordnung in berns politik und gassen brachten. musizieren, tanzen und singen war eine generation lang verboten, schnitt beträchtlich ins gefühlsleben der stadt ein und veränderte kultur und menschen. die fasnachtstradition war gebrochen, und der rationalismus des 18. und 19. jahrhunderts liess, was davon überlebt hatte, ganz versiegen.

so gelten die 80er jahre des 20. jahrhunderts als wiedergeburt der berner fasnacht. 1982 war es ganz zaghaft soweit. ein paar sponti wollen den ideenreichtum unter den pflastersteinen einmal jährlich von neuem sprudeln lassen. seit 10 jahren stehen drei tage ende februar ganz im zeichen des bären, der zur fasnacht von seiner gefangenschaft befreit wird und während drei tagen sein unwesen in der stadt treibt. der grosse kinderumzug lässt sich zwischenzeitlich sehen; gegen 100’000 zuschauerInnen lockt er jeweils in die stadt und ist damit im nu nach basel und luzern zur drittgrösste fasnachtsveranstaltung in der schweiz geworden.

2007 ehrte sogar die burgergemeinde der trägerverein der berner fasnach mit dem kulturpreis der stadt: eine art versöhnung der gegenwart mit der geschichte könnte man sagen!

heute wurde für die nächste fasnacht der stadtschuss gegeben, – und alle warten schon, bis die schnappszahl um 11 uhr 11, am 11.11.11 ganz perfekt sein wird!

stadtwanderer

domino-theorie und domino-praxis

wahrscheinlich war sie die erste politische theorie, die ich kennen lernte. ich muss ein knirps von vielleicht 10 jahren gewesen sein, als ich erstmals von der domino-theorie hörte. vor genau 20 jahren endete ihre existenzberechtigung mit dem fall der berliner mauer. eine biografische erinnerung.

GERMANY/
berlin heute nacht: die domino-stein werden fallen wie die mauer – und wie die domino-theorie

schon als bub wusste ich, was domino-spiele waren. man hat schwarze steine mit weissen punkten. man kann sie auf zwei arten nutzen. entweder zahl gegen zahl, oder aber stein gegen stein. im ersten fall legte man flache steine gegen flache, im zweiten stellte man sie auf und gab dem ersten einen schupps, bis alle der reihe nach gefallen waren.

deshalb war die domino-theorie für uns kinder so eingängig. und hatten wir eine klare vorstellung, was passiert, wenn sich der kommunismus ausserhalb der sowjetunion irgendwo festsetzt. denn dann, war unsere lektion, ist es mit der freiheit der nachbarn und deren nachbarn und so fort vorbei. china hatte es vorgemacht, korea und vietnam hatten bewiesen, dass die theorie stimmte.

erst später lernte ich, wie es zu dieser theorie kam, wie john foster dullas, der amerikanische aussenminister mit cia-hintergrund, sie erfand, wie perfekt sie in den amerikanischen antikommunismus passte, und wie sie dazu diente, kriege zu rechtfertigen. zuerst in südostasien, dann in lateinamerika. selbst vor demokratisch gewählten linksregierungen machte die konsequenz der domino-theorie nicht halt. und ich lernte, dass es eine theorie war, die sich selber erfüllte. denn je mehr die us im namen der freiheit intervenierten, um so geschlossener schallte es ihnen zurück.

das öffnete vielen, auch mir, die augen, machte die domino-theorie suspekt, ja zur verwerflichen ideologie. politisch ad absurdum geführt wurde sie aber erst mit dem fall der berliner mauer vor genau 20 jahren. denn anders als behauptete, dehnte sich nicht der kommunismus von einem land auf das andere aus, wo auch immer der prozess begonnen hatte. vielmehr verbreitete sich die freiheit, land für land, über den ganzen ostblock, bis schliesslich auch die sowjetunion fiel.

es war ein sieg der praxis über die theorie. freiheit über die unterdrückung, wie auch immer sie begründet wurde.

die grindelwaldner alpweiden und der nobelpreis 2009

elinor ostrom ist meinen leserInnen wohl unbekannt. den alpbauern oberhalb grindelwald ist die nobelpreisträgerin 2009 jedoch ein begriff. eine erklärung.

grindelwald
eine der vorbildlichen alpweiden ob grindelwald, typisch für die wirtschaftsform, die mit dem wirtschaftsnobelpreis 2009 geehrt wurde.

politikwissenschafterin erhält nobelpreis für wirtschaftswissenschaften

viele waren erfreut, als 2009 erstmals eine frau den nobelpreis für wirtschaftswissenschaften erhielt. und einige berufskollegInnen des stadtwanderers schätzten sich glücklich, dass es gar eine politikwissenschafteri war. denn elinor ostrom wirkte lange jahre als professorin in amerikanischen bloomington, von wo aus sie ihr spezialgebiet, die nachhaltige bewirtschaftung von gemeingütern, weltweit bekannt gemacht hat.

der name ostrom war mir nicht zuletzt deshalb geläufig, weil ihre zahlreichen fachbücher die walliser alpgemeinde törbel als vorbild porträtieren. was mir hingegen nicht bekannt war, erzählte diese woche der “bund“. demnach interessierte sich die nobelpreisträgerin vor zwei jahren auch für die funktionsweise der alpweiden ob grindelwald.

das beispiel

zentral hierfür ist bis heute der taleignungsbrief von 1404, der das alpgebiet als gemeingut nach alemannischer tradition bewahrte. nur das vieh, dass im tal überwintert, darf da geweidet werden. und bloss bauern, die ständig im tal wohnen, sind dazu berechtigt.

denn die alp gehört niemandem. die restriktiven zugangsregeln wurden eingeführt, um eine übernutzung zu verhindern. wer das gemeingut dabei ist, muss sich im frühling für die einsetzen, und er erhält entsprechend dem einsatz im herbst seinen anteil am produzierten käse.

die these
für elinor ostrom sind beispiele wie die alpweiden von grindelwald belege ihrer these, wonach gemeingüter wie wald, seen und weiden weder durch staatliche kontrollen noch durch privatisierung dauerhaft erhalten bleiben. vielmehr eignen sich nur korporationen, um die die kurzfristige ausbeutung von ressourcen genau so verhindern wie zerfall durch vernachlässigung.

die ehre und der gewissheit
genau für diese erkenntnis wurde ostrom dieses jahr mit den nobelpreis geehrt. die bauern von grindelwald, die ostrom kennen gelernt haben, können zwar keinen anteil am preisgeld einfordern. spätens nächsten frühling ziehen sie aber mit der gewissheit auf die alpen, eine wirtschaftsform zu leben, die selbst von den bedeutendsten in der wirtschafts- und politikwissenschaft bestaunt wird.

stadtwanderer

bern will seine zukunft selber anpacken

es freut mich, wenn in papieren der stadt bern die zukunft vorkommt. und es freut mich ganz besonders, wenn dies in einem aufbauenden sinne gemacht wird. deshalb unterstütze ich berns zukunftsvision prinzipiell.

wwwBernBundeshausIMG_9898
karls kühne gassenschau vor dem bundeshaus scheint pate gestanden zu sein bei berns kühner zukunftsschau, die der gemeinderat gestern vorlegte

die “strategie 2020” ist mehr als ein budget und die legislaturziele. es ist eine vision der knüftigen entwicklung berns.

nach vorstellungen des gemeinderates wird es dannzumal eine eigene verwaltungsebene für den grossraum bern geben. selbst ein stadtkanton bern wird nicht ausgeschlossen.

in angriff genommen werden soll ein hauptstadtgesetz, welche das berns leistungen als hauptstadt abgelten soll. dem gemeinderat schwebt vor, einem “district of switzerland” vorzustehen. zu deutsch: bern soll zum politzentrum der schweiz ausgebaut werden.

zuoberst auf der zielliste steht aber die entwicklung der wohnstadt bern. die bevölkerung der heutigen stadt soll in 10 jahren auf 140000 anwachsen. dazu soll die waldstadt realisiert werden, und diegesamte planung soll auf das szenario “erweiterung” umgestellt werden.

der schuldenberg aus den 90er jahren muss bis 2012 abgebaut sein. denn nur das schafft raum für investitionen. diese sollen in den bereichen öffentlicher agglomerationsverkehr erfolgen, weitere verkehrsberuhigte begegnungszonen sollen entstehen, und ökologisch ausgerichtete firmen sollen bevorzugt angesiedelt werden. eine kongress- und eventhalle für 15’000 personen ist ebenso vorgesehen, wenn auch in zusammenarbeit mit privaten investoren.

das sind keine beschlüsse. aber absichten, die für einmal konkretisiert und in ein zeitfenster gestellt wurden. der “bund”, in sachen stadtentwicklung bisher eher vorsichtig, reagierte zurückhaltend-positiv. die “bz”, nicht eben verlegen, wenn es darum geht, die rückständigkeit der stadt zu kritisieren, fasste das ganze als “üppigen wunschzettel” zusammen, bei dem weniger mehr wäre.

ich füge dem bei: visionen sind dazu da aufzubrechen, sich unterwegs zu begeben statt stillzustehen. und gegen wanderungen von städten kann ich gar nichts einwenden,

stadtwanderer

beste wohnlagen für den einzelnen – horrende mieten für die allgemeinheit

die überraschung war gross, als der schwyzer svp-ständerat alex kuprecht forderte, in den gebieten mit tiefen steuern genossenschaftswohnungen zu bauen, um das überleben der ortsansässigen bevölkerung zu garantieren. unbesehen davon empfiehlt ausgerechnet die “weltwoche” – sonst heimatverbunden – jetzt genau solche orte als beste wohnlage in der schweiz und erhöht damit die sogwirkung gleich noch einmal.

WEW_45_028_Gemeinden_01_1_1
blick der weltwoche auf die schweiz

alex kuprecht ist ein bürgerlicher politiker durch und durch. deshalb befürwortet er den steuerwettbewerb zwischen den gemeinden und kantonen. denn er hält die steuern tief.

doch kennt der svp-ständerat aus schwyz auch die kehrseite der medaille. der bezirk höfe gilt als einer der privilegiertesten orte in der schweiz, – und auch in europa!

die region am zürichsee funktioniert wie ein kleines monaco. der steuerfuss wurde innert 20 jahre in den meisten gemeinden bis zu sechs mal gesenkt. für holdings, hedge funds, banken, reiche ausländer und ausgewandertete zürcher ist die gegend ein eldorado.

für die mieterInnen ist die gegend aber die hölle. zuerst gibt es kaum angebote, und wo es sie gibt, sind sie horrend teuer. 2500 chf für kleine wohnungen sind der normale eintrittspreis geworden.

wer keine löhne wie in der finanzindustrie bezieht, hat deshalb keine chance auf ein logis in diesen gegenden. das hat sogar der sohn des versicherungskaufmanns kuprecht, gelernter metallbauer, erfahren müssen.

beim svp-politiker hat das zu einem umdenken geführt. er widersetzt sich weiteren steuersenkungen, und befürwortet den geförderten genossenschaftlichen wohnungsbau.

doch das interessiert die weltwoche überhaupt nicht. in der neuesten zusammenstellungen der guten wohnlagen in der schweiz empfiehlt sie genau jene wie die höfe-gemeinden als die besten in der schweiz. und was gut für den einzelnen ist, ist gut für alle.

um es klar zu sagen: der steuerwettbewerb hat nicht nur nachteil, unreflektiert führt er aber zu unerwünschten wirkungen. und genau diese reflexion würde ich mir von medien, die hintergründig bericht mehr wünschen.

genauso wie man auf black lists verzichten könnte: zum beispiel auf die, die eggiwil im emmental als steuerhölle der individualistischen zeitgenossen erklärt und zum teufel schickt!

stadtwanderer

“ob 16 oder 80: die welt bewegt mich!”

dieses jahr beschloss der berner grosse rat die senkung des stimm- und wahlrechts. denach kann man unverändert erst mit 18 in ein amt gewählt werden, wählen soll man aber schon mit 16 können. am 29. november 2009 wird in einer volksabstimmung über diese verfassugnsänderung verbindlich entschieden.

stimmrecht
postkarte, die ich heute auf meiner wanderung in bern erhalten habe

um ein haar wäre nadine masshardt 2007 in den nationalrat gewählt worden. macht nichts, sagte sich die langethaler grossrätin, hauptberuflich philosophiestudientin in freiburg. zurecht, denn der heute 25jährigen bleibt noch viel zeit.

“jugend und politik” gehört zu einem der dauerthemen, welche die juso-politikerin mit überzeugung bearbeitet. heute verteilte sie trotz regen und einigen schneeflocken vor dem käfigturm postkarten für die volksabstimmung in einem monat.

der kanton glarus, der 2007 nicht nur die gemeinden fusionierte, sondern auch die jugend vermehrt in die politik einbinden wollte, ist das vorbild. vorstösse für ein stimm- und wahlrecht 18 auf bundesebene, aber auch in den kantonen baselland, jura, st. gallen, solothurn und freiburg scheiterten. nur in bern nicht: eine allianz aus sp, grünen und evp brachte die verfassungsänderung auf initiative von nadine masshardt durch.

erfahrungen mit dem gesenkten wahlrechtsalter hat man in europa vor allem in österreich. 2008 konnten die 16- und 17jährigen erstmals mitwählen. eingeführt wurde diese novum durch den damaligen bundeskanzler alfred gusenbauer, der damit für den politikunterricht in den schulen nägel mit köpfen machen wollte.

nachwahluntersuchungen zeigten, dass jugendliche ein vergleichbares interesse haben wie junge erwachsene, und auch ähnlich stark teilnehmen. sie könnten unteschieden, was sachinformationen seien, und was parteipropaganda ist. gespalten sei aber das vertrauen in die politik. auf dem land zeige sich das in der unterstützung für die regierende bürgerliche övp, in den städten durch vermehrte stimmen für die oppositionellen grünen. das misstrauen unter jungwählerInnen mobilisierte 2008 vor allem die rechtsnationalistische fpö.

es bleibt also abzuwarten, ob der einsatz der juso in der schweiz zu einer stärkung der sozialdemokratischen linken führt. lobenswert ist aber in einsatz dafür, dass die stimmen junger menschen inskünftig aufgewertet und vermehrt in die meinungsbildung der behörden einfliessen soll. den ob 16 oder 80: wenn die welt bewegt, der sollte sie auch bewegen dürfen!

stadtwanderer

die wanderungen des bärengrabens

wer glaubt, in bern würden nur die touristInnen zum bärengraben wandern, irrt. auch der bärengraben ist im verlaufe der zeit gewandert.

baerengrabendie wanderung des bärengrabens: bild 1: erster bärengraben auf dem bärenplatz, bild 2: zweiter bärengraben beim bollwerk, bild 3: dritter bärengraben, ebenfalls bei bollwerk, bild 4: alter bärengraben am muristalden

2009 (25. Oktober)
der neue bärenpark wird neben dem alten bärengraben am muristalden eröffnet. es leben zwei bären, das weibchen björk und das männchen finn, in der 6000 qm grossen anlage. die sehr gut besuchte eröffnung wird von der botschaft über massive kostenüberschreitungen überschattet.

2007
80% der stimmenden sprechen sich anlässlich einer städtischen abstimmung zugunsten der erstellung des bärenparks aus. er soll allein mit privaten spenden realisiert werden.

2004
der stadtrat von bern stimmt einem projektierungskredit für den umbau und die erweiterung des historischen bärengrabens zu einem bärenpark zu. den tieren soll ein direkter zugang zur aare geschaffen werden. mit schlafhöhlen und fütterungsplätzen wird eine tiergerechte haltung ermöglicht.

1924
der hintere, kleinere graben für jungbären entsteht beim bärengraben am muristalden.

1913
der berner bärengraben hat jetzt einen maximalbestand von 24 tieren.

1856
die eisenbahn kommt nach bern, und der bärengraben wird an den muristalden bei der nydeggbrücke verlegt.

1825
der dritte bärengraben wird auf dem heutigen eisenbahnareal nördlich des stellwerks eröffnet.

1810
zwölf jahre blieb der bärengraben leer, bis die bernburger der stadt zwei savoyische bären schenkten.

1798
general brune, anführer der siegreichen französischen truppen, entführt die berner bären nach paris. zurück bleibt nur ein kleines bärchen, das bald darauf stirbt. es ist ausgestopft als “Der letzte Bär von Bern” im historischen museum zu sehen.

1764
der erste bärengraben wird zugeschüttet, und ein neuer wird am bollwerk 25 eröffnet. die bären stammen meist aus den waldreichen waadtländer vogteien, besonders aus romainmôtier.

1513
die siegreich aus der schlacht von novara heimkehrenden berner soldaten bringen als kriegsbeute einen lebendigen bären mit, den sie den franzosen abgenommen haben. für ihn wird im stadtgraben vor dem mittleren tor (auf dem heutigen bärenplatz) ein erstern bärengraben errichtet.

1224
der bär wird wappentier der stadt bern. denn das älteste berner siegel zeigt erstmals einen bären.

1191
die legendäre stadtgründung durch herzog berchtold v. bringt bern und bär miteinander in verbindung.

bern ist vielfältiger als in unserer vorstellung

“Bern ist viel grösser als in den Köpfen”, schreibt benedikt loderer, der “andere stadtwanderer” aus bern, im nachwort zum buch “Bern baut“, das werner huber editiert und dominic uldry bebildert haben. gemeint ist damit, dass bern längst mehr als die altstadt ist, und ihr architektonischer stil gerade in den letzten 20 jahren kreativ weiterentwickelt worden ist.

cover_01

berner architekten seien selten über bern hinaus gekommen, sagt man. in bern seien sie durch ein reges politisches klima stets gefördert worden, und in zürich haben sich die entwicklungschancen durch die eth und fachpublikationen vergrössert.

die ausnahme sei die halensiedlung in herenschwanden, die 1960 vom atelier 5 gebaut wurde und national einen neuen stil mit verdichtetem bauen im grünen eingeleitet hatte. doch das ist nur die bekannteste der zahlreichen ausnahmen, schreibt werner huber. denn auf der suche nach weiteren sind die architekturkritiker vom “hochparterre” in bern auf 84 beispiele guter und interessanter architektur gestossen.

berichtet wird in ihrem nachschlagewerk nach quartieren vor allem über innovationen im jüngeren wohnungsbau, aber auch von prägenden bauten aus dem letzten hundert jahren. das ganze ist in einer allgemeinen sprache gehalten und so reich bebildert, dass man es fast schon als populäres wanderbuch durch bern betrachten kann.

in der tat: der baldachin, die welle, der bundesplatz, der bärenpark, das zentrum paul klee, das westside haben in den letzten jahren einen markanten und vielfältigen gegenpunkt zum magnet altstadt gesetzt, der durch seine einheitlichkeit bernisches bauverständnis prägte. doch nicht nur das: neue siedlungen sind im gefolge des tscharnergutes aus dem jahre 1959 beispielsweise in brünnen, schönberg ost und weissenstein entstanden. und ein areal wie das der ehemaligen wander-fabrik ist architektonisch massiv verändert worden. ohne dass man das bisher genügend gewürdigt hätte!

bern ist nicht nur grösser als in unseren köpfen, es ist auch vielfältiger als in unserer vorstellung, füge ich dem bonmont des stadtwanderer-kollegen loderer bei und empfehle das blättern im buch mit 216 seiten und 130 abbildung zum anhaltenden und kurzweiligen vergnügen für leute, die gerne immer wieder auf neues stossen!

stadtwanderer

bild und vorbild

diese woche hat er noch einmal genauso regiert, wie er es liebte. er legte die richtung in grundsatzfragen fest und überlässt die knochenarbeit den untergebenen. doch am freitag war dann schluss. denn aus bundesrat pascal couchepin wurde ein pensionär, und die schlüssel zum edi erhielt symbolisch überreicht didier burkhalter, sein nachfolger im bundesrat. das kleine vakuum an der spitze des innendepartementes nutzte die sonntagspresse, um nochmals unüberhörbare zwischentöne zum regierungsstil des abtretenden fdp-magistraten in die welt zu senden.

sendobject

so lüftete die “nzz am sonntag” die entstehungsgeschichte des bundesratsfotos von 2003, – dem jahr, als couchepin erstmals bundespräsident war. couchepin, ganz in der allüre eines patriarchen, sass klar nach vorne gerückt auf einem stuhl und streckte seine langen beine und grossen schuhe bis fast zum fotografen aus. hinter ihm war alles nur staffage. links von ihm war ein tisch, wie in zeiten des ancien régimes, und am ende sass ruth metzler, die vize des landesregierung, während die kanzlerin anne-marie huber-hotz, halb verdeckt durch den präsidenten, eine art sitzendes rückgrat bildete. die fünf übrigen bundesräte waren, fast schon wie lakaien, hinter den tisch stehend postiert worden. einzig moritz leuenberger, der nachdenklich die hand zu gesicht hielt, gab seinem leichten missfallen mit den umständen ein wenig ausdruck.

jean-marc crevoisier bestätigte nun heute, dass es zum bundesratsfoto von 2003 ein vorbild gibt: auf schloss luins, 1758 erstellt, der familie de wattwyl gehörend. es zeigt die familie von alexander von wattenwyl, die genau gleich arrangiert um eine tisch sitzend und stehen posierte. der bundespräsident entspricht dem familienoberhaupt, die vize der frau, die kanzlerin der einzigen tochter und die minister den söhnen. einzig deren zahl stimm nicht überein, hatte der berner patrizier doch deren sieben.

bekannt wurde, dass man ursprünglich sogar daran dachte, das foto des demokratisch gewählten bundesrates unmittelbar vor dem aristokratischen vorbild in luins zu knipsen, schliesslich aber davon aber absah. behalten hat man nur die komposition, die so wenig vom demokratischen geist des primus inter pares, des ersten unter gleichen, wie es 1848 entstand, zum ausdruck bringt, dafür voll dem habitus im vordemokratischen bern des 18. jahrhunderts entspricht.

vonwattenwyl

damit ist hoffentlich endgültig fertig. denn didier burkhalter hat von pascal couchepin gottseidank nur die edi-schlüssel übernommen. nichts ist bekannt, dass er auch die seiner wohnung übernommen hat, dem geschenk von beatrice von wattenwyl, der nachfahrin des bildgebers, welche den prachtvollen familienbesitz an der berner junckerngasse der eidgenossenschaft vermachte, und den unser abgetretener walliser bundesrat bis ende letzter woche gemietet hatte!

stadtwanderer