die hoffnung stirbt zuletzt

schöner kann die herleitung eines wortes nicht sein: “hoffnung” kommt vom mittelniederdeutschen “hopen”, dem hüpfen und springen in freudiger erwartung, das etwas geschehen könnte, was man erwartet. und so empfehle ich, morgen in freier natur zu hüpfen, zu springen oder zu schwimmen. mit gutem grund.

barack_obama_hopeernst bloch, der grosse deutsche philosoph marxistischer ausrichtung, der sich wie kaum jemand anderes mit dem “prinzip hoffnung” beschäftigt hat, kennzeichnet dieses als wärmestrom, das durch gesellschaftliche entwicklungen fliesse, um sie voranzutreiben.

das ist mit sicherheit eine säkulare definition der hoffnung. denn in der christlichen welt war und ist hoffnung das streben nach dem ewigen leben im jenseits. bezogen auf das diesseits, hoffen wir heute meist auf eine bessere zukunft im eigenen leben vor dem tod, allenfalls im leben unserer nachfahren.

andreas m. walker, co-präsident von swissfuture, der schweizerischen vereinigung für zukunftsforschung, glaubt aufgrund einer online-umfrage zum 40jährigen bestehen seines clubs zu wissen, dass barack obama der grösste hoffnungsträger in politischer und wirtschaftlicher hinsicht in der schweiz ist. “yes, we can” gab auch in der tiefsten krise so viel selbstvertrauen, wie es heute keine schweizerin, keine schweizer den eigenen landsleuten vermitteln könne.

jesus christus, mutter theresa und mahatma gandhi hält walker für die persönlichkeiten, die den schweizerInnen in der vergangenheit am meisten hoffnung vermittelten. und die eigenen eltern, suggerieren seine statistik. denn ohne sie geht nichts.

hoffen zu können, schreibt der zukunftsforscher, ist zunächst eine individuelle eigenschaft, die man in der kindheit lernen muss, für die sich die familie, später auch andere vorbilder einsetzen müssen. und was man so erfährt, muss man seinem umfeld auch zurückgeben. denn nur so entsteht die gesellschaftliche energie, die veränderungen bewirkt.

gesund zu bleiben, hält der fachmann für die verbreiteste hoffnung der gegenwart. danach sieht er den erfolg bei der arbeit, die sicherheit vermitteln soll. und die sehnsucht nach der grossen liebe, die sich einstelle.

doch gerade hier warnt walker auch: hoffnungen können enttäuscht werden, realisieren sich nur gelegentlich. damit müsse man umgehen lernen, ohne dass es allgemeingültige rezepte gäbe. durchzuhalten und vernetzt sein, ist vielleicht noch der beste ratschlag. hoffnung, rät der chef der zukunftsforscher, sollen nicht unrealistisch sein, sich auf die nahe zukunft beziehen, um den lebensabschnitt, in dem man steht, voranzutreiben.

dafür, entnimmt man dem dicken untersuchungsbericht, gehen die menschen in der schweiz am liebsten in die natur. denn hier stirbt die hoffnung zuletzt!

und so bleibt mir die hoffnung, meine leserInnen draussen im wald, auf der wiese oder in der aare zu treffen. wo vielleicht nicht nur das gefälle des flusses, sondern auch ein kleiner wärmestrom uns voranbringt.

schöne pfingsten, wünscht der

stadtwanderer

wo soll das alles enden?

er hat geistesgrössen des zwanzigsten jahrhunderts wie den historiker arnold toynbee oder den politologen samuel huntington beeinflusst. gleichzeitig wurde er von karl popper heftig kritisiert. genau dies ist typisch für die rezeption oswald spenglers ” untergang des abendlandes”. bis heute.

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“wo soll das alles enden?”, so könnte man die fragen nach der gestrigen ersten stadtwanderung der saison 2010 zusammenfassen. mit meinen gästen, die meisten umweltbeauftragte aus den innerschweizer kantonen, sass ich im biergarten neben bernerhof. der serbeldne euro, der zustand des bundesrates, die löchrigen nationalstaaten und die übernutzung der natur bildeten die beunruhigende kulisse..

einer der unser gestriges gefühl genau beschrieben hat, gibt uns auch den schlüssel, es auch zu durchschauen. gemeint ist oswald spengler, deutscher philosoph, der zwischen 1918 und 1922 den untergang des abendlandes beschrieb.

kulturhistorisch geschult widersprach spengler dem fortschrittsglauben der hegelianer in der industrialisierungsepoche. nicht linear, sondern zyklisch entwickle sich die kultur, postuliert er. und: “kulturen sind organismen”, schrieb spengler, und “die weltgeschichte ist ihre gesamtbiografie.”

die führende westeuropäische zivilisation seiner zeit sah er mit dem fränkischen reich unter den karolingern aufkommen, sich vom kontinent über england und nordamerika über den ganze erdball ausbreiten und mit dem 1. weltkrieg im 20. jahrhundert enden.

wichtigstes charakteristikum entwickelter, damit aber auch abstrebender zivilisationen ist nach spengler die erstarrung aller lebensbereiche.
es dominiert die anorganische stadt gegebüber der fruchtbarkeit des landes.
es regiert der materialismus, der die religion verdrängt.
es herrschen die alten über die jungen.
es tritt die unterhaltung der sinne an die stellen der bewältung der signale, die von ihnen ausgehen.
es versinkt die moral, zuerst in der kunst, dann in der gesellschaft.
und es kommt zu formloser gewaltanwendung im namen der befreiung vor dem imperium der dominanten zivilisation.

spengler wieder lesen, heisst heute ohne zweifel, die gegenwart deuten zu wollen. spengler lesen heisst aber auch, nicht nur über phänomene nachzudenken, sondern auch über seine philosophischen annahmen.

recht hat der kulturphilosoph, wenn er die entwicklung einzelner kulturen zyklisch begreift, denn die geschichte hat uns ausgehend vom untergang troia, dem aufstieg und fall des römischen reiches, der ausdehnung der angelsächsischen imperien über die ganze welt gelehrt, dass das alles nicht einfach nach einem gerade gespannten faden verläuft. genau das hat auf geistesgrössen eben dieser welt abgefärbt, die sich wie arnold tyonbee oder samuel huntington an die grenzen des historischen und politischen denken der gegenwart gewagt haben. falsch hatte der zeitdeuter von damals jedoch, indem er die kulturelle entwicklung als ganzes ohne fortschritt sah, die möglichkeit einer geschichte der menschheit negierte. damit erhielt sein untergang des abendlandes etwas fatalistisches, das immer nur im absoluten nichts enden konnte.

oswald spengler war in seiner zeit erfolgreich, denn er porträtierte das lebensgefühl der “generation titanic”. doch anders als der luxuriöse hochseedampfer ging die welt trotz spenglers diagnose nicht unter. genau das hat den österreichisch-britischen philosophen karl popper zu einem der wichtigsten kritiker spenglers werden lassen. wenn poppers fortschrittsoptimismus der nachkriegszeit, der die westliche welt erfasste, angesichts globaler verlagerungen der zivilisation nach asien erneut zerbricht, mag es sein, dass unsere generation wieder den untergang der zivilisation beklagt. spengler kritisch lesen, bedeutet deshalb, genau das nicht als beschreibung der geschichte der menschheit misszuverstehen, sondern stand der dinge unserer eigenen kulturellen befindlichkeit.

wahrscheinlich kann man die frage, wo das alles enden soll, nicht beantworten. doch heisst das nicht, dass der weg hierzu abrupt beendet ist.

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