ganz frisch

letzter zwischenhalt auf der rückreise in die schweiz ist, fast schon traditionsgemäss, das moccacino in ekshärad. wo wir uns mit frischem essen in den sommerferien gerne erfrischten.

P8060401der lastwagen ist enorm, fast so gross, als wollte er das café gleich verschlucken. doch die absicht ist umgekehrt, denn der beves-riese ist da, um das “moccacino” im zentrum von ekshärad mit frischen lebenmitteln zu versorgen.

in ekshärad, der kleinstadt im klarälvtal, müssen wir die letzten erledigung vor der rückreise machen. das mietauto will zurückgegeben sein. die kollegInnen im büro erwarten sicher haferguetzli, und die schwierigsten postkarten müssen noch getextet werden.

da ist das moccacino der ideale dreh- und angelpunkt. so sind wir zum letzten mal bei ralf und jacqueline, den eingewanderten deutschen, gerade richtig. neuen schwung haben sie dem kaffeeumsatz vor ort verliehen, und ihre kleingerichte haben sich weit herumgesprochen.

ekshärad ist einer der orte, die durch die jüngsten kommunereformen verloren haben. der zentrale platz beherbergt zwar noch kirche, konsum und kaffeehaus. mit der abwanderung der politischen administration ins benachbarte, grössere hagfors ist sind aber auch die kleinbanken ganz aus dem ort verschwunden. der ersatz ist schäbig, denn der einzige bancomat am platz steht im ruf, nie zu funktionieren. das alles ist typisch.

von diesem niedergang setzt sich das moccacino vorteilhaft ab. es hat das ehemalige touristenbüro zum wirklichen treffpunkt umgestaltet. bestellt wird direkt an der theke, was gut ist. denn so bekommt man das eine oder andere über das leben am ort mit. der service ist immer zuvorkommend. auch das ist bei den vielen enttäuschten schweden im gstgewerbe nicht überall so.

zum eigentlichen markenzeichen im moccacino haben sich aber die stets frischen waren herungesprochen. was mit beves um 11 geliefert wurde, ist um 12 schon auf dem teller! stroganov mit rösti und salad ist der letzte tageshit, den wir in diesem jahr geniesen.

“man sieht sich”, heisst es zum schluss, wohl aber erst im nächsten jahr. deshalb wünscht uns jacqueline schon mal frohe weihnachten, der zeit, in der sie sich mit ralf erholen will, während wir uns ganz frisch endgültig auf den rückweg aus den sommerferien machen.

stadtwanderer

zum roten krug

nichts geht über morgendlichem kaffee. den braut fast immer bärbi, die vor mir wach ist. dann duften es aus dem roten krug so herrlich, dass man die träume der nacht nochmals revue passieren lassen kann.

P8060398a(foto: bärbi)

die meisten träume während den sommerferien sind privatsache. der von heute, unserem reisetag, passt auch in einen blog. denn er resümiert wohl die lage der nation schweiz, wie ich sie während meiner zeit in holzhausen mitbekommen habe. hier der bericht aus dem roten krug:

„ich bin in italien. wir sind eine reisegruppe. es sind alles schweizerInnen. auf der priazza der provinzstadt hat es mässig leute, denn der zug aus dem norden ist eben angekommen.

unser stadtführer lobt alle über den klee. in der lokalen politik mache man es wie in der schweiz. man identifiziere probleme und löse sie. die ganz grossen probleme seien nicht lösbar, deshalb rede man hier auch nicht darüber. das sei in der eu ganz anders. jüngst habe man über justizskandale gesprochen – und auch nichts erreicht. die meisten aus unserer gruppe nicken.

derweil sind wir in einem grossen haus angekommen. das erdgeschoss sieht wie ein grosser essaal in einem kloster aus. oben sind kleine kammern, wohl für die braven mönche. wir werden angewiesen, dort unsere reisetaschen zu platzieren.

ich komme verspätet in den essraum zurück. es hat nur noch an der hintersten bank in der hintersten ecke platz. dafür hat man hier einen guten überblick über die gesellschaft. meine nachbarn sind in eine gespräch vertieft. sie sind erbost, wegen der beleidigenden anspielung auf die justizskandale. solche gäbe es in der schweiz nicht, sagen sie, und geben sich als svp-sympathisanten zu erkennen.

sie wollen das eveline widmer-schlumpf eine richtigstellung verlese. doch sie getrauen sich nicht von der abgefallen justizministerin etwas zu erbitten. sie fragen mich, ob ich es machen würde. ich zögere …

da tritt ein mann in den saal. er ist aufgeregt. draussen auf der piazza spreche christoph blocher. es gehe um die schweiz, den 1. august und um die reinen sitten im lande. da haben wir’s doch, denke ich.

doch unsere gesellschaft löst sich auf. die einen gehen in die ferien, wollen von allem dem nichts mehr wissen. die anderen stürmen zur rede, die alles klarstellt. ich mag mich weder dem einen noch dem andern anschliessen und entscheide mich, auf eigene faust in die stadt zu gehen.

doch das ist alles weniger friedlich, als man uns verheissen hatte. denn es tobt ein wahrer strassenkampf. jeder verfolgt jeden! die fussgänger werden von den velofahrern gejagt, und denen sitzen die autofahrer im nacken. darwinismus pur!

ich flüchte in ein taxi, erwarte da schutz. dem fahrer bedeute ich, er solle mich in die nächste stadt bringen. die hier sei mir definitiv zu unsicher.

am ende der strasse muss er an einer ampel halten. merkwürdigerweise warten aber alle wagen, egal von wo sie kommen. das ganze wirkt wie blockiert. wir sehen, wie der fahrer im wagen gegenüber wütend wird. er schreit, das seien die sozis gewesen. die müsse man überfahren wie die kleinen katzen.

dann wächst sein wagen mächtig an. die scheinwerfer werden zu mäulern mit zähnen. mir wird unheimlich.

der fahrer sagt, das sei nur drohkulisse. er bleibe da am liebsten ruhig, nur wenn der andere agiere, regiere er. ich zweifle, denn der wagen fährt schon bald mit bedrohlichem geheul los. das taxi beschleunigt ebenfalls, weicht nach links aus, will den feind leer laufen lassen.

da kracht es laut. seitenkollission! mein fahrer ist sofort tot. merkwürdigerweise wirkt er nicht unglücklich. er sieht aus, als hätte er seine erfüllung gefunden. die zigarettenkippe steckt immer noch mund.

aus dem anderen wagen sind laute hilferufe zu hören. ich weiss nicht, ob ich helfen oder weiter gehen soll. immerhin hat mich der fahrer eben bedroht, und doch ist auch er ein mensch. so ist politik.“

ich muss ein wenig lachen, als ich das bärbi erzähle, während ich die pizza anschneide, die an jedem letzten ferientag bei uns zum frühstück verspiesen wird.

stadtwanderer

die einsteiger vom lamagard

in deutschland sind die benschings aussteiger, in schweden einsteiger.

P8040346holger entschuldigte sich, dass er nur mit verspätung auf unser klopfen an der hoftüre reagiert hatte, denn er war mit dem handy beschäftigt. beim nachgereichten kaffee erklärte er, eine kupplung an seinem traktor sei in brüche gegangen, die nicht mehr produziert werde. nun müsse er sich mit seinen kumpels selber helfen, sonst sei die ernte im eimer.

sechs kindern hat holgers ehefrau antonia das leben geschenkt. drei davon sind bereits ausgeflogen, die jüngeren leben mit den eltern auf dem berghof in östra näsberget. doch sie sind bei weitem nicht alleine. denn der lebenstraum der benschings ist und war es, gemeinsam mit tieren eine familie zu haben.

wie viele tiere es auf ihrem hof hat, weiss ich nicht. ich weiss nur, dass ich beim warten auf holger lamas, alpackas, hühner, ein pferd, ziegen, enten, gänse, kühe, hunde und pfauen entdeckt habe. wie die nandus, straussenähnliche tiere, heissen, musste ich schon mal nachfragen. und die schafe im dorf hätte ich gar nicht zählen können.

kennen gelernt habe ich die benschings über den „stadtwanderer“. antonia kommentierte mal einen meiner beiträge über schweden und führte mich so auf die webseite des lamagards. dann besuchten wir aus neugier den unüblichen hof in den bergen dalarnas, und seither kommen wir an den kulturtagen im tiomilaskogen (und auch sonst) gerne mal vorbei, um in der butik mit lamaprodukten einzukaufen, auf der veranda ein paar würste vom hofeigenen fleisch zu speisen, und zu mit den bauersleuten die aussicht über wälder und berge zu geniessen und beim kaffee zu plaudern.

dieses jahr wirkte antonia weniger gelassen als auch auch schon. sie ist des wetters wegens aufgebracht. es ist der dritte durchwachsene sommer in folge. das kann das tierprojekt in der wildnis schon mal ins wanken bringen, denn die eigenen futtervorräte reichen so nur für den halben winter. und für die restliche zeit muss man dazukaufen. die preise können in der notzeit schon mal auf das dreifache des üblichen steigen, was das haushaltsbudget belastet.

schafe und ziegen werden ende saison deshalb deutlich weniger. und der lamahengst wurde jüngst kastriert. 19 der edlen tiere aus südamerika sind definitiv genug. jetzt sollen für ausritte mit familien und schulen trainiert werden. das interesse aus der region ist intakt. 4 von 5 besucherInnen kommen jetzt schon aus der lokalen nachbarschaft. die agrarbürokratie dagegen reagiert mit zurückhaltung auf die neuerung. dass lamas auch nutztiere sind, kann man sich da nicht vorstellen. deshalb will auch keine eu-subventionen bereitstellen. so wird holger auf einer nahe gelegenen feriensiedlung nahe holzhausen einen halbtagsjob als abwart annehmen.

zu viele lebensenergien hat man in das projekt investiert, um es wegen ökonomischen herausforderungen fallen zu lassen. denn die ideale sind unverändert vorhanden. so will man in bewegung bleiben, sagt antonia, wenn auch gemächlich. denn die buchändlerin und der sozialarbeiter aus dem südwesten haben deutschland des stresses wegen verlassen. zurück in die gesetze der konsumgesellschaft geht’s ganz sicher nicht.

so lässt sich antonia auch nicht aus der fassung bringen, als die kinder betteln, um picknicken gehen zu können. chips und süsswasser sind bei den jungen gefragt. nora, die ältere hündin auf dem hof, die auf meinen beinen ruht und sich in aller ruhe streicheln lässt, kann dem plan gar nichts abgewinnen. ganz anders ist viola, die jüngere hündin, die sofort freudig herumspringt, als die decken mit essen und trinken gepackt und auf die weide verfrachtet werden.

die unterschiedlichen reaktionen der beiden hunde sind typisch für das leben der benschings in östra näsberget. in deutschland gehen sie als aussteiger durch, in schweden sind sie einsteiger. selbst das lokale unternehmerblatt hat die prioniere jüngst anerkennend porträtiert, was im schwäbischen wegen der kritischen lebensphilosophie kaum denkbar gewesen wäre.

bevor wir gehen, umarmen wir antonia und wünschen viel kraft. holger, der schon beim melken ist, schicken wir auf diesem weg viel glück beim schweissen des ersatzstückes für den traktor, das für die ernte so wichtig ist.

stadtwanderer