wie die territorialstrategie der svp 1999 fast unbemerkt aufgeht

“17 Prozent” lautete die prognose von filippo leutenegger, dem damaligen chefredaktor des schweizer fernsehens, am vorabend der nationalratswahlen 1999. das wäre ein plus von 2-3 prozent gewesen; er hätte die chance bestanden, dass die svp die cvp überholen und sich hinter der sp und fdp auf dem dritten platz einreihen würde.

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kartei des parteipolitischen wandels: die roten vierecke symbolisieren die wählerInnen-gewinne der svp bei den nationalratswahlen der 90er jahre

es kam anders: die svp legte 1999 um 7,6 prozentpunkte zu – was die grösste veränderung war (und ist), die es je in der schweizer wahlgeschichte unter proporzbedingungen auf nationaler ebene gegeben hat(te) – und die svp avancierte mit ihren 22,5 prozent erstmals in ihrer historie (es-aequo mit der sp) zur wählerstärksten partei der schweiz.

mit der einverleibung der kleinen freiheitspartei und der marginalen schweizer demokraten in die neue svp hatte man allgemein gerechnet; nicht aber damit, dass die aufstrebende partei namhaft in die hochburgen der fdp und die stammlande der cvp vordrängen würde. das ganze hatte system, territorilastrategie genannt.

demnach griff die svp, ausgehend von ihren regionen, wo sie schon stark war, die ehemals politischen verbündeten frontal an. das war für die berner und waadtländer noch ganz ungtewohnt, und in den regierungstreuen gebieten verlor die svp sogar. doch legte sie in zürich planmässig kräftig zu, und sie machte in luzern, basel, genf und st. gallen grosse fortschritte. bis heute wirkt das erfolgrezept von 1999 vielerots noch nach.

das wahlergebnis von 1999 überraschte im übrigen auch mich. ja, die veränderungen waren viel grösser, als es die svp selber angenommen hatte. am wahlabend brachte sie wenig geordnet die forderung auf, im bundesrat gestärkt zu werden. franz steinegger, der damalige fdp-präsident, für den der feind in der svp steckte, konterte dies schon während der sonntäglichen elephantenrunde so vehement, dass kein programm daraus werden konnte – vorerst nicht.

dass wir analytiker und kommentatoren allesamt zu ungenau hingeschaut hatten, was sich in den regionen tat, hatte nicht zuletzt mit der neuen mediensituation zu tun. roger schawinksi war mitten im wahlkampf 1999 mit seinem telezüri auf sendung gegangen, was für eine heidenaufregung sorgte. entbrannt war aber nicht die suche nach zuschauer und zuschauerinnen, entfesselt wurde der hahnenkampf unter den chefredaktoren der bisherigen durch die wette, wer christoph blocher mit einer relevanten aussage zur zauberformel zuerst auf dem sender hat.

diese rahmenbedinung ist nicht ohne nebengeräusche eben erst entschärft worden. zum guten, wie ich finde!

stadtwanderer