regiert die angst?

ich bin ein grenzgänger, in sachen sprachen, siedlungsarten und nationalitäten. das prokoll eine begegnung mit meinem taxichauffeur aus asien.

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in seiner heimat hat mein taxi-chauffeur mathematik studiert. er engagierte sich in der volkspartei für die junge demokratie. doch dann kam es zum militärputsch. als aktivist der opposition musste er fliehen. zwar würden weiterhin wahlen abgehalten, und es wäre gut, er könnte mitbestimmen. doch die führung seiner parteie werden regelmässig von den wahlen ausgeschlossen.

nach europa kam mein gewährsmann via deutschland. dort traf er einen landsmann, der in der schweiz vorläufige aufnahmen bekommen hatte. beide waren allein und beschlossen, hierzulande als politische flüchtlinge asyl zu beantragen. sie hatten erfolg. seither leben sie in der agglo von bern, und gehen geregelten arbeiten nach.

taxifahren gefalle ihm, erzählt er mir gerne. man könne radio hören und zeitungen lesen, und man treffe immer wieder auf interessante menschen. einmal, nach einem interview von mir in einer lokalzeitung, sprach er mich an. ich sei doch der politexperte, versicherte er sich vorher noch. dann legte er mit fragen los.

ihn beschäftigt heute, was bei den wahlen im herbst geschieht. die volkspartei in seiner heimat und hier seien nicht das gleiche. beide wollte mehr demokratie, das sei gut. hier bedeute das aber, dass man gegen ausländer sei. er wolle niemanden kritisieren, glaube aber, ein wahlsieg der svp sei schlecht für ihn und seine landsleute.

ich bleibe zurückhaltend. der wind habe gedreht, dführe ich aus. die konservativen seien im kommen. mit ihnen gewinne das nationale wieder an bedeutung, und es steige die ausgrenzung von fremdem.

mein gegenüber nickt. doch ist er noch nicht zufrieden.

was können wir nun?, will er wissen. die wahlen wolle er nicht beeinflussen, er wisse, dass er auch hier keinen politischen rechte habe. das heisst aber nicht, dass er sich nicht sorgen mache, was hier geschehe.

ich finde, das beste sei, wenn sich menschen mischen. ausländer sollten zu schweizer mehr kontakte haben, und umgekehrt. was man im alltag erlebe, zähle am meisten. alle studien, die in den letzten 40 jahren dazu gemacht worden seien, würden darauf verweisen.
organisierte kontakte seien gegenüber behörden sinnvoll. vor allem in den städten, aber auch auf dem land, wo es ausländerInnen habe, könne man so zahlreiche probleme auf informellem wege lösen. das sei sogar gut schweizerisch.
schliessich kommen wir auf die medien zu sprechen. denn sie formen unsere bilder im grossen. wer sich nicht wehre, habe schon verloren. und wer verloren haben, bekomme immer heftiger auf’s dach. medienarbeit sei eine art schutzwall gegen diskriminierungen, sind wir uns einig.

das problem sei, schliesse ich, dass man, wenn einem etwas nicht passe, negatives vor positives stelle, differenziertheit zugunsten schematisierungen verschwinden und einzelfälle zum allgemeinen erhoben würden.

damit kommen wir auf die jüngsten abstimmungen zu sprechen. vor allem die ausschaffungsinitiative. er habe gelesen, es habe am meisten zustimmung gegeben, wo es am wenigsten ausländer habe. mein taxichauffeur will wissen: regiert da nicht einfach die angst? ich bestätige, denn die analyse könnte von mir sein. da habe sich der stadt/land-graben schon vor monaten manifestiert. denn auf dem land gäbe es viel weniger ausländer, doch habe fürchte man sich da am meisten.

nicht nur vor ausländern, auch vor den städteren.

was würde wohl geschehen, wenn sich nicht nur die landleute, für einmal wenigstens auch die ausländerInnen politische äussern dürften?, beende ich das gespräch. da käme wohl noch ein weiterer graben zum vorschein.

wir werden den faden sicher wieder aufnehmen.

stadtwanderer