berns zug der modernisierung

das passt gut zu meiner aarberger-geschichte von gestern. in seinem zweiten teil zur bernischen geschichte, sucht der preisgekrönte berner historiker und journalist stephan von bergen nach gründen, warum bern mit der industrialisierung den wirtschaftlichen anschluss an zentren wie zürich, basel und genf verpasst.

ch1857
scb – damals noch für schweizer centralbahn stehend – als promotor des frühen eisenbahnbahns von olten nach bern und bieln

“Die Bahn zeichnet die Landkarte der Lebens- und Arbeitsräume neu. Die alte Topogragfie, in der sich Verkehrswege und Siedlungen auf sicheren Anhöhen befanden, wird umgedreht. Die Bahnlinien verlaufen in den Tälern und werten einst unansehnliche Gewerborte auf. Ob ein Dort an eine Bahnlinie zu liegen kommt, entscheidet über dessen wirtschaftliche Zukunft.”

das ist die these, auf der der essay von bergens aufbaut.

in den kanton bern dringt die eisenbahn 1857 vor. die centralbahn baut von olten aus die linie nach herzogenbuchsee und bern. zwei jahre später wird die verbindung nach thun eröffnet, nochmals drei jahre später die nach fribourg-lausanne.

der bau der verbindung von biel über bern nach langnau bringt die wende. das private unternehmen geht bankrott, der kanton muss einspringen. “In Zürich sind finanzstarke Privatunternehmer wie Eisenbahnbaron und Nationalrat Alfred Escher und ein wachsender Bankensektor treibende Kräfte, in Bern Juristen wie Eschers Gegenspieler Jakob Stämpfli”, vergleicht von Bergen die unterschiedlichen Entwicklungen.

die bahn, so seine feststellung, legt mankos des kantons bern offen: seine konzentration auf die agrarwirtschaft, sein schwach ausgeprägtes unternehmertum und sein verharren in kleinen räumen.

christian pfister, emeritierter professor für geschichte an der universität bern, sagt es noch deutlicher: “Die Bahn hat in den ersten drei Jahrzehnten im Kanton Bern nur auf Modernisierungsinselns wie Bern, Biel, Thun, Burgdorf oder Langental industrielle Impulse ausgelöst.”

warum, weiss die geschichtsforschung bis heute nicht wirklich!

schade, sage ich dazu. denn das ist die entscheidende frage. im geschichtsunterricht lehrt man ja immer noch, dass die aarekorrektion in der 2. hälfte des 19. jahrhunderts die wirtschaftsentwicklung geändert, die grundlage für die elektrifizierung gelegt und damit der meilenstein in der wirtschaftsgeschichte war, der 1914 – zurecht – zur in die landesausstellung in bern als höhepunkt der nationalen entwicklung vor den weltkriegen geführt hat.

solange die optimistische und pessimistische sicht der dinge wissenschaftlich nicht geklärt ist, dominieren bilder wie die von rené fritz allemann in seinem buch “25 mal die Schweiz”: während bern in sich ruhe, denke zürich über seinen kreis hinaus, heisst es da. die aarestadt sei “eine art oktopus, der die lebendige kraft der nation aussaugt”. das mag von bergen nicht stehen lassen und kontert: während bern bis heute die berühmte milliarde aus dem finanzausgleich beziehe, bekomme zürich via eth jährlich ebenso viel geld aus der bundeskasse!

stadtwanderer