soyez curieux!

“soyez curieux!”, rief joseph deiss den schülerInnen der düdinger oberstufe auf dem gemeinsamen podium zu. damit meinte er nicht, sie sollten merkwürdig werden, wie die schweiz vor ihrer uno-mitgliedschaft war. vielmehr empfahl er der jugend neugierig sein und einen beitrag zur lösung der weltprobleme leisten.

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geladen hatte nicolas bürgisser, der gewandte oberamtmann des sensebezirkes. ins düdinger “podium” gekommen waren vielleicht 250 personen, um den präsidenten der uno-vollversammlung, den freiburger joseph deiss, zu sehen und zu hören. ein erfolg fand ich; der amitionierte bürgisser hätte gerne das doppelte für den gast aus new york gehabt.
am morgen noch war der höchste weltbürger in london gewesen. nach dem schlaf wird er nach berlin fliegen, um mit westerwelle zu konferieren, bevor es zurück an den hauptsitz der vereinten nationen geht. préfect bürgisser fasste den aufenthalt des früheren cvp-politikers in düdingen so zusammen, dass die sensler metropole international bestens positioniert sei. den lacher des heimischen publikums hatte er auf seiner seite.

161 länder hat der mundialist aus der schweiz bisher bereist. das schönste land sei immer das nächste, bewies er seine neugierde. vor ablauf seines amtsjahres werde er es nicht schaffen, alle 192 mitgliedstaate der völkergemeinschaft besucht zu haben, bedauerte deiss. was nicht heisse, dass er danach untätig sein werde.
denn der 65jährige ist munterer denn je. jeden morgen geht er um 5 joggen, um seine gedanken zu ordnen. damit gehört er zu den beweglichen unter den diplomaten. seine bodygards am uno-hauptsitz seien fitter als unter seinen vorgängern, witzelte der professor aus freiburg, dessen politische karriere als cvp-gemeindepräsident in barberêche begann.
als uno-präsident auf zeit müsse er neutral sein, dozierte der frührer uni-professor. die mitglieder sind es, welche die uno treiben, nicht der präsident, erklärt er dem publikum. der leitet die versammlungen, wirkt als netzwerker, und er kommuniziert die entscheidungen. das wirkte noch ein wenig, wie eine 1.-august-rede eines schweizer politiker.
doch dann kommt der weltbürger im freiburger mächtig in fahrt. seine leidenschaft für die globale sache spürte man an diesem abend vor allem, als er über libyen sprach. wenn sich die uno in diesem land engagiere, sei das nicht einfach einmischung in innere angelegenheiten. es habe auch mit der verantwortung zu tun, welche die uno habe, wenn der schutz der bevölkerungen nicht mehr gewährleistet sei. der ausschluss aus dem menschenrechtsrat gehöre ebenfalls dazu, warb der uno-präsident vor seinem heimpublikum. global governance, das motto seines präsidialjahres, nennt deiss das und meint, die weltgemeinschaft müsse lernen, dass sich souveräne staaten für übergeordnete ziele engagieren sollten.

vorgestellt wurde alt-bundesrat deiss durch seinen freund und kollegen in der schweizer regierung, samuel schmid. der würdigte diess unterhaltsam. die “drei k” seien typisch für den freiburger katholiken, frotzelte der reformierte aus dem benachbarten seeland: korrekt, konstruktiv und kollegial. damit war beim ernsthaften teil seiner laudatio, den thesen zur konkordanz, die joseph deiss am 20. oktober 2004 im bundesrat zu debatte gestellt habe: diese brauche institutionelle, organisatorische und personelle voraussetzungen, habe der magistrat damals gefordert. ohne namen zu nennen, wussten alle im saal, wer warum gemeint war.
den kämpfer deiss würdigte erwin jutzet, der sensler im freiburger regierungsrat. für die einhaltung der milleniumsziele in der uno mache sich ehemalige aussen- und volkswirtschaftsminister der schweiz stark. bis 2015 will man die armut halbieren, die lebensqualität nachhaltig sicher und die biodiversität fördern. gekämpft haben beide im parlamentarierfussball mit- und im murtenlauf gegeneinander.

als bundesrat sah sich joseph deiss bisweilen dem vorwurf ausgesetzt, effizient regiert zu haben, ohne farbe zu bekennen. an diesem abend habe ich einen äusserst kompetenten, überzeugten und einfühlsamen weltbürger kennen gelernt, der viel ausstrahlung verbreitete. man hatte den eindruck, er habe nicht nur von der überschaubaren enge der schweizer verhältnisse in die unübersichtliche weite der globalen konstellationen gewechselt, nein, er sei dabei neugieriger denn je geworden.

soyez curieux!

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