“SuccèSuisse” und die masseneinwanderungsinitiative der svp

eigentlich war es mein 56. geburtstag. zum kleinen mittagessen war ich am letzten donnerstag im berner restaurant diagonal eingekehrt. carmen, die gesellige deutsche, servierte einen drink.

der zufall wollte es, dass sich adrian amsutz, fraktionschef der svp, an den tisch nebenan setzte. schnell entwickelte sich zwischen uns eine diskussion über die abzocker-initiative und die politischen reaktionen seither. das gespräch lenkte ich auf unter anderem auf “SuccèSuisse”, die neugegründete plattform für unternehmer, die sich politisch für das (bürgerliche) erfolgsmodell schweiz einsetzen wollen.

amstutz kannte die am morgen via nzz bekannt gemachte initiative von nationalrat ruedi noser noch nicht. ich half ein wenig nach und erwähnte, auch sein fraktionsvize thomas aeschi sei mit von der partie. dies erstaune, denn die plattform sei gegen zahlreiche volksinitiativen gerichtet, so auch gegen die masseneinwanderungsinitiative der svp. o-ton amstutz: wenn dem so sei, habe aeschi die satzung nicht richtig gelesen. denn an seiner position in der frage bestehe kein zweifel.

beide war klar, da braucht es ein wenig (auf)klärungsarbeit!

am abend twitterte ich ein wenig hierzu, weil es gar nicht so klar war, ob die masseneinwanderungsinitiative von “Succcèsuisse” als chance oder gefahr für die schweiz durchgehen solle. nzz-redaktor häfliger bestätigte, das genannte volksbegehren sei in der ersten fassung des papiers enthalten gewesen, fehle aber in der finalen. im nzz-artikel wurde sie auch nicht zitiert, im beigestellten interview mit initiant noser kam sie aber prominent vor.

nun wissen wir es: ruedi noser, der vorzeige-unternehmer aus den reihen der fdp, betrachtet die bilateralen als kernbestand des erfolgsmodells schweiz – und hat die unternehmer-plattform gegen die masseneinwanderungsinitiative positioniert. wie die nzz eben vermeldete, hat sich der zuger svp-nationalrat von “SuccèSuisse” verabschiedet.

prost! ich verspreche, ausser an meinen geburtstagen politisiere ich nie.

stadtwanderer

eine kleine chronik der jüngsten zeitgeschichte

ich habe selber gestaunt, als ich zu recherchieren begann, was der stadtwanderer zu stichworten wie “konkordanz”, “bundesratswahlen” und “parlamentswahlen” alles hergibt. eine kleine chronik der jüngsten zeitgeschichte, für alle zum nachlesen.

diebold schilling, der grosse chronist der berner geschichte, verewigte sich mit diesem bild in seiner einer eigenen chronik, um zu zeigen, wie er arbeitete. mit diesem post fasse ich zusammen, was ich zur jüngsten entwicklung der schweizer politik und seinem eigenwilligen politsystem in den letzten 6 jahren verfasst habe.

die serie zu den parlamentswahlen entstand als vorschau auf die wahlen 2011. sie ist weitgehend aus der erinnerung geschrieben, an die wahljahre 1991-2007. beigefügt habe ich eine remineszenz aus dem jahre 1975, die älteste parlamentswahl, an die ich mich direkt erinnern kann. selbstredend ist das wichtigste zu 2011 beigefügt worden. hier die links:

ein episodenreiches wahljahr 2011
stadtwandern für die auslandspresse
wie die wahlen 2011 ausgehen …
wie 2003 die machtfrage gestellt wurde und bisher nicht wirklich beantwortet wurde
wie 2007 der svp-wahlkampf alles dominierte, das wichtigste aber vergessen ging
wie die territorialstrategie der svp 1999 fast unbemerkt aufgeht
wie der rücktritt von otto stich den wahlkampf 1995 neu aufmischte
wie 1991 alles ins rutschen kam
meine erinnerung an die wahlen 1975

die bundesratswahlen gehörten seit 2006 zum festen programm auf dem stadtwanderer.angefangen hat alles mir der wahl von doris leuthard. die folgenden wahlen, jene von eveline widmer-schlumpf, ueli maurer, didier burkhalter, simonetta sommaruga und johann schneider-ammann, folgten auf den fuss. selbstverständlich boten auch die abwahlen von ruth metzler und christoph blocher hinreichenden stoff für blogs; hier die links:

geschichte der parlaments- und bundesratswahlen im überblick
von der zukunft des schweizer politsystems
das politische system im schweizerischen bundesstaat
politzentrum bern gestärkt
gewählt ist … simonetta-jacquelin schneider-sutter
es ist sehr viel geschirr zerschlagen worden
wählen parlamentarierInnen rational oder irrational?
die macht der langen formeln
die entscheidenden worte fielen beim stadtwandern
auf impressionenfang zu den bundesratswahlen
die abWahl
bestimmen sie zehn momente des politkulturellen wandels
bern bundesplatz: 12. dezember 2007
go, doris, go! (6)
go, doris, go! (5)
go, doris, go! (4)
go, doris, go! (3)
go, doris, go! (2)
go, doris, go! (1)

so ganz bewusst war mir nicht mehr, dass ich mich so oft mit dem konkordanzsystem der schweiz befasst habe. einerseits finden sich hier artikel, die aus den umständen oder leserInnen-reaktionen entstanden sind, anderseits hat es ein paar grundsätzliche bloge zum regierungs- und politsystem der schweiz, wie es mich als politikwissenschafter wie auch als historiker interessiert. hier die links:

die politsystem der schweiz
was tun gegen die krise der konkordanz?
die konkordanz ist zerbrechlich, zerbrechen wir sie also!
was eigentlich ist oppostion im konkordanzsystem?
wo die zauberformel ausgeheckt wurde
50 jahre nach der geburt der zauberformel
wie die zauberformel entstand
frage an radio stadtwanderer: was ist konkordanz?
weshalb mit in albanien bewusst wurde, warum die schweiz ein konkordanzsystem hat
das regierungssystem der schweiz, von seinen anfängen bis in die nahe zukunft
eine typisch schweizerische integrationsgeschichte
das politische system des frühen bundesstaates
die politischen systeme der werdenden schweizerischen eidgenossenschaft

stadtwanderer

meine neue stadtwanderung: konkordanz woher? wohin?

er ist einer der am häufigsten zitierten begriffe zur schweizer politik – dabei ist er gar nicht so einfach zu definieren. deshalb ist dem „konkordanzsystem“ meine neue stadtwanderung gewidmet.


baustelle bundeshaus: konkordanz für immer? oder als episode? das grosse thema meiner neuen stadtwanderung

der niederländisch-amerikanische politikwissenschafter klassierte das politische system der schweiz als eines, das mittels elitenkooperation die heterogenen voraussetzungen überbrückt. genau das herzuleiten, die möglichkeiten und grenzen aufzuzeigen, ist das motto meiner neues stadtwanderung, gedacht für interessierte an der schweiz, die das geschehen in unserem land mitverfolgen, es aber nicht immer verstehen.

die stationen der neuen stadtwanderung
1. nydeggkirche: bern – die europäische brückenstadt an der aare
2. altstadt: das ancien régime – wo die politische kultur ihren ursprung hat
3. rathaus: die helvetische republik – die französische revolution erschüttert die alpenrepublik
4. erlacherhof: „restauration“ – ein epochenbegriff mit berner hintergrund
5. casino: der bundesstaat von 1848 – der freisinn als staatsgründer
6. hotel bern (vormals volkshaus): der generalstreik – das ende der freisinnigen herrlichkeit
7. bundesplatz: bundesratswahlen – aufstieg und niedergang der „zauberformel“
8. europa-allee: nein zum EWR – ja zu den bilateralen: die schweiz suchten ihren weg mitten in europa

mit der neuen stadtführung stelle ich bern als europäisches zentrum vor, das seit jeher an der aare brückenfunktionen hatte: zwischen burgundern und alemannen, zwischen zürchern und genfern reformierten, zwischen sesshaften und nomaden der gegenwart. in berns ancien régime entwickelt sich der für die schweiz so typische regionalismus der mittelalterlichen städte, die strenge des konfessionalismus (nach der reformation=, die sparsamkeit der steuerparadiese (man glaubt es kaum!) und der staat der milizsoldaten und –politiker geradezu müstergültig.

mit lautem donnerschlag setzen die französischen revolutionäre 1798 demschritt für schritt gewachsene gemeinwesen ein jähes ende. doch zerschellte auch ihr vasallenstaat am europäischen krieg, der damals in der eidgenossenschaft tobte. was von der helvetischen republik bis heute bleibt, ist die gleichheit der kantone, der eidgenössische kanzler (heute bundeskanzlerin genannt) und das kollegialsystem, mit dem einige (männer), das land gemeinsam zu regieren suchen. der rest des revolutionären projektes ging mit dem wiener kongress 1815 unter. der neue epochenbegriff, die restauration, wurde in berns gassen erfunden, wo, was schon ironisch wirkt, die wiederherstellung der alten verhältnisse jedoch missriet. denn gegen die vorherrschaft der hauptstädte im alten régime wandte sich der kraftvolle liberale geist des bürgertums in den landstädten, der sich am wirtschaftlichen fortschritt ausrichtet und die alten zöpfe abschnitt.

1848 entstand die schweizerische eidgenossenschaft als bundesstaat. er sollte das bleibende produkt des europäischen revolutionsjahres sein und den beginn der freisinnigen vorherrschaft in der schweiz begründen. die industrialisierung im innern, aber auch die bedrohung im kriegerischen europa erforderten 1874 eine stärkere zentralisierung des staates, kompensiert durch direkte demokratie für die bürger und verbandseinflüsse für die wirtschaft. der nationalismus des ausgehenden 19. jahrhhunderts erreichte die stolze schweiz, die angesichts der aufkommenden arbeiterschaft mit ihrer alten konfessionellen spaltung aufräumte.

das ende des ersten weltkrieges brachte soziale not ins land, und der generalstreik der gewerkschaften von 1918 bedrohte die liberale herrlichkeit zutiefst. eingeführt wurde jetzt das proporzsystem für die wahl des nationalrates, mit dem ein neues parteiensystem entstand. die fdp bildete mit der katholischen volkspartei und der bauern-, gewerbe- und bürgerpartei den streng antikommunistischen bürgerblock, scheiterte aber an den interessengegensätzen zwischen binnen- und aussenwirtschaft. sozialpartnerschaft und bundesratsbeteiligung der sp-die basis imvollmachtenregime legten die basis für die neue form der elitenkooperation, die 1959 in der „zauberformel“ für die bestellung der bundesregierung ihren höhepunkte kannte, die dem land politischen frieden und wirtschaftlichen aufstieg ermöglichte.

gesellschaftlicher wandel, politisierende und streikende frauen, die ihren vorenthaltenen anteil an macht und freiheit forderten, rüttelten die gemütliche idylle der männerwelt auf. bundesratswahlen wurden zum kampfplatz der geschlechterfrage, bis die frauen 2010 eine mehrheit des bundesregierung stellten. der aufstieg der svp als führende nationalkonservative kraft der schweiz sprengte die zauberformel spätestens 2008 vollends. was von 1959 bleibt ist eine schlecht gehütete formel zur bestellung des bundesrates, die fast jedes mal neu berechnet werden muss, sodass man sich frage, ob das noch konkordanz sei.

hintergrund des politischen wandels ist die ungelöste europafrage, denn die schweiz maccht nicht mit in der eu, und ist doch ein teil von ihr. im ewr-trainingslager mochte die mehrheit der stimmenden nicht mitmachten, und so einigt man sich zur jahrtausendwende auf die bilateralen verträge mit der europäischen union. wirtschaftlich sind sie ein erfolg, gesellschaftlich bringen sie rasante veränderungen, und in der eu sind sie weniger beliebt als in der schweiz, sodass die zukunft etwas offen erscheint.

bern – die brückenstadt, in der sich europäische mit lokaler historie verbindet, bietet einen idealen ort, um schweizergeschichte und -politik zu erzählen und an sieben symbolträchtigen orten sinnlich erfahrbar zu machen. meine hoffnung ist es, danach besser zu verstehen, was konkordanz ist, wie sie in der schweiz entstand und was sie in unserem land heute noch bedeutet.

interessentierten gruppen, die bei der neuen rund zweistündigen wanderung ab april 2013 mitmachen möchten, melden sich am einfachsten direkt beim

stadtwanderer

weltkulturerbe im weltkulturerbe

berns altstadt gehört seit 1984 zum unesco-weltkulturerbe. das gleiche gilt, seit 1987, für die terrakottakrieger aus china. erstmals gastieren 10 der tönernen zeugen aus der zeit des ersten chinesischen kaisers in bern. ein ausstellungsbesuch.


eine der vom 15.3. bis 17.11.2013 in bern ausgestellten terrakottakrieger von hinten

das bernische historische museum ist für die neueste ausstellung aus china angebaut worden. so gibt es einen erweiterten buchhandlungsbereich mit viel literatur für jung und alt über china, und man kann im neuen qin-restaurant (sprich gin wie auf englisch) fernöstlichen tee und asiatische speisen geniessen.

die präsentation der terrakottakrieger im untergeschoss des bekannten ausstellungstraktes gliedert sich in drei teile: dem werden des kaiserreiches china, insbesondere des ahnenkultes aus der zeit des ersten jahrtausends vor unserer zeitrechnung, zuerst; den 10 terrakottakriegern, die den weg nach bern fanden danach; und der einführung in die produktion der tonfiguren im alten china als drittes.

gut 20 stationen mit mehr gegen 200 exponanten aus vergangener zeit hat man hinter sich, wenn man sich beim plan des riesigen kaisergrabes nach rechts wendet und die ersten 6 figuren aus vergangener zeit erblickt. lebensgross sind sie und realistisch dazu; nur die die ursprünglichen farben fehlen. es hat reiter, krieger, beamte und musikanten. allesamt sind männer, nicht einfache schemen jedoch, sondern typen mit individuellen gesichtszügen. das macht sie einem schnell einmal vertraut.

ein wenig erfurcht ergreift einem schon, wenn man bedenkt, dass die tonmenschen im 3. jahrhundert vor unserer zeitrechnung entstanden und bis 1974 vergessen in der erde chinas lagerten. dann entdeckten sie 1974 einige bauern beim bau eines wasserbrunnens. seither werden die figuren stück für stück ausgegraben. 8000 sollen zu lebzeiten des ersten kaisers qin shi huangdi produziert worden sein, um ihn, nach seinem tod, im jenseits zu dienen. fast alle waren zerstört, als man sie fand, denn schon kurz nach dem ableben des herrschers wurde die grabstätte geplündert. so fehlen heute die meisten waffen der krieger oder die instrumente der musiker. findige archäeologInnen setzten aber die weitgehend zerfallenen figuren neu zusammen, sodass man heute einen guten eindruck von der früheren pracht hat.

gestern freitag wurde die ausstellung in bern eröffnet, und heute war sie voll von interssierten besucherInnen. angesprochen werden sie in mehreren sprachen, und die internationale zusammensetzung der gäste merkt man schnell, wenn man ein wenig ihren sprachen lauscht. nebst berner mundert hörte man viel hochdeutsch, französisch, aber auch spanisch und wohl auch chinesisch.

sicher bin ich bei letzterem nicht, denn die sprache der chinesInnen beherrsche ich ebenso wenig wie ihre schriftzeichen. ein wenig der fernöstlichen zivilisationsgeschichte habe ich dennoch mit auf den weg mitbekommen. so die entstehung des kaisertums, das beginnt, als rom noch gegen hannibals elephanten schlachten verliert; so die handwerkskunst am hof des herrschers, die bemerkenswert entwickelt war; und so der umgang der nahen beamten mit dem kaiser, der bei eines inspektionsreise in seinen ländereien erkrankte und verschied: in einem stinkenden fischtransport musst man ihn an den hof zurückbringen, denn die verwesung des leichnams setzte rasch ein und den untertanen wollte man das ende des unsterblichen kaisers verheimlichen, bis die nachfolge geregelt war.

dank seiner terrakottaarmee lebt kaiser qin shi huangdi bis heute weiter, dank der unesco ist sie ein teil des weltkulturerbes geworden, und dank bern, einem anderen teil des gleichen globalen traditionsbewahrung, kann man sich dem 8. weltwunder selber schritt für schritt annähern.

stadtwanderer