mein saisonprogramm als stadtwanderer

was ich dieses jahr als stadtwanderer vorhabe. und was noch offen ist.

ich habe viel zu tun, beruflich. institutsleiter am forschungsinstitut gfs.bern, lehraufträge an den universitäten zürich und bern und das srg-mandat halten mich auf trab. deshalb muss ich dieses jahr als stadtwanderer ein wenig kürzer treten. dennoch, es ist eine stattlich zahl an führungen zusammengekommen, mit neualten themen, jeweils auf das publikum zugeschnitten. höhepunkt wird sicher die winterwanderung für die schweizerischen vereinigung für politikwissenschaft, die speziell zur eröffnung des jahreskongresse 2014 in bern abgehalten wird.

18.5.2013 stadtwanderung mit dem gfs.bern zum thema “konkordanz woher? konkordanz wohin?”
erster testlauf für meine neue stadtwanderung zur geschichte, gegenwart und zukunft der konkordanz in der schweiz

4.6.2013 stadtwanderung mit der badischen zeitung (deutschland) zum thema: “bern – von der schwäbischen gründung bis zur hauptstadt der schweiz
führung für meine gäste aus baden-württemberg zur frage, wie es zur direkten demokratie kam, welche rolle die eisenbahnen hierfür spielten, und weshalb wir trotzdem die grössten eisenbahnfans europa sind.

14.6.2013 stadtwanderung mit familie leuenberger zum thema “wie der bär nach bern kam und weshalb er hier blieb”

lockere führung zur symbiose von bär, berna und bern. geeignet für jung und alt!

19.8.2013 stadtwanderung mit büro vatter zum thema “konkordanz woher? konkodanz wohin?”
zweiter testlauf für meine neue stadtwanderung zur geschichte, gegenwart und zukunft der konkordanz in der schweiz

16.9.2013 stadtwanderung mit interpharma zum thema “die schweizerische eidgenossenschaft in theorie und praxis”
kleinstaat, föderalismus, direkte demokratie und korporatismus als theoretische basis des konkordanzsystems: konsens, kompromiss, wettbewerb und dominanz als praktische ausgestaltung der entscheidungsprozesse in der schweiz.

23.10.2013 stadtwanderung mit dem versicherungsverband zum thema “die schweizerische eidgenossenschaft in theorie und praxis”
kleinstaat, föderalismus, direkte demokratie und korporatismus als theoretische basis des konkordanzsystems: konsens, kompromiss, wettbewerb und dominanz als praktische ausgestaltung der entscheidungsprozesse in der schweiz.

19.11.2013: öffentlicher gastvortrag an der universität zürich, lehrstuhl für alte geschichte zum thema “burgund – was passiert, wenn ein name wandert und nie wirklich ankommt”.
nur im übertragenen sinne eine stadtwanderung, aber eine tolle einladung von beat näf, der als professor selber mit (virtuellen) stadtwandererungen experimentiert und mich eingeladen hat, zum besagten thema in seiner vorlesung zur römischen antike und ihrer rezeption einen vortrag zu halten.

22.11.2013: stadtwanderung mit iri europe (delegation aus deutschen bundesländern) zum thema: wie es zur direkten demokratie in der schweiz kam.
wie meist vor volksabstimmungen besucht bruno kaufmann von iri europe mit einer ausländischen delegation die volksabstimmungen in der schweiz. diesmal werden es vertreterInnen aus den deutschen bundesländern sein. ich halte meinen klassiker, mit dem schwergewicht auf die demokratisierung der schweiz im 19. jahrhundert.

30.1.2014 stadtwanderung im rahmen des jahreskongresses der schweizerischen vereinigung für politikwissenschaft zum thema: “konkordanz woher? konkordanz wohin?”
eigentlicher startschuss für meine neue stadtwanderung zur geschichte, gegenwart und zukunft der konkordanz in der schweiz.

zudem mache ich für meine mitarbeitenden je eine kleine führung mit essen durch meine sechs lieblingsrestaurants in bern. welche das sind verrate ich der reihe nach.

stadtwanderer

vom kollektiven überleben zur individuellen selbstentfaltung

200 jahre hielt der linthkanal zwischen walen- und zürichsee. dann musste das grösste wasserbauwerk schweiz renoviert werden. gestern wurde es wieder eröffnet. ein augenschein des analytikers.

es sind alles mädchen, die summen, singen und scherzen. ihr motto: nach jahren der herrschaft durch bauleute sei es zeit, die linth wieder selber einzunehmen. toleriert werde noch ein schleusenwart, der den wasserstand im kanalsystem regeln dürfe; dafür suche man gegenwärtig den fähigsten. im strengen personal assesment verfahren seien die gemeindepräsidenten der umliegenden gemeinden aufgefallen; favorit sei der pensionierte von schänis, weil er am besten wisse, wann seine leute nasse füsse hätten.

der applaus im grossen festzelt war dem jungen piratinnen-chor sicher. denn er gefiel nicht wegen der gekonnten outfits, der eingängigen musik und der kecken sprüche. vielmehr brachte er auch zum ausdruck, dass man in der in der linthebene stolz auf die fertigestellte renovation des grössten wasserbauwerkes der schweiz sei.

angefangen hatte alles mit dem hochwasser von 1999 und 2005. dabei wurde klar, dass die alten dämme aus torf nicht mehr für immer stand halten würden. knapp 10 jahren plante man, 5 weitere war man am bauen. 123 millionen schweizer franken hat das alles gekostet, wovon 55 vom bund kamen, 68 die vier kantone st. gallen, schwyz, glarus und zürich als mitglieder des linthkonkordates beisteuerten.

willy haag, präsident der beteiligten kantone, ging auf die geschichte des projektes ein. ursprünglich habe man nur an bautechnik gedacht. doch dann sei wegen gesetzlichen auflagen der erhalt der natur hinzu gekommen. das habe interessenkonflikte erzeugt: die landbesitzer wollten nichts hergeben, und die umweltschützer forderten immer mehr ökologie. schliesslich habe das bundesgericht entscheiden müssen.

12 bundesrätInnen haben in den letzten 60 jahren den linthkanal besucht, zuletzt doris leuthard, festrednerin der feier zur neueröffnung. sie betonte, wie wichtig die zusammenarbeit zwischen bund und kantonen gewesen sei, denn nur mit kooperativem verhalten von bauern, reitern und wwf sei man in der lage, bauwerke und konflikte dieser art zum vorteil vieler zu bauen und zu regeln.

die linthkorrektur als gesamteidgenössisches unterfangen: das gilt sei 1804, als der damalige bauingenieur hans konrad escher, genannt “von der linth”, mit der idee vor die tagsatzung trat, ein kantonsübergreifendes, neuartiges kanalsystem von mollis bis lachen zu errichten. sein grosses ziel war es, die regelmässigen überschwemmungen inbesondere in weesen am ende walensee zu verhindern, die genauso viele schäden an landschaft und kulturland wie mücken und krankheiten mit in die gegend brachten. 1807 begann man mit dem bau, der 200 jahre hielt.

bis heute zählt der linth-scher-kanal zu den bedeutendsten symbolen der helvetischen republik, die sichtbaren fortschritt brachten. ein werbefilm zum linthwerk unter dem motto “weitsicht bringt zukunft“, der an der eröffnungsfeier gezeigt wurde. schlug die brücke von der vergangenheit in die gegenwart, vom kampf für das kollektive überleben bis hin zu den verschiedenartigsten wünschen der individuellen selbstentfaltung. denn ein kanal ist heute nicht einfach ein kanal; er ist naherholungsgebiet und biosphäre in einem. politikwissenschafter wie ronald inglehart halten das für eine der typischen wertverschiebungen der gegenwart, welche die politik ganz anders als früher heute herausfordern würden. das wissen von ingenieuren reicht da nicht mehr, es kommen freizeitspezialistInnen und ökologInnen hinzu, wenn es gilt, die verschiedenen erwartungen zu koordinieren.

die jungen piratinnen kümmerten die hochtrabenden worte und gefühlsbetonten bilder im festzelt zu benken nicht. sie entführten die bundesrätin symbolisch auf auf die bühne, wo sie zum zahlreich erschienen publikum sprach, derweil die jungen mädchen hinter die bratwürste der ehrengäste machten.

stadtwanderer

zwischen nähe zu schurkenstaaten und verhandlungsgeschick als überlebensstrategie

“vergangenes vergeht nicht”, meinte roland kley, moderator der gestrigen veranstaltung über “recht, moral und diplomatie” an der universität st. gallen. das gelte insbesondere, wenn es sich um die zeit des zweiten weltkrieges handle, fügte er bei. und er sollte recht bekommen.

anlass für die veranstaltung des instituts für rechtswissenschaft und rechtspraxis bot das neue buch „Minister Hans Frölicher. Der umschtrittenste Schweizer Diplomat“ von paul widmer. thematisiert wird darin der schweizer gesandte in berlin während des zweiten weltkrieges, wie man die diplomaten damals noch nannte.

sein gesellenstück abgeliefert habe frölicher mit der anerkennung des franco-regimes durch die schweiz, meinte widmer. das habe ihn nicht nur hierzulande bekannt, sondern auch im vorherrschenden ausland salonfähig gemacht. 1938 kam frölicher in hitlers hauptstadt, vom bundesrat geschickt, um die beziehungen zum bedrohlichen nachbarn zu verbessern. in die oberste etage der nsdap reichte das netzwerk des zürchers zwar nicht; dank seiner herkunft aus einer angesehenen industriellenfamilie mit deutschfreundlicher ausrichtung erschloss er sich und der schweiz aber rasch wichtige beziehungen in wirtschaft und gesellschaft. damit setzte er sich vorteilhaft von seinem abberufenen vorgänger paul dinichert ab.

der handelsdiplomatie der schweiz im zweiten weltkrieg öffnete fröhlicher damit lebenswichtige türen, um kostbare güter wie kohle und andere rohstoffe zu erhalten. diese setzte man mitunter in der maschinenindustrie ein, die beispielsweise nach deutschland lieferte und von dort als kriegsmaterial verwendet wurde. finanziert wurde das ganze nicht unwesentlich durch die schweizerische nationalbank, welche kredite in der höhe einer miliarde schweizer franken vorschoss, um den handel mit deutschland in schwung zu halten. refinanziert werden sollte alles, bei einem sieg der wehrmacht in der sowjetunion in form von naturalien.

1945, als der diplomat nach bern zurückkehren musste, bemerkte er in der heimatlichen umgebung, in ungnade gefallen zu sein. der bundesrat stellte sich auf ein nachkriegseuropa ein, das nicht mehr nach deutschem vorbild konzipiert war. die armee wiederum nutzt die gunst der überlebensstunde, um sich ohne seitenblick auf andere ursachen als heldenhafte landesverteidiger profilieren zu können. edgar bonjour, der bedeutende basler historiker, der die monumentale geschichte der schweizer neutralität verfasst hatte, stürzte frülicherganz von sockel, als er seinen offiziellen bericht zum verhalten der schweiz im krieg abgab und recht eigenwillig lob und tadel verteilte.

genau da hackte paul widmer mit seiner jüngst erschienen biografie ein, aus der er gestern unprätentiös den schweizer gesandten in berlin vortrug. er erzählte die stationen der karriere des diplomaten, zitierte ohne manuskript aus den berichten, die er in berlin verfasst hatte, kam zum nachleben frölicher in der geschichtsschreibung, um zu seiner eigenen, abwägenden beurteilung zu gelangen. frölicher sei weder der nützlicher sündenbock für fehler der schweiz in schwierigen zeiten, noch ein leuchtendes vorbild für die neutralität des landes im krieg gewesen, bilanzierte er. strategisch hätten der bundesrat und frölicher richtig gehandelt, verteidigte widmer das system, denn der mann vor ort sei der schweiz von nutzen gewesen. dabei habe er fehler gemacht, so in der flüchtlingsfrage, beim druck auf die schweizer presse (namentlich die nzz) und bei der mitinitiierung der mission schweizer ärzte an die ostfront, die nur deutsche soldaten pflegen durfte.

einen (scheinbaren) kontrapunkt zu den ausführungen des konservativen widmers setzte hsg-professor thomas geiser. schon in den 70er jahren kritiserte er, damals noch im kommunistischen “vorwärts” die verurteilung frölichers, denn mit der nachträglicher begeisterung für die schweizer armee haben man nur ihr militärisches versagen in wichtiger zeit übertünchen wollen. gestern doppelte der linke arbeitsrechtler nach, angesichts der propaganda des geheimdienstes zugunsten der landesverteidigung hätte der aufbau der viel nützlicheren handelsbeziehungen zum dritten reich einfach keinen platz mehr gehabt.

anders noch als die schriftsteller hans hürlimann und urs wiedmer mit ihren theaterstücken, die im umfeld der diamant-feierlichkeiten anfangs der 90er jahre mit dem beispiel “frölicher” die nachwelt aufrütteln wollte, konträr auch zu niklaus meienberg, der in seiner biografie über den hitler attentärer maurice bavaud frölicher als herzlosen menschen diskrediterte, war man an diesem st. galler abend sichtlich um ausgleich bemüht. das blieb nicht ohne nebengeschmack: denn widmer ist heute selber diplomat, arbeitete in den 90er jahren im büro des gesandten in berlin, und heute vertritt er die schweizer interessen bei heiligen stuhl. und thomas geiser beschrieb in seinen kommentar zu frölicher niemand geringeren als seinen eigenen grossvater. dies alles erinnerte daran, dass schon frölichers schwiegersohn den verfemten öffentlich verteidigt hatte, abgesehen von den memoiren des gescholtenen, die posthum erschienen, und in historikerkreisen als einseitige rechtfertigungsschrift gilt.

immerhin, paul widmer gelang es ansatzweise, über das persönliche, auch mitbetroffene hinaus neue perspektiven der beurteilung zu entwickeln: so vergleich er fröhlicher mit anderen schweizer diplomaten im zweiten weltkrieg, etwa paul ruegger in rom, walter stucki in vichy und carl jakob burckhardt als hoher kommissar in danzig. so verschiedene ihre hintergründe in bern, luzern, basel und zürich waren, in politischen ansichten als patrioten, bürgerliche eingestellte demokraten, für die der kommunismus bedrohlicher war als nationalsozialismus, faschismus und autoritarismus unterschieden sie sich nicht. denn sie alle brachten ein gewisses verständnis auf für die entwicklungen in ihren residenzländern, und widersetzten sie sich dem, wurden sie, wie ruegger schnell als persona non grata abberufen werden mussten. widmer zog vergleiche in die tätigkeit der diplomatie in der gegenwart, die in einem ähnlichen konflikt stehe, wenn auch mit einem unterschied: nach dem zweiten weltkrieg habe man die bedeutung der menschenrechte erst richtig erkannt, und sie werde dem verfolgen der staatsraison, wo auch immer man sei, klarer gegenüber gestellt.

gerne hätte man darüber mehr gehört. denn schurkenstaaten gibt es heute auch, das verhalten der schweiz ihren gegenüber oszilliert zwischen vorwürfen der mangelnden distanz und bewunderung für vermittlungskunst. so begriff man an diesem abend gut: vergangenes vergeht nicht, vor allem wenn es den zweiten weltkrieg geht, das überleben der schweiz mit einer fragwürdigen rolle im konzert der mächtigen.

stadtwanderer

von stammbäumen und generationen der schweizer parteien

eine kleine geschichte der parteien in der schweiz und eine ebenso knappe analyse der systematischen veränderungen im hiesigen parteiensystem.

sie sass vor dem berner restaurant “diagonal” und ass den feinen frühlingssalat. dazu stöberte sie in der nzz, blieb beim artikel über die geschichte der parteien in der schweiz hängen, konsultierte mit dem finger die geschichtlichen entwicklungen von svp, cvp, fdp und sp. als ich sie fragte, ob ich für meinen blog eine bild machen dürfe, lächelte sie und meinte, sie sei stolz in der ältesten partei der schweiz zu sein. knips!

jacqueline fehr, sp-nationalrätin aus winterthur, verarbeitete gerade den beitrag von politikwissenschafter adrian vatter zur genealogie der parteien in der schweiz. er zeigt auf, wie die liberalen und konservativen parteien in der schweiz im 19. jahrhundert aus vereinen entstanden, die ein milieu repräsentierten und weltanschauliche zielsetzungen hatten.

mit der einführung des nationalen parlamentes entstanden in der schweiz nicht einfach politische parteien, sondern fraktionen: das waren (und sind) zusammenschlüsse von politikern mit ähnlicher gesinnung. den anstoss zu eigentlichen parteien gab die linke, die ihren ursprung mehr in internationalen assoziation der arbeiterbewegung hat. die gründeten nationale sektionen, unabhängig davon, ob man im nationalen parlament vertreten war oder nicht. so entstand 1888 die sp, was parteigründungen der fdp (1894), der demokraten (1905), der katholiken (1912) und der liberalen (1913) auf nationaler ebene zur folge hatte.

am ende des ersten weltkrieges änderte das schweizer stimmvolk auf druck der sp das wahlrecht für den nationalrat, was neuen, kleinen gruppierungen chancen bot. unmittelbar damit verbunden in die entstehung der evp (1919), der kommunisten (1921), mittelbar davon abhängig sind die anfänge der bgb und des landesrings der unabhängigen (national je 1936 gegründet). lange zeit blieb das parteienspektrum so; genau genommen bis zur einführung des “zauberformel” für die zusammensetzung des bundesrates mit je 2 vertretern von fdp, kv (heute cvp), sp und einem aus den reihen der bgb (heute bgb).

die ersten, die auf die grosse koalition reagierten, waren die leute von der nationalen aktion, die 1961 eine rechte oppositionspartei gründeten; 1971 kamen die republikaner zweite rechtspartei dazu. das gegenstück dazu bildeten die revolutionäre-marxistische liga 1969 und die progressiven organisationen der schweiz 1971 auf der linken seite. auf die veränderungen in gesellschaft und politik regierten die konservativen parteien mit fusionen: in der cvp schlossen sich 1970 verschiedene christliche strömungen konserevativer und sozialer art zusammen, in der svp folgte im jahr darauf der zusammenschluss von bgb und teilen der demokraten. eine substanzielle erweiterung erfuhr die parteienlandschaft erst 1983 mit der bildung der grünen partei wieder; 1985 folgt die bildung der eidgenössisch-demokratischen union, ein jahr darauf die der autopartei und 1997 die der csp, die sich ausserhalb der cvp organisierte. die drei jüngsten zweige im stammbaum der schweizer parteien betreffen die grünliberale partei (2007), die bürgerlich-demokratische partei (2008) und die piratenpartei (2009).


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meinerseits habe ich, auf dem gleichen material basierend, aber mit anderer zielsetzung eine eigene schematisierung entwickelt, die weniger auf die genealogie der parteien abstellt, dafür aber die auffällige eigenschaft aufgreift, dass parteiegründungen zeitlich nicht beliebigt verteilt vorkommen, sondern sich rund um historische umbrüche herum häufen. entsprechend habe ich am montag dieser woche in einem vortrag an der fachhoschschule nordwestschweiz in brugg-windisch vorgeschlagen, von “generationen” von parteien zu sprechen:

die erste generation besteht aus vereinen, bewegungen und fraktionen.
die zweite ist gekennzeichnet durch die frühen parteigründungen, von der sp bis zur lp.
die dritte ist die folge des veränderten wahlrechtes zum proporz, verbunden mit einer pluralisierung des parteienspektrums.
die vierte bildete sich als folge des frauenstimm- und wahlrechts, (indirekt) ist sie mit der gründung von svp und cvp verbunden.
die fünfte leitet sich ab aus der neupositionierung der svp und ihrem aufstieg zur stärksten partei, kombiniert mit der bekannten polarisierung, die bis in die jüngste gegenwart reichte.
und die sechste wäre dann die folge davon, am bestehen ausgedrückt durch die entstehung von glp, bdp und piratenpartei, die alle wie vermehrt in der politischen mitte politisieren.


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ob meine sechste generation von parteien in der schweiz schon geboren wurde oder nicht, bleibt abzuwarten. sie hängt davon ab, ob sich die neuen parteien wie glp und bdp dauerhaft platzieren können und ob sie mit ihrer position die politische arbeit in parlament und regierung beeinflussen können. denn das könnte der weiterentwicklung des politischen systems, namentlich auch des regierungssystems einen neue dreh geben.

den wünscht sich sich übrigens jacqueline fehr. denn, so sagte sie mir nach dem unerwarteten fototermin, die polarisierung zwischen links und rechts sei im parlament aus machtpolitischen gründen erheblich, derweil die allianzbildungen zur mehrheit durch sachpolitische überlegungen durch glp und bdp durchaus beeinflusst werden könnten.

stadtwanderer

stadtwandern, um die entwicklung des konkordanzsystems verstehen zu lernen

dass ich eine neue stadtwanderung durch bern habe, stand jüngst auf diesem blog. neu ist seit gestern, dass stadtwandern ein fester programmpunkt der jahrestagung der schweizerischen vereinigung für politikwissenschaft wird.


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morgen startet die probetour zu meiner neuen stadtführung. sie wird dem thema “konkordanz: woher? und wohin?” gewidmet sein. der erster teil der wanderung ist den historischen spuren der konkordanz gewidmet: zum beispiel vergangenen adelsheiraten, die konkurrierende herrschaften befriedeten. zum beispiel dem beuteverteilprinzip nach der schlacht von murten, wonach jedes fähnlein unabhängig von der zahl der krieger gleich viel bekam. zum beispiel der konsensbildung unter reformierten predigern, die ihre unterschiedlichen ansichten angesichts der gegenreformation einandern anzugleichen. und zum beispiel den männerbünden, welche die schweiz regier(t)en.

seit jeher ist man so versucht, regionale partikularismen, religiöse spaltungen und ausgrenzung von minderheiten zu überwinden. das heisst nicht, dass es in der schweizer geschichte keine konfliktreichen phasen gegeben hätte. ganz im gegenteil! zum beispiel der alte zürichkrieg, rund um die frage, ob eidgenössische stände jener der limmatstadt mit den habsburgern paktieren dürfen. zum beispiel die kappelerkriege, während der sich die konfessionellen lager mitunter heftig bekämpften. zum beispiel auch die bauernkriege, während denen die bauersleute aufbegehrten, und die herrschaften ohne rücksicht auf verluste zurückschlugen.

der zweiten teil der stadtwanderung gehört der rekonstruktion des politsystems. der aufbau des geltenden bundesstaates verlief nicht in grosser minne. die liberalen hatten sich im sonderbundeskrieg gegen die konservativen durchzusetzen, bevor die sozialdemokraten ihren zusammenschluss beförderten, was den gegensatz zwischen bürgertum und arbeiterschaft mit dem generalstreik am ende des ersten weltkrieges als höhepunkt mobilisierte. damit begann die eigentliche integrationsgeschichte der mderne. mit dem fall des majorzsystems für die wahl des nationalrates in einer volksabstimmung endet die die absolute mehrheit für den freisinn im eidgenössischen parlament. schrittweise wird die präsenz der vorläufer von cvp und svp im bundesrat gestärkt, bevor das klassendenken angesichts der äussern bedrohung durch wirtschaftskrise und nationalsozialimus auch den einbezug der sp ins regierungslager überwunden wird.

definitiv im gleichen boot sassen fdp, cvp, svp und sp zwischen 1959 und 2008, um gemeinsam die geschicke des landes zu steuern. bis ende 2003 galt, dass je zwei fdpler, cvpler und spler mit einem svpler den bundesrat bildeten. dann war der zauber vorbei; was blieb, war die formel, angepasst an die neuen parteistärken, mit einem sitzgewinn für die svp und einem verlust für die cvp. gehalten hat das nicht lange, denn 2008 verliess die svp erbost die bundesregierung, weil ihr bundesrat, christoph blocher, abgewählt wurde. seither befinden wir uns in einer übergangsphase in der regierungsbildung: weder die inhaltliche noch die nummerische konkordanz zählt, sondern das wieder eherne gesetz der bundesratswahlen, kein mitglied der landesregierung ohne äusserste not abzuwählen. parallel dazu mehren sich die zeichen der desintegration: der stadt/land-gegensatz erreichte bei der waffeninitiativen seinen historischen tiefpunkt; das politische erdbeben bei den national- und ständeratswahlen 2011 wird nur durch die auswirkungen einschnitt von 1919 übertroffen; keine vorlage des parlamentes scheiterte seit dem 2. weltkrieg so klar wie die managed care reform für das gesundheitswesen; und der zustimmungswert zur minder-initiative gegen die abzockerei knüpft an die seltenen grosserfolge der volksbegehren am ende des 1. weltkrieges an.

dennoch: einiges spricht dafür, dass wir systemisch gesprochen weiterhin ein konkordanzsystem haben, dass durch föderalismus und direkte demokratie bedingt ist, aber auch durch die abwesenheit von mehrheitsparteien und koalitionsvereinbarungen bestimmt wird. und so überrascht es nicht, dass es anhängerschaft des beibehalts gibt, genauso wie es reformvorschläge gibt: zum beispiel den übergang zu einer kleinen konkordanz mit nur einer polpartei in der regierung; zum die zusammensetzung des bundesrates ganz dem volk zu überlassen; oder die diskussion über den zusammenschluss von cvp und bdp eine gestärkte, neue mitte entstehen zu lassen.

zwei tiefgreifende konfliktlinien prägten die letzten jahre, ohne dass ihre verarbeitung im politsystem definitiv geregelt werden konnte: mein dritter teil der stadtwanderung beschäftigt sich deshalb mit der emanzipation der frauen, die ihre anteil an der politischen macht reklamieren, und mit dem verhältnis der schweiz zur europäischen union, das einer beidseitig akzeptierten dauerlösung harrt. ersters stärkte sp und gps namentlich in den 90er jahren des 20. jahrhunderts; letzteres beflügelte die svp in den nullerjahren des 21. jahrhunderts. gewachsen ist so der anteil der frauen in den behörden, bis sie vorübergehend eine mehrheit des bundesrates stellten; erstarkt ist aber auch die neue svp, welche das parteinsystem der schweiz vom moderaten zum polarisierten pluralismus übergehen liess. ohne verbindliche aussage, was in diesen beiden bereichen sache in der schweizer politik sein soll, wird die unruhe, wie sie sich beispielhaft während den letzten jahren zeigte, anhalten, wird die bürgergesellschaft die vorherrschaft von verbänden und ihren dachorganisationen in volksabstimmungen wiederkehrend anzweifeln, und wird die kritik an den behördenpolitik in der medienöffentlichkeit nicht abreissen.

genau diesem grundthema ist meine führung gewidmet. sie beginnt beim bärenpark als zeichen der genuinen macht, die aus der symbiose von bär und mensch entsteht, und sie endet mit einem offenen spaziergang auf der europaallee hinter den blicken aus dem bundesratszimmer. den genauen weg findet man auf obiger karte. sie markiert die wegstrecke der morgigen wanderung, dem testlauf für den grossen event am kongress der schweizerischen vereinigung für politikwissenschaft, der ende januar 2014 in der hauptstadt der schweiz stattfindet und die schweizer politologInnen aufrütteln will, sich mit der revolution, in der wir uns befinden, vermehrt auseinander zu setzen.

stadtwanderer

was machtest du über ostern in bantanges?

die gîte la fontaine von peter und barbara äschlimann-schild ist wieder offen. ziel eines ausflugs ins burgundische frankreich, das ich ohne einschränkung empfehlen kann.

sollten sie bantanges nicht kennen, kann ich das verstehen. ein mangel ist trotzdem! gelegen ist die gemeinde im canton montpont, der im arrondissement louhans liegt, was wiederum zum département saone-et-loire gehört, einem teil der region burgund in frankreich. von bern aus erreicht man bantanges mit dem pw über neuenburg und pontarlier, dann den tafeljura hinunter nach lons-le-saunier, von wo man in der ebene nach louhans fährt, um wenige kilometer später anzukommen.

genauer gensagt, bei peter und barbara äschlimann in der gîte la fontaine zu landen. die beiden exil-bernerinnen haben den heruntergekommenen hof 2002 übernommen, ihn zum vorbildlichen gästehaus aufgebessert, das sie seither persönlich führen. ende 2007 machten sie wegen gesundheitlichen problemen (vorerst) schluss. nun, 5 jahre später, haben sie sich erholt und den schritt zurück in den süden gewagt, um ihre gîte zu ostern 2013 neu eröffnen.

wer das burgund liebt, wer gerne châlons, macon oder tournus kennen lernen möchte, wer interessiert ist an cuisery, der (sonntags)stadt der bücher oder wer in louhans den montagsmarkt besuchen möchte, dem oder der kann ich das gästehaus in bantanges nur empfehlen, denn in 10 bis 30 minuten ist man mit dem auto in so unterschiedlichen stätten burgundischer kultur, wie den eben genannten.

bantanges selber ist nicht weltberühmt – ein strassendorf mit gut 500 einwohnerInnen, von denen es frankreich zahlreiche gibt. ein paar schritte vom kleinen zentrum weg, ist man jedoch mitten in der weitläufigen landschaft der bresse mit viel platz und ruhe, wo sich gelassenheit als gegenstück zum stress spielend leicht erlernen lässt.

ihre angestammten metiers haben die äschlimanns in bern zurückgelassen, um in bantanges als perfekte gastbeberInnen eine neue existenz aufzubauen. ihr motto ist herz und charme, schreiben sie im neuaufgelegten flugblatt, und das trifft ihr programm bestens.

jeder empfang ist warm und persönlich; wenn eine ganze gruppe kommt, trifft man sich am vorabend im eigenen carnozet bei einem kir royal. das gemeinsame nachtessen in der guten stube mit rotem sofa und schwarzem cheminee ist stets selbst zubereitet und gekocht, die lebensmittel stammen aus der region (seltener aus einem berner spezereiengeschäft), alles frisch und liebevoll zubereitet. nächtigen kann in einem der sechs ganz unterschiedlich möblierten und verschieden eingefärbten gästezimmer in der ersten etage, bis man am anderen morgen zum reichhaltigen frühstück wieder ins rustikale parterre schreitet.

tagsüber sind die meisten gäste unterwegs, beim einkaufsbummel, bei der weindegustation oder beim besuch der zahlreichen sehenswürdigkeiten. wer sich nicht auskennt, wird beraten; wer auf abenteuer aus ist, folgt einem der vielen besucherInnen-prospekte – oder ganz einfach seiner eigenen nase. und wer einen tag nichts tun möchte, dem verbringt ihn entspannt im riesigen garten, am grossen teich oder beim pétanges-platz!

ich glaube, ich war 2004 zum ersten mal bei barbara und peter „zuhause“. seither bin ich regelmässig wieder zurückgekehrt, und in der zeit ihrer abwesenheit habe ich den besuch in der bresse vermisst. umso freudiger war die nachricht im frühling, dass alle wieder wird, wie es war, und so scheute ich mich nicht, gleich zu den ersten gästen zu gehören!

wer meint, dass alles sei viel zu weit weg und in einer ganz anderen welt, dem oder der sage ich: von bern nach bantanges ist es gleich weit, wie von der bundesstadt ins bündnerische flims! so fällt das distanzargument glatt in sich zusammen – und das mit der anderen welt ist ganz gut, wenn man es aufrecht erhält, um sich in der fremde persönlich zu bereichern.

dieses bantanges ist dank den beiden ausgewanderten bernerInnen in frankreichs burgund auf jeden fall eine (ostern)reise wert!

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