Von Freiheitskämpfern, Medienunternehmern und Journalisten.

Republikanische Rede zur Taufe der «Republik», dem möglicherweise nächsten Kind in der Schweizer Medienlandschaft
PROGR, Bern 12. April 2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren Neugierige!
Am Morgen des 12. April 1798, heute vor 219 Jahren, erklärte der Basler Oberzunftmeister Peter Ochs vor dem Aarauer Rathaus, «Es lebe die Helvetische Republik!». Gleichentags wurde die Verfassung des jungen Staates in Kraft gesetzt, das erste nationale Schriftstück dieser Art.
Vorangegangen war eine Revolution in Europa. 9 Jahre zuvor riefen die Franzosen «Liberté, Egalité et Fraternité» aus, mit dem sie die französische Revolution proklamierten. 3 Jahre später köpften sie den König und liessen die République francaise hochleben. Das provoziert den Kaiser von Österreich so, dass er mit dem König von Preussen das republikanische Frankreich militärisch angriff. Unser Peter Ochs vermittelte 3 Jahre danach einen Separatfrieden mit Preussen, während Frankreich 1797 den Frieden mit Österreich mit Truppensiegen erzwang. Im Vertrag von Campo Formio wurde im wesentlichen das Gebiet der damaligen Eidgenossenschaft vereinbart, denn in den rechtsrheinischen Gebieten sollten die Österreicher das Sagen haben, in den linksrheinischen, also bei uns, Frankreich frei walten können.
Das republikanische Frankreich begann sofort mit der Revolutionierung der Schweiz. Schwierig war das nicht, denn seit 1513 regierten 13 Orte aufgrund ihrer Vorrechte die Eidgenossenschaft. Alles andere waren Untertanengebiete oder Untertanen der privilegierten Herren. Sie alle stellten die Verbündeten der Franzosen dar und wurden Patrioten genannt, was gleich viel bedeutete wie Franzosen. Am 5. März 1798 besetzten die Franzosen Bern, den wichtigsten Ort der damaligen Eidgenossenschaft. Bald merkten sie, dass ihre Aufnahme sehr unterschiedlich ausfiel. General Brune zeichnete schon Pläne für die Dreiteilung der Eidgenossenschaft in Rhodanien, der heutigen Romandie, mit vielen Patrioten, in Helvetien, weiten Teilen der heutigen Deutschschweiz, mit einer Art unrevolutionären Republikanern und dem Tellgau, der heutigen Innerschweiz, mit ganz viel eigensinnigen Föderalisten.
In Paris hatte man für solchen Firlefanz keine Geduld. Vielmehr erliess man die Losung, das ganze Gebiete der vormaligen Eidgenossenschaft heisse ab nun die eine und unteilbare Helvetische Republik. Diese Geschicke dieser Republik sollten knapp 6 Jahre dauern. Gemeinhin wird sie in drei Phasen eingeteilt: In die patriotische Revolutionierung der alten Eidgenossenschaft, in die eigentliche Republik mit einer etablierten Führungsschicht und in die Rebellion mit Aufständischen aus der Bauernschaft. Letzteres mündete in einen Bürgerkrieg, bei dem sich moderne Revolutionäre und konservative Bewahrer gegenüberstanden und durch den das republikanische Zentrum förmlich unterging. Napoléon Bonaparte, nun Consul der französischen Republik, intervenierte noch einmal, diesmal als Vermittler. Die Mediationsakte oktroyiert er den Helvetiern auf. Auf diesem Weg gelang es im, ihren Staat vor dem Chaos zu retten.
Wir wissen, wie die Geschichte weiterging. Der zum Kaiser aufgestiegene Napoléon I. scheiterte schliesslich auf den europäischen Schlachtfeldern. Die Verhältnisse, die er geschaffen hatte, wurden unter Fürst Metternich restauriert. Das System des Wiener Kongresses sollte bis 1848 halten. Dann brachen europaweit neue Revolutionen aus, die einzige dauerhafte Verwirklichung war der Schweizerische Bundesstaat, der bis heute seine Gültigkeit hat. Allerdings, man nannte ihn nie mit viel Pathos Bundesrepublik, sondern profan Bundesstaat. Denn er war nicht mehr von republikanischem Geiste, sondern von liberalem.

Meine Damen und Herren Republikaner und Republikanerinnen!
Was nun ist eine Republik? Die antike Staatstheorie kennt zwei Bedeutungen: das Gemeinwohl, das über dem Privaten steht und welches es zu mehren gilt, und die Abwehr einer übergeordneten Herrschaft, welche eben diese Gemeinschaft in Frage stellt.
Der berühmteste Redner in der Antike war der Römer Cicero, der in seinen republikanischen Reden vor der aufkommenden Macht von Gaius Iulius Caesar warnte. Der aufstrebende Militärherrscher sah sich als Gott, riss die politische Macht an sich und leitete so zur Monarchie unter Augustus über. Die Republik ging unter. Die griechischen Philosophen dachten noch nicht so weit. Für sie war die Republik, deren Begrifflichkeit sie noch nicht verwendeten, das Gemeinwohl. Platon meinte, es könne zum Guten wie zum Schlechten verwaltet werden. Sein Schüler Aristoteles entwickelte auf dieser Basis seine Staatsformenlehre: Wenn einer regiert, ist es eine Monarchie, wenn wenige das Tun eine Aristokratie, und wenn es viele sind, eine Demokratie. Das alles sind die guten Staatsformen. Die schlechten sind die Tyrannis, die Oligarchie und die Ochlokratie, die Pöbelherrschaft. Auch da gilt, der Tyrann ist alleine, die Oligarchie schmal und die Pöbelherrschaft so zahlreich wie die Kommentatoren im Netz.
1870 ging Frankreich definitiv zur Republik über. Deutschland und Österreich machten den Schritt 1918, Italien 1946. Im heutigen Sinne ist die Republik das Gegenstück zur Monarchie. Die ehemaligen Monarchien zeigen ihren Stolz, dass sie sie diese Phase überwunden haben, mit einem Platz der Republik. Paris hat ihn, Berlin auch, Wien ebenso und auch in Rom gibt es ihn.
Die Schweiz hat keinen Platz der Republik! Die Schweiz kennt diese Ortsbezeichnung nicht, weil sie sich längst von der Monarchie verabschiedet hat. Vor der Helvetischen Republik kannte sie Landsgemeinden in der Innerschweiz, Zunftregimes wie in Zürich, Schaffhausen, St. Gallen und Basel, wo die städtischen Gewerbler und Händler das politische Sagen hatten, und die Patriziate, wo ein städtisch gewordener Landadel wie in Bern, Freiburg, Solothurn oder Luzern regierte. Vor der Helvetischen Revolution war jede Politik konfessionell gebunden. Zuerst christlich, dann mit der Reformation aufgeteilt in Katholische und Reformierte. Wegen der konfessionellen Teilung stagnierte die aufstrebende Eidgenossenschaft ab den 1530er Jahren territorial. Bis 1648 gehörten wir mindestens formell alle dem Kaiserreich an, das katholisch war. Der Begriff der Republik taucht hierzulande in diesem Zusammenhang auf. Der Zürcher Theologe Josias Simler veröffentlich 1576 ein Buch unter dem Titel «Respublica Helvetiorum», die Republik der Helvetier. In der französischen Übersetzung hiess die Landeskunde «République des Suisses» im Plural. In der deutschen Fassung nannte man das Werk simpel «Eidgenössisches Regiment». Entscheidend war, dass sich die reformierten Eidgenossen als erste als Republikaner verstanden, während die katholischen Brüder sich als autonomer Teil der Monarchie sahen. Republik meinte, dass man auf dem Wege war, einen eigenen souveränen Staats zu schaffen, auf die konfessionsneutrale Gerechtigkeit anspielte. Leitbild der reformierten Orte wurde der Justitia-Brunnen, der Brunnen der Gerechtigkeit, des Rechts der Republik, das über den religiösen Bekenntnissen stehen sollte.
Der Berner Albrecht von Haller wird den Faden aufnehmen und weiterspinnen, denn er wird als Freund des Aufklärers Montesquieu darüber nachdenken, wie der Geist des Gesetzes am besten zum Ausdruck kommt. Die Teilung der Gewalten wird er zum staatstheoretischen Prinzip erheben und damit in seiner Vaterstadt Bern, die dieses Prinzip nicht kannte und auch nicht realisieren wollte, in Opposition geraten. Von Haller war auch in Opposition zu Jean-Jacques Rousseau, dem anderen Theoretiker der Republik aus unseren Bereitengraden. Dieser sinnierte über die Verwerflichkeit der Gesellschaft und forderte keinen Rechtsstaat, sondern die Rückkehr zum Urzustand in der Natur. Statt aufgeklärten Adelsrepubliken propagierte er eine frühe Art von Öko-Oasen, kleinen Kommunen unter der Führung eines Reformpädagogen, in denen die Arbeitsteilung und damit die Herrschaft aufgehoben werden sollte. Das hat ihm bis heute den Vorwurf eingebracht, eine Art totalitärer Herrschaft vorausgedacht zu haben. Auch Rousseau erhielt einen Gegenspieler. Das Gegenkonzept zur alten Republik wird in der neuen Republik entstehen: Der Franzose Alexis de Tocqueville wird die amerikanischen Verfassung studieren und an ihr herausfinden, wie die demokratische Republik in den USA funktionieren konnte. Denn diese waren ein Zusammenschluss als Bundesstaat, der nach dem Prinzip des Rechts, der Gewaltenteilung und des Wettbewerbs funktionieren sollte. Checks & Balances im Staat sollten hier die Herrschaft überwinden.
Kantone wie Genf verstehen sich bis heute als Republiken im Geiste Rousseaus. Die Schweiz imitierte 1848 jedoch den amerikanischen Bundesstaat. Stärker noch als dieser betonte man damals aber die liberale Seite der Republik. Die Stärke, die daraus entstand, zeigt sich in der bürgerlichen Befreiung der Männer von tradierten Zwängen der Kirchen, sie findet sich im grandiosen Aufstieg der Wirtschaft und sie hat den demokratischen Charakter der hiesigen Politik gestärkt. Aber sie hat einen fundamentalen Mangel: Es ist der Verlust der Gemeinschaft. Sie brauchte die sozialen Kräfte, welche eben diese verloren gegangene Gemeinschaft wiederentdeckten, die Solidarität und die Gleichheit pflegten. Die Schwäche der Republikaner und der Liberalen ist nämlich, dass sie die Rechte an Herkunft oder an die Nationalität banden. Ihre Referenzen sind die Gemeinschaften und Nationalstaaten. Doch genau das gilt es im Digitalzeitalter zu überwinden. Es braucht Rechte, die kosmopolitisch egalitär sind.
Die Geschichte lehrt: Der Liberalismus hat einen Pferdefuss. Es ist der Verlust des Strebens nach Gemeinwohl in der Gemeinschaft. Das merkten die zeitgenössischen Republikaner in den 70er Jahren. James Schwarzenbach schuf die erste antiliberale Gegenbewegung, die heute in verwandelter Form weiterlebt und von den Vorrechten der Herkunft, insbesondere der Männer, träumt. Man kann dem auch ein Gegenmodell gegenübersetzen: Zeitgemässer Republikanismus unterschätzt die Stärke der Gemeinschaften nicht. Er arbeitet am Gemeinwohl. Er ist kosmopolitisch und egalitär. Die Politologin Ulrike Guérot propagiert unerschütterlich ein neues Europa, eine Republik ohne Nationalstaaten – offen, sozial und gemeinschaftlich.

Meine Damen und Herren Medien-NutzerInnen!
Was nun ist die Rolle der Medien in dieser kleinen Staatstheorie? Der Baselbieter Medienwissenschafter Roger Blum hat vor zwei Jahren sein eigentliches Lebenswerk unter dem Titel «Lautsprecher und Widersprecher» veröffentlicht. Dabei hat er eine Typologie von nationalen Mediensystemen entwickelt. Er unterscheidet sechs charakteristische Erscheinungsformen. Drei müssen wir hier nicht behandeln, denn sie gehen von staatlichen oder staatlich kontrollierten Medien aus. Mit typischen Formen für freiheitliche Mediensysteme müssen wir uns aber beschäftigen. Nach Blum gleicht das Mediensystem der Schweiz am stärksten dem in Grossbritannien. Unterschieden wird zwischen Qualitätsmedien und Boulevardpresse. Typisch ist aber, dass alle Medien einen ausgesprochenen öffentlichen Auftrag für sich reklamieren. Den Typ nennt Blum «Public Service», vorbildlich ist für ihn die BBC. Vereinfachend will mir scheinen, dass dieser Typ vor allem in der Suisse Romandie vorherrscht. In der italienischsprachigen Schweiz gibt es laut Blum eher ein Klientelmediensystem. Die Medien gehören einem Padrone aus Gesellschaft oder Wirtschaft, der letztlich bestimmt, was veröffentlicht wird. Alles, was der Klientel des Padrone nützt, gilt als gut, alles andere als schlecht. In der Deutschsprachigen Schweiz tendieren wir stark zu dem, was Blum das liberale Mediensystem nennt. Die Medien sind zum reinen Geschäft geworden, das betrieben wird, solange es rentiert und sonst auch aufgegeben werden kann. Die Verlegerinteressen sind gewahrt, der Padrone hat (noch) nichts zu sagen, aber der öffentliche Auftrag verflacht.
Was heisst das für die neue «Republik»? Zuerst muss sie unabhängig sein, unabhängig von der grossen Einflussnahme, genauso wie es Cicero in seinen republikanischen Reden beschrieb. Der Padrone ist der natürliche Feind der Unabhängigkeit. Dann muss sie der Gemeinschaft verpflichtet sein, dem öffentlichen Wohl, nicht den privaten Interessen. Genauso, wie es die antiken Griechen nannten. In der heutigen Zeit müssen sie aber auch ökonomischen Erfolg haben, ohne in die Macht von Verlagen oder Oligarchen zu geraten. Das ist die grösste Herausforderung!
Die Helvetische Republik ging nach weniger als sechs Jahren ein. Hoffen wir, das geschehe mit der neuen Republik nicht genau so! Die Helvetische Republik hat aber auch Bleibendes geschaffen, von dem wir heute noch profitieren: Allem voran hat sie den Staat von der Kirche getrennt. Und sie hat die Menschen- und Grundrechte eingeführt. Personenunabhängige Gesetze, die im ganzen Land gleich gelten, gehen auf sie zurück. Gemischt ist die Bilanz, wenn es um die Gewaltenteilung, das Schulwesen und den Schweizer Franken geht. Sie alle haben ihren Ursprung in der Helvetischen Republik. Sie alle gingen mit ihr auch unter, um in gewandelter Form mit der liberalen und sozialen Revolution in diesem Land neu zu erstehen.
Wenn ich ein Bild verwenden darf, das zu unserer Stadt passt. Die Helvetischen Republikaner kamen vom Land und aus den Kleinstädten. Sie waren Burgdorfer. Als sie in die Stadt Bern kamen, merkten sie, wie klein sie waren. Letztlich Ameisen! Als sie bleiben wollten, wurden sie brutal vom tonnenschweren Tram überfahren.
Was meine ich damit? Gescheitert ist die Helvetische Republik europapolitisch am grossen Krieg. Auch das muss den heutigen Republikanern eine Lehre sein. Gescheitert ist sie aber auch am Geld. Das ist die wichtigste Lehre für unsere Neu-Republikaner zwischen Freiheitskampf, Unternehmertum und Journalismus.

Claude Longchamp

Crash-Kurs in Berner Geschichte (Chronologie)

21. Jahrhundert
2017 Alec von Graffenried (GFL) wird neuer Stadtpräsident. Seine unterlegene Herausfordererin, Ursula Wyss wäre die erste Stadtpräsidentin aller Zeiten gewesen.

20. Jahrhundert
1992 Rotgrüne Mehrheit im Berner Gemeinderat, Stadtpräsidium geht an SP
1986 Wahl von Leni Robert, erste Frau im Regierungsrat
1979 Jura wird eigener Kanton, Berner Jura bleibt
1971 Einführung des Frauenstimm- und –wahlrechts auf Bundesebene
1970 Einführung des Frauenstimm- und –wahlrechts auf Kantonsebene
1937 Wahl von Robert Grimm, erstem Sozialdemokratien im Regierungsrat
1920 Proporzwahlrecht für den Berner Gemeinderat
1918 Landesstreik, Robert Grimm als Streikführer
1916/7 Lenin in Bern, internationale sozialistische Konferenzen in Zimmerwald und Kiental
1905 Albert Einstein, Einwohner Berns, schreibt seine berühmten 5 Abhandlungen zur theoretischen Physik in Bern

19. Jahrhundert
1895 erster Sozialdemokrat in Berner Stadtregierung
1894 Gründung der Freisinnig-demokratischen Partei in Bern
1893 Käfigturmkrawall gegen Verhaftung Schweizer Arbeiter, die gegen ausländische Lohndrücker protestierten, Militärbesetzung Berns
1888 Gründung der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz in Bern
1874 Revision der Bundesverfassung, Einführung des Referendums
1869 Einführung des obligatorischen Referendums auf Kantonseben
1848 Bern wird Bundesstadt, Sitz von Regierung und Parlament der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Repräsentative Demokratie, Gewaltenteilung der Behörden, der Berner Ueli Ochsenbein wird erster Berner Bundesrat
1846/7 Erste Volkswahl des bernischen Grossen Rates, radikale Mehrheit, Sonderbund des katholisch-konservativen Orte militärisch beendet
1834 Gründung der (liberalen) Berner Universität
1831 Liberale Revolution und Bern, Patriziat dankt ab, repräsentative Demokratie
1815 Die Schweizerische Eidgenossenschaft findet auf dem Wiener Kongress ihre völkerrechtliche Anerkennung mit den heutigen Grenzen, Bern verliert Waadt und Aargau definitiv, bekommt dafür Jura
1803 Mediationsverfassung, Trennung von Stadt und Kanton Bern, Regierungspräsident des Kantons als Nachfolger des Berner Schultheissen

18. Jahrhundert
1798 Besetzung durch französischen Truppen, Ende des Ancien Régimes, Ausrufung der Helvetischen Republik, Säkularisierung der Kirchengüter, bürgerlichen Freiheiten
1792 Sturz der Monarchie in Frankreich, Radikalisierung der französischen Revolution
1777 Albrecht von Haller, Berner Universalgelehrter, Verfechter der Adelsrepublik, aber Kritiker der Berner Verhältnisse, stirbt
1712 2. Toggenburgerkrieg, Sieg mit Zürich in der 2. Schlacht von Villmergen, Friede von Aarau bringt voll Parität der Konfessionen
1702 (verspätete) Einführung des gregorianischen (katholischen) Kalenders

17. Jahrhundert
1682 Allegorische Darstellung der Berner Republik durch Maler Jan Werner
1668 Staatsvertrag mit Frankreich wird erneuert
1654 Beginn der Abkapselung der Berner Burgergemeinde, Bildung des regimentsfähigen Patriziates
1653 Bauernkrieg, Aufstand der Untertanen wird militärisch beendet
1648 Mit dem westfälischen Frieden wird die Eidgenossenschaft unabhängig von Kaiserreich

16. Jahrhundert

1576 Der Theologe Josias Simler veröffentlicht “Republica Helvetiorum” und begründet die Staatslehre der Schweizer Reformierten
1537 Erster Buchdruck in Bern, Mandate der Regierung werden gedruckt
1536 Eroberung der Waadt, Jean Calvin mit Berner Hilfe nach Genf, calvinistische Reformation mit Ausstrahlung in die neue Welt
1528 Reformation in Bern, inspiriert von Huldrich Zwingli, militärische Durchsetzung im Oberland, Beginn der Berner Akademie
1516 Bern unterzeichnet mit allen anderen eidgenössischen Orten den Staatsvertrag ersten Staatsvertrag mit Frankreich, erhält Wirtschaftsleistungen, gibt Söldner
1513 Sieg in der Schlacht von Novara (Oberitalien), Bern bringt den Bären als Trophäe mit nach Hause

15. Jahrhundert
1499 Schwabenkrieg, Sieg über den Kaiseranwärter Maximilian, Autonomie im Kaiserreich im Frieden von Basel bestätigt
1484 Chorherrenstift für das Münster, Beginn der bernischen Staatskirche
1481 Stanser Verkommnis regelt die Eidgenossenschaft neu
1476 Burgunderkrieg, Eidgenossen siegen in der Schlacht von Murten
1470 Wahl des Metzgermeisters Peter Kistler zum Schultheissen, erster Bürgerlicher
1450 Zürichkrieg, erste Aufstände auf dem Land, Krieg endet mit dem Sieg Berns, mit dem Frieden von Einsiedeln wird Mitgliedschaft in der Eidgenossenschaft exklusiv
1415 Bern wird Reichsstand im Heiligen Römischen Reich, Bau des Rathauses, Eroberung des Aargaus
1405 Grosses Stadtbrand, 550 Häuser brennen in einer Nacht ab

14. Jahrhundert
1393 Bern unterzeichnet den Sempacherbrief der Eidgenossenschaft, vermutlicher Beginn der Tagsatzung
1384 Burgdorferkrieg als des Städtekrieges gegen den Adel , Bern kauft den Grafen von Kyburg Burgdorf und Thun ab
1379 Privileg des Kaufs und Verkaufs von kaiserlicher Lehen
1365 Kaiserbesuch, Rückkehr der Junker, kaiserliches Handelsprivileg
1353 Bündnis Berns mit der Innerschweizer Eidgenossenschaft
1348/9 Grosse Pest in Bern, Vertreibung der Junker

13. Jahrhundert
1298 Bern wählt wie eine Reichsstadt den Schultheissen selbständig
1295 Bündnis Berns mit Solothurn, Beginn der «Burgundischen Eidgenossenschaft»
1292/4 Stadtverfassung, durch König Adolf von Nassau anerkannt, Einführung des Grossen Rates
1254 Ende der Staufferdynastie, vermutliches Datum der Handfeste, Savoyischer Schutz

12. Jahrhundert und vorher
1191 Legendäre Stadtgründung durch Herzog Berchtold IV. von Zähringen
962/1032 ganzes Gebiet der heutigen Schweiz kommt zum Kaiserreich
843 Aare als Grenze bei der karolingischen Reichsteilung
617 Sieg der Alemannen über Burgunder
497 Einwanderung der Alemannen im Aaretal bis Burgdorf
443 Eiwanderung der Burgunder links der Aare

Der sympathische Justizminister

77 Stunden hat er die letzte Woche gearbeitet; im Schnitt sind es 55, verteilt auf 6 Tage und Abende. Das ist mehr als das Mittel der Berner. Dafür verdient er auch mehr, und er macht auch etwas mehr Ferien als der Schnitt. Der Berner Justizminister Christoph Neuhaus hat heute Ferien. Im lockeren Outfit spricht er vor einer Gruppe junger Asylsuchenden. Eine Lektion in Berner Staatskunde soll es werden.

neuhaus
Regierungsrat Neuhaus und die Bibel im Regierungszimmer

Der Berner Politiker begrüsst die Interessierten aus vielen Ländern auf der linken Treppe vor dem Berner Rathaus. Eine Stunde lang wird er ihnen zeigen, wo das Gesetz des Kantons und der Stadt entsteht, und wo die Berner Synode tagt. Politik wird er nicht betreiben, aber so gut wie möglich erklären. Der Empfangssaal im Untergeschoss, die Wandelhalle oben, der Tagungssaal des Parlaments resp. der Regierung und die Kapelle sind die Stationen.

Das Parlament
Im grossen Saal des Parlaments geht es um die politischen Parteien.
Die FDP, die liberal ist und wenig Gesetze will.
Die SVP, eine konservative Partei, die wenig Flüchtlinge will.
Die BDP, für die die SVP unanständig ist.
Die religiösen Parteien, christlich und/oder sozial.
Die GLP und die Grünen, beide für die Umwelt.
Und die Sozialisten, für die Gleichheit der Menschen.
Das Wandbild, auf das derweil alle schauen, stammt aus dem letzten Krieg. Links ist das Nationale, sagt der Referent, der Zeit als die Schweiz sich angesichts des Krieges zwischen den Nachbar eingeigelt hat; rechts geht es um die damalige Gesellschaft, noch klar aufgeteilt in arbeitende Männer und fürsorgliche Frauen. Wenig später wird der Politiker erklären, es sei nicht gut, wenn Männer oder Frauen nur unter sich politisieren. Alle sind Menschen, und sie alle haben gute Ideen. Man müsse sie nur zusammenbringen.
Als fast alle aus dem Saal sind, postiert sich eine der Frauen vor dem Rednerpult. Ihre Haarbedeckung verweist auf die Tradition in ihrem Land. Doch Augen funkeln, als sie den Blick in den Rat wirft, als wollte sie zeigen, wie gerne sie Politikerin wäre.

Die Regierung

Die Sitzordnung im Regierungsrat ist hierarchisch: vorne der Präsident, daneben die Stabschefs für das Juristische resp. für die Kommunikation. Dann der Stellvertreter des Präsidenten, und dessen Stellvertreter. Nach einem Jahr wird automatisch gewechselt. Das amtsälteste Mitglied sitzt dem Präsidium nahe, denn es bringt am meisten Erfahrung ein, dann geht es dem Amtsalter nach. Die Novizen haben die hintersten Ränge
Wie lange man regieren könne, will ein Junge wissen. Ein Regierungsrat der SP oder der SVP könne maximal 16 Jahre in der Exekutive bleiben. Das bestimmt seine Partei. Die Vertreter der andern können unbeschränkt bleiben.
Nach 10 bis 12 Jahre habe man anstrengenden Job jedoch meist satt, sagt Neuhaus. Medien und Handy haben die Gangart der Politik beschleunigt, was mehr anstrengt als früher.
Parlamentarierinnen haben vier Möglichkeiten beim Abstimmen: Ja, Nein, weiss nicht. Oder man verlasse noch rechtzeitig der Raum, um ein scheinbar dringendes Telefonat zu machen. Die Gruppe kichert. In der Regierung muss man Farbe bekennen. Da gibt es nur Ja oder Nein. Man kommt, selbst wenn man krank ist. Denn die Mehrheitsverhältnisse sind 4 zu 3 so oder anders herum.
Bevor man abstimmt, wird diskutiert. Untereinander sprechen sich die Regierungsmitglieder mit ihrem Titel an: “Frau Regierungspräsidentin”, “Herr Justizminister”. Das verschafft Respekt – gerade wenn es einmal hitzig zu und her gehen sollte.

Politische Kulturen
Für Sittlichkeit sorgt im karg ausgestatteten Raum auch eine Bibel. Einmal, weiss der Kirchendirektor zu berichten, habe ein Pfarrer etwas gepredigt, das der Regierung nicht gepasst habe. Die Rüge, die man ihm erteilt wollte, quittierte der Gottesmann mit dem Hinweis, er zitiere nur die Bibel. Das habe man nachprüfen wollen, ohne jedoch das geschriebene Wort Gottes im Haus zu finden. Seither gibt es in Bern immer eine Bibel, wenn regiert wird.
Die Begrüssung hatte der Regierungsmann so begonnen: “Gott ist Burger zu Bern”, und wer will schon gegen Gott Krieg führen. Der Stolz der Berner hat lange genützt, bis die moderne Zeit und die französische Besatzung kamen. Die Staatskirche gibt es heute nicht mehr, aber drei Landeskirchen hat der Kanton Bern. Keine kann heute für sich beanspruchen, alleine die Wahrheit zu vertreten. Ein Viertel der Einwohnerinnen ist in keiner Kirche. Es sei es angezeigt, religiöse Neutralität zu wahren. Bald werde man auch in Bern die Kirche und den Staat besser trennen – so wie man es im Schulbuch gelernt habe.
7 Prozent im Kanton Bern sprechen französisch. Die anderen reden in ihre Dialekt, aus dem Seeland, dem Emmital, dem Oberland oder aus der Stadt. Im Grossen Rat wird übersetzt. Die Uebersetzung der Politikersprache für die Bevölkerung machen Zeitungen und Radio. Seit 1831 sind die Verhandlungen der VolksvertreterInnen öffentlich. Das ist Demokratie.

Generationen über Generationen
Am Anfang der Führung hatte Neuhaus einen Sprachtest gemacht. Das Rathaus sei vor 600 Jahren gebaut worden. Wie alt es sei, wollte er bald danach wissen. Die Antworten waren durchwegs richtig. Er müsse zugeben, er könne schlechter arabisch als die Asylsuchenden deutsch, war der ehrliche Kommentar.
Am Schluss lobt der sympathische Justizminister die jungen Leute. Für Menscehn wie sie würde man heute Gesetze machen. Wenn sie sich anstrengen würden, könnten auch sie ins Parlament gewählt werden, und die Gesetze für die nächste Generation beschliessen. Einige sind gerührt. An dieses Politikerwort erinnern sie sich bestimmt lange.
Als alle gegangen sind und wir zu zweit vor der Rathaus stehen, frage ich den Regierungsmann, ob er auch die Symbolik der Fassade kenne. Er verneint, sodass ich nachhelfe. Ueber Treppe geht es um Wahrheit und Lüge, der guten und der schlechten Seite der Politik. Darunter finden sich Samson, der Löwenbändiger, und Diogenes, der Hund. Das sind die guten und schlechten Menschen. Schlecht seien Tugenden wie die Feigheit, die Ungerechtigkeit, der Hochmut und die Verführung. Das zeigt die Treppe rechts. Das Gute aus den Generationen, als das Rathaus gebaut wurde, steht auf der linken Treppenseite: die Unschuld, die Demut, die Keuschheit und die Wohltat.
Letztere Figur befindet sich genau dort. wo der Regierungsrat eine Stunde zuvor seine Schützlinge begrüsst hatte.

Stadtwanderer

Stadtwandern für das Projekt R.

Hier der Hinweis auf meine republikanische Stadtwanderung, der ersten dieser Art, extra am 12. April, dem Jahrestag der Verfassung der Helvetischen Republik!

Am Mittwoch um 17 Uhr 15 startet meine neueste und gleichzeitig letzte Stadtwanderung, speziell für das Projekt R.. 2018 will diese Gruppe von Journalisten, Unternehmerinnen und Technikerinnen eine neue Online-Zeitung herausgeben.

Warum hat Bern (noch) keinen Platz der Republik?

Vor-Station 1: (für gar Nicht-Ortskundige): Zähringer-Denkmal: Craskurs in Berner Geschichte (speziell für Zürcher)
Vor-Station 2: (für gar Nicht-Kenner der Republiken): Gerechtigkeitsbrunnen: Politische Philosophie: Was uns die Denkväter und -mütter der Republiken von Aristoteles, Cicero, Niccolo Machiavelli, Baron de Montesquieu, Jean-Jacques Rousseau, Alexis de Tocqueville bis Ulrike Guerot zu sagen haben!

1. Station: Junkerngasse (gleichzeitig Vorschlag 1 für den Platz der Republik): Republikaner vs. Liberale oder Albrecht von Haller vs. Georg F. Hegel in einem Haus
2. Station: Station: Rathaus (gleichzeitig Vorschlag 2): Gemeindebildung als Basis des Republikanismus – Variante Bern
3. Station: Kornhaus (gleichzeitig Vorschlag 3): Respublica Bernensis – die traditionsbewusste Stadtelite
4. Station: Tramschienen vor dem Zytgloggeturm (gleichzeitig Vorschlag 4): Helvetische Republik – vom Scheitern der modernen republikanischen Revolution
5. Station: Bundeshaus (gleichzeitig Vorschlag 5): Der liberale Bundesstaat als ideologischer Gegner des Republikanismus
6. Station: Medienzentrum (gleichzeitig Vorschlag 6): Republikanische Oeffentlichkeit gegen die Dominanz der click-Medien

Abstimmung über den neuen Platz der Republik in der Stadt Bern

Ich bin gespannt,

Stadtwanderer