Politische Akteure ergänzen die verfassungsmässigen Institutionen zum politischen Syste

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Politische Akteure
Spricht man in der Politikwissenschaft von einem politischen System, meint man die verfassungsmässien Institutionen wie Parlament, Regierung, Gericht und die Akteure, die Politik betrieben, selbst wenn sie nicht ausdrücklich in der Verfassung erwähnt werden.
In der Schweiz sind das beispielsweise Verbände und Parteien. Verbände sind wirtschaftliche Interessenvertreterinnen, während politische Parteien gesellschaftliche Projekte auf der Basis von Weltanschauungen darstellen. Beide werden hierzulande in einem Atemzug genannt, weil sie national gesehen mit der Referendumsdemokratie entstanden. Sie wurden zwingend, weil man ab 1874 nationale Abstimmungen durchführen konnte, während die Wahlen stets kantonale Angelegenheiten blieben.

Verbände der Wirtschaft
Gegründet wurde der Schweizerische Handels- und Industrieverein 1870. Er organisierte Großindustrie und Großbanken, die für das Exportgeschäft tätig waren. Geläufig war der Name „Vorort“, womit auf die herausgehobene Bedeutung Zürichs als wirtschaftliche Kapitale anspielte. Es folgten 1879 der Schweizerische Gewerbeverband als Vertreter der Binnenwirtschaft, 1880 der Schweizerische Gewerkschaftsbund, der die Arbeiterschaft betrat, 1890 der Schweizerische Konsumverein und 1897 der Schweizerische Bauernverband. Die meisten von ihnen waren in den Kantonen schon vorher aktiv gewesen, wo sie häufig nach Branchen organisiert waren.
Die Entwicklung der Verbände gliedert man verschiedene Phasen: von 1874 bis 1914 fand der Aufbau von Verbänden statt, von 1914 bis zur Weltwirtschaftskrise war die Uebernahme parastaatlicher Aufgaben und von anfangs der 30er Jahre bis zirka 1990 die Mitwirkungen bei der behördlichen Willensbildung entscheidend. Namentlich zwischen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer etablierte sich ab 1937 in der Metallindustire die Sozialpartnerschaft. Die Gewerkschaften verzichteten auf Streiks, die Unternehmer auf Aussperrungen. Dafür setzte man sich gemeinsam an den Verhandlungstisch. Seit den 1990er Jahren mehren sich Organisationsprobleme bei zahlreichen Verbänden, nicht zuletzt weil übergeordnete Interessen nur noch schwer zu erzielen sind. Etabliert haben sich dafür PR- und PA-Agenturen, die Interessenvertretung auf Wettbewerbsbasis leisten und damit der Pluralisierung vermittelter Interessen gemäß der US-amerikanischen Entwicklung folgen.

Politische Parteien
Politische Parteien entstanden auf nationaler Ebene ab 1888. Hier ging die Sozialdemokatische Partei voraus, die sich als Teil der internationalen Arbeiterbewegung verstand. Als zweite Partei entstand auf nationaler Ebene die FDP, als dritte die KVP (die Vorläuferpartei der heutigen CVP). Die SVP begann auf nationaler Ebene als BGB 1937. Sie kannten eine umgekehrte Entiwcklung, entstanden sie doch zuerst in den Kantonen, erst dann im Bund.
Im 20. Jahrhundert veränderte die Sozialdemokratie die Schweizer Politik nachhaltig. 1918 trat man mit den Gewerkschaften in den Landesstreik, dem damals größten sozialen Konflikt. Gemeinsam erhob man 9 Forderungen. Drei davon sollten Schule machen: die Proporzwahl des Nationalrates, welche die Vorherrschaft der FDP im Parlament beendete, die Sozialversicherungen die gesellschaftliche Sicherheit über die Familien hinaus etablierten, und das Frauenstimmrecht- und -Wahlrecht. Letzteres dauerte zwar noch bis 1971, hat dann aber die Politik der Behörden, die Thematisierung politischer Problemlagen und die Wahl- und Abstimmungsergebnisse verändert.
In der Anfangszeit waren die bürgerlichen Parteien Honoratiorenparteien, welche die lokalen Eliten organisierten. Das war bei der SP, später auch bei der SVP anders, die sich Massenintegrationsparteien ihre soziologischen Basis politisch konstituierten. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte man dem europäischen Trend zu Volksparteien. Der ideologische Untergrund schwand, die Offenheit gegenüber pragmatisch eingestellten Wählenden mit unterschiedlichen Hintergründen stieg. Primäre Konfliktlinie war das Verhältnis von Markt und Staat, mit dem Wohlfahrtsstaat lange moderiert.
Parallel zur Sozialpartnerschaft im Verbandsbereich etabliert sie die Konkordanz unter Regierungsparteien 1959. FDP, SP, CVP und SVP teilten sich die Regierungssitze nach einer festen Formel, die Parteistärken berücksichtigte, aber auch auf einer minimalen inhaltlichen Uebereinstimmung basierte.
Das begann sich mit dem Ende des Kalten Krieges zu ändern. Die Konfliktlinien hatten sich schon in den 80er Jahren mit Forderungen zur Oekologie und Feminismus erweitert. Nun kam eine Polarisierung entlang der Europa-Frage hinzu, welche die kulturelle Dimension der Politik reaktivierte. Entstanden ist auch ein neuer Parteityp, der der Unternehmerpartei mit der SVP als Vorbild, der in Kommunikation und Weltanschauung populistische Elemente aufnahm, dank direkter Demokratie ein Betätigungsfeld fand und elektorsle Erfolg feierte.

Das Verhältnis von Parteien und Verbänden
Zu den größten Eigenheiten des politischen Systems der Schweiz gehört das Verhältnis von Verbänden und Parteien. Die Politikwissenschaft lehrt, dass es eine Hauptaufgabe von Parteien sei, Interessen zu aggregieren, sprich zu bündeln und so in Regierung oder Opposition einzubinden. In der Schweiz ist das jedoch anders. Der Staat setzt bei der Willensbildung primär auf die Verbände, die Parteien aggregieren oder bündeln. Bei Economiesuisse sind das beispielsweise in Finanzfragen die FDP, SVP und CVP (neuerdings auch GLP und BDP), während Gewerkschaften das im Sozial- oder Arbeitsrecht mit den rot-grünen Parteien machen.
Immerhin, in den jüngsten Jahren zeigt sich ein gewisser Emanzipationstrend. Die SVP will europapolitisch, die CVP familienpolitisch kein Anhängsel der Wirtschaftsverbände mehr sein. Auch SP und Grüne lassen sich ihre Programmatik nicht mehr ungeschaut von den Gewerkschaften vorschreiben. Jüngste Ausnahme allerdings: die Europafrage.

Du Theatre als Magnet
Im Berner „Du Theatre“ tagte 1848 die erste Vereinigte Bundesversammlung. Bis heute wirkt der Ort magnetisch auf politische Akteure. Den Bundesrat sieht man hier nach Sitzungen gemeinsam Essen. Im Dachstock des Hauses hat die Schweiz. Bankiervereinigung ihr Berner Büro fürs Lobbying eingerichtet. Und die SP ist jüngst gezügelt. Symptomatisch haust sie nun gegenüber dem „Du Theatre“.
Es ist und bleibt ein Zentrum der Vernetzung von Institutionen und Akteuren der Bundespolitik.

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