Wie die Reformation die frühe Niederlande begründete

Niederlande in Bern (Teil 2)

Ohne es zu wollen, erschütterte Martin Luther 1517 nicht nur die Glaubenseinheit des christlichen Abendlandes. Er machte auch das christliche Bekenntnis in seinen verschiedenen Formen zu einem wirksamen Instrument im Kampf um Einfluss und Macht in Europa.
Alles begann mit seinem Thesenanschlag in Wittenberg. Am Ende setzte sich im Kaiserreich der Grundsatz «Cuius regio, eius religio» (Wessen Gebiet, dessen Religion.) durch.
Die Eidgenossenschaft war ein frühes Zentrum an Reformationen. Zuerst in Zürich, dann in Bern und schliesslich in Genf setzten sich die Ideen der Neugläubigen durch. Das blieb nicht ohne Gegenwehr. 1529 und 1531 fanden die ersten Religionskriege in Europa auf eidgenössischem Boden statt. Das spaltete die Kantone in konfessionelle Lager.
Erst mit den 1550er Jahren trennte man die verschiedenen reformatorischen Kirchen deutlicher. Das war ein Vorwirkung des Augsburger Religionsfriedens von 1555, der die Lutheraner im Kaiserreich anerkennen, die Calvinisten aber verbieten sollte. Dafür breiteten sich die Hugenotten in Frankreich aus, bis sie 1685 definitiv vertrieben wurden und als Flüchtlinge unter anderem in die Schweiz kamen.
In den Niederlanden wurden die Calvinisten zur vorherrschenden Konfession der Gegner der herrschenden habsburgischen Spanier. 80 lange Jahr lag man miteinander im Krieg. 1579 formierten die sieben nördlichen Provinzen den ersten republikanischen Staat der Niederlande. 1648 legalisierte der Westfälischen Friede diesen Status.
Der «30jährige Krieg» davor verwüstete halb Europa. Gleich zu Beginn des Krieges versammelten die niederländischen Calvinisten auf der Synode von Dordrecht Glaubensbrüder. Auch die Schweizer Reformierten waren dabei. Propagiert wurden eine strenge Lehre und ein gemeinsamer Buss- und Bettag.
Die Schweiz übernahm letzteres, entwickelte aber eine eigene Tradition. Denn man blieb von Krieg und der Pest weitgehend verschont. Selbst die hiesigen Katholiken dankten dankten , wenn auch an einem anderen Tag.
Die Niederlande und die Schweiz sind bis heute als konfessionell gemischte Staaten. Anders als in Belgien oder Oesterreich verlor die römisch-katholische Kirche ihre Vormachtstellung. Anders als in England, Schottland oder Schweden etablierten sich aber keine neuen Nationalkirchen.
Das sollte die politische Kultur der beiden Länder prägen. Davon wird noch die Rede sein.

Alles wird Orange (Oranje)

Niederlande im Bern (Teil 1)


© Urs Baumann

Wie hiess der griechische Meeresgott? Poseidon! Das weiss man doch aus den Beschreibungen der Seefahrten Homers.
Aber Arausio? Das war der ligurischen Wassergott, der das Meer des Volkes von Genua mit Ausläufern ins Rhonetal schützte. Seit die Germanen 105 vor Christus in Arausio die Römer schlugen, weiss man auch um einen Ort mit diesem Namen.
Im Mittelalter wird durch Lautverschiebung daraus «Orange», heute im südfranzösischen Departement Vaucluse gelegen. Ein örtlicher Bischof ist seit dem 3. Jahrhundert nach Chr. nachgewiesen, ein Graf seit dem 9. Jahrhundert. Genau auf diese Grafen hatte es Kaiser Friedrich I. Barbarossa abgesehen, als er versuchte, das ehemalige Königreich Burgund im Rhonetal ins Kaiserreich einzubinden. 1163 beförderte sie zum Prinzen von Orange. Damit macht er die neuen Reichsfürsten zum Getreuen des Kaisers.
19 Prinzen von Orange kennt die Geschichte, bevor der regionale Adel ausstarb. Doch es blieb der Titel. Per Erbschaft ging er an das Haus Nassau in den Niederlanden. Der historisch bekannteste Naussauer war Wilhelm I., der sich zwischen 1544 und 1584 Fürst von Orange und Statthalter von Holland nannte. Er gilt als wichtigster Anführer des niederländischen Aufstandes gegen die habsburgischen Spanier, welche damals die Niederlande regierten. Der 80jährige Unabhängigkeitskrieg endete erst mit dem westfälischen Frieden von 1648 mit dem Austritt aus dem Kaiserreich.
Das war die Geburtsstunde der Niederlande. Wilhelm von Orange, niederländisch Willem van Oranje, ist deshalb der eigentliche Stammvater der Niederländer, der die Farbe Orange in den kontinentalen Norden brachte. Daran erinnern heute sowohl das niederländische Königshaus wie auch die niederländische Nationalmannschaft im Fussball. Beide heissen bis dato “Oranje”.
Letzteres weiss in Bern seit der Euro08 jeder Erwachsene. 100000 Fans aus Niederlanden begleiteten ihre Stars in die Bundesstadt, wo sie allerdings im Viertelfinale gegen Russland ausschied, wenn auch erst in der Verlängerung. Die Kornhausbrücke heisst seither “Korenhuisbrug”, selbstredend in oranger Farbe.
Nur der Bezug zu Arausio, dem ligurischen Wassergott, ist fast ganz in Vergessenheit geraten.
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